Der "Deutschland-Pakt" - Die wahlstrategische Allianz von NPD und DVU


Examensarbeit, 2007

132 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Historie
2.1. NPD
2.2. DVU
2.2.1. Der Verein
2.2.2. Die Partei
2.3. Das erste Wahlbündnis zwischen NPD und DVU

3. Programmatik
3.1. NPD
3.2. DVU

4. Organisations- und Mitgliederstruktur
4.1. NPD
4.1.1. Parteivorsitzender
4.1.2. Gliederung und Parteileben
4.1.3. Mitglieder und Kandidaten
4.2. DVU
4.2.1. Parteivorsitzender
4.2.2. Gliederung und Parteileben
4.2.3. Mitglieder und Kandidaten

5. Mobilisierungsstrategien
5.1. NPD
5.2. DVU

6. Wahlergebnisse und Wählerstruktur
6.1. Verlauf der Wahlergebnisse
6.2. Wählerstruktur

7. Freie Kameradschaften als Bündnispartner

8. Die Republikaner als weitere Partei im Bunde?

9. Fazit

Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Nach monatelangen Verhandlungen unterzeichneten der Parteivorsitzende der NPD, Udo Voigt, und sein Pendant von der DVU, Gerhard Frey, am 15. Januar 2005 den Vertrag über den „Deutschland-Pakt“. Der bewusst pathetisch klin- gende Name der wahlstrategischen Allianz sollte suggerieren, beide Partner hätten sich selbstlos zum Wohle des Vaterlands verbündet. So heißt es in der Präambel der Vereinbarung, man habe sich aufgrund „der historischen Verant- wortung vor dem gesamten deutschen Volk“ zusammengeschlossen.1

Dass der Pakt von den beiden Parteivorsitzenden auch als Ende des „Bruder- kampfes“ beschrieben wird2, zeigt, dass es in den vorangegangenen Jahren keine Harmonie im rechtsextremen Parteienlager gab. Nachdem die DVU nach ihrer Gründung als Partei zunächst mit der NPD kooperierte, entstand in den Neunzigerjahren eine zum Teil erbitterte Konkurrenzsituation. DVU-Chef Frey beschrieb das Verhältnis zwischen beiden Parteien zu jener Zeit als „Todfeind- schaft“.3 Der NPD-Vorsitzende Udo Voigt wiederum rief seine Parteifreunde noch im Herbst 2003 dazu auf, dem DVU-Vorsitzenden „die heuchlerische Maske vom Gesicht“ zu ziehen.4 Nur wenige Monate später wurde der jahre- lange Streit beigelegt und vereinbart, bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg im Jahr 2004 nicht mehr gegeneinander anzutreten. Sowohl der NPD in Sachsen (9,2% der Stimmen) als auch der DVU in Brandenburg (6,1% der Stimmen) gelang in der Folge der Einzug in den Landtag. Ermutigt vom Er- folg dieser Absprache strebten NPD und DVU nach mehr. Mit dem Deutsch- land-Pakt sollten die Zeiten, in denen sich beide Parteien gegenseitig Wähler- stimmen wegnahmen, von nun an der Vergangenheit angehören. Fortan sollte bei Wahlen auf Landes-, Bundes- und Europaebene nur noch eine der beiden Parteien antreten und dabei auch Kandidaten der jeweils verzichtenden Partei aufstellen. Bis einschließlich 2009 wurde genau festgelegt, wer bei welchen Wahlen kandidiert. Sachsen-Anhalt, Bremen, Hamburg, Thüringen, Branden- burg und die Europawahl wurden der DVU zugeteilt. Die NPD erhielt Schleswig- Holstein, Nordrhein-Westfalen und die Bundestagwahl. Für die Länder, die nicht explizit vergeben wurden, gilt die Vereinbarung, dass die DVU nur dann antritt, wenn die NPD auf eine Teilnahme verzichtet.5 Faktisch fielen der NPD somit die Landesparlamentswahlen in allen übrigen Bundesländern zu. Über die Bun- destagswahl 2009 wurde keine Vereinbarung getroffen, da diese zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung noch für das Jahr 2010 angesetzt war. Bei der in den Pakt einbezogenen Bundestagswahl 20056 hingegen sollte es nach den Vorstellungen der Bündnispartner erstmals in der Geschichte gelingen, dass eine rechtsextreme Partei in den Bundestag einzieht. Der Zeitpunkt für dieses Vorhaben schien nach den Erfolgen in Sachsen und Brandenburg günstig, doch die Parteien wurden enttäuscht. Mit 1,6% der Stimmen7 kam die NPD zwar zum ersten Mal seit 1969 wieder über die für die Wahlkampfkostenrückerstattung entscheidende Ein-Prozent-Marke, verfehlte die Fünf-Prozent-Hürde aber deut- lich. Die bisher an der Allianz nicht beteiligten Republikaner, die Mitte der Neunzigerjahre noch die stärkste politische Kraft am rechten Rand waren und bei Bundestagswahlen in der Vergangenheit stets bessere Ergebnisse als NPD und DVU erzielt hatten, erreichten bei denselben Wahlen nur noch 0,6% der Stimmen. Somit war es der NPD mit Unterstützung der DVU zumindest gelun- gen, die stärkste Kraft im ganz rechten Lager zu werden.

In dieser Arbeit sollen die beiden am Deutschland-Pakt beteiligten Parteien hin- sichtlich ihrer Gemeinsamkeiten und ihrer Unterschiede untersucht werden, um so einen genauen Vergleich der beiden Akteure des Bündnisses zu ermögli- chen.8 Des Weiteren soll herausgearbeitet werden, wie sich der Deutschland- Pakt in den Wahlergebnissen von NPD und DVU niederschlägt. Darüber hinaus wird die Unterstützung des Pakts durch neonazistische Kameradschaften un- tersucht, sowie ein möglicher Beitritt der Republikaner diskutiert. Ferner soll die Kooperation kritisch beleuchtet und ihr Fortbestand geprüft werden. Hierbei soll auch analysiert werden, ob aus dem Pakt sogar eine gemeinsame Partei entstehen könnte.

Um diese Ziele zu erreichen, werden zunächst die Historien der Parteien mit besonderem Augenmerk auf deren Gründungen und den daraus resultierenden Charakteristiken dargestellt. Auf diese Weise soll deutlich werden, aus welcher Motivation und mit welchem Anspruch die Parteien gegründet wurden und wie sie sich entwickelt haben, um so Parallelen und Unterschiede in der Historie der Parteien aufzuzeigen.

Im folgenden Kapitel über die Programmatiken der Parteien soll nicht die Gesamtheit der jeweiligen Parteiziele, sondern zum einen die Schwerpunkte der jeweiligen Partei und zum anderen die wesentlichen Punkte, in denen sich die Parteien unterscheiden, dargestellt werden.

Um die Unterschiede der Parteistrukturen, der Mitglieder und des Parteilebens darzulegen, werden im vierten Kapitel die Organisations- und Mitgliederstrukturen der beiden Parteien verglichen. Dies beinhaltet auch eine Betrachtung der Parteivorsitzenden, die eine aktive und zentrale Rolle bei der Entstehung des Deutschland-Pakts gespielt haben.

Das fünfte Kapitel befasst sich mit der für das Wahlbündnis wichtigen Frage der Mobilisierungsstrategien. Hier werden die Methoden der beiden Parteien zur Wählermobilisierung und -gewinnung untersucht, um damit die Unterschiede zwischen diesen, auch in ihrem jeweiligen Selbstverständnis als Partei, zu ver- deutlichen.

Das sechste Kapitel befasst sich neben einer Analyse der Wählerstruktur mit der für ein Wahlbündnis zentralen Frage der Wahlergebnisse. Ausführlich wer- den in diesem Teil die Wahlergebnisse der Parteien vor und nach Unterzeich- nung des Paktes untersucht, um so den Erfolg des Bündnisses einordnen zu können. Der Untersuchungszeitraum beschränkt sich hierbei weitestgehend auf den Zeitraum von 1998, als die DVU mit knapp 13% der Stimmen in den Land- tag von Sachsen-Anhalt einzog, bis einschließlich der Wahl zur Bremischen Bürgerschaft im Jahr 2007. Wahlen auf Kommunal- und Kreisebene bleiben außer Betracht, da sie kein Bestandteil des Deutschland-Pakts sind. Mit diesem Kapitel wird der direkte Vergleich zwischen den beiden Parteien abgeschlos- sen.

Im siebten Kapitel wird die Rolle freier Kameradschaften als Akteure des Deutschland-Pakts in seinem weiteren Sinne als „Volksfront von rechts“ erörtert. Um die Bedeutung der Kameradschaften für den Pakt einschätzen zu können, wird vor allem deren Verhältnis zur NPD analysiert.

