Die Auswirkungen einer gescheiterten Elternbeziehung auf die Psyche der Kinder und mögliche Hilfestellungen aus pädagogischer und psychologischer Sicht


Facharbeit (Schule), 2003

15 Seiten, Note: sehr gut -


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Methodische Voraussetzungen
1.2 Fragestellungen

2 Auswirkungen einer Trennung auf die Psyche der Kinder
2.1 Wut, Trauer, Angst
2.1.1 Altersgruppenspezifische Symptome
2.1.1.1 Vorschulalter
2.1.1.2 Grundschulalter
2.1.1.3 Vorpubertät und Pubertät
2.2 Neurotische Symptome
2.3 Kann eine Trennung Langzeitschäden verursachen?
2.3.1 Langzeitstudie von Judith S. Wallerstein und Julia Lewis
2.3.2 Ergebnis dieser Studie
2.3.3 Ursache für die Langzeitschäden
2.3.4 Sind Scheidungskinder zum Scheitern verurteilt?

3 Können Eltern nach der Trennung Hilfestellung leisten?
3.1 Aus pädagogischer und psychologischer Sicht
3.2 Wertende Stellungnahme

4 Ergebnisse
4.1 Zusammenfassung
4.2 Stellungnahme

5 Literaturverzeichnis

6 Anhang
6.1 Erklärung

1 Einleitung

1.1 Methodische Voraussetzungen

Ich möchte meine Arbeit gerne mit einer Definition des Wortes Scheidung beginnen. Unter einer Scheidung verstehen die meisten eine Ehescheidung. Dies bedeutet, dass der Bund der Ehe vor dem Gesetz aufgelöst wird. Also verbirgt sich hinter dem Wort „Scheidung“ auch ein juristischer Aspekt. Es werden auch häufig soziale Schwierigkeiten mit diesem Ausdruck verbunden. Auf diese beiden Faktoren werde ich in meiner Arbeit kaum bis gar nicht eingehen. Daher wählte ich für meinen Titel bewusst die Formulierung „gescheiterte Elternbeziehung“. Im weiteren Verlauf werde ich jedoch, der Einfachheit halber, den Begriff „Trennung“ verwenden. Mit diesem signalisiere ich auch, dass es sich nicht um den Tag der gesetzlichen Scheidung handelt, sondern vielmehr um den Trennungsprozess und den Zeitpunkt der räumlichen Trennung der Familie. Denn genau diese Aspekte haben das Potential der Psyche des Kindes zu schaden oder sie zu beeinträchtigen. Ich werde in meiner Arbeit von dem doch noch am häufigsten auftretenden Fall einer Trennung ausgehen. Das sorgeberechtigte Elternteil wird die Mutter sein und das nichtsorgeberechtigte der Vater.

1.2 Fragestellungen

Ich habe mich mit folgenden Fragestellungen beschäftigt:

- Wie sehen die Auswirkungen einer Trennung aus? Das heißt, sind es nur normale seelische Reaktionen oder kommt es auch zu neurotischen Krankheiten?
- Sind die Auswirkungen auf die Psyche der Kinder altersbedingt?
- Sind die Symptome nur kurzzeitig oder kommt es auch zu Langzeitschäden?
- Können die Eltern ihren Kindern nach der Trennung Hilfestellung leisten?

2 Auswirkungen einer Trennung auf die Psyche der Kinder

Den meisten Kindern wird die unwiderrufliche Endgültigkeit der Trennung erst bewusst, wenn der Vater auszieht. In der Trennungsvorphase bleibt immer noch ein Stück Hoffnung erhalten. Die streitenden Eltern sind real noch vorhanden, nur die bedrückende Situation kann existenzielle Erwartungsängste auslösen. Der Auszug des Vaters markiert den Moment begrabener Hoffnungen, auch wenn Wunschvorstellungen weiter wirken. Der Zeitpunkt des Auszuges kann aber dennoch nicht als einmalig traumatisierendes Ereignis betrachtet werden. Bereits in der Trennungsvorphase können sich durch das Verhalten der Eltern verschiedene Verhaltensauffälligkeiten zeigen.[1] Ich werde mich in den folgenden Kapiteln jedoch nur auf das Geschehen nach der Trennung beziehen, weil sich dort die Belastungen ändern und die Folgen bzw. Auswirkungen verschärft zu sehen sind.

