Der jüdisch-christlich-islamische Trialog


Etude Scientifique, 2007

44 Pages


Extrait


Inhalt:

Einleitung: Ein Dialog von Juden, Christen und Muslimen?

1.Der eine Gott

2. Abraham als gemeinsames Glaubensideal

3. Welchen Stellenwert hat Jesus?

4. Welche Bedeutung hat Muhammad?

5. Wie lesen wir die Heiligen Schriften?

6. Das Problem: Fundamentalistische Strömungen

7. Der Brennpunkt: Jerusalem und der Nahe Osten

8. Die Chance: Wettstreit im rechten Handeln

9. Ökumenische Visionen

10. Trilaterale Aktivitäten und Institutionen (mit Adressen)
10.1. Abrahamische Häuser
10.2. Abrahamische Foren und Teams
10.3. Abrahamische Tagungen und Feste
10.4. Abrahamische Gebete
10.5. Abrahamischer Unterricht und Forschergeist

Literaturverzeichnis

Einleitung: Ein Dialog von Juden, Christen und Muslimen?

Jedermann weiß und sieht durch die täglichen Fernseh- und Zeitungsberichte bestätigt: Religionen sind alles andere als Quellen des Friedens oder der Liebe. Im Gegenteil haben sie oft genug das Konfliktpotential zwischen den Völkern noch zusätzlich geschürt. Das gilt am meisten für Judentum, Christentum und Islam. Aus religionsphänomenologischer und -psychologischer Perspektive zeigen gerade die sog. “prophetischen" bzw. “monotheistischen Religionen" eine besondere Neigung zur Unduldsamkeit, zu allein seligmachenden Absolutheitsansprüchen, ja sogar zu Hass und Fanatismus (z.B. Mensching 1996; Odermatt 1991; Zirker 1995). Doch jede Religion hat zwei Gesichter. Auf der einen Seite gibt es in der Tat die unduldsamen Extremisten, die sog. “Fundamentalisten", die nicht nur im Islam, sondern ebenso im Judentum wie auch im Christentum zu beobachten sind. Von diesen radikalen Kräften, die in jeder der drei Religionen bisher eine Minderheit darstellen, hören wir in unserer Medienwelt am häufigsten (s.u. 6.). Auf der anderen Seite jedoch finden wir in jeder Religion zu allen Zeiten solche Menschen, die Andersglaubenden gegenüber offen und tolerant begegnen. Es ist keineswegs so, daß die gemeinsame Geschichte von Juden, Christen und Muslimen eine einzige Geschichte der Konfrontation gewesen ist. Es gibt und es gab auch Zeiten durchaus gelingenden Zusammenlebens. Erinnert sei an Sizilien (9.-13. Jahrhundert), Bosnien (14.-20. Jahrhundert) oder den Libanon (16.-20. Jahrhundert). Noch bekannter ist die Ära des maurisch-andalusischen Spanien vom 8.-15. Jahrhundert (de Epalza 1996). Für Jahrhunderte haben unter islamischer Oberherrschaft Juden, Christen und Muslime einigermaßen einträchtig zusammengelebt und dabei wunderbare Kultur- und Geistesschöpfungen hervorgebracht. Diese Beispiele zeigen, dass auch die monotheistischen Religionen nicht notwendigerweise und nicht immer und überall intolerant und fanatisch sind.