Das achte Kapitel beschäftigt sich mit der Frage, ob ein Beitritt der von den Parteien des Bündnisses umworbenen Republikaner zum Deutschland-Pakt realistisch erscheint. Hierfür werden kurz die beiden Lager in der Partei skizziert und die daraus resultierende innerparteiliche Debatte über eine Teilnahme an der rechten Allianz dargestellt.

In einem ausführlichen Fazit werden schließlich die Forschungsergebnisse zusammengefasst und das Wesen des Deutschland-Pakts diskutiert.9

2. Historie

2.1. NPD

Die Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD) wurde am 28. Novem- ber 1964 in Hannover gegründet. Die Initiative zur Gründung der Partei ging vor allem von der Deutschen Reichspartei (DRP) aus, welche mit der Parteineu- gründung der Zersplitterung und Erfolglosigkeit der Parteien rechts von der U- nion entgegenwirken und ein Sammelbecken für Nationalisten schaffen wollte. Zum ersten Vorsitzenden wurde Friedrich Thielen gewählt, der nach über zehn Jahren CDU Mitgliedschaft zuletzt der Deutschen Partei (DP) angehörte und das nationalkonservative Wählerspektrum ansprechen sollte. Seine Stellvertre- ter wurden Adolf von Thadden (DRP), der gleichzeitig auch den Posten des Geschäftsführers bekam, sowie Wilhelm Gutmann von der Gesamtdeutschen Partei (GDP) und Heinrich Faßbender von der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP). Mit dieser Auswahl sollte der Bündnischarakter der NPD unterstrichen werden. Weitere entscheidende Positionen wurden jedoch weitgehend von DRP-Kadern besetzt.10 Zudem konnte auf die bisherige Infrastruktur der DRP zurückgegriffen werden. Wie von Thadden später zur Gründung der NPD be- merkte, sei die DRP nur umgetauft worden.11 Die Führungskader der neu ge- gründeten Partei waren größtenteils auch in der NSDAP gewesen.12

Der Gründungsaufruf der Partei war mit einigen wenigen sehr allgemein formu- lierten Thesen gespickt, um eine möglichst breite Zustimmung zu finden. Die NPD stellte sich darin als die „politische Bewegung der kommenden deutschen Einheit“ dar.13 So präsentierte sie sich in ihren Anfangsjahren immer wieder als die Partei, die sich um die von den Unionsparteien angeblich vernachlässigten oder „verratenen“ Themen mit voller Entschlossenheit kümmerte. Dazu gehörte an erster Stelle die „nationale Frage“, aber auch der Kampf gegen „Überfrem- dung“ und gegen die Linke.14 Kühnl führt in diesem Zusammenhang aus, dass die extreme Rechte (gemeint ist in diesem Fall die NPD) „die reaktionärsten und nationalistischen Ideologieelemente der bürgerlichen Parteien aufgreift, zu ihren härtesten Konsequenzen steigert und (…) ihre rücksichtslose Durchsetzung verlangt“.15

Nach innerparteilichen Konflikten und einem persönlichen Machtkampf zwi- schen von Thadden und Thielen verließ Letzterer im Jahr 1967 die Partei, wor- aufhin von Thadden zum neuen Vorsitzenden gewählt wurde. Wie Fascher ana- lysiert, verdeutlichten diese Vorgänge die Macht des alten DRP-Apparats, ge- gen den der nationalkonservative Thielen keine Chance hatte.16 Die Partei ging unbeschadet aus den Streitigkeiten hervor und konnte ihre Erfolgsserie bei Landtagswahlen im Jahr 1968 in Baden-Württemberg ausbauen. Mit 9,8% er- zielte sie dort ihr bisher bestes Ergebnis und war somit mit insgesamt 61 Abge- ordneten in sieben Landtagen vertreten.17 Die NPD präsentierte sich zu dieser Zeit „als aggressive antibolschewistische Ordnungsmacht mit Alleinvertretungs- anspruch deutscher Interessen“18 ganz in der Tradition der 1952 verbotenen Sozialistischen Reichspartei (SRP). Es deutete alles daraufhin, dass der NPD im Jahr 1969 auch der Einzug in den Bundestag gelingen würde. Dieses Ziel wurde aber aus verschiedensten Gründen verfehlt und damit der Niedergang der Partei eingeleitet. Eine der Hauptursachen für die Niederlage war, dass die NPD aufgrund zahlreicher negativer Vorfälle im Wahlkampf ihr Saubermann- image verlor und somit eher als Ansammlung von Chaoten denn als Ord- nungsmacht wahrgenommen wurde. In den Folgejahren konnte sie auch auf Länderebene keine Wahlerfolge mehr erringen. Des Weiteren ging die Mitglie- derzahl drastisch zurück.19 An den erwähnten Vorfällen im Wahlkampf war meist der parteieigene Ordnerdienst (OD) beteiligt, der ab 1968 aufgebaut wur- de, um Versammlungen der NPD vor Gegendemonstranten zu schützen. Tat- sächlich war der OD jedoch keineswegs defensiv ausgerichtet, sondern sorgte immer wieder mit Gewaltexzessen für Negativschlagzeilen. Wenige Tage vor der Bundestagswahl schoss der vorbestrafte Bundesbeauftragte des OD, Klaus Kolley, bei Auseinandersetzungen mit Gegendemonstranten sogar um sich und verletzte zwei Menschen. Er wurde später zu zwölf Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die NPD ersetzte den Ordnerdienst wenige Monate später durch ei- nen „Organisationsdienst“. Aus dem aufgelösten OD gingen militante rechtsex- treme Kleingruppen hervor, deren Motive von der NPD als „durchaus achtens- wert“ bezeichnet wurden.20 In den Siebzigerjahren verschwand die NPD in der politischen Bedeutungslosigkeit. Wie sie 1977 in einem Rundschreiben selbst feststellte, war sie zu dieser Zeit „kein politischer Faktor“ mehr und besaß „kei- ne gesellschaftliche Relevanz“.21 Wie Hafeneger ausführt, kam es in diesen Jahren innerhalb der Partei „zu Abspaltungstendenzen, parteischädigenden neonazistischen Entwicklungen und erheblichen internen Spannungen“.22 In den Achtzigern wurde dann unter dem Parteivorsitzenden Martin Mußgnug, der 1971 dem zurückgetretenen von Thadden gefolgt war, ein Kurswechsel einge- leitet. Inspiriert von Ideen der NPD-Jugendorganisation Junge Nationaldemo- kraten (JN) wurde ein „Dritter Weg“ mit einem blockfreien wiedervereinigten Deutschland jenseits des westlichen Kapitalismus und des Staatssozialismus im Osten gefordert.23 Die Partei konnte sich einigermaßen stabilisieren und ko- operierte Ende der Achtzigerjahre mit der neu gegründeten DVU-Liste D.24 In den Neunzigerjahren öffnete sich die Partei unter dem Vorsitzenden Günter Deckert gegenüber neonazistischen Kreisen. Mit Udo Voigt an der Parteispitze wurde diese Öffnung ab 1995 noch weiter ausgedehnt. So entwickelte sich die NPD vor allem in den neuen Bundesländern zu einem Sammelbecken für Rechtsextremisten.25 Ein im Jahr 2001 von Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat initiiertes Parteiverbotsverfahren gegen die NPD wurde im Jahr 2003 vom Bundesverfassungsgericht aus formalen Gründen26 eingestellt und hatte keine nennenswerten negativen Folgen für die Partei.

