Der kurze Atem der Provokation und seine Bedeutung für soziale Bewegungen - Verdeutlicht am Beispiel der Studentenproteste in Peking 1989


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

33 Seiten, Note: liegt bisher nicht vor


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Theoretische und begriffliche Grundlagen
2.1 Definition der Provokation
2.2 Die Elemente des Handlungsmusters Provokation
2.2.1 Normbruch
2.2.2 Überraschung
2.2.3 Konfliktorientierung
2.2.4 Reziprozität bzw. Reaktionsangewiesenheit
2.2.5 Entlarvung
2.3 Die Rolle Dritter – Figurative Erweiterung
2.4 Zwischenfazit
2.5 Provokationen und soziale Bewegungen
2.5.1 Die Gefahr der Selbstverdummung einer Bewegung
2.5.2 Konstitution sozialer Bewegungen durch Öffentlichkeit
2.5.3 Resümee

3 Der Fall Tiananmen – Eine exemplarische Provokationsanalyse
3.1 Das Ereignis – Hintergrund, Verlauf, Folgen
3.2 Analyse der Ereignisse und Einordnung in das Provokationsschema

4 Schlusswort

5 Literatur

1 Einleitung

Die Bilder sind aus den Medien bekannt: Eine Gruppe von Umweltschutzaktivisten in Schlauchbooten bringt sich vor laufenden Kameras in Lebensgefahr, um Wale vor der Harpunierung durch japanische Fischer zu schützen. Atomkraftgegner ketten sich an Bahngleise um Castor-Transporte zu blockieren. Tierschützer demonstrieren nackt gegen Pelztierzüchtung. Diese Aktionen von Anhängern sozialer Bewegungen erregen meist sehr wirksam mediale und damit breite öffentliche Aufmerksamkeit. Ziel ist es, bestimmte soziale Problemlagen, die von den entsprechenden Bewegungen und den ihnen angehörenden Organisationen kritisiert werden, ins Zentrum einer öffentlichen Diskussion zu rücken. Zu diesem Zweck wählen soziale Bewegungen häufig Provokationen als Handlungsmuster. Die Funktionsweise von Provokationen ist durchaus sehr komplex und ihre Wirkung bleibt nicht immer nachhaltig. Vielmehr lösen sie oft nur kurzzeitige Konzentrationen des öffentlichen Interesses auf die entsprechenden Probleme aus. Rainer Paris prägte in diesem Zusammenhang den Begriff des kurzen Atems von Provokationen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Handlungsmuster der Provokation aus sozialwissenschaftlicher Perspektive hinsichtlich seiner Funktionsweise und seiner Auswirkungen auf die soziale Situation und die Interaktion der Beteiligten zu untersuchen. Nach einem theoretischen Blick auf die Strukturmerkmale von Provokationssituationen soll insbesondere auf die Bedeutung und die möglichen Risiken von Provokationen für soziale Bewegungen eingegangen werden. Anschließend wird anhand des historischen Beispiels der Studentenproteste in Peking von 1989 eine exemplarische Provokationsanalyse vorgenommen, bei der die im ersten Teil erarbeitete Begriffsstruktur anzuwenden sein wird.

Im Ergebnis der Arbeit sollen die wesentlichen strukturellen und interaktionistischen Merkmale von Provokationen und ihre Bedeutung für soziale Bewegungen herausgearbeitet werden, sowie der exemplarische Nachweis geführt werden, dass Provokationen einen sprichwörtlich kurzen Atem besitzen.

2 Theoretische und begriffliche Grundlagen

Um das Wesen und die soziale Wirkung von Provokationen erfassen und an einem Beispiel untersuchen zu können, werden im folgenden Kapitel die theoretischen Grundlagen und eine Begriffsstruktur erarbeitet, die in der exemplarischen Analyse Anwendung finden sollen. Bei der theoretischen Abhandlung dienen die Ausführungen zur Provokation von Rainer Paris als Grundlage.[1]

2.1 Definition der Provokation

Rainer Paris definiert eine Provokation als „absichtlich herbeigeführten überraschenden Normbruch, der den anderen in einen offenen Konflikt hineinziehen und zu einer Reaktion veranlassen soll, die ihn, zumal in den Augen Dritter, moralisch diskreditiert und entlarvt.“[2]

2.2 Die Elemente des Handlungsmusters Provokation

Die oben zitierte Definition der Provokation setzt sich aus verschiedenen Strukturelementen zusammen, die im Folgenden detaillierter erläutert werden sollen. Es handelt sich hierbei um die Elemente Normbruch, Überraschung, Konfliktorientierung, Reziprozität und Entlarvung. Die ausführliche Darstellung der einzelnen Strukturmerkmale dient der theoretischen Grundlegung des Handlungsmusters Provokation und bildet die Basis für die spätere exemplarische Provokationsanalyse.