Ein weiterer Beleg für ein positives Verhältnis zwischen Juden, Christen und Muslimen ist die jüngste Geschichte der drei Religionen. Diese ist v.a. seit den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts zunehmend vom sog. “Trialog" geprägt. Mit “Trialog" ist in verkürzter Ausdrucksweise der trilaterale Dialog zwischen Juden, Christen und Muslimen auf den verschiedensten Ebenen gemeint. Längst hat sich dieser Trialog institutionalisiert. Eine Vielzahl von Einrichtungen, eine Fülle einzelner wie auch regelmäßiger Aktivitäten ist seit einigen Jahren auf diesem Gebiet zu beobachten (Bauschke 2001a). Obgleich also kein neues Phänomen, gehört die vielerorts in der Welt entstehende Begegnung von Angehörigen dieser drei Religionen zu den bemerkenswertesten und hoffnungsvollsten Entwicklungen der neueren Religionsgeschichte. Der Trialog ist auch deshalb von erheblicher Bedeutung für die allgemeine Begegnung der Kulturen, weil ihm schon rein quantitativ ein besonderes Gewicht zukommt: Juden, Christen und Muslime machen derzeit zahlenmäßig zusammengenommen gut die Hälfte der Weltbevölkerung aus. Gelänge ihnen ein konstruktiver Dialog, wäre gleichsam die halbe Menschheit im Gespräch.

Empirisch muß festgestellt werden: der trilaterale Dialog von Juden, Christen und Muslimen steht weltweit und in Deutschland noch am Anfang. Wenn man sich klar macht, wie lange es gedauert hat, bis sich nach 1945 der jüdisch-christliche Dialog entwickelt hat, darf man davon ausgehen: der Trialog wird noch mindestens zwei Jahrzehnte brauchen, bis er sich ebenfalls als ein integraler Bestandteil innerhalb des allgemeinen interreligiösen Dialogs mit seiner spezifischen trilateralen Agenda weltweit etabliert haben wird. Dabei liegen die Schwierigkeiten nicht nur in den allgemeinen gesellschaftlichen, politischen oder - vor allem in Deutschland und Israel - historischen Rahmenbedingungen, sondern nicht zuletzt bei den betroffenen Akteuren selbst. Aber auch dieses Urteil ist durchaus ambivalent. Engagierte, meist liberal gesinnte Juden, Christen und Muslime sind auf der einen Seite die wichtigsten Förderer des Trialogs, und auf der anderen Seite sind die stärksten Widerstände bei der Etablierung des Trialogs eben unter meist sehr konservativen bis hin zu fundamentalistischen Juden, Christen und Muslimen zu finden. Diese Ambivalenz ist ganz allgemein anzutreffen: Religion fördert und hemmt zugleich den Dialog, Religion kann dialogfähig und auch dialogunfähig machen. Die längeren Erfahrungen des jüdisch-christlichen Dialogs wiederholen sich derzeit auf der trilateralen Ebene. So benötigen (und erhalten) beispielsweise Juden und Muslime in Deutschland fast durchweg die Unterstützung der christlichen Kirchen(leitungen), um vor Ort den Bau einer Synagoge oder Moschee zu realisieren; auf der anderen Seite sind bestimmte Kirchengemeinden, Pfarrer oder einzelne Christen in Bürgerinitiativen sogar die heftigsten Gegner, wenn es etwa darum geht, den Bau von Moscheen zu verhindern.

Im Folgenden sind zunächst ausgewählte zentrale inhaltlich-theologische Themen und dann einige beispielhafte konkrete Aktivitäten im Horizont der Begegnung von Juden, Christen und Muslimen in Deutschland skizziert.