2.2. DVU

2.2.1. Der Verein

Die Geschichte der DVU ist vor allem die Geschichte des rechtsextremen Ver- legers Dr. Gerhard Frey aus Bayern. Nachdem Frey bereits seit 1951 bei der antikommunistischen „Deutschen Soldaten-Zeitung“ mitarbeitete, gründete er einige Jahre später die Druckschriften- und Zeitungsverlags GmbH (DSZ- Verlag), mit der er 1960 die „Deutsche Soldaten-Zeitung“ vollständig übernahm. Fortan war er in Personalunion Herausgeber und Chefredakteur des einige Jah- re später in „Deutsche National-Zeitung“ umbenannten Blattes. Für die Bundes- tagswahl 1969 wollte sich Frey für die NPD als Kandidat für ein Direktmandat aufstellen lassen, was von der Partei aber abgelehnt wurde. Nach der unerwar- teten Niederlage der NPD bei eben diesen Wahlen und dem damit einsetzen- den vorläufigen Niedergang der extremen Rechten, wurde auf Freys Initiative im Januar 1971 in München die „Deutsche Volksunion“ (DVU) gegründet.27 Der Verein verstand sich als „Sammlungsbewegung national-konservativer und rechter Kreise“28 und als Antwort auf die Ostpolitik der sozialliberalen Bundes- regierung. Erklärtes Ziel des Vereins war es, in dieser Angelegenheit Druck auf die Unionsparteien auszuüben.29 An der Gründung waren vom ehemaligen O- bersturmführer der Waffen-SS bis hin zum CDU-Ortsvorsitzenden diverse Ak- teure aus dem rechten Spektrum vertreten.30 Noch im ersten Jahr des Beste- hens organisierte Frey mit seinem Verein einen „Marsch auf Bonn“, um gegen den „Vaterlandsverrat“ der Regierung Brandt zu protestieren.31 Wie sehr die DVU zu diesem Zeitpunkt eine strategische Interessengemeinschaft war, zeigte sich auch daran, dass Gerhard Frey im Vorfeld der Bundestagswahlen 1972 dazu aufrief, die Unionsparteien zu wählen, da dies die Chancen zur Verwirkli- chung der Ziele der DVU verbessere.32 Wie Hertel ausführt, sah Frey die DVU „in der Rolle eines ‚Korrektivs’, ja einer ‚Drohung’, die Interessen des deutschen Volkes (in seinem revisionistischen Sinne) zu vertreten.“33 Sollte der Verein nicht die gewünschte Wirkung erzielen, behielte sich die DVU die Gründung einer eigenen Partei vor.34 Statt eine eigene Partei zu gründen, trat Frey Mitte der 70er aber zunächst in die gebeutelte NPD ein, wo er zwar kurzzeitig Beisit- zer im Bundesvorstand war, letztendlich aber erfolglos versuchte, Einfluss zu gewinnen. Die Parteibasis verwehrte ihm das Amt des stellvertretenden Partei- vorsitzenden, woraufhin er die NPD bereits 1979 verließ.35 Rund um die DVU baute Frey im Laufe der Zeit zahlreiche teils obskure „Aktionsgemeinschaften“ auf. So gab es unter anderem die „Initiative für Ausländerbegrenzung“, die „Ak- tion Deutsche Einheit“ und den „Ehrenbund Rudel-Gemeinschaft zum Schutz der Frontsoldaten“. Die Mitglieder dieser Vereine hatten vor allem die Funktion, Freys Produkte aus seinem Verlag zu kaufen und ihm einmal im Jahr in der Passauer Nibelungenhalle zuzujubeln.36 Mit den ungefähr 12.000 Mitgliedern in den „Aktionsgemeinschaften“ hatte Frey bereits eine Basis für seine Partei- gründung, die schließlich 1987 erfolgte.

2.2.2. Die Partei

Am 5. März 1987 wurde in München ergänzend zu Freys Verein die Partei „Deutsche Volksunion - Liste D“ gegründet.37 Begründet wurde dieser Schritt mit der Enttäuschung über die schwarz-gelbe Bundesregierung, die nicht die gewünschte „Wende“ herbeigeführt habe.38 Wenn es Frey in den Siebzigerjah- ren gelungen wäre in der NPD an Einfluss zu gewinnen, wäre es vermutlich nicht zur Gründung einer eigenen Partei gekommen. So aber sah er dies ange- sichts der beschriebenen Umstände als Notwendigkeit an. Die Partei sollte aber keine direkte Konkurrenz zur NPD sein, sondern integrativen Charakter haben. Dies zeigt sich daran, dass neben Vereinsfunktionären der DVU auch Partei- funktionäre der NPD an der Gründung beteiligt waren.39 Im Bundesvorstand waren diese jedoch überhaupt nicht, und in den Landesvorständen nur vereinzelt vertreten.40 Selbstverständlich führte Frey die Partei als Parteivorsitzender an. Die Inhalte der DVU-Liste D, die von Beginn an von Freys Publikationen und seinem immensen Kapital profitierte, waren deckungsgleich mit denen des Vereins, der als eine Art Dachorganisation weiter bestand.

Ihre anfängliche Mitgliederzahl von 2.500 konnte die Partei innerhalb von zwei Jahren verzehnfachen. Erreicht wurde dies durch einen Beschluss, der jedes DVU-Vereinsmitglied automatisch zu einem Parteimitglied machte, sofern nicht widersprochen wurde.41 Da von den Mitgliedern keine besonderen Aktivitäten erwartet wurden, kann davon ausgegangen werden, dass diese Aktion vor allem auf weitere Einnahmen durch Mitgliedsbeiträge und das mit hohen Mitgliederzahlen verbundene Prestige zielte.

Nach Absprachen mit der NPD, die im folgenden Kapitel näher beschrieben werden, trat die Partei erstmals 1987 bei den Bürgerschaftswahlen in Bremen an. Der Etat für den Wahlkampf war dabei mit mehr als zwei Millionen DM42 höher als der von SPD und CDU zusammen.43 Mit Unterstützung der NPD gab es zwar einige Großveranstaltungen, davon abgesehen beschränkte sich der Wahlkampf der DVU-Liste D aber weitestgehend auf das massenhafte Versen- den von Propagandamaterial und entsprechende Berichte in den Postillen des Parteivorsitzenden.44 Der Aufwand zahlte sich aus. Aufgrund der Besonderheit des Bremer Wahlrechts, nach welchem die Fünf-Prozent-Marke nur in einer der beiden zum Bundesland gehörenden Städte erreicht werden muss, um in die Bürgerschaft einzuziehen, gelang der Partei aufgrund ihres guten Ergebnisses in Bremerhaven trotz 3,4% im Gesamtergebnis mit einem Kandidaten der Ein- zug in die Bürgerschaft. Die Bedeutung dieses Erfolges für die DVU zeigt sich unter anderem daran, dass damit zum ersten Mal seit 1972 wieder eine rechts- extreme Partei in einem Landesparlament vertreten war; und dies mit einem Kandidaten, der bisher parteipolitisch nicht in Erscheinung getreten und nicht einmal Mitglied der DVU war.45 Nach herben Enttäuschungen bei den folgenden Wahlen46 wurde die Kooperation mit der NPD beendet und Frey ließ 1991 den Zusatz „Liste D“ aus dem Parteinamen streichen, sodass der Parteiname fortan identisch mit dem Vereinsnamen war.47 Bei der im selben Jahr stattfindenden Bürgerschaftswahl in Bremen kam die DVU auf 6,2% der Stimmen, was ihr sechs Mandate sicherte.48 Im Folgejahr zog sie auch in Schleswig-Holstein mit 6,3% der Stimmen in Fraktionsstärke in den Landtag ein. In beiden Ländern „brachen ihre Fraktionen durch interne Streitigkeiten und Austritte auseinander, so dass die DVU sowohl in HB als auch in S.H. ihren Fraktionsstatus verlor.“49 Der nächste Wahlerfolg gelang der DVU erst wieder 1998 in Sachsen-Anhalt.

2.3. Das erste Wahlbündnis zwischen NPD und DVU

Kurz vor der Gründung seiner eigenen Partei ging Frey wieder auf die NPD zu. So rief er in seinen Publikationen sowohl im Vorfeld der Bayerischen Landtags- wahl 1986 als auch vor der Bundestagswahl im Januar 1987 zur Wahl der NPD auf.50 Auf dieser Basis kam es nach der Gründung der DVU-Liste D, an der wie bereits erwähnt auch NPD-Funktionäre beteiligt waren, zu ersten Absprachen der beiden rechtextremen Parteien. Am 26. März 1987 unterzeichneten diese eine gemeinsame Erklärung zur gegenseitigen Unterstützung. Es wurde verein- bart, dass die NPD bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Baden- Württemberg antritt, während die DVU zur Wahl der Bremischen Bürgerschaft kandidiert.51 Ein geschickter Schachzug von Frey, da der Wahlkampf in Bremen natürlich viel leichter zu führen war als in den beiden Flächenstaaten. 1988 wurde die Vereinbarung um weitere Wahlen ergänzt. Danach sollte die NPD zu den bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und zur Bundes- tagswahl 1990 antreten, während die DVU-Liste D zu der Europawahl 1989 an- trat. Innerhalb der NPD war die Allianz von Anfang an sehr umstritten. Nur mit knappen Mehrheiten konnte sie vom Parteipräsidium durchgesetzt werden. Der Widerstand in der NPD ging sogar so weit, dass Broschüren gegen das Bünd- nis verteilt wurden und dazu aufgerufen wurde, bei der Europawahl die Repub- likaner zu wählen.52 Zum einen gab es inhaltliche Kritik an der DVU, die sich vor allem dagegen richtete, dass Freys Partei nicht für einen Abzug der westalliier- ten Besatzungsmächte eintrat; zum anderen wurde Frey vorgeworfen, sich auf Kosten der NPD bereichern zu wollen, da bei der Europawahl mit einer sehr hohen Wahlkampfkostenrückerstattung zu rechnen war.53 Frey versprach der NPD jedoch eine Entschädigungszahlung von einer Million DM.54 Zudem wurde jeder dritte Listenplatz mit einem Kandidaten der NPD besetzt.55 Mit nur 1,6% der Stimmen erlebte die DVU-Liste D bei der Europawahl ein Desaster; ganz im Gegensatz zu den Republikanern, die mit 7,1% ins Europaparlament einzogen. Dennoch erhielt Freys Partei immerhin 3,7 Millionen DM an Wahlkampfkosten- erstattung.56 Ausgegeben hatte sie mindestens 15 Millionen DM.57 Für den streng ökonomisch kalkulierenden Parteivorsitzenden war dies ein Fiasko. Im darauf folgenden Jahr kam es bei der ersten Bundestagswahl des wiederverein- ten Deutschland zu einer noch deutlicheren Niederlage für das rechtextreme Bündnis von NPD und DVU. Die angetretene NPD kam auf nur 0,3% der Stim- men, während die Republikaner mit 2,1% von fast siebenmal so vielen Bürgern gewählt wurden.58 Dieser Misserfolg bedeutete neben dem schwachen Ab- schneiden der Liste D bei der Europawahl das vorläufige Ende der Allianz von NPD und DVU.59 In den folgenden Jahren traten die beiden Parteien in Konkur- renz zueinander an.