2.2.1 Normbruch

Provokationen verletzen situativ geltende Normen. Es soll sich jemand angegriffen fühlen, was nur geschieht, wenn Regeln gebrochen werden. Provokateure verhalten sich nicht den ‚normalen’ Erwartungen entsprechend, weil sie den anderen bloßstellen und damit zeitweilig die Normalität stören bzw. aufheben. Sie stellen Grundregeln der alltäglichen Ordnung in Frage, indem sie eingeschliffene Beziehungsmuster überfallartig angreifen. Richtet sich die Provokation dabei gegen allgemeine Normen, stellt sie gleichzeitig die gesellschaftliche Ordnung als Ganzes in Frage. Allerdings handelt es sich nicht bei jedem Normbruch um eine Provokation, sondern nur bei solchen, die mit dem bewussten Ziel begangen werden, den anderen absichtlich zu schädigen und seine Identität zu bedrohen. Provokationen sollen ihren Adressaten immer auch in bestimmtem Maße beleidigen und herabwürdigen. Es werden also zusätzlich zu den situativen Normen auch kollektive Vorstellungen von Achtung und Respekt verletzt. Entscheidend ist jedoch hierbei immer die Intention des Urhebers. Wird der Normbruch als von ihm bewusst und absichtlich begangen eingeschätzt, gilt er als Provokateur. Missgeschicke oder Versehen fallen demnach nicht in die Definition einer Provokation, sondern die Absicht muss identifiziert werden.

Offensive Normbrüche zwingen alle Beteiligten dazu, die Situation neu zu definieren. Da Provokationen von einem Moment zum anderen die volle Aufmerksamkeit beanspruchen, rücken sie ins Zentrum der Interaktion. Wahrnehmungsfelder werden thematisch neu ausgerichtet und umgeworfene Alltagsrelevanzen müssen neu geordnet werden. Neuer Fokus in der Interaktion sind plötzlich der Normbruch und die entsprechende Norm, der Übergriff und die möglichen Sanktionen. Damit tritt alles andere in den Hintergrund und die Situation erlebt eine affektive Aufladung. Anspannung breitet sich aus.

Ein Ignorieren der Provokation ist unmöglich, denn sie erzwingt die Aufmerksamkeit. Allerdings kann gezielte Ignoranz eine Strategie sein, auf Provokationen zu reagieren. In diesem Fall handelt es sich aber nicht mehr um Ignoranz im eigentlichen Sinne, da die Provokation bewusst wahrgenommen und die Entscheidung zur Nichtbeachtung auch bewusst getroffen wird.

Provokationen müssen aufregen, um zu funktionieren. Die Aufregung steigt mit der Massivität des Normbruchs, mit der Bedeutung der angetasteten Norm und mit der Sichtbarkeit der Aktion. Paris konstatiert: „Provokationen sind eine Technik der Selbststigmatisierung zum Zweck der Gegenstigmatisierung.“[3] Das bedeutet, dass ein öffentlicher, absichtlicher Normbruch zunächst Schuld auf den Akteur lädt. Er stigmatisiert sich damit selbst. Mit der Provokation soll nun aber dieses Stigma auf einen anderen übertragen werden. Das heißt, an Stelle des Normbrechers sollen die Hüter und Verteidiger der Norm am Ende als die Schuldigen dastehen. So erfolgt also eine Selbststigmatisierung (durch einen Normbruch Schuld auf sich laden) zum Zweck der Gegenstigmatisierung (die anderen haben Schuld auf sich geladen). Ein demonstrativer Normbruch soll letzten Endes die gebrochene Norm selbst als illegitim ausweisen.