2.1 Wut, Trauer, Angst

Trauer, Gefühle der Kränkung, Wut, Schuldgefühle, Einsamkeit, Ablehnung und Angst sind die typischen, aber auch „normalen“ Reaktionen des Kindes auf die Trennung, allerdings können diese der Umwelt, vor allem den Eltern, verborgen bleiben. „Kinder die ihre Eltern lieben-selbst wenn diese Beziehungen im hohem Maße ambivalent sein mögen- reagieren also immer auf die Trennung, weil diese ein so einschneidendes Erlebnis ist, dass kein liebender Mensch davon unberührt bleiben kann“. Diese Gefühle gehören zum seelischen Reaktionsinventar jedes Kindes. Sie stellen die Erschütterung des seelischen Gleichgewichtes dar und sind Mittel dies zu bewältigen, um das Gleichgewicht wieder herzustellen. Diese Reaktionen zeugen von großem Leid.

Trauer z.B. hilft dem Kind und ist, außer beim Depressiven, grundsätzlicht tröstbar. Das Kind aktiviert so auch Wiedergutmachungsbestrebungen und die Kränkung lässt sich eingrenzen und schließlich überwinden, wenn das Kind erfahren kann, dass es dem Vater und der Mutter immer noch viel bedeutet. Die seelischen Reaktionen äußern sich bei jedem Kind anders, wobei das Alter, Geschlecht, Temperament und Rahmenbedingungen eine Rolle spielen. Es ist möglich eine altersspezifische Einteilung vorzunehmen.[2]

2.1.1 Altersgruppenspezifische Symptome

2.1.1.1 Vorschulalter

Das wichtigste Entwicklungsmerkmal des Vorschulalters ist die ich-zentrierte bzw. egozentrische Sichtweise der Welt. Das Kind versteht nicht, dass die Beziehung zu den Eltern von etwas anderem abhängig ist, als von der gegenseitigen Liebe. Das bedeutet es kann die Gefühle der Eltern, welche zur Trennung führen, nicht verstehen. Es kann also den Weggang des Vaters nur auf sich selbst beziehen. Ein Kind sagte zum Beispiel: „Aber warum geht Papa dann von mir weg? Er kann doch in einem anderen Zimmer schlafen. Er hat doch schließlich noch mich!“ Das Kind erlebt, dass es verlassen wird. Zur Trauer kommt dann auch noch der Schmerz nicht wichtig oder liebenswert genug zu sein, da es den Vater nicht halten kann. Die Erkenntnis, dass es nur eine untergeordnete Rolle im Liebesleben der Eltern spielt und die Ohnmacht nichts unternehmen zu können, führt zu einer tiefen Trauer. Diese kann auch in Richtung Wut gehen, wenn das Kind das Gefühl hat, dass die Bedürfnisse der Eltern wichtiger sind als die eigenen. Die Wut kann sich auch nur gegen einen Elternteil richten. Dies trifft dann meist das jenige, welches, der Ansicht der Kinder nach, Schuld an der Trennung hat. Diese Wut kann aus jeglichen Gründen plötzlich wechseln und ist unabhängig von der Realität. Es kommt vor, dass die Wut gegen einen Elternteil zur Abwehr der Schuldgefühle dient. Das Kind kann, dadurch dass es jemand anderem Vorwürfe macht, sein eigenes Gewissen entlasten.[3]

Durch die schockierende Erfahrung, dass Liebe vergänglich ist, hat das Kind Angst nun auch noch die Mutter zu verlieren. Dies führt dazu, dass das Kind extrem klammert und versucht jegliche Konflikte zu vermeiden, sowie Ansprüche und Aggressionen zu verdrängen. Dazu gehört häufig, die Gefühle zum Vater zu unterdrücken, d.h. das Kind bringt ein hohes Maß an Verleugnung in seinen Fantasien oder seinem Spiel zum Ausdruck. Die Mutter deutet dieses Verhalten oft völlig falsch und kommt zu dem Schluss, das Kind wäre nicht am Vater interessiert.[4] Außerdem haben Kinder in diesem Alter keine genaue Vorstellung über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, so dass sie sich nur schwer vorstellen können, dass der Vater der grade eben erst ausgezogen ist, nächstes Wochenende wiederkommt, um sie zu besuchen.[5]

In diesem Alter sind „Techniken“ zur Bewältigung außergewöhnlicher Belastungen noch kaum vorhanden, deshalb besteht eine Gefahr darin, dass die kindliche Entwicklung abbricht, streckenweise umkehrt oder längerfristig deformiert.[6]

2.1.1.2 Grundschulalter

In dieser Altersgruppe lernen Kinder logische Zusammenhänge zu begreifen und verlassen die egozentrische Phase allmählich, so dass sie verstehen, dass die Eltern von ihm unabhängige Personen sind, die eigenständig handeln. Dies führt jedoch leider zu Loyalitätskonflikten, da das Kind unter Umständen beide Eltern auf eine Art verstehen kann.

