Leseprobe
Kulturwissenschaftliche Fakultät / BA
Kulturelle Differenz in Sprache, Religion und Geschichte
Religion ein Merkmal kultureller Differenz –Ist sie ein Hemmnis oder eine Voraussetzung für eine Akzeptanz?
Unterschiede zwischen Kulturen werden erst beim Kontakt mit anderen Kulturen deutlich. Kultur verstanden als Konglomerat verschiedener Orientierungsmuster dient den in ihr zusammengeschlossenen Menschen. Religion ist ein Bestandteil dieser Orientierungsmuster. Sie steht also in einer mehr oder weniger starken Verbindung zur Kultur. Ihre Aufgabe geht aber über die Orientierungsfunktion hinaus; sie soll eine sinnstiftende Rolle übernehmen. Auch im Bereich der Religion werden Unterschiede erst beim Kontakt mit Anderen deutlich.
In modernen, säkularen aber auch multikulturellen Gesellschaften kann es schnell zur Konfrontation verschiedener religiöser Überzeugungen kommen. Worin kann eine Grundlage dieser Konfrontation liegen und wie kann trotz verschiedener Glaubensbekenntnisse eine Akzeptanz erreicht werden? Ross geht in seinem Artikel „Kontinent der leeren Kirchen“ von der These aus, dass die Ablehnung aber auch die Annahme einer Religion (in seinem Beispiel des Islams) von der eigenen Position zur eigenen Religion bestimmt wird (vgl. Ross 2004: 4)
Nimmt man Deutschland als Beispiel, so stellt die Säkularisierung den Ausgangspunkt für jeden weiteren Umgang mit Religion dar. Diese klare Trennung von Kirche und Staat steht im Vordergrund. Der Umgang mit Religion und religiösen Zeichen in jeglicher Form hat zunehmend an Bedeutung verloren. Man betrachtet sich als eine „[…] Insel der Aufklärung in einem Meer von Fanatismus […]“ (Ross 2004: 2). Folgt man nun Habermas Ausführungen zur europäischen Säkularisierung, so spaltet sich die ursprünglich juristische Auffassung, es handle sich um „[…] eine erzwungene Übereignung von Kirchengütern an die Staatsgewalt […]“ (Habermas 2001: 2), in zwei neue Betrachtungsweisen. Zum einen kann die Säkularisierung als eine „[…] erfolgreiche Zähmung der kirchlichen Autorität durch die weltliche Gewalt […]“ (Habermas 2001: 2) verstanden werden. Zum anderen kann sie aber auch als „[…] ein Akt der widerrechtlichen Aneignung […]“ (Habermas 2001: 2) aufgefasst werden. Diese zwei unterschiedlichen Auffassungen führen folglich auch zu einer unterschiedlichen Bedeutung der Säkularisierung. Folgt man der ersten Auffassung, so handelt es sich um eine Ersetzung von „[…] religiösen Denk- und Lebensformen durch vernünftige, jedenfalls überlegene Äquivalente […]“ (Habermas 2001: 2). Säkularisierung wird also als ein „[…] Verdrängungsmodell […]“ (Habermas 2001: 2) verstanden, dass einen Fortschritt in der Moderne nahe legt. Im Gegensatz dazu steht die zweite Auffassung, die in der Säkularisierung ein „ […] Enteignungsmodell […]“ (Habermas 2001: 2) zu erkennen glaubt, dass den Verfall der Moderne erkennen lässt. Habermas Ausführungen stehen im engen Kontext zu Ross These und der Beantwortung der Frage, worin eine Grundlage einer glaubensbegründeten Konfrontation liegen kann? Zugespitzt kann man der Meinung sein, dass die Religion entweder keinerlei Bedeutung mehr hat und auch nicht haben soll oder aber die Religion zum tragenden Pfeiler einer Kultur wird. Treffen nun Kulturen unterschiedlicher Auffassung über die Trennung von Kirche und Staat aufeinander, so ist eine Grundlage für eine Konfrontation geschaffen.
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