3. Programmatik

3.1. NPD

Wie die Bundeszentrale für politische Bildung in ihrem Glossar ausführt, vertritt die NPD „aggressive fremdenfeindliche, rassistische und antisemitische Positi- onen und versteht sich als Fundamentalopposition zur demokratischen Grund- ordnung. Sie bekennt sich zu einem ’deutschen Sozialismus’ und will auf den ’Trümmern des liberalkapitalistischen Systems’ eine ’nationale politische Ord- nungsform’ entwickeln.“60

„Volksgemeinschaft“ statt multikultureller Gesellschaft

Das Idealbild des gesellschaftlichen Zusammenlebens sieht die Partei in der „Volksgemeinschaft“. Dieser in der NPD-Programmatik zentrale Begriff beinhaltet die völkisch-kollektivistische Vorstellung einer „Blut- und Schicksalsgemeinschaft“ in nationalsozialistischer Tradition.61 Ein parteiinternes Pamphlet führt näher aus, wer zu dieser Gemeinschaft gehören soll, und offenbart dabei das rassistische Gedankengut der NPD: „In ein Volk wird man schicksalhaft hineingepflanzt. … Ein Afrikaner, Asiate oder Orientale wird nie Deutscher werden können, weil die Verleihung bedruckten Papiers (…) nicht die biologischen Erbanla- gen verändert. (…) Angehörige anderer Rassen bleiben deshalb kör- perlich, geistig und seelisch immer Fremdkörper (…) und mutieren durch die Verleihung bedruckten Papiers nicht zu germanischstäm- migen Deutschen.“62

In ihrem so genannten „Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland“ be- hauptet die Partei, dass es nur in einer „Volksgemeinschaft“ einen Sozialstaat geben könne, da in einer „multikulturellen Massengesellschaft (…) nur Grup- pen- und Einzelinteressen“ vorhanden seien.63 Die Idee der „Volksgemein- schaft“ wird dabei immer wieder den ungewünschten herrschenden Verhältnis sen gegenübergestellt. So wird die bundesrepublikanische Demokratie unter anderem als „korrupte Bonzokratie“ verunglimpft.64

Antikapitalismus

Die NPD positioniert sich weitestgehend antikapitalistisch und als die „einzig glaubwürdige Anti-Globalisierungsbewegung“. Mit antiamerikanischen und anti- semitischen Verschwörungstheorien gespickt, fordert sie „Volksgemeinschaft statt Globalisierungswahn!“ und „Revolutionärer Nationalismus statt Globalkapi- talismus“.65 Diese Thematik nimmt in der Propaganda der Partei eine zentrale Rolle ein. Der Slogan der Linkspartei „Hartz IV ist Armut per Gesetz“ steht exakt so formuliert auch im Aktionsprogramm der NPD.66 Mit dem Nationalen wird das Soziale verknüpft und immer wieder besonders hervorgehoben. Wie der Bun- desgeschäftsführer der Partei Frank Schwerdt offen zugibt, strebt die NPD nach einem „Nationalen Sozialismus“, den man durchaus als Nationalsozialismus bezeichnen könne.67 Antikapitalistische Inhalte werden vor allem von den „Jun- gen Nationaldemokraten“ (JN), der NPD-Jugend-organisation, forciert.68 Aber auch im Parteiorgan „Deutsche Stimme“ hieß es im März 1998 klar und deut- lich: „Hauptfeind ist der Kapitalismus“.69 Im offiziellen Parteiprogramm hingegen bekennt sich die NPD in völligem Widerspruch zu diversen Aussagen ihrer Mit- glieder und ihrer eigenen Zeitung zu „einem freien (…) Unternehmertum“.70 Un- ter dem Schlagwort „raumorientierte Volkswirtschaft“ wird eine „am heimischen Lebensraum der Menschen orientierte (…) soziale Volkswirtschaft“71 gefordert. Im Vergleich zur DVU sind die Aussagen zur Wirtschafts- und Sozialpolitik bei der NPD ausformulierter und umfangreicher. Darüber hinaus wird diesem Be- reich eine weitaus größere Bedeutung beigemessen, als dies bei der Partei Freys der Fall ist.

Ablehnung von Grundgesetz und Menschenrechten

Das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland wird von der NPD genau so wie die Bundesrepublik an sich abgelehnt. In einem internen Papier der Partei heißt es: „Das Grundgesetz (…) [ist] ein Diktat der Westalliierten, es ist vom deutschen Volk nie in einer Volksabstimmung angenommen worden, die Grundrechtsbestimmungen triefen vor Menschenrechtstümelei und stellen Deutsche im eigenen Lande de facto mit Ausländern gleich."72

Die BRD wird von der NPD als „Gaunerstaat“ bezeichnet, der „abgewickelt wer- den müsste.“73 Ersetzt werden soll sie nach Vorstellungen der NPD durch ein deutsches „Vaterland von der Maas bis an die Memel und von der Etsch bis an den Belt."74 Schon mehrmals hat der Parteivorsitzende Voigt im Namen seiner Partei eindeutig und unverhohlen verlauten lassen: „Unser Ziel ist das Reich.“75 Dass in diesem herbeigesehnten großdeutschen Reich kein Platz für Men- schenrechte ist, zeigt sich unter anderem daran, dass die universelle Gültigkeit der Menschenrechte von der NPD bestritten wird. Auf der Internetseite der sächsischen NPD werden die Menschenrechte als „Fiktion“ und als „Konstrukt“ bezeichnet, das als „universales Rechtfertigungs-Vehikel einer globalen (…) Einmischungspolitik zur Aushebelung nationaler Souveränitätsrechte“ diene.76

Verherrlichung des Nationalsozialismus

Immer wieder bezieht sich die NPD positiv auf die Zeit des Nationalsozialismus und heroisiert die an dem System aktiv beteiligten Personen. Adolf Hitler wird vom Parteivorsitzenden Voigt als „großer Staatsmann“ bezeichnet, der „Phan- tastisches geschafft“ hat.77 Der sächsische NPD-Landtagsabgeordnete Menzel geht so gar noch weiter und hält „den Führer (…) für einen großen Staatsmann, vielleicht einen der größten, den wir je gehabt haben.“78 Der Stellvertreter Hit- lers und später verurteilte Kriegsverbrecher Rudolf Heß wird in der NPD-Postille „Deutsche Stimme“ als „Märtyrer für Deutschland“ gefeiert.79 In einer von dem Vorsitzenden des NPD-Kreisverbands Köln herausgegeben Broschüre mit dem Titel „Evolution. Systemkritische Gedanken eines Deutschen“ heißt es, Deutschland sei „ab dem Jahr 1933, aufgrund phantastisch geführter nationaler Politik, wieder zu einem der wirtschaftlich stärksten Staaten der Welt“ gewor- den. Aus diesem Grund sei „Deutschland ein neuer Krieg aufgezwungen“ wor- den, „um es zu vernichten.“80 In Aussagen wie diesen zeigt sich die von der Partei betriebene revisionistische Betrachtung der deutschen Geschichte.