Die moralische Entwicklung ist auf dem Stand, dass das Kind zwischen „richtig“ und „falsch“ unterscheiden kann, aber noch keine Zwischenstufen kennt. Dies bedeutet für das Kind, dass die Eltern, welche sich während der Trennung sicher häufig auch ungerecht verhalten, nicht mehr in dieses „Gut-Böse-Muster“ hineinpassen. „Es ist hin und her gerissen zwischen dem, was es bereits versteht, was es verstehen soll, was es nicht verstehen will und was es einfach noch nicht verstehen kann“. Es ist also mit der Situation überfordert und reagiert daher mit Verleugnung und Nicht-Wahrhaben-Wollen der Trennung.

Für eine günstige Entwicklung braucht das Kind gerade in dieser Altersstufe das gleichgeschlechtliche Elternteil zur Identifikation. Wird es von diesem verlassen oder fühlt sich ihm entfremdet, wird es für das Kind schwierig, sich mit seiner Rolle als Mädchen bzw. in unserem Fall als Junge zurechtzufinden.

Die Schule tritt nun in das Leben der Kinder. Die Leistungserwartungen kommen ständig mit der inneren Befindlichkeit bzw. Labilität in Konflikt. Diese Tatsache wirkt lern- und konzentrationshemmend. Jedoch kann das „Schulversagen“ auch andere Gründe haben. Man erregt mit schlechten Leistungen immer noch am meisten Aufmerksamkeit. Die Folge ist die oft prompte Zuwendung der Mutter durch Hausaufgabenhilfe. Also verbessert dieses auffällige Verhalten die Beziehung zur Mutter viel eher als z.B. Bettnässen oder Stehlen, was sich dadurch aber nicht ausschließt. Durch den Leistungsabfall kann aber auch der Leidensdruck immer größer werden, so dass sich das Kind immer schwerer an Spielregeln halten kann. Es wird daher oft durch aggressives oder aber depressives Verhalten auffällig.[7]

Insgesamt kann man sagen, dass diese Kinder die Befähigung besitzen, die eigene Position im Streit der Eltern schon relativ gut abschätzen zu können, so dass die Schuldgefühle kaum noch vorhanden sind, bzw. nicht mehr die gleichen Auswirkungen haben, wie im Vorschulalter.

2.1.1.3 Vorpubertät und Pubertät

In dieser Altersgruppe haben wir es nun mit Jugendlichen zu tun, nicht mehr mit Kindern. Sie sind in der Lage sich ihr eigenes Urteil zu bilden und sich in der elterlichen Auseinandersetzung mit eigener Position zu behaupten.

Der Jugendliche hat keine Angstzustände mehr, soweit keine überlange Trennungsvorphase vorliegt. Oft zeugen Jugendliche von einer massiven Wut über die Trennung, dies ist jedoch nicht mit der ohnmächtigen Wut eines Kindes zu verwechseln, welches sich als Opfer erlebt. Jugendliche nehmen Einfluss, diskutieren und taktieren eventuell auch. Neben der eben erwähnten Wut trauern Jugendliche zwar auch noch, es ist jedoch nicht mehr eine abgrundtiefe Traurigkeit, sondern eher die Trauer eines jungen Erwachsenen über ein zerbrochenes Familiensystem.[8]

Es kommen aber gerade in diesem Alter eine große Anzahl von Schwächen dazu, die es dem Jugendlichen äußerst schwer machen, überhaupt mit ungewohnten oder belastenden Situationen fertig zu werden. Er muss den verschiedensten gesellschaftlichen Erwartungen neben der körperlichen Veränderung gerecht werden. Gleichzeitig versucht er, seine eigene Identität zu finden. Kommt jetzt die Trennung hinzu, wird dem Jugendlichen jegliche Sicherheit genommen. Die ohnehin schon widersprüchlichen Gefühle eines Jugendlichen in der Pubertät, werden nun noch mehr aufgewühlt. Die Ablösung vom Elternhaus wird dadurch gestört, so dass es beim Jugendlichen zu Selbstwertproblemen verbunden mit Wut, Scham und Trauer kommt. Je nach Trennungsvorphase ist das Verhalten und die Reaktion der Jugendlichen individuell sehr unterschiedlich.[9]

