Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Gesellschaftliche Hintergründe vor dem 1.Weltkrieg
2.1 Soziale Ansichten des Bürgertums
2.2 Der Wandervogel
2.2.1 Konzept und Idee
2.2.2 Der Wandervogel als Sozialisationsinstanz
3 Politischer Hintergrund der NS- Zeit
3.1 Die Hitler- Jugend
3.1.1 Konzept und Idee
3.1.2 Die Erziehung der Hitler-Jugend
4 Gegenüberstellung von Wandervogel und Hitlerjugend
5 Schluss
6 Anhang
7 Literaturverzeichnis
1 Einleitung
Bernd Richter schrieb einst in seinem Gedicht “Zauber der Jugend“ als abschließenden Vers:
„Ständige geballte Lebenskraft, angereichert mit Unnahbarkeit.
Auf der Suche nach neuen Lebensräumen. Eine sich verzehrende Leidenschaft,
angefacht von wildesten Träumen, macht sie zu allen Stärken bereit“.
Ausdrücklich wird hierbei die „Leidenschaft“, die zunehmenden, fantasievollsten Veränderungen angedeutet, die die Jugend zudem macht, was sie ist und sein sollte: eines der kreativsten Lebensphasen.
Das Thema Jugend ist in unserer Gesellschaft immer wieder präsent und aktuell. Besonders die Politik beschäftigt sich derzeitig wieder mit dem Jugendschutz und der gesicherten Abgrenzung zum Erwachsenenalter. Doch inwiefern können wir denn, auch durch geschichtliche Erfahrungen bekräftigt, die Jugend nun schützen, sodass ihr aber die Eigenständigkeit und die Selbstverwaltung erhalten bleibt? Wieweit darf die gesellschaftliche Kontrolle reichen und in welchem Ausmaß ist sie angemessen?
Sicher ist, dass die autoritäre Führungsentwicklung Hitlers schwerwiegende Folgen auf die derzeitigen Generationen hatte. Aus diesem Grunde ließ sich das Thema „Jugend in Selbstverwaltung und Organisation“ am Beispiel des Wandervogels und der Hitlerjugend geeignet erklären. Markante Unterschiede kristallisierten sich dabei heraus, wobei die Jugend an Anerkennung (Lebensphase) aber auch an Potential (als bestehender Zusammenhalt) gewann. Um in dieser Hausarbeit angemessen vorgehen zu können, muss ich ihr einen Rahmen schaffen, wobei einige Einschränkungen vorgenommen werden müssen. Ich werde mich dabei nicht auf geschlechtsspezifische Auseinandersetzungen konzentrieren. Außerdem seien die anderen Bewegungen, außerhalb des Bildungsbürgertums und der Hitlerjugend am Rande erwähnt.
Welche Schlussfolgerungen lassen sich aber nun durch die Gegenüberstellung des Wandervogels und der Hitlerjugend auf unsere heutige Zeit projizieren? Hierzu soll diese Hausarbeit als Anreiz gelten.
2 Gesellschaftliche Hintergründe vor dem 1. Weltkrieg
Vor Einbruch der Industrialisierung war Deutschland ein so genannter Agrarstaat. Die Bevölkerungsmehrheit befand sich in den ländlichen Regionen. Die meisten von ihnen gingen der Landwirtschaft nach und nur wenige boten ihresgleichen als Arbeitskräfte in der Stadt an. So gab es 1870 insgesamt acht Städte mit über hunderttausend Einwohnern, wobei dieses ein Drittel der Gesamtbevölkerung betrug. Das soziale Leben war geprägt durch Traditionen und Bräuche, die jeder als bestehende Verhaltensregeln von Generation zu Generation übermittelt bekam. Die Bevölkerung siedelte sich meist in kleinen Gemeinden an, die sich überschaubar und „im hohem Maße“ integriert darstellten. [Giesecke1981, S. 11].
Dann, nach 1871, setzte sich die Industrialisierung durch. Neuzeitliche Technologien und neue Gesellschaftsformen veränderten zunehmend die so genannte Arbeits-platzstruktur. Völkerwanderungen gen Industriezentren waren die Folgen, denn da sich die Land- und Forstwirtschaft als nicht mehr lohnend darstellte, mussten Privat-personen oftmals ihr Hab und Gut verkaufen und in den Großstädten Arbeit in Fabriken suchen. Sozialökonomische Veränderungen, nicht zuletzt beschrieben von Engels und Marx, errichteten immer mehr das Hauptaugenmerk der wachsenden Proletarier- und Bourgeoisieklassen. [Gebhardt 2003]. Der rapide Wandel der Indus-trialisierung zerstörte somit auch die alten, nun nicht mehr bestehenden Gemeinde-integritäten. Hierbei entstanden neue, unpersönliche Prinzipien, die laut Giesecke, „auf Rechenhaftigkeit und materiellen Wachstum“ gegründet wurden. [Giesecke 1981, S. 12].
Die daraus resultierenden Statusprobleme der „mittelständischen Gruppen“ beziehungsweise der Mittelschicht, wurden Opfer der gesellschaftlichen Kritik. So spaltete sich die Bourgeoisie, zwecks der schwerwiegender werdenden Bedrohung durch die Arbeiterbewegung und der technologischen, rapiden Entwicklung, ins neue Wirtschaftsbürgertum, das sich an den neu entstandenen Werten orientierte bei der die Bildung geringere Bedeutung beigemessen wurde, und ins protestantische Bildungsbürgertum, das die Bildung als Ausdruck der eigenen Identität empfand. Das Wirtschaftsbürgertum achtete sehr auf eine Universitätsausbildung ihrer Söhne, wobei das Bildungsbürgertum einen Widerstand gegen den Fortschritt anmerkte. [Giesecke 1981, S.16]
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