2.2.2 Überraschung

Das Überraschungsmoment ist für das Gelingen einer Provokation entscheidend. Soll eine Provokation Erfolg haben, muss sie den anderen überraschen, für ihn unerwartet und aus heiterem Himmel kommen, damit er unvorbereitet und unwillkürlich reagiert. Das erhöht die Chance zur Entlarvung, weil der Provozierte somit seine Reaktion nicht berechnen kann. Ist der andere jedoch darauf eingestellt und erwartet eine Provokation, lässt er sich schwerer provozieren. Berechenbarkeit lässt die Erfolgschancen einer Provokation deutlich sinken. Hierin liegt auch die Ursache dafür, dass provokative Handlungen nur schwer zu wiederholen sind. Der Überraschungseffekt ist nach dem ersten Mal verpufft, weil der andere nun gewarnt ist, aufmerksamer und wachsamer wird. In dieser Situation bleiben dem Provokateur zwei Optionen: Entweder muss der nächste Normbruch wesentlich massiver ausfallen oder der Provokateur kann zunächst abwarten und darauf hoffen, dass die Wachsamkeit seines Gegenübers nachlässt, wenn die Routine wieder die Oberhand gewinnt. Möglicherweise kann er später wieder zuschlagen, aber auch dann wird der Überraschungseffekt nie wieder so intensiv ausfallen wie beim ersten Mal. Es zeigt sich hier, dass Provokationen die Eigenschaft haben, sich selbst den Weg zu ihrer Wiederholung zu erschweren. Unabhängig davon, wie erfolgreich die Provokation beim ersten Mal ist, sie untergräbt sich selbst die Bedingungen ihrer Wiederholung. Dennoch kann die ständige Wiederholung als spezielle Form der Provokation eingesetzt werden. Der Provokateur nutzt die Methode des penetranten Stichelns bis der andere sprichwörtlich explodiert. In solch einer Situation verlagert sich jedoch die soziale Initiative, d. h. der Vorteil der Überraschung liegt auf Seiten des Provozierten, der zu einem unbekannten Zeitpunkt reagiert.

2.2.3 Konfliktorientierung

Provokateure wollen den Konflikt. Der andere wird als Gegner oder Feind identifiziert und diesen will man herausfordern und wütend machen. Dies geschieht mit einer gezielten direkten Aktion, aber in einer genau berechneten Dosierung, d. h. der andere wird nur so intensiv gereizt, dass er reagiert. Damit ist die Provokation noch kein richtiger Angriff, sondern eine Vorstufe, also ein Übergriff, der den Angriff der Gegenseite provozieren soll.

Zunächst definiert nur der Provokateur die Situation als akuten Konflikt und überrascht daher den arglosen anderen mit seiner Aggression. Aber völlige Überraschung wird nur selten erreicht, da sich der Konflikt meist über längere Zeit in der Interaktionsgeschichte der Beteiligten ankündigt. Das bedeutet, dass es in der Vergangenheit bereits Konflikte zwischen beiden Akteuren gegeben hat, von denen Narben zurückgeblieben sind. Dieser Umstand ist notwendig für den Provokateur um zu wissen, womit er den anderen reizen kann. Es kann also davon ausgegangen werden, dass beide Akteure sich des Konfliktes bewusst sind. Allerdings unterscheiden sie sich in der Entschlossenheit zur Manifestierung des Konflikts und der Bereitschaft zur Eskalation.

Der Erfolg von Provokationen ist auch davon abhängig, wie offensichtlich der Konflikt ist. In stark aufgeladenen Situationen ist zwar der Überraschungseffekt geringer, doch die Provokation kann leichter funktionieren, da der andere schon gereizt ist. Es braucht in diesem Fall lediglich einen kleinen Funken zur Explosion. Allerdings birgt eine solche Situation die Gefahr, dass der andere jede Handlung als Provokation interpretiert, auch wenn sie nicht als solche intendiert ist. „Von einer bestimmten Eskalationsschwelle an entsteht ein Bedarf nach Provokationen der Gegenseite, um selbst endlich losschlagen zu können.“[4] Die Akteure sind demnach auf der Suche nach einem Anlass, einer Begründung, einer Legitimierung für den Angriff und erklären deshalb die Aktionen des anderen zur Provokation. Die Provokation hat ihr erstes Ziel erreicht, wenn der Konflikt ausbricht.