3.2. DVU

Die Programmatik der DVU beschäftigt sich vorwiegend mit den klassischen rechtsextremistischen Inhalten. Wie der Verfassungsschutz auflistet, sind Schwerpunkte der Partei „der Revisionismus, rassistische Äußerungen gegen Ausländer, antisemitische Ressentiments, Angriffe gegen Repräsentanten des Staates und ein ausgeprägter Militarismus.“81

„Deutschland den Deutschen“

Ein ganz zentraler Themenbereich in der Programmatik der DVU ist bereits seit Bestehen des Vereins DVU die „nationale Frage“. Die ersten drei Punkte des nur zwölf Punkte umfassenden Parteiprogramms befassen sich mit diesem Be- reich. „Deutschland soll das Land der Deutschen bleiben“ heißt es dort im ers- ten Satz, woraufhin näher ausgeführt wird, wie dies zu erreichen ist. Dabei wer- den in typisch rechtextremistischer Manier eine „Begrenzung des Ausländeran- teils, Stopp dem zunehmenden Ausländerzustrom, Beschleunigung der Asylver- fahren“ und die „Ausweisung von kriminellen Ausländern“ gefordert.82 Dies sind auch die beherrschenden Themen in den Wahlkämpfen der Partei. Der Slogan „Nein zu Ausländerhass!“ auf der Homepage der DVU erscheint zutiefst zy- nisch, wenn man ihn in den Kontext von Aussagen der Partei zu dem Thema stellt. In unverhohlen aggressiv-rassistischer Manier forderte das heutige DVU- Bundesvorstandsmitglied Hans-Otto Weidenbach als Abgeordneter in der Bre- mer Bürgerschaft, man solle „die Schwindler (…), die Gauner, die Verbrecher multinationaler Herkunft, die Herointürken und Kokainneger, zigeunernde Plün- derer und polnischen Schmuggler und Autodiebe" hinauswerfen.83 Der Rassis- mus der DVU ist von dem der NPD nicht zu unterscheiden. Programmatik und Ziele im Bereich der Ausländerpolitik sind weitgehend deckungsgleich mit de- nen der NPD.

Relativierung des Holocaust und Glorifizierung von Wehrmachtsoldaten

Weitere wichtige Teile der „nationalen Frage“ sind die in der Parteipropaganda der DVU ebenfalls sehr großen Platz einnehmenden und sich oftmals überlap- penden Bereiche des Revanchismus, des Geschichtsrevisionismus, des Milita- rismus und des Antisemitismus. Der Holocaust soll relativiert werden, indem er immer wieder mit anderen Völkermorden der Geschichte verglichen wird.84 Sein Ausmaß wird als „Lüge des Jahrhunderts“ bezeichnet und Soldaten der deut- schen Wehrmacht und der Waffen-SS werden nicht als Verbrecher dargestellt, sondern als Helden und Vorbilder für die deutsche Jugend glorifiziert.85 Im Pro- gramm der Partei heißt es, das „Ansehen und die Ehre des deutschen Solda- ten“ müssten „besser geschützt sein“. Wie dem gleichen Abschnitt zu entneh- men ist, sind damit in erste Linie die Soldaten der „Frontgeneration“ gemeint, die „ihre schwere Pflicht“ erfüllten.86 Immer wieder verweist die DVU zur Relati- vierung der deutschen Geschichte auch auf die „Kriegsverbrechen“ der Alliier- ten.87 Wie bei der NPD wird der Kriegsverbrecher Rudolf Heß als Held verehrt. So heißt es in der NZ, Heß habe „als weltweit einziger hochrangiger Politiker versucht, unter Einsatz seines Lebens einen Frieden im Zweiten Weltkrieg zu erreichen.“88

Antisemitismus

Während sich in den Aussagen der Partei sehr viel um Geschichte und Figuren der Vergangenheit dreht, will die DVU gleichzeitig einen „Schlussstrich“ unter die nationalsozialistische Vergangenheit Deutschlands ziehen. Dafür, dass dies noch nicht geschehen ist und Deutschland daher immer noch kein „gleichbe- rechtigtes Mitglied in der Völkergemeinschaft“ sei, macht die Partei hauptsäch- lich die Juden verantwortlich.89 Dabei hantiert die DVU vor allem auch in Freys „National-Zeitung“, die vom Verfassungsschutz als Parteizeitung der DVU ein- gestuft wird,90 mit klassischen antisemitischen Verschwörungstheorien. Jüdi- sche Persönlichkeiten, jüdische Organisationen und der Staat Israel werden diffamiert. Der Bundesregierung wird ein „Ausverkauf deutscher Interessen (…) zugunsten der USA und Israels“ vorgeworfen.91 Auch in diesen klassischen rechtsextremistischen Themenfeldern sind Unterschiede zwischen DVU und NPD kaum zu erkennen. Jedoch nimmt der vergangenheitsbezogene Bereich in der Programmatik der DVU einen größeren Platz als bei der NPD ein, was unter anderem auch mit der Altersstruktur der Mitglieder und der Altersstruktur der Leser der Parteizeitungen zusammenhängen dürfte.

Klares Bekenntnis zur Marktwirtschaft

Deutliche Unterschiede zur NPD gibt es hingegen im Bereich der „sozialen Fra- ge“. Diese spielt bei der DVU vor allem in Wahlkämpfen eine wichtige Rolle und ist immer mit einer nationalistischen Ausrichtung verknüpft. Die wirtschafts- und sozialpolitischen Ideen der DVU sind dabei ohne erkennbares Konzept und teilweise widersprüchlich. In der simplen Formulierung „Deutsche zuerst“ sieht die DVU die Lösung für fast alle Probleme auf diesem Gebiet. Anders als die NPD ist die DVU keinesfalls antikapitalistisch oder sozialistisch.92 Sie ist sogar eine „zweifellos bedingungslose Verfechterin einer kapitalistischen Marktwirt- schaft“ und mischt „ordoliberale Ökonomievorstellungen mit einem völkisch- rassistischen, antisemitischen Überbau und einem extrem spießbürgerlichen Habitus.“93 Im Parteiprogramm der DVU gibt es keinen zusammenhängenden Bereich für die Wirtschaftspolitik, sondern nur schlagwortartige Kapitel wie „Hilfe für den Mittelstand und die deutschen Bauern“ oder „Schaffung von Arbeitsplät- zen“, in welchem z.B. die „Wiederherstellung der Wettbewerbsfähigkeit gefähr- deter Unternehmen“ sowie eine Steuer- und Abgabensenkung gefordert wer- den.94 Forderungen wie diese könnten auch dem Programm einer bürgerlich- demokratischen Partei entstammen.

Akzeptanz des Grundgesetzes

Laut Parteiprogramm und Interviews des Parteivorsitzenden bekennt sich die DVU klar zum Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland. Auf ihrer Home- page heißt es „Ja zum Grundgesetz“ und „Grundgesetztag feiern!“.95 Ganz im Gegensatz zur NPD stellt die DVU fest: „Entgegen einer gerne wiederholten Legende war das Grundgesetz auch nicht von den Besatzern aufgezwungen ("oktroyiert"). In allen wesentlichen Konfliktpunkten setzten sich die Deutschen durch.“96 Solche Beteuerungen stehen jedoch im Widerspruch zu den eigentli- chen Zielen der Partei. Der Verfassungsschutzbericht 2005 konstatiert hierzu:„Die unantastbaren Prinzipien der Menschenwürde und des Gleichheitsgrundsatzes sollen (…) für den ausländischen Teil der Bevölkerung eingeschränkt und ausgehöhlt werden.“97

Dennoch muss festgehalten werden, dass die DVU das Grundgesetz öffentlich verteidigt und sich, im Unterschied zur NPD, zu diesem bekennt.

4. Organisations- und Mitgliederstruktur

4.1. NPD

4.1.1. Parteivorsitzender

Parteivorsitzender der NPD ist seit 1996 der Diplompolitologe und ehemalige Bundeswehrhauptmann Udo Voigt. Voigt trat bereits 1968 als 16jähriger der sich damals auf Erfolgskurs befindenden NPD bei und hat damit beinahe die komplette Parteigeschichte als Mitglied erlebt. Mitte der Achtzigerjahre musste er die Bundeswehr verlassen, weil er seine NPD-Mitgliedschaft nicht aufgeben wollte. Daraufhin machte er sich selbstständig (zunächst hatte er eine Textilrei- nigungsfirma, später einen Wohnmobilverleih), studierte nebenbei in München Politikwissenschaft und stieg in der Partei über den Landesvorsitz in Bayern bis zum gesamtdeutschen Parteichef auf. Voigt erkannte zum einen das Potenzial der rechtsextremen Skinheadszene in Ostdeutschland und öffnete die Partei für Neonazis; zum anderen erkannte er die Zugkraft des Sozialen und brachte die zuvor streng antikommunistische NPD auf den nicht unumstrittenen Kurs des „nationalen Sozialismus“.98

Der Rechtsextremismusexperte Toralf Staud beschreibt Voigt als „Taktiker“ und „Machtpragmatiker, der einfach tut was im jeweiligen Moment nützt“.99 Dies zeigt sich auch am Umgang mit der DVU, die Voigt vor dem Deutschland-Pakt jahrelang als Konkurrenz bekämpfte.100

Unliebsamen Rivalen Voigts’ innerhalb der eigenen Partei kann es passieren, dass sie aus der Partei ausgeschlossen werden, ohne dass dafür für die Öffentlichkeit nachvollziehbare Gründe vorliegen.101 Dies demonstriert die Machtposition des Parteivorsitzenden innerhalb der NPD.