1. Der eine Gott

Die grundlegende Gemeinsamkeit von Juden, Christen und Muslimen dürfte der Glaube an den einen Gott sein. Im bilateralen jüdisch-christlichen und jüdisch-islamischen Dialog ist diese Frage niemals strittig gewesen (Friedlander 1995; Lapide/Panikkar 1994), um so mehr hingegen in der Begegnung von Christen und Muslimen, v.a. von christlicher Seite. Muslime verweisen auf die eindeutige Auffassung des Korans: “Unser Gott und euer Gott ist einer" (Sure 29,46; vgl. 2,139; 3,64; 42,15). Die Christen jedoch taten sich die längste Zeit ihrer bisherigen Geschichte recht schwer mit dieser Auffassung. Ihnen galt “Allah" vielfach nur als Götze und ketzerisches Zerrbild des wahren (= christlichen) Gottes. Gerne wird gegen die Selbigkeit Gottes in allen drei Religionen eingewandt, diese Auffassung sei empirisch nicht verifizierbar, denn dazu müsse man einen “Standpunkt über den Religionen" einnehmen (z.B. Hempelmann 1997). Dazu ist zu sagen: was empirisch nicht verifizierbar ist, kann ebensowenig empirisch falsifizierbar sein. Woher will man denn wissen, daß Juden, Christen und Muslime nicht an denselben Gott glauben, wenn man nicht seinerseits einen Standpunkt über den Religionen einnimmt? Es ist keine Frage: einen objektiven Beweis für die Selbigkeit Gottes gibt es nicht, genauso wenig wie es einen solchen Beweis auch nur für die Existenz dieses Gott gibt. Doch im Trialog engagierte Juden, Christen und Muslime machen die Erfahrung, daß sie an denselben Gott glauben, z.B. bei gemeinsamen Gebetsfeiern (s.u. 10.4). Das ist kein abstrakter, theoretischer Meta-Standpunkt, sondern eine konkrete, gemeinsame Glaubenserfahrung derer, die den Trialog praktizieren. Zur Selbigkeit Gottes hat sich 1964 das Zweite Vatikanische Konzil (Lumen gentium, 16) bekannt: “Die Heilsabsicht (sc. Gottes) umfaßt aber auch die, welche den Schöpfer anerkennen, unter ihnen besonders die Muslime, die sich zum Festhalten am Glauben Abrahams bekennen und mit uns den einzigen Gott anbeten, den barmherzigen, der die Menschen am Jüngsten Tag richten wird." Wenige Jahre später folgte der Ökumenische Rat der Kirchen. Im Schlussdokument des ersten Dialogtreffens mit Vertretern des Islams 1969 in Cartigny steht programmatisch: “Judentum, Christentum und Islam gehören nicht nur historisch zusammen; sie sprechen von demselben Gott, Schöpfer, Offenbarer und Richter" (ÖRK 1989, 4). Einschränkend ist für die christliche Seite hinzuzufügen: insbesondere evangelikale und konservativ protestantische Gruppen, Theologen und Kirchenleitungen sind bis heute nicht auf der Höhe der theologischen Einsicht des ÖRK und des Zweiten Vatikanums.

Die Überzeugung unter Juden, Christen und Muslimen, daß sie an denselben einen Gott glauben, kann, wie die Praxis lehrt, als die conditio sine qua non, die theologische Minimalbedingung jeder gelungenen trialogischen Begegnung bezeichnet werden. Vergleicht man die Aussagen der Heiligen Schriften miteinander, können etliche konstitutive Prädikate benannt werden, die das jüdische, das christliche und das islamische Gottesbild unbeschadet aller Differenzen gleichermaßen charakterisieren: Gott als der Lebendige und Ewige, als der Schöpfer, Erhalter und das Licht der Welt, als der Verborgene und zugleich sich Offenbarende, Gott als der barmherzig und hilfreich dem Menschen Zugewandte, als der, der durch den Mund der Propheten zu den Menschen spricht, Gott als der Lenker und als der Vollender der Geschichte, der vom Tode auferweckt und richtet. Dabei ist jedoch zu differenzieren zwischen Gott (an sich) als dem gemeinsamen Gegenüber, derselben Gottheit, der die Verehrung von Juden, Christen und Muslimen gilt, und den Gottesbildern und Gotteserfahrungen, über die sie in gemeinsamer, aber eben auch in unterschiedlicher Weise verfügen (Hick 1996; Leuze 2002; Stöhr 2000; Tworuschka 1980/2000). Anders ausgedrückt: es ist derselbe eine Gott, an den Juden, Christen und Muslime glauben, aber nicht in jeder Hinsicht der gleiche Gott, also die gleiche Erfahrung mit und Vorstellung von ihm, die sie ins Gespräch einbringen. Der Hinweis auf die gemeinsame Verehrung des einen Gottes bedeutet keineswegs zu verschweigen, dass es im Gottesverständnis tiefgreifende Unterschiede gibt (Falaturi/Petuchowski/Strolz 1987; Lapide/Panikkar 1994; Ritter 1995/1998). Doch gilt dies nicht nur interreligiös, sondern auch intrareligiös: Vorstellungen vom liebenden Gott, vom gnädigen und barmherzigen Gott oder vom gerechten Gott unterscheiden nicht pauschal und prinzipiell Juden, Christen und Muslime voneinander, sondern auch die Gläubigen in den einzelnen Religionen selbst (Kandil 1993).