2.2.4 Reziprozität bzw. Reaktionsangewiesenheit

Der Erfolg einer Provokation ist immer gebunden an die Reaktion des anderen. Da Provokationen Interaktionen darstellen, funktionieren sie als solche erst dann, wenn der andere wirklich reagiert. Erfolgt keine Reaktion, gibt sich der Provokateur meist der Peinlichkeit preis. Deshalb muss die Reaktion notfalls erzwungen werden. Hier zeichnet sich der Nötigungscharakter von Provokationen deutlich ab. Insbesondere wenn der Überraschungseffekt gering ist, müssen der Übergriff umso massiver und der Normbruch umso heftiger ausfallen. Provokationen müssen sich selbst dramatisieren und möglicherweise die Konfrontation verschärfen, um nicht zu verpuffen. Sollte eine Provokation trotz allem nicht gelingen, bleibt dem Provokateur als weitere Handlungsmöglichkeit die Wahl zwischen Zurückstecken und Weitermachen. Er gerät in ein Folgedilemma, das ihn dazu zwingt entweder den Einsatz zu erhöhen oder sein Gesicht zu verlieren. Die bloße Wiederholung einer Provokation reicht meist nicht aus, sie muss intensiviert werden. Reagiert der andere weiterhin nicht, kann sich einen Provokationsspirale entwickeln, „bei der die Nicht-Reaktion des einen immer aggressivere Reaktionen des anderen provoziert“.[5] Diese kann in physischer Gewalt gipfeln, weil spätestens in diesem Moment eine Reaktion des anderen in Form von Gegenwehr oder Flucht einsetzen muss. Dieser Verlauf stellt keine zwingende Entwicklung in Provokationsinteraktionen dar, aber zumindest ist der gewaltsame Übergriff die sicherste Methode, eine Reaktion zu erzwingen. Das Strukturmerkmal der Reaktionsangewiesenheit ist also ursächlich dafür, dass Provokationen generell in Richtung Eskalation und Gewaltanwendung tendieren.

2.2.5 Entlarvung

Das Ziel der Provokation ist wie bereits erläutert die Gegenstigmatisierung, die Entlarvung des anderen durch seine eigene Reaktion. Demnach ist irgendeine Reaktion allein noch nicht ausreichend, um der Provokation zum Erfolg zu verhelfen. Der andere muss sich durch seine Reaktion selbst demaskieren, und zwar als der, als den ihn der Provokateur entlarven wollte. Erst dann ist der Provokationszweck erfüllt. Paris betont den Aspekt, dass der andere sich durch seine Reaktion selbst diskreditiert. Damit wird die Entlarvung zu einer Folge der Reaktion des anderen und die Provokation tritt als Ursache zurück. Sie ist nur insofern beteiligt, als dass sie die entsprechende Handlung stimuliert hat. Paris formuliert: „Die Gegenstigmatisierung erfolgt über den Umweg der Selbststigmatisierung des anderen.“[6] Der Provozierte kann diese Entwicklung verhindern, sofern er weiß, wie die Provokation funktioniert und was sie erreichen will. In diesem Fall ist erneut das Überraschungsmoment wichtig, damit der andere keine Reaktionsstrategie vorbereiten kann. Laut Paris ist eine Grundbedingung der erfolgreichen Provokation die „Ausschaltung jedes strategischen Kalküls der Gegenseite“.[7] Die Schwierigkeiten für den Provokateur vergrößern sich, je weiter der Konflikt bereits fortgeschritten ist. Die Möglichkeiten zur Überraschung schwinden und damit auch die Chancen der (Selbst-) Entlarvung. Es besteht sogar die Gefahr, dass der andere den Spieß umdreht und dafür sorgt, dass der Provokateur am Ende als der Schuldige dasteht.

Provokationen stehen prinzipiell unter starkem Legitimationsdruck, weil durch sie Normen verletzt werden. Wenn die Entschuldung funktionieren soll, muss die Schuld des Provokateurs gering, die des Provozierten dagegen groß sein. Insbesondere wenn der andere überreagiert, fallen seine Entlarvung und die Legitimierung des Normbruchs leicht. Häufig setzen Provokateure die Unschuldsmiene auf, um ihr Gegenüber noch stärker zu reizen. Entscheidend ist, dass die Demaskierung des anderen zweifelsfrei und vollständig erfolgt. Es darf keine Zweifel geben, wer die Schuld trägt. Halbe Entlarvungen sind nahezu wirkungslos und verlangen erneute Provokationen. Sollte das Gesicht, das der Provozierte zeigt, nicht dem entsprechen, was der Provokateur erwartet hat, kann er dieses Gesicht zu einer Maske erklären, die wiederum herunter zu reißen ist. Provokateure gehen davon aus, zu wissen, wer und wie der andere ist und provozieren so lange, bis der andere schließlich tatsächlich so reagiert, wie sie es erwarten und damit das Feindbild bestätigt. Provokationen entstehen auf der Basis negativer Fremdbilder und bestätigen diese durch die herausgeforderte Reaktion. Der Andere kann nicht anders sein, denn er wird durch die Provokation zu dem gemacht, was er sein soll.