Auf dem Bundesparteitag der NPD im November 2006 in Berlin wurde Voigt mit 95% der Stimmen in seinem Amt bestätigt und damit auch sein eingeschlagener Kurs von den Delegierten eindeutig bekräftigt.102

4.1.2. Gliederung und Parteileben

Die NPD hat ihren Hauptsitz in Berlin und unterhält in jedem Bundesland einen Landesverband. Diese unterscheiden sich jedoch in ihrer Bedeutung für die Partei erheblich.103 Vor allem in manchen Kommunen Ostdeutschlands ist die NPD fest verankert. Ganz im Gegensatz zur DVU spielen die Parteimitglieder eine aktive politische Rolle. Auf regionaler Ebene existieren Kreisverbände, die insbesondere in Kommunalwahlkämpfen in Erscheinung treten und dabei län- derübergreifend von der Partei unterstützt werden. Zum Teil sind diese noch in Ortsbereiche untergliedert.104

Über die innerparteiliche Demokratie und die konkreten Entscheidungsprozesse innerhalb der Partei ist wenig bekannt. Das oberste Organ der NPD ist der Bundesparteitag, der laut Satzung mindestens in jedem zweiten Jahr zusam- mentritt und über „die politische Zielsetzung der Partei“ entscheidet. Er be- stimmt „im Rahmen seiner Zuständigkeiten über Parteiprogramm, Satzung, Bei- tragsordnung, Geschäftsordnung, Schiedsgerichtsordnung, Auflösung und Ver- schmelzung mit anderen Parteien“ und „wählt den Vorsitzenden, seine Stellver- treter und die übrigen Mitglieder des Vorstandes“.105 Dem Bundesparteitag „ge- hören der Parteivorstand, die Landesvorsitzenden und die von den Kreismit- gliederversammlungen zu wählenden Delegierten an“.106 Dem Parteivorstand obliegt laut Satzung die „politische und organisatorische Führung der NPD (…). Er bestimmt die Richtlinien der Politik und der gesamten Parteiarbeit, koordi- niert die Arbeit aller Gliederungen der Partei“ entscheidet über die Teilnahme an Wahlen.107

Wie zentralistisch die NPD ist, ist unter Experten umstritten. Einerseits werden nicht der Parteilinie entsprechende Meinungen diffamiert, andererseits aber zeigen die „schweren inneren Auseinandersetzungen auf allen Ebenen“ und die „vielen heftigen Debatten und Kampfabstimmungen über zentrale Sach- und Personalfragen“,108 dass in der Partei durchaus eine lebhafte Streitkultur exis- tiert und die Mitglieder nicht nur stumm den Entscheidungen des Vorstands fol- gen, wie dies bei der DVU der Fall ist. Wie Hoffmann zusammenfasst, ist die NPD „auch durch die autoritäre Gesinnung ihrer Mitglieder“ eine führungsorien- tierte Partei, aber „weder konzeptionell noch institutionell“ eine Führerpartei.109 Unterorganisationen der NPD sind der unbedeutende „Nationaldemokratische Hochschulbund“ (NHB) und die ca. 350 Mitglieder umfassenden und eigene Konzepte entwickelnden „Jungen Nationaldemokraten“ (JN).110 Die Organisati- onsstruktur der JN wird im Verfassungsschutzbericht 2005 als „desolat“ be- schrieben.111 Im Jahr 2006 bemühten sich die JN zwar ihre Organisationsstruk- turen zu verbessern, konnten aber ihre Handlungsfähigkeit bis dato nicht stei- gern.112 Dennoch sind sie ein nicht zu unterschätzendes Scharnier zwischen Mutterpartei und neonazistischen Kameradschaften.113 Noch radikalere Äuße- rungen als die der Mutterpartei, klare antikapitalistische Positionen und ein ein- deutig revolutionärer Ansatz machen die JN für Neonazis besonders interes- sant. Der Bundesvorsitzende der JN ist zugleich auch immer Mitglied des NPD- Parteivorstands.114 Wie unter anderem einige Fälle in Brandenburg zeigen, ist die NPD/JN für kameradschaftlich organisierte Neonazis mittlerweile so attrak- tiv, dass sich komplette Kameradschaften auflösen, um sich der Partei anzu- schließen.115 Bekennende Neonazis bekleiden führende Positionen bei den „Jungen Nationaldemokraten“. So ist z.B. der Gründer des neonazistischen „Ak- tionsbüro Süd“, Norman Bordin, zugleich Landesparteivorsitzender der JN in Bayern.116 In Sachsen-Anhalt „stützt sich [die NPD] maßgeblich auf die Freien Kameradschaften“ und ist genau in den Regionen stark, wo die Kameradschaften stark sind.117

4.1.3. Mitglieder und Kandidaten

Nach jüngsten Angaben des Verfassungsschutzes hat die NPD etwa 7.000 Mit- glieder (Stand: 2006).118 Seit Mitte der Neunzigerjahre hat sie „die Arme auch für neonazistische Skinheads und Kameradschaften ausgebreitet und nimmt alles in Empfang, was sich irgendwie rechts bewegt.“119 In einem Dossier der Zeit von 1998 heißt es über die Mitgliederstruktur, dass in der NPD zusam- menwächst, „was ohne die Partei nie zusammengefunden hätte: Altnazis aus dem Westen und radikale Ostalgiker, die bei der PDS den Stolz auf die Heimat vermissen, westdeutsche Führer-Figuren des ‚nationalen Widerstandes’ und pubertierende Skinheads aus Wurzen oder Leip- zig, frustrierte Antikapitalisten von rechts und links, Jugendliche, die so rebellisch wie resigniert sind, Schlägertrupps mit glänzenden Schädeln.“120

In Sachsen, wo die NPD ihre Mitgliederzahl innerhalb von vier Jahren zwischen 1994 und 1998 mehr als verzehnfachen konnte121 und mittlerweile ca. 1000 Mitglieder (Stand: 2006) hat122, ist das durchschnittliche männliche Mitglied 26 Jahre alt. Wie Hafeneger feststellt, ist jedes zweite junge Mitglied arbeitslos. Von der anderen Hälfte sind die meisten in der Ausbildung oder arbeiten auf dem Bau.123 Bundesweit sind 70% der Mitglieder unter 30 Jahre alt.124 Das Durchschnittsalter liegt bei 37 Jahren.125 Diese Statistiken zeigen, dass die NPD ganz im Gegensatz zur DVU eine Partei mit zahlreichen jungen Mitglie dern ist. Über die bei Wahlen aufgestellten Kandidaten lässt sich Ähnliches feststellen. Bei der Bundestagswahl 1998, die letzte Bundestagswahl bei der sowohl NPD und DVU antraten, waren 35% der NPD-Kandidaten jünger als 35 Jahre. Das Durchschnittalter lag bei 44,9 Jahren und damit unter dem Gesamt- schnitt der Kandidaten aller antretenden Parteien.126 Ein nicht unerhebliches Problem für die NPD liegt darin, dass es diesem Personal jedoch größtenteils an politischen und sozialen Kompetenzen fehlt.127 Dies ist bei den Mitgliedern der DVU zwar ebenfalls der Fall, doch bei der NPD wird es deshalb zum Prob- lem, weil die Mitglieder nicht aus der Parteizentrale ferngesteuert werden, son- dern Eigeninitiative von ihnen erwartet wird. In Wahlkämpfen wird die NPD er- heblich von Neonazis unterstützt, denen sie im Gegenzug dafür Listenplätze einräumt.128

4.2. DVU

4.2.1. Parteivorsitzender

Die DVU wird von ihrem Bundesvorsitzenden Dr. rer. pol. Gerhard Michael Frey aus München „zentralistisch und autokratisch geführt sowie weitestgehend fi- nanziert.“129 Frey wurde 1933 im oberpfälzischen Cham geboren und studierte nach dem Abitur Rechts- und Staatswissenschaften. Anschließend promovierte er an den Universitäten in München und Graz, und gründete schließlich seinen eigenen rechtsextremen Verlag. Das Vermögen Freys wird auf mehrere Millio- nen Euro geschätzt. Wie Mecklenburg ausführt, sieht Frey die „Rehabilitierung des Nationalsozialismus“ als seine Lebensaufgabe.130 Vor allem aber ist Frey an seinem eigenen Profit interessiert. Harald Neubauer, ein ehemaliger Wegge- fährte Freys, beschreibt den reichen Parteivorsitzenden folgendermaßen: „Er bettelt um des Bettelns willen. Bei ihm ist das Geschäft nackter Eigennutz, nicht Mittel zum politischen Zweck. Er verkauft pseudo patriotischen Ablaß zu Nepp-Preisen, setzt Deutschland mit seinem Geldbeutel gleich. Jeder, der sich mit ihm einläßt, wird (…) ausgenutzt, mißbraucht, gefleddert.“131