2.2 Neurotische Symptome

Neurosen könne entstehen, wenn das Kind nicht die Möglichkeit bekommt, seine Gefühle, Ängste, Wut, Trauer, usw. zu äußern. Dies bedeutet für das Kind, dass es alles „in sich hinein frisst“ und somit nicht bearbeiten und bewältigen kann. Die Folgen können die verschiedensten psychischen Krankheiten bzw. Neurosen sein. Beispiele hierfür sind: Essstörungen (Bulimie, Magersucht, Fresssucht), Apathie, Zwangsneurose, Suizidversuche, Selbstverstümmelung, Abnormale Gewalt, Abnormale Selbstbefriedigung, Depressionen, u.a.![10]

2.3 Kann eine Trennung Langzeitschäden verursachen?

Zu dieser Problematik haben Judith S. Wallerstein und Julia Lewis eine Langzeitstudie vorgenommen.

2.3.1 Langzeitstudie von Judith S. Wallerstein und Julia Lewis

Wallerstein und Lewis begannen ihre Untersuchungen zum Verhalten und Erleben von Kindern aus Scheidungsfamilien vor 30 Jahren in Kalifornien. Sie begleiteten und beobachteten 93 Kinder, deren Eltern sich hatten scheiden lassen, bis ins Erwachsenenalter. Die ausgewählten Kinder kamen alle aus Mittelstandsfamilien, um eine Trennung unter möglichst guten Bedingungen zu repräsentieren. Zum Vergleich beobachteten Wallerstein und Lewis auch eine Kontrollgruppe, in welcher die Kinder auch aus Ehen mit ähnlichen Spannungen kamen, die Eltern sich jedoch nicht trennten, sondern es schafften die gemeinsame Kindererziehung aufrechtzuerhalten.[11]

2.3.2 Ergebnis dieser Studie

Psychologen und Gerichte sind heute der Ansicht, dass die Kinder aus dem Gleichgewicht geworfen werden, wenn ihre Eltern auseinandergehen. Trotzdem wird geglaubt, dass der Einfluss kurzlebig ist. Dem widerspricht nun aber die Studie von Wallerstein und Lewis. Die Untersuchungen belegen, dass der Einfluss der Scheidung erst viele Jahre nach der Trennung der Eltern am stärksten ist. Im Erwachsenenalter kommt es für Scheidungskinder zu einem „quälenden Zwiespalt: zwischen ihrer Sehnsucht nach Liebe und Bindung einerseits und ihrer intensiven Angst andererseits, die nahezu eine Überzeugung ist, dass sie in Liebesdingen genauso scheitern werden wie ihre Eltern“. Die Angst, verletzt, verlassen oder betrogen zu werden und die Schwierigkeiten zu vertrauen, das Verschweigen oder Verleugnen der Gefühle, sind Begleiter des Lebens von Scheidungskindern.[12] Hierzu möchte ich gern einige Zitate von Betroffenen anführen, die-denke ich-aussagekräftig genug sind:

- „Ich distanziere mich. Menschen denken, sie kennen mich, aber das tun sie nicht. Ich habe Angst, zu zeigen, wie ich bin und ich habe immer wieder gelernt, dass es besser ist, nicht zu fühlen.“ (38-jähriger Architekt)
- „Jede Nacht, wenn ich ins Bett gehe und glücklich bin, habe ich panische Angst, dass am nächsten Morgen alles vorbei ist. Es wird schlimmer, wenn ich glücklich bin und ich weiß, dass ich etwas Schönes zu verlieren habe.“ (weiblich)[13]

2.3.3 Ursache für Langzeitschäden

Wallerstein und Lewis erklären die Symptome der Scheidungskinder mit dem Fehlen von Vorbildern, die zeigen, wie Mann und Frau in liebender Beziehung zusammen leben können. Jede neue und oft vorübergehende romantische Beziehung der Eltern bringt eine verwirrende Veränderung in das Leben des Kindes. Es ist also nicht überraschend, „dass viele dieser Kinder zu dem Entschluss kamen, dass die Liebe kurzlebig und verwirrend ist“. An dieser Stelle möchte ich zur Verdeutlichung zwei Zitate von Betroffenen anführen:

- „Ich habe nie einen Mann und eine Frau zusammen gesehen, die auf der selben Wellenlänge lagen.“
- F.: „Was ist die Ehe?“ A.: „ Ein Stück Metall und ein Stück Papier.“