2. Abraham als gemeinsames Glaubensideal

Kein Zweifel: Abraham hat Konjunktur. Nicht allein erscheinen vermehrt Bücher und Artikel über ihn (u.a. Feiler 2002; Gräbe 2000; Kratz/Nagel 2003; Krupp 1995; Kuschel 2001; Schumann 1997; Thalmayer 2001; Tröger 2000). Der Erzvater findet sogar häufiger Eingang bis in die Titelgeschichten namhafter Zeitschriften, etwa im National Geographic Deutschland (Dezember-Heft 2001), im Time Magazine (Vol. 160, No. 14 vom 30.9. 2002) oder im Nachrichtenmagazin FOCUS (Nr. 24 vom 7.6. 2003). Immer geht es dabei um die Frage, ob die Gestalt Abrahams als Paradigma der Versöhnung wirklich tauge oder als Vorbild der Bereitschaft zur Opferung des Lebens gebraucht oder eben mißbraucht werden könne, wie etwa das Testament des Terrorattentäters Muhammad Atta zeigt.

Die Art und Weise der Deutung und Aneignung Abrahams in den drei Religionen gibt Aufschluß über ihr jeweiliges Selbstverständnis und ist zugleich ein Indikator dafür, wie jede Religion ihr Verhältnis zu den beiden anderen definiert. Bei allen drei Religionen ist einerseits eine Tendenz zur exklusivistischen Aneignung Abrahams zu beobachten: Juden haben “unseren Vater Abraham" (hebr. avraham avinu) halachisiert, Christen haben ihn verkirchlicht, Muslime haben ihn islamisiert. Mit solcher Instrumentalisierung Abrahams verfolgten alle drei Religionen eine Strategie der Enterbung der Geschwisterreligionen mit dem Interesse, Abraham als Paradigma des je eigenen, als ausschließlich gültig behaupteten Glaubens- und Heilsverständnisses zu monopolisieren. Legitim ist es ohne Zweifel, ein je besonderes Profil für diesen Patriarchen zu entwerfen (Abraham 1987): Juden betonen Abrahams bedingungslosen Gehorsam, seine Bundestreue bis hin zur “Bindung Isaaks"; Christen verweisen mit Paulus auf das große Vertrauen Abrahams in Gottes Verheißungen; Muslime sehen in ihm einen “Hanifen", der die Einheit und Einzigkeit Gottes erkannte und bekannte, noch ehe es Juden, Christen und Muslime gab. Doch muß solche Profilierung nicht gegen die anderen Glaubensgemeinschaften gerichtet sein, wie die andere Seite der Abraham-Rezeption zeigt. Nicht erst aber vermehrt in neuerer Zeit wird für eine offene, inklusive bis plurale Deutung der Gestalt Abrahams optiert. Im Judentum gibt es Stimmen, die einräumen, Abrahamskindschaft werde nicht allein genealogisch, sondern auch ethisch konstituiert, so daß etwa den “Sprüchen der Väter" (Pirqe Aboth) zufolge gelten könne: wer ein gutes Auge, eine bescheidene Seele und einen demütigen Geist hat, sei ein Schüler Abrahams. Im Christentum hat das Zweite Vatikanische Konzil anerkannt, die geistige, im Glauben an Jesus Christus gründende Abrahamskindschaft (Paulus) setze weder die ältere Kindschaft der Juden außer Kraft (Nostra aetate, 4) noch schließe sie die Möglichkeit einer legitimen Abrahamskindschaft der Muslime post Christum aus (Nostra aetate, 3). Da schon der Koran die Gestalt Abrahams zu universalisieren trachtet (z.B. Sure 2,135-140), finden sich im Islam zu allen Zeiten Theologen, die eine Pluralität der Heilswege befürworten - sofern diese sich als wahrhaft abrahamisch (Sure 4,125) verifizieren lassen (z.B. Falaturi 1992; Kandil 1993; Nasr 1986; Sachedina 1994). Ihr Argument: Gottes eigener Wille habe zur Vielzahl monotheistischer, miteinander wetteifernder Glaubensgemeinschaften geführt (Sure 5,48): “Für jeden von euch haben Wir eine Richtung und einen Weg festgelegt. Und wenn Gott gewollt hätte, hätte Er euch zu einer einzigen Gemeinschaft gemacht. Doch will Er euch prüfen in dem, was Er euch hat zukommen lassen. So eilt zu den guten Dingen um die Wette."