Die These, dass Frey in erster Linie Geschäftsmann und erst in zweiter Linie Politiker sei, ist weit verbreitet und gilt auch als der Hauptgrund, warum sich der Multimillionär in der NPD nicht durchsetzen konnte. Wie wichtig Frey der politi- sche Aspekt tatsächlich ist, kann nicht eindeutig festgestellt werden. Alle Ma- chenschaften Freys ergeben auch rein ökonomisch betrachtet Sinn, weshalb es schwierig zu beurteilen ist, ob seine Publikationen und seine Partei in erster Linie die Gesellschaft oder in erster Linie die Finanzen Freys zum Positiven verändern wollen. Wie das Bundesamt für Verfassungsschutz feststellt, hat Frey es durch seine Struktur „wie kein anderer geschafft, seine Partei, seine Zeitungen und seine wirtschaftlichen Interessen miteinander zu verknüpfen.“132 Auf dem DVU-Bundesparteitag im Januar 2007 wurde Frey mit 99,6% der Stimmen als Parteivorsitzender bestätigt.133 Dies zeigt, dass er in seiner Partei völlig unumstritten ist und seine Entscheidungen von der Partei kollektiv mitge- tragen werden.

4.2.2. Gliederung und Parteileben

Laut Satzung gliedert sich die DVU in den Bundesverband, in Landesverbände, die in ihren Satzungen Bezirks- und Ortsverbände vorsehen können, und in Kreisverbände.134 Die 16 Landesverbände und diversen Kreisverbände sind in erster Linie formell vorhanden und haben faktisch gesehen kein Eigenleben. Wahlkampfveranstaltungen werden immer von München aus diktiert und finden nie ohne Beteiligung Freys oder seiner engsten Vertrauten statt.135 Um dem weitverbreiteten Bild der „Phantompartei“ entgegenzuwirken, hat Frey in den letzten Jahren einige regionale „DVU-Stammtische“ ins Leben gerufen, bei de- nen sich DVU-Mitglieder und Sympathisanten politisch austauschen können.

Die Veranstaltungen werden in Freys Publikationen beworben.136 Wie groß die Resonanz auf die „Stammtische“ ist, bleibt aber unklar. Zudem wurden Kreis- verbände gegründet oder wiederbelebt, die jedoch hauptsächlich der Image- pflege dienen.137

Eine Jugendorganisation wie bei der NPD gibt es nicht. Es bestünde die Ge- fahr, dass diese zu eigenständig handeln würde, tatsächlich aktiv wäre und sich bei bestimmten Themen gegen den Parteivorsitzenden stellen könnte. Dies wä- re ein Risiko, das Frey vermutlich auf keinen Fall eingehen will. Dementspre- chend wenig Jugendliche sind in der Partei. Ganz im Gegensatz zu NPD und JN bietet das Organisationsleben der DVU kaum Betätigungsmöglichkeiten.138 Der ehemalige Chef des Hamburger Verfassungsschutz, Ernst Uhrlau, sieht in der DVU vor allem die „organisierte Leserschaft der Publikationen von Gerhard Frey.“139 Dasselbe gilt für den parallel zur Partei existierenden eingetragenen Verein DVU und die diesem angeschlossenen „Aktionsgemeinschaften“.140

Von innerparteilicher Demokratie kann keine Rede sein. Parteitage, auf denen um Ziele oder Wahllisten der Partei gestritten wird, sind keine bekannt.141 Pro- grammatik und Personalpolitik der Partei werden von Frey genau so bestimmt wie die Frage, zu welchen Wahlen angetreten wird. Den wenigen Bundesvor- standsmitgliedern kommt „fast nur eine Statistenrolle“ zu.142 Selbst Parlaments- anfragen der DVU-Fraktionen in den Landesparlamenten werden von Frey vor- gegeben.143 Ein demokratisches Parteileben, wie es in anderen Parteien prakti- ziert wird, ist nicht zu erkennen. So stellt Hertel in seinen Betrachtungen fest:„Während ihrer Präsenz in der Bremer Bürgerschaft unterhielt die DVU kein Partei- oder Fraktionsbüro, keine Anlaufstelle für die Be- völkerung, noch beschäftigte sie wissenschaftliche Mitarbeiter für ih- re parlamentarische Arbeit. Genausowenig existierte (…) ein geregeltes örtliches Parteileben. Die Steuerung der gesamten politischen

Arbeit erfolgte ausschließlich aus der Münchner Parteizentrale.“144

Die Abgeordneten der DVU erhalten für ihre gehorsame Passivität zusätzlich zu ihren Diäten finanzielle Zuwendungen und Dienstwägen aus der Parteikasse.145

4.2.3. Mitglieder und Kandidaten

Die Mitgliederzahlen der Partei sind seit Jahren rückläufig. Zu Beginn der Neunzigerjahre hatte die Partei noch mehr als 25.000 Mitglieder146, mittlerweile liegt die Zahl bei nur noch etwa 8.500 (Stand: 2006).147 Damit ist sie jedoch nach wie vor die mitgliederstärkste rechtsextremistische Partei. Im Gegensatz zur „jungen“ NPD ist die DVU eine Partei, die mehr und mehr überaltert.148 Aufgrund der Tatsache, dass Personen für die DVU zur Wählermobilisierung überhaupt keine Rolle spielen, sind die Kandidaten beliebig austauschbar. Sie werden auch nicht besonders gefordert, da sie letztendlich nur umsetzen sollen, was ihnen aus München diktiert wird. Das Durchschnittsalter der Kandidaten bei der Bundestagswahl 1998 lag mit 48,3 Jahren deutlich über dem Gesamtdurch- schnitt aller Parteien und noch deutlicher über dem Durchschnittsalter der Kan- didaten von der damaligen Konkurrenzpartei NPD. Ganz im Gegensatz zur ver- gleichsweise jungen NPD, die mehr als ein Drittel unter 35-Jährige aufstellte, waren bei der DVU nur 21,6% der Kandidaten jünger als 35 Jahre.149 Wie Her- tel konstatiert, spielen örtliche Funktionäre faktisch keine Rolle, sondern „agie- ren als verlängerter Arm Gerhard Freys.“150 Gewaltbereite Neonazis sind in der DVU nicht willkommen, und aufgrund der „revolutionär“ ausgerichteten Ideolo- gie kameradschaftlich ausgerichteter Rechtsextremisten ist die recht biedere Partei für diese auch nicht einmal ansatzweise interessant.

5. Mobilisierungsstrategien

5.1. NPD

Unter ihrem Vorsitzenden Udo Voigt entwickelte die NPD in den Neunzigerjah- ren ihr „Drei-Säulen-Konzept“: „Kampf um die Straße“, „Kampf um die Köpfe“, „Kampf um die Parlamente“.151 Mit dem Deutschland-Pakt kam als vierte Säule noch der „Kampf um den organisierten Willen“ hinzu, der die Kooperation mit anderen rechtsextremen Kräften wie der DVU und neonazistischen Kamerad- schaften umschreibt.152 Wie Toralf Staud in seinen Analysen feststellt, agiert die NPD „an der Schnittstelle von Jugendkultur, Ideologie und parlamentarischer Politik.“153

„Deutsche Stimme“

Die offizielle Parteizeitung ist die monatlich in der „Deutschen Stimme Verlags- gesellschaft mbH“ des NPD-Bundesverbandes erscheinende „Deutsche Stim- me“ (DS) mit einer Auflage von etwa 21.000 Exemplaren.154 Die Postille „hat mittlerweile den Charakter eines führenden rechtsextremistischen Theorie- und Strategieorgans angenommen.“155 Sie wird zwar zur Wählermobilisierung ge- nutzt, spielt aber bei Weitem nicht die zentrale Rolle in der NPD-Propaganda, wie dies bei der DVU mit Freys „National-Zeitung / Deutsche Wochen-Zeitung“ (NZ) der Fall ist. Eine weitaus größere Bedeutung hat das an den Verlag angegliederte Versandhaus, das die rechtsextreme Szene mit diversen Artikeln von Büchern über Rudolf-Heß-Büsten bis hin zu Rechtsrock-CDs versorgt.156

[...]


1 Molau, Andreas: „Für eine bessere Zukunft“. in: Deutsche Stimme 02/2005

2 Kapust, Wolfgang: „Der ‚Deutschland-Pakt’“ [www.dlradio.de]

3 ebd.