Nicht nur Scheidungskinder kennen diese beschriebenen Ängste, jedoch haben Kinder aus „intakten Familien“ trotz ihrer Bedenken ein Grundvertrauen, dass die Ehe funktionieren kann.[14]

2.3.4 Sind Scheidungskinder zum Scheitern verurteilt?

Vielleicht hört sich es nach den letzten Kapiteln so an, als könne man diese Frage mit einem klaren „JA“ beantworten. Aber auch das widerlegten Wallerstein und Lewis. Nach zögernden Schritten in Liebesdingen trafen einige der Scheidungskinder schließlich mutig ihre Wahl: „Ich habe endlich rausgekriegt, was ich will und was ich nicht will. Ich will keine weitere Version der Beziehung, wie meine Eltern sie hatten. Ich will keinen Mann, der abhängig von mir ist. Ich will einen wirklichen Liebhaber und Ehemann. Ich bin auch nicht länger besessen, irgendwen zu finden. Ich kann auf meinen eigenen Füßen stehen. Ich habe keine Angst mehr.“[15]

Manchmal wurden diese Veränderungen ausgelöst, weil die Scheidungskinder selbst Eltern wurden, manchmal durch finanzielle und emotionale Unterstützung von ihren eigenen Eltern. Aber auch die Liebe und das Verständnis eines Partners, der ihre emotionale Labilität erkannt hatte und trotz ihrer zwanghaften Versuche, die Beziehung kaputt zu machen, zu ihnen stand, kann dazu beitragen:

„Ich versuchte mit allen Tricks, die ich kannte, ihn wegzujagen, genauso, wie ich es immer getan hatte. Aber er durchschaute mich. Er sagte: ’Vergiss es ich bleibe.’ Das ist jetzt zehn Jahre und zwei Kinder her.“

Insgesamt, so Wallerstein und Lewis, bringen Scheidungskinder eine einmalige Kombination aus Verletzbarkeit und Stärke mit ins Erwachsenenalter. Obwohl einige ihre Angst vor Liebe und Verantwortung allmählich überwunden haben, hat die Mehrzahl von ihnen es nicht geschafft, die Angst abzustreifen, dass das, was sie am liebsten haben, eines Tages verschwinden könnte.[16]

3 Können Eltern nach der Trennung Hilfestellung leisten?

3.1 Aus pädagogischer und psychologischer Sicht

Es gibt eine Reihe von Möglichkeiten, das Kind pädagogisch und psychologisch zu unterstützen. Entweder durch eine professionelle Hilfe, wie z.B. die Psychotherapie, Verhaltenstherapie oder Psychoanalyse, aber auch indem die Eltern einige wichtige Aspekte beim Verhalten ihren Kindern gegenüber beachten.

Die Eltern sollten sich über die vier Aspekte einer Kommunikation im klaren sein: Sachinhalt, Selbstoffenbarung, Aussage über die Beziehung und Appell. Häufig wird hier nicht zwischen dem Beziehungs- und Inhaltsaspekt unterschieden. Der Satz: „Räum jetzt endlich dein Zimmer auf. Ich halte das nicht mehr aus!“ kann für das Kind viele Botschaften enthalten, wie z.B.: „Du bist genauso schlampig wie dein Vater, jetzt machst du mir auch noch Kummer.“, was fatale Folgen für das seelische Wohlbefinden des Kindes haben kann. Das Kind wird stark verunsichert, es weiß nicht worum es überhaupt geht und hat Angst, verlassen zu werden. Die Eltern müssen sich also klar ausdrücken und ihre Gefühle, Gedanken und Motive dem Kind offenbaren, damit es sich sicher zu fühlen kann.

Dies bedeutet auch, dass die Eltern keine diskordanten Nachrichten senden dürfen, d.h. ihre verbalen Aussagen müssen mit den nonverbalen Begleitsignalen übereinstimmen, um auch hier beim Kind keine Unsicherheit und Verwirrung hervorzurufen. Die Eltern sollten außerdem als Empfänger bei jeder Kommunikation alle „vier Ohren“ benutzen, also darauf achten, auf welchen der vier Aspekt der Kommunikation sich das Kind bezieht.