2.3 Die Rolle Dritter – Figurative Erweiterung

In welcher Ausprägung die einzelnen Strukturelemente der Provokation zum Tragen kommen, ist von der jeweiligen Situation, der Beziehung der Akteure zueinander und dem sozialen Handlungsfeld abhängig. Wie und womit provoziert werden kann, variiert mit den Normen, Beziehungsdefinitionen, kulturellen und sozialen Milieus etc. Aber grundsätzlich spielt in jeder Provokationssituation die Anwesenheit Dritter eine entscheidende Rolle. Durch die figurative Erweiterung erhöhen sich der Einsatz und das Risiko einer Provokation erheblich. Vor Publikum werden Provokationen aggressiver und offensiver, denn der andere soll vor aller Augen möglichst wirkungsvoll vorgeführt und bloßgestellt werden. Öffentlichkeit erhöht den Druck innerhalb der Situation, Zugzwänge werden massiver, die geschaffene Realität wird objektiver. Die Verletzung von Normen in der Öffentlichkeit löst „im gesamten Handlungsfeld vielschichtige sozialmoralische Anschlussprozesse aus“.[8] Das Publikum wird am Konflikt beteiligt und durch die affektive Aufladung der Situation polarisiert. Es spaltet sich in Sympathisanten und potentielle Verbündete auf der einen und neue Gegner auf der anderen Seite. Die Akteure müssen nun wesentlich mehr Aspekte in ihre Handlungsentscheidungen einbeziehen, die Komplexität erhöht sich. Die Provokation darf und muss den Adressaten treffen, darf jedoch nicht das Publikum reizen und gegen den Provokateur aufbringen. Ebenso muss der Provozierte genau abwägen, welche Sanktionen in welcher Härte angebracht sind. Es entsteht eine Mehrfachadressiertheit der Handlungen. Weil häufig das Publikum denjenigen als Schuldigen identifiziert, der die Auseinandersetzung angefangen hat, muss sich der Provokateur fragen: Wie kann ich den Konflikt vom Zaun brechen, ohne dass ich selbst als der Schuldige dastehe, sondern der andere? Seine Provokation muss Erfolg haben und sich dabei selbst dementieren. Es ist zwar möglich, verdeckt zu provozieren, vor aller Augen gestaltet sich dieses Vorhaben jedoch meist sehr schwierig und stellt daher nur selten eine Option für den Provokateur dar. Deshalb muss der Provokateur versuchen, eine derart starke Überreaktion des anderen zu erzeugen, dass deren Unangemessenheit für jeden offensichtlich ist.

[...]


[1] Rainer Paris: Stachel und Speer. Machtstudien. Frankfurt a. Main: Suhrkamp Verlag 1998

[2] Paris: Stachel und Speer, S. 58.

[3] Paris: Stachel und Speer, S. 59.

[4] Paris: Stachel und Speer, S. 62.

[5] Paris: Stachel und Speer, S. 63.

[6] Paris: Stachel und Speer, S. 64.

[7] Paris: Stachel und Speer, S. 64.

[8] Paris: Stachel und Speer, S. 66.

Ende der Leseprobe aus 33 Seiten

Details

Titel
Der kurze Atem der Provokation und seine Bedeutung für soziale Bewegungen - Verdeutlicht am Beispiel der Studentenproteste in Peking 1989
Hochschule
Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Soziale Bewegungen in Europa
Note
liegt bisher nicht vor
Autor
Jahr
2007
Seiten
33
Katalognummer
V83752
ISBN (eBook)
9783638004220
ISBN (Buch)
9783640157259
Dateigröße
617 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Atem, Provokation, Bedeutung, Bewegungen, Verdeutlicht, Beispiel, Studentenproteste, Peking, Soziale, Bewegungen, Europa
Arbeit zitieren
Jana Merkel (Autor:in), 2007, Der kurze Atem der Provokation und seine Bedeutung für soziale Bewegungen - Verdeutlicht am Beispiel der Studentenproteste in Peking 1989, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/83752

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