4 Sager, Tomas: „Schlecht gelittene Bündnispartner“ [www.bpb.de]

5 vgl. Sager, Tomas: „Schlecht gelittene Bündnispartner“ [www.bpb.de]

6 Zum Zeitpunkt der Vertragsunterzeichnung sollte diese noch im Jahr 2006 stattfinden.

7 Mit den Begriff Stimmen sind im Zusammenhang mit Bundestagswahlen immer gültige Zweit- stimmen und im Zusammenhang mit Landtagswahlen immer die für die Fünf-Prozent-Hürde entscheidenden Stimmen gemeint. Dies gilt auch für alle Abbildungen und Tabellen.

8 Die dem Bündnis später beigetretene „Deutsche Partei - Die Freiheitlichen“ (DP) bleibt auf- grund ihrer Bedeutungslosigkeit und der Tatsache, dass sie an der Unterzeichnung des Pakts nicht beteiligt war, außer Betracht.

9 Unberücksichtigt bleiben die interparteilichen Prozesse, die dem Deutschland-Pakt vorausgin- gen, da über diese Interna keine Erkenntnisse vorliegen.

10 vgl. Fascher, S. 45

11 vgl. Hoffmann, S. 79

12 vgl. Kühnl, S. 65

13 Fascher, S. 45 f.

14 vgl. Kühnl, S. 65

15 Kühnl, S. 66

16 vgl. Fascher, S. 56

17 vgl. Fascher, S. 50

18 Hafeneger, S. 42

19 vgl. Fascher, S. 61

20 vgl. Fascher, S. 59 f.

21 Hafeneger, S. 44

22 ebd.

23 vgl. Hafeneger, S. 45

24 vgl. Kapitel 2.3

25 vgl. Hafeneger, S. 50 ff.

26 die Antragsteller hatten Aktivitäten und Aussagen von auf Funktionärsebene der NPD agie- renden V-Leuten der Verfassungsschutzbehörden zur Begründung ihrer Verbotsanträge he- rangezogen

27 vgl. Linke, S. 15

28 Linke, S. 15

29 vgl. Hertel, S. 6

30 vgl. Linke, S. 15

31 vgl. Hertel, S. 6

32 vgl. Linke, S. 18

33 Hertel, S. 6

34 ebd.

35 vgl. Linke, S. 28

36 vgl. Hertel, S. 9

37 vgl. Fascher, S. 134

38 vgl. Hertel, S. 10

39 vgl. Fascher, S. 134

40 vgl. Fascher, S. 135

41 vgl. Fascher, S. 134

42 vgl. Linke, S. 32

43 vgl. Hertel, S. 10

44 vgl. Fascher, S. 136 ff.

45 vgl. Linke, S. 32

46 vgl. Kapitel 2.3

47 vgl. Hertel, S. 11

48 vgl. Stöss, S. 87

49 Hoffmann/Lepszy, S. 582

50 vgl. Hertel, S. 10

51 vgl. Fascher, S. 134

52 vgl. Fascher, S. 134 f.

53 vgl. Fascher, S. 135

54 vgl. Hertel, S. 11

55 vgl. Fascher, S. 141

56 vgl. Hertel, S. 11

57 vgl. Linke, S. 34

58 vgl. Hertel, S. 11

59 vgl. Linke, S. 34 f.

60 BPB: Rechtsextremismus - Glossar

61 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 75

62 NPD-Parteivorstand: Argumente für Kandidaten und Funktionsträger

63 vgl. NPD-Parteivorstand: Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland, S. 14

64 BfV: „Die NPD als Gravitationsfeld im Rechtsextremismus“, S. 7

65 ebd.

66 NPD-Parteivorstand: Aktionsprogramm für ein besseres Deutschland, S. 8

67 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 75 f.

68 vgl. Ptak, S. 117

69 Ptak, S. 116

70 NPD Parteiprogramm

71 ebd.

72 NPD-Parteivorstand: Argumente für Kandidaten und Funktionsträger

73 Thadeusz, Frank: „Was ist die NPD?“ [www.tagesschau.de]

74 Verfassungsschutzbericht 2002, S. 55

75 Kapust, Wolfgang: „Der ‚Deutschland-Pakt’“ [www.dlradio.de]

76 Richter, Karl: „Die ‚Dresdner Schule’ - Anspruch - Inhalte - Strukturen.“ [npd-sachsen.de]

77 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 76

78 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 76

79 Verfassungsschutzbericht 2004, S. 66

80 ebd.

81 Mecklenburg, S. 18 f.

82 DVU Partei-Programm

83 Linke, S. 62

84 vgl. Mecklenburg, S. 19

85 Linke, S. 63 f.

86 DVU Partei-Programm

87 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 96

88 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 98

89 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 95

90 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 94

91 DVU: „Erfolgsstimmung prägte DVU-Landesparteitage“

92 vgl. Ptak, S. 122 ff.

93 Ptak, S. 125

94 DVU Partei-Programm

95 www.dvu.de

96 DVU: „Ja zum Grundgesetz!“

97 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 95

98 vgl. Staud, Toralf: „Glatze mit Scheitel“. in: Die Zeit, 16.12.2004

99 Staud, Toralf: „Glatze mit Scheitel“. in: Die Zeit, 16.12.2004

100 vgl. Staud, Toralf: „Glatze mit Scheitel“. in: Die Zeit, 16.12.2004

101 vgl. Gensing, Patrick: „,Vorzeige-Demokraten’ räumen in der Partei auf“ [www.tagesschau.de]

20

102 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 89

103 vgl. Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: NPD

104 vgl. Bartsch, Michael: „Offensive der NPD in Sachsen-Anhalt“. in: taz, 20.04.2007

105 Satzung der NPD, § 19

106 ebd.

107 Satzung der NPD, § 20

108 Hoffmann, S. 424 f.

109 ebd.

110 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 66 ff.

111 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 92

112 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 95

113 vgl. Hafeneger, S. 51 f.

114 vgl. Verfassungsschutzbericht 2005, S. 92

115 vgl. „NPD verstärkt Aktivitäten in Brandenburg“. [www.rbb-online.de]

116 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 95

117 Bartsch, Michael: „Offensive der NPD in Sachsen-Anhalt“. in: taz, 20.04.2007

118 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 66

119 Thomas, Jens: „Schmackhafte NPD-Bonbons“ [www.heise.de]

120 Hafeneger, S. 51

121 Hafeneger, S. 51

122 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 86 f.

123 vgl. Hafeneger, S. 51

124 vgl. Hafeneger, S. 51

125 vgl. Staud, S. 15

126 vgl. Hafeneger/Niebling, S. 170

127 vgl. Staud, S. 16

128 vgl. BfV: Die NPD als Gravitationsfeld im Rechtsextremismus, S. 5

129 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 93

130 Mecklenburg, S. 23 ff.

131 Mecklenburg, S. 26

132 Linke, S. 47

133 vgl. Sager, Tomas: „Schlecht gelittene Bündnispartner“ [www.bpb.de]

134 vgl. DVU Satzung, § 8

135 vgl. Linke, S. 38

136 vgl. Virchow (2002), S. 35 f.

137 ebd.

138 Linke, S. 52

139 Linke, S. 47

140 vgl. Kapitel 2.2.1

141 vgl. Mecklenburg, S. 16

142 Verfassungsschutzbericht 2005, S. 98

143 vgl. Linke, S. 47

144 Hertel, S. 12 f.

145 vgl. Linke, S. 38

146 vgl. Linke, S. 47

147 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 96

148 vgl. Sager, Tomas: „Schlecht gelittene Bündnispartner“ [www.bpb.de]

149 vgl. Hafeneger/Niebling, S. 170 ff.

150 Hertel, S. 14

151 vgl. BfV: Die NPD als Gravitationsfeld im Rechtsextremismus, S. 3

152 vgl. Hübner, S. 30

153 Staud, S. 14

154 vgl. Verfassungsschutzbericht 2006, S. 66

155 Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg: NPD

156 Burger, Reiner: „Gefühlte Volkspartei“. in: FAZ, 30.07.2007

Ende der Leseprobe aus 132 Seiten

Details

Titel
Der "Deutschland-Pakt" - Die wahlstrategische Allianz von NPD und DVU
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Politikwissenschaft)
Note
2,0
Autor
Jahr
2007
Seiten
132
Katalognummer
V90538
ISBN (eBook)
9783638047890
ISBN (Buch)
9783638943055
Dateigröße
4974 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutschland-Pakt, Allianz
Arbeit zitieren
Stefan Mager (Autor:in), 2007, Der "Deutschland-Pakt" - Die wahlstrategische Allianz von NPD und DVU, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/90538

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