Sehr wichtig ist, dass sich das Kind verstanden und akzeptiert fühlt. Dazu verhilft das „aktive Zuhören“, bei dem die Eltern das Gehörte, aber auch das „Herausgehörte“ verständnisvoll wiedergeben. Dies ist besonders hilfreich, wenn das Kind versucht, von seinen Problemen zu sprechen. Es gehört etwas Übung dazu, die Aussagen des Kindes einfach nur zu „wiederholen“ ohne seinen „eigenen Senf“ dazuzugeben, aber das Ergebnis ist bemerkenswert. Das Kind fühlt sich verstanden und man erfährt, was es wirklich bewegt.

Eine weitere Hilfe sind die sogenannten „Ich-Botschaften“ (z.B.: „Ich bin müde und kann jetzt keinen Lärm aushalten!“). Sie dienen dazu dem Kind dennoch Grenzen setzen zu können, ohne dass es sich schuldig, zurückgewiesen oder ungeliebt fühlt, was bei den „Du-Botschaften“ (z.B.: „Du hörst jetzt auf!“) der Fall ist.

Häufig ergeben sich auf Grund der Trennung Teufelskreise, wie z.B. bei einer gereizten, ängstlichen Mutter und einem verletztem, empfindlichem Kind. Die Mutter meint immer schimpfen zu müssen, weil das Kind trotzig ist und das Kind reagiert immer trotzig, weil die Mutter so viel schimpft. Wenn die Eltern einen solchen Teufelskreis erkennen, müssen sie versuchen, ihn zu durchbrechen.

Es kommt bei den Kindern zu Verhaltensauffälligkeiten, um Aufmerksamkeit und Beachtung zu erlangen. Geht man auf diese ein, so kann dieses Verhalten zu einem taktischen Vorgehen werden, was nicht erwünschenswert ist. Ignorieren die Eltern dieses Verhalten jedoch und loben das Kind für ein anderes, um ihm so auch die gewünschte Aufmerksamkeit zu geben, so werden die Auffälligkeiten nicht zur Gewohnheit.

Wichtig ist auch, dass die Beziehung zwischen den Eltern und dem Kind durch Vertrauen und Achtung geprägt ist. Voraussetzung für eine solche Beziehung ist, dass die Eltern für das Kind eine „Anlaufstelle“ sind, sich Zeit nehmen und ihm die nötige Aufmerksamkeit geben. Das Erziehungsklima sollte so sein, dass die Eltern das Kind als achtenswerte, vollwertige und gleichberechtigte Person ansehen und es merkt, dass man seinem Wunsch nach Selbstbestimmung, Eigeninitiative und freier Entfaltung nachkommt.[17]

In dem erläuterten „Idealfall“ würden die Eltern das Kind aus pädagogischer und psychologischer Sicht optimal unterstützen.

3.2 Wertende Stellungnahme

Man könnte nun nach dem vorherigen Kapitel mutmaßen, dass die Eltern verantwortlich für die „kranke“ Psyche ihrer Kinder sind, wenn sie die Hilfestellung unterlassen.

Ich möchte, dass uns einmal bewusst wird, dass die erläuterten Hilfestellungen doch eine ganze Menge an Übung und Erfahrung bedürfen, nicht umsonst sind sie Teil der pädagogischen und psychologischen Ausbildung.

Erschwerend kommt hinzu, dass sich die Eltern in einer Lage befinden, in der sie selbst nicht wissen, was in ihnen vorgeht. Dies beginnt schon dann, wenn sie den Kindern die bevorstehende Trennung mitteilen. Sie fühlen sich schuldig, haben Angst vor den Reaktionen, so dass sie die Tatsachen beschönigen, verheimlichen, Ausreden finden oder jemand anderen beschuldigen. Es fällt den Eltern äußerst schwer, die Schuld am Leid der Kinder mit gutem Gewissen auf sich zu nehmen, zumal sie selber ohnehin schon genug Schmerzen ertragen müssen. Was hier alles von den Eltern verlangt wird, um den Kindern möglichst wenig Schaden zuzufügen, übersteigt einfach die seelische Leistungsfähigkeit vieler Väter und Mütter. Es wäre nämlich ein großer Irrtum zu glauben, dass mit der Scheidung zwar das Leid der Kinder beginnt, sie die Krise der Eltern jedoch beendet. Die unmittelbaren seelischen Reaktionen der meisten Eltern unterscheiden sich kaum von jenen der Kinder. Ich denke, dass man sich das einmal ganz klar vor Augen führen muss.

4 Ergebnisse

4.1 Zusammenfassung

- Wie sehen die Auswirkungen einer Trennung aus? Das heißt, sind es nur normale seelische Reaktionen oder kommt es auch zu neurotischen Krankheiten?
- Sind die Auswirkungen auf die Psyche der Kinder altersbedingt?
- Sind die Symptome nur kurzzeitig oder kommt es auch zu Langzeitschäden?
- Können die Eltern ihren Kindern nach der Trennung Hilfestellung leisten?