In der faktischen Ambivalenz von Exklusion und Inklusion, von Intoleranz und Toleranz ist das Ringen um die angemessene Interpretation Abrahams immer häufiger zum Thema des Trialogs geworden. Es ist zu hoffen und zu wünschen, dass die Dialogpartner lernen, einander als Angehörige einer echten Offenbarungsreligion, eines von Gott selbst eröffneten Heilsweges nicht nur zu “dulden" (lat. tolerare), sondern positiv zu akzeptieren. Dies wäre nach der Selbigkeit des einen Gottes die zweite Voraussetzung dafür, dass das jüdisch-christlich-islamische Gespräch überhaupt eine Zukunft hat und diese konstruktiv mitgestalten kann. Denn ein Gott, der nur der Gott der Juden oder nur der Gott der Christen oder nur der Gott der Muslime wäre, bliebe ein Götze, ein von Menschen und ihren Interessen vereinnahmtes und instrumentalisiertes Zerrbild des lebendigen Gottes.

3. Welchen Stellenwert hat Jesus?

Im Trialog nimmt die Frage nach Jesus eine Schlüsselrolle ein. Jahrhunderte alt ist die jüdisch-christliche Kontroverse über die Frage der Messianität Jesu, ist der christlich-islamische Streit über Jesu Gottessohnschaft oder seine Kreuzigung. Der christlich-islamische Dialog, dokumentiert bereits im Koran, impliziert den Trialog, denn im Mittelpunkt der christologischen Diskurse zwischen Christen und Muslimen steht der Jude Jesus. Diese Einsicht wiederum ist nicht zuletzt eine Auswirkung des jüdisch-christlichen Dialogs auf die historisch-kritische Jesusforschung. Für die meisten Juden hat Jesus nach wie vor keine oder nur marginale Bedeutung; allenfalls liberale jüdische Theologen würdigen ihn als einen Propheten, Rabbi, Pharisäer und typisch jüdischen Märtyrer, wie es so viele vor und nach ihm gegeben hat (Magonet 2000, 65ff). Die Grenze christologischer Verständigung mit den Christen markiert aus jüdischer Sicht, ähnlich wie für Muslime, die Inkarnations- und Gottessohnlehre der traditionellen kirchlichen Dogmatik (de Epalza 2002; Imbach 1989; Siegwalt 1996). Schalom Ben-Chorin hat dies 1967 auf die bekannte Formel gebracht , der “Glaube Jesu" verbinde Juden und Christen miteinander, der “Glaube an Jesus" hingegen trenne sie voneinander.

Gerade an diesem Punkt, an dem sich das jüdische und das muslimische Veto gegenüber einer christlichen “Christologie von oben" miteinander verbinden, gehen sie auch schon auseinander. Denn für die meisten Muslime hat Jesus eine Bedeutung schon allein deshalb, weil er als Gestalt des Korans in immerhin 15 Suren selbstverständlicher Bestandteil ihrer Heiligen Schrift, mithin auch Inhalt ihres Glaubens an alle von Gott gesandten Propheten ist (Bauschke 2000/2001). Juden ist der Dialog über Jesus von Christen zu allen Zeiten mehr oder minder aufgenötigt worden; Muslime hingegen reden von sich aus mit Christen über Jesus, weil es bereits der Koran tut. Das Wort Ben-Chorins gilt nur bedingt auch für das christlich-islamische Verhältnis. Für Juden wird sich, wenn überhaupt, Jesus erst und nur dann als der Messias erweisen, wenn der am Ende der Zeiten kommende Messias tatsächlich das Antlitz des Nazareners trägt. Bei Muslimen ist das anders. Für sie gibt es aufgrund des Zeugnisses des Korans einen verpflichtenden Glauben an alle Gesandten Gottes - und darum auch an Jesus. Jesus ist dem Koran zufolge ein von Gott ausgezeichneter Gesandter (nicht nur Prophet), der in Wort und Wundertat den Menschen den geraden Weg wahrer Gotteshingabe weist. Für Muslime ist Jesus gerade als ethisches Vorbild wichtig. Denn er ist ein Mensch, dem man nachfolgen kann. Für viele von der Mystik geprägten Muslime ist Jesus ein Ideal der Armut, der Askese, der spirituellen Reise und Wanderschaft des Menschen zu Gott (Khalidi 2002). Die trilateralen christologischen Fronten und Koalitionen sind fließend: Muslime glauben mit den Christen gegen die Juden an die Jungfrauengeburt Jesu; andererseits aber lehnen Muslime mit den Juden gegen die Christen die Göttlichkeit Jesu ab. Es sei denn, man bemüht sich hier um einen subtilen metaphorischen Brückenschlag (Bauschke 2001, 143ff). Denn auch Muslime können sagen, wie das etwa Ahmad von Denffer, der Leiter des Islamischen Zentrums München, in zahllosen Vorträgen getan hat: “Ohne Zweifel ist Jesus Gottes Sohn in dem Sinn, wie wir alle Gottes Kinder sind (...). Ein Kind Gottes (...) ist einer, der friedfertig ist - in diesem und in keinem anderen Sinn ist Jesus Gottes Sohn."

4. Welche Bedeutung hat Muhammad?

Vor allem seit dem Terroranschlag vom 11. September 2001 zeigen christlich-fundamentalistische Wortführer besonders in den USA (z.B. Jerry Falwell, Franklin Graham) keine Scheu mehr, im traditionellen Stil und Vokabular Muhammad als Ketzer, Antichrist und zuletzt sogar als “Terrorist" zu verteufeln. Die erst im Laufe des 19. Jahrhunderts zurückgedrängte, mehr christliche als jüdische Dämonisierung Muhammads ist wieder in vollem Gange. Dies macht deutlich, welches “heiße Eisen" im Trialog gerade Muhammad ist, von gemäßigten Juden und Christen darum nur zögerlich thematisiert. Das Zweite Vatikanische Konzil hatte sich über Muhammad und den Koran noch völlig ausgeschwiegen. Der Ökumenische Rat der Kirchen nannte 30 Jahre später das Problem wenigstens beim Namen: “Als eine Religion, die nach Christus und nach der Vollendung des Neuen Testaments entstanden ist, hat der Islam von jeher eine theologische Herausforderung für Christen dargestellt, insbesondere im Hinblick auf Mohammeds Stellung als Prophet und auf das Verständnis des Korans als Offenbarung" (1993, 67).

[...]

Fin de l'extrait de 44 pages

Résumé des informations

Titre
Der jüdisch-christlich-islamische Trialog
Auteur
Année
2007
Pages
44
N° de catalogue
V69648
ISBN (ebook)
9783638613866
ISBN (Livre)
9783638694766
Taille d'un fichier
557 KB
Langue
allemand
Mots clés
Trialog
Citation du texte
Dr. Martin Bauschke (Auteur), 2007, Der jüdisch-christlich-islamische Trialog, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/69648

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