Diese Fragen waren der rote Faden meiner Arbeit. Mit Hilfe der gewonnenen Erkenntnisse, möchte ich diese Fragen noch einmal kurz zusammenfassend beantworten.

- Jedes Kind reagiert in einer bestimmten Art und Weise auf die Trennung, um den doch sehr tiefen Einriss in sein Leben verarbeiten und akzeptieren zu können. Dies sind ganz „normale“ seelische Reaktionen. Es kann zu neurotischen Krankheiten kommen, wenn das Kind keine Chance bekommt oder sieht seine Gefühle zu äußern. Dann ist es nämlich nicht in der Lage dazu, die Trauer, den Schmerz und die Angst zu bearbeiten und schließlich zu überwinden.
- Ja sie sind altersbedingt. Man kann jedoch nicht sagen, dass es eine Altersgruppe gibt, in der eine Trennung am günstigsten wäre. Jede Altersgruppe hat seine Vor- und Nachteile, wobei ich der Meinung bin, dass die Nachteile zwar anders, aber immer gleich schwerwiegend sind.
- Die unmittelbaren seelischen Reaktionen sind kurzlebig, jedoch zeigt die Studie von Wallerstein und Lewis, dass es auch Langzeitschäden gibt. Ich fühle mich jedoch nicht dazu berechtigt, über diese Studie zu urteilen, da ich nur einen Artikel über sie gelesen habe.
- Rein theoretisch könnten die Eltern ihre Kinder nach der Trennung optimal unterstützen. Jedoch halte ich dies für absolut unrealistisch, da sie auf Grund ihrer eigenen seelischen Verfassung nicht in der Lage dazu sind.

4.2 Stellungnahme

Ich habe während dieser Arbeit einen großen Teil von mir selbst kennen gelernt, der mir bisher verborgen war. Meine Eltern trennten sich das erstemal als ich 16 Jahre alt war für ein Jahr, lebten dann wiederum ein Jahr zusammen und sind jetzt seit ca. 15 Monaten geschieden. Ich muss sagen, dass ich doch sehr überrascht war, über die Folgen dieser Trennung. Ich kann also alles das bestätigen, was ich über die Auswirkungen in der Pubertät geschrieben habe. Auch erkenne ich Symptome, die in den vorherigen Altersgruppen erwähnt worden sind, da die Trennungsvorphase meiner Eltern schon sehr früh begann, ich war zu dieser Zeit ungefähr vier Jahre alt. Ich kann mich also nur schwer daran erinnern meine Eltern einmal als ein glückliches Paar gesehen zu haben, so wie es die Studie von Wallerstein und Lewis behauptet. Zu dieser Studie muss ich anmerken, dass diese mich doch am meisten berührt hat. In den Zitaten habe ich mich wiedererkannt. Natürlich kommt es auch daher, weil die ausgewählten Familien meiner entsprachen. Deshalb würde ich diese Studie auch nicht verallgemeinern. Was mir doch große Angst gemacht hat oder besser gesagt ich sehr bedauere, ist das Aufklärungsbedürfnis in diesem Gebiet. Ich habe überhaupt nicht gemerkt, dass mir die Scheidung bzw. Trennung etwas ausgemacht hat, dass sie sich auf die Psyche auswirkte und dies auch immer noch tut. Meiner Meinung nach könnte man vielen Kindern und auch Erwachsenen ein Menge an Leid, Schmerz und Angst ersparen, würde dieses Thema in unserer Gesellschaft präsenter sein. Scheidungen an und für sich sind es ja, nur spricht keiner wirklich über die Auswirkungen und ich denke auch, dass diese den wenigsten bewusst sind. Mir persönlich hat dieses Bewusstsein geholfen und ich denke, dass es mich auch weiterhin auf meinem Lebensweg unterstützen wird.

5 Literaturverzeichnis

Demmler, Michaela: Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. Horte und Tagesheime als familienergänzende Institutionen. KoPäd Verlag, München 1999

Gaier, Otto R.: Der Riss geht durch die Kinder. Trennung, Scheidung und wie man Kindern helfen kann. Kösel Verlag GmbH & Co., München 1987. Taschenbuchausgabe: Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München April 1991

Figdor, Helmuth: Kinder aus geschiedenen Ehen: zwischen Trauma und Hoffnung. Eine psychoanalytische Studie. Hg. v. Hans-Georg Trescher und Christina Büttner. Matthias-Grünewald-Verlag, Mainz, 2.Auflage 1991

Dr. Dr. Fthenakis, Wassilios E./Niesel, Renate/Kunze, Hans-Rainer: Ehescheidung. Konsequenzen für Eltern und Kinder. Urban und Schwarzenberger, München/Wien/Baltimore 1982

Wallerstein, Judith S./Lewis, Julia: „Für andere kann die Ehe funktionieren, aber nicht für mich!“. In: Psychologie heute. Das Magazin für Leib & Seele. Heft März 2002, S. 46-51

Benedek, Elissa P./Brown, Catherine F./aus dem Amerik. von Susanne Stopfel: Scheidung. Wie helfe ich unserem Kind? Georg Thieme Verlag, Stuttgart 1997

Niesel, Renate: Scheidungskinder. Südwest Verlag GmbH, München 1998

Lorinser, Barbara: So helfe ich unserem Kind durch die Scheidung. Urania-Ravensburger in der Dornier Medienholding GmbH, Berlin 2000

Prof. Dr. Bojanovsky, Jörg J.: Psychische Probleme bei Geschiedenen. Ferdinand Enke Verlag, Stuttgart 1983

Meves Christa: Problemkinder brauchen Hilfe. ABC der Verhaltensstörungen für Eltern. Verlag Herder, Frankfurt im Breisgau 1982

Kloehn, Ekkehard: Verhaltensstörungen eine neue Kinderkrankheit? Ursachen-Symptome-Therapien. Mosaik Verlag GmbH, München 1977

Solter, Aletha J./aus dem Amerik. von Karin Petersen: Auch kleine Kinder haben großen Kummer. Über Tränen, Wut und andere starke Gefühle. Kösel-Verlag GmbH & Co., München 2000

Felbinger, Helga: Nimm dir Zeit, nicht gleich den nächsten. Kreuz Verlag AG, Zürich 1990

6 Anhang

6.1 Erklärung

„Ich erkläre, dass ich die Facharbeit ohne fremde Hilfe angefertigt und nur die im Literaturverzeichnis angeführten Quellen und Hilfsmittel benutzt habe.“

[...]


[1] Vgl. Gaier: Der Riss geht durch die Kinder. München 1999, S.52-53

[2] Vgl. Figdor: Kinder aus geschiedenen Ehen. Mainz 1991, S.38-39

[3] Vgl. Figdor: Kinder aus geschiedenen Ehen. Mainz 1991, S.34-35

[4] Vgl. Gaier: Der Riss geht durch die Kinder. München 1991, S.60

[5] Vgl. Demmler: Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. München 1999, S.45

[6] Vgl. Gaier: Der Riss geht durch die Kinder. München 1991, S.58

[7] Vgl. Demmler: Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. München 1999, S.45-47

[8] Vgl. Gaier: Der Riss geht durch die Kinder. München 1991, S. 85

[9] Vgl. Demmler: Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. München 1999, S. 48-49

[10] Vgl. Benedek/Brown: Scheidung. Wie helfe ich unserem Kind? Stuttgart 1997, S. 121-122

[11] Vgl. Wallerstein/Lewis: „Für andere kann die Ehe funktionieren, aber nicht für mich!“. In: Psychologie heute. März 2002, S. 46

[12] a.a.O.: S. 47-48

[13] a.a.O.: S. 48

[14] a.a.O.: S. 49

[15] a.a.O.: S. 50

[16] a.a.O.: S. 51

[17] Vgl. Demmler: Pädagogische Hilfe für Scheidungskinder. München 1999, S. 110-120

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Auswirkungen einer gescheiterten Elternbeziehung auf die Psyche der Kinder und mögliche Hilfestellungen aus pädagogischer und psychologischer Sicht
Note
sehr gut -
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V107712
ISBN (eBook)
9783640059508
Dateigröße
485 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Auswirkungen, Elternbeziehung, Psyche, Kinder, Hilfestellungen, Sicht
Arbeit zitieren
Ramona Schmidt (Autor:in), 2003, Die Auswirkungen einer gescheiterten Elternbeziehung auf die Psyche der Kinder und mögliche Hilfestellungen aus pädagogischer und psychologischer Sicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/107712

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Auswirkungen einer gescheiterten Elternbeziehung auf die Psyche der Kinder und mögliche Hilfestellungen aus pädagogischer und psychologischer Sicht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden