Das binominale Wahlsystem in Chile - Repräsentanz aller BürgerInnen? Eine Analyse der chilenischen Parteienlandschaft


Seminar Paper, 2007

16 Pages, Grade: 1


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Das Politische System im Überblick
1.2. Kurzer historischer Abriss

2. Das binominale Wahlsystem

3. Das chilenische Parteiensystem
3.1. Concertación de Partidos por la Democracia
3.2. Alianza por Chile
3.3. Juntos Podemos Más

4. Zusammenfassung und Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Republik Chile gilt als das fortschrittlichste Land Lateinamerikas. Das Wirtschaftswachstum liegt seit Jahren konstant bei 4-5%, die Inflationsraten sind investitionsfreundlich (vgl. EU 2006) und dank zahlreichen bilateralen Abkommen lässt auch keine abrupte Veränderung in den nächsten Jahren erwarten. Zudem blieben im Vergleich zu anderen Staaten soziale Unruhen der Bevölkerung weitgehend aus, wodurch auch das Politische System als stabil gilt. Dennoch gibt es seit längerem im Land Unstimmigkeiten hinsichtlich des binominalen Wahlsystems, welches von KritikerInnen als undemokratisch angesehen wird.

Diese Arbeit soll aufzeigen, inwiefern das Wahlsystem Auswirkungen auf die chilenische Demokratie hat. Als Beispiel hierfür dient eine Analyse der Parteienlandschaft Chiles, die sich seit dem Ende der Diktatur Pinochets nur marginal verändert hat. Zu Beginn werde ich zwecks Kontextualisierung der Analyse einen kurzen Überblick über das Politische System Chiles und seine Geschichte aufzeigen. Am Ende erfolgt eine Zusammenfassung und ein Fazit der Ergebnisse. Als Quellen dienen hauptsächlich offizielle Statistiken der Vereinten Nationen und des chilenischen Staates, sowie wissenschaftliche und eigene Literatur der Parteien. Zudem war ich im November und Dezember 2006 auf einer Exkursion der Universität Wien in Santiago de Chile und Valparaíso. Im Zuge dieser haben wir unter anderem auch Parteien verschiedener Lager besucht, so dass auch diese Eindrücke mit in die Arbeit einfließen werden.[1]

1.1. Das Politische System im Überblick

Chile ist eine einheitlich demokratische Republik (Art. 3, 4), an deren Spitze der Präsident (Art. 24), bzw. seit 2006, die Präsidentin (Michelle Bachelet Jeria) steht, die gleichzeitig die Exekutivgewalt inne hat. Sie / er wird für vier Jahre gewählt, wobei die Wiederwahl für die folgende Periode möglich ist (Art. 25). Sie / wird in direkter Wahl vom wahlberechtigen Volk durch das Erreichen der absoluten Mehrheit bestimmt. Sollte es im ersten Wahlgang keineR der KandidatInnen schaffen, so findet ein weiterer Wahlgang statt, bei dem die einfache Mehrheit genügt.

Gemäß der in der Verfassung - die 2005 überarbeitet verabschiedet wurde - vorgegebenen Gewaltenteilung liegt die Legislativgewalt beim Nationalkongress (Congreso Nacional), der wiederum aus zwei Kammern besteht (Art. 46). In diesem sind der Senat (Senado) und die Abgeordnetenkammer (Cámara de Diputados) vereint. Der Senat besteht aus 38 SenatorInnen, die alle vier Jahre die Hälfte für eine Amtszeit von acht Jahren neu gewählt werden (Art. 49). In die Abgeordnetenkammer werden alle vier Jahre 120 Abgeordnete gewählt (Art. 47). Chile ist in 60 Wahlkreise eingeteilt, von denen jeweils zwei Abgeordnete gestellt werden. Beide Kammern werden in direkter Wahl vom Volk entschieden. Seit der Reform von 2005 ist das binominale Wahlsystem nicht mehr in der Verfassung verankert, sondern nur noch im Verfasssungsorgangesetz (Ley orgánico constitucional).

Die Justizgewalt obliegt in erster Instanz dem Obersten Gerichtshof (Corte Suprema) (Art, 77) und in weiteren Instanzen den Gerichten der Regionen und Gemeinden. Zudem überwacht das Verfassungsgericht (Tribunal Constitucional) (Art. 92).

1.2. Kurzer historischer Abriss

Chile stand seit seiner Unabhängigkeit im Jahr 1818 immer wieder im Interesse der Weltöffentlichkeit. In den vergangenen zweihundert Jahren durchlebte das Land die verschiedensten politischen Organisationsformen und Wirtschaftssysteme. Der christdemokratische Präsident Frei Montalva leitete 1964 Strukturreformen (Revolution in Freiheit) ein, die von seinem sozialistischen Nachfolger Allende 1970 weitergeführt und als „chilenischer Weg zum Sozialismus“ ausgeweitet wurden, ehe Allende 1973 durch den Militärputsch gestürzt wurde (vgl. Nohlen 1995: 151-152). Diktator Pinochet hingegen verfolgte das von der Chicagoer Schule propagierte neoliberale Wirtschaftssystem, welches auch von der (seit dem Ende der Diktatur im Jahre 1990) regierenden Koalition verfolgt wird (vgl. ebd.: 154).

Die Politischen Parteien Chiles erstarkten erst im Zuge wirtschaftlicher Mißerfolge seit Beginn der 1980er Jahre wieder und gewannen - soweit in einer Diktatur möglich - an Einfluss. Nach mehreren Versuchen der Wiedereinführung eines demokratischen Systems, wurde 1988 das von Pinochet selbst eingeleitete Referendum über eine Verlängerung seiner Amtszeit um weitere acht Jahre abgehalten. Trotz ausgiebiger Propaganda der regimetreuen Parteien, stimmten 54,7% der ChilenInnen gegen eine weitere Amtszeit, was gleichzeitig den Weg in die Demokratie einleitete (vgl. ebd.: 155). Seither entschied das Wahlbündnis Concertación de Partidos por la Democracia für sich uns stellt auch die derzeitige Präsidentin Bachelet.

In den vergangene zweihundert Jahren wurden zehn Verfassungen in Chile beschlossen, die letzte durch die Reform im Jahr 2005 unter der Präsidentschaft Ricardo Lagos Escobar. Die wohl deutlichste Reformen bestanden seitdem in der Stärkung des Nationalkongresses, bzw. der Abgeordnetenkammer und der damit verbundenen Einschränkung der Rechte für die Präsidentin /den Präsidenten. DieseR verfügt zwar noch immer über die oben beschriebene Exekutivgewalt, hat aber im Verlauf der Jahre wichtige Rechte wie die Auflösung des Parlaments verloren und wird nur mehr für eine Amtszeit von vier Jahren, statt wie in der Verfassung von 1980 vorgesehenen acht Jahre, gewählt (vgl. Verfassung von 1980). Damit wurde die Gewalt des Volkes Schritt für Schritt erhöht, welche jedoch noch immer durch das binominale Wahlsystem beschnitten wird. Da dieses in der sogenannten „Zweiten Verfassung“ Chiles, den Verfassungsorgangesetzen, verankert ist und es zur Änderung eine 4/7 Mehrheit der Mitglieder beider Kammern bedarf, ist die Änderung auch in den kommenden Jahren fraglich.

2. Das binominale Wahlsystem

Das Wahlsystem Chiles ist eine Mischform zwischen Mehrheits- und Verhältniswahl. Beschlossen wurde es in den letzten Zügen der Diktatur und begünstigt bis heute ein ausgeprägtes Zweiparteiensystem. Gewählt wird in folgendem Modus:

In jedem der 60 Wahlkreise werden pro Wahlbündnis oder Partei bis zu zwei KandidatInnen bestimmt, daher wird das System auch Zweierwahlkreissystem genannt (vgl. Nohlen 2004a: 1100). Unabhängige dürfen nur eineN KandidatIn stellen. Jeder Wahlkreis wählt seineN AbgeordneteN oder SenatorIn in direkter Wahl. Die Auswertung der Stimmen erfolgt über zwei Methoden: Hat eine Partei oder ein Wahlbündnis doppelt so viele Stimmen erreicht, wie die Partei oder das Wahlbündnis mit den zweit meisten Stimmen, so gewinnen die ersten beiden KandidatInnen des ersten Wahlbündnisses, bzw. der ersten Partei. Hat kein Wahlbündnis, bzw. keine Partei diese doppelte Mehrheit erreicht, so gewinnen die zwei KandidatInnen mit den meisten Stimmen aus den beiden Wahlbündnissen, bzw. Parteien mit den meisten Stimmen insgesamt (vgl. Nohlen 2004b:317ff). Es lohnt sich daher für die Parteien Wahlbündnisse zu schließen, da die Wahrscheinlichkeit Sitze zu erlangen höher ist.

Verdeutlichen werde ich dies am Beispiel an den Ergebnissen der letzten Wahl des Abgeordnetenhauses im Jahr 2005. Insgesamt sind vier Wahlbündnisse angetreten, die im anschließenden Punkt noch ausführlicher behandelt werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ministerio del Interior 2007a

Die Concertación Demorcrática erlangte demnach mit knapp über der Hälfte aller Stimmen auch die Mehrheit der Sitze im Abgeordnetenhaus. Zweitstärkstes Wahlbündnis ist mit 54 Sitzen Alianza por Chile, obwohl sie nicht einmal 40% der Stimmen erhielten. Nur einem weiteren Bündnis (Fuerza Regional Independiente) gelang es einen Abgeordneten zu stellen, obwohl diese lediglich 1,17% aller Stimmen für sich beanspruchen können. Das Bündnis Juntos Podemos Más erhielt trotz 7,40% der Stimmen keinen einzigen Sitz, was auch dazu führt, dass die Meinung von fast einer halben Millionen ChilenInnen ebenfalls nicht vertreten ist.

Betrachtet man die einzelnen Wahlkreise genauer, wird das binominale Wahlsystem deutlicher. Als Beispiel dient der Wahlkreis 7 der Región Metropolitana, also einer der beiden Wahlkreise der Hauptstadt Santiago de Chile. Es sind nur drei Bündnisse zur Wahl angetreten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Ministerio del Interior 2007b

Demnach entfiel auf die beiden stärksten Bündnisse je ein Abgeordneter, da keine der beiden die doppelte Anzahl der Stimmen erreicht hat. In diesem Fall wären beide Sitze an die Concertación gegangen. Die Alianza por Chile profitiert von diesem Ergebnis, da sie genauso viele Sitze haben, wie die Concertación, obwohl mehr als 150.000 Stimmen zwischen den Bündnissen liegen. Rein theoretisch könnte demnach die zweit stärkste Partei die gleiche Anzahl der Sitze erreichen wie die stärkste, jedoch mit weniger WählerInnenstimmen. Aufgrund der geraden Sitzanzahl im Abgeordnetenhaus, könnte es passieren, dass die stärkste Partei oder das stärkste Wahlbündnis trotz der absoluten Mehrzahl an Stimmen, nicht die absolute Mehrzahl an Sitzen für sich beansprucht.

Kleinere oder finanzschwache Parteien, bzw. Bündnisse haben kaum eine Chance überhaupt eineN AbgeordneteN zu stellen, es sei denn sie konzentrieren den kompletten Wahlkampf auf einen Wahlkreis. Die Stimmen vieler tausend ChilenInnen werden in der Repräsentanz also nicht berücksichtigt, was dazu führt, dass diese nicht vertreten sind und immer aus dem System herausfallen. So hat sich Chile seit den ersten freien Wahlen zu einem Zweibündnissystem entwickelt, in denen sich Parteien für EuropäerInnen untypischen Konstellationen zusammengeschlossen haben.

Im folgenden Teil soll untersucht werden, wie sich die chilenische Parteienlandschaft allgemein darstellt und wie die einzelnen Bündnisse entstanden sind. Zudem soll aufgezeigt werden, wie einzelne Parteien, bzw. Bündnisse zu dem praktizierten Wahlsystem stehen.

3. Die chilenische Parteienlandschaft

Das Wahlsystem beeinflusste in den vergangenen Jahrzehnten nicht nur die Sitzverteilung in Senat und Abgeordnetenhaus, die Repräsentanz des Volkes, sondern auch die Parteienlandschaft. Kleinere Parteien sind schließlich, wenn überhaupt, nur in kleiner Anzahl in beiden Kammern vertreten (vgl. Nohlen 2004b). Viele WählerInnenstimmen gehen zudem schlichtweg verlohren, da jede Stimme für eine Kandidaten oder eine Kandidatin zählt und Wahllisten nicht existieren. Dieses System hat daher eine ausgedehnte Pluralität und die Zersplitterung von Parteien weitgehend verhindert, vielmehr wurde das Zwei-Bündnis-System forciert.

Die gegen eine weitere Amtszeit Pinochets geschlossenen Parteibündnisse für das Referendum teilen die chilenischen Parteien bis heute in drei Lager. Am Erfolgreichsten ist seit Wiedereinführung der Demokratie die Concertación de Partidos por la Democracia. Seit 17 Jahren stellt das Bündnis nicht nur den oder die PräsidentIn, sondern war stets mit der größten Anzahl an Abgeordneten und SenatorInnen im Kongress vertreten. Ihr gegenüber steht die Alianza por Chile, die sich aus den beiden pinochetunterstützenden Parteien zusammensetzt und sich stets an zweiter Stelle behaupten kann. Aus der Reihe, da nicht im Kongress vertreten, fällt das Bündnis Juntos Podemos Más. Sie gelten als die größten Verlierer des binominalen Wahlsystems.

Immer wieder wurde gefordert, dass das Wahlsystem reformiert werden solle, welches, wie eingangs erwähnt, noch von Pinochet beschlossen wurde. Im folgenden Abschnitt soll nun aufgezeigt werden, wie die bestehenden Wahlbündnisse entstanden sind und welche Parteien eine Änderung des Systems forcieren oder eher erschweren. Ausgelassen wird das Bündnis Fuerza Regional Independiente sowie unabhängige Kandidaturen, da diese meist nur eine regionale Rolle und keine gesamt-chilenische Rolle spielen. Zudem haben wir auf der Exkursion keine Partei dieses Bündnisses oder einzelne KandidatInnen besucht, im Gegensatz zu den drei erstgenannten.

3.1. Concertación de Partidos por la Democracia

Das Bündnis Concertación de Partidos por la Democracia[2] wurde im Zuge der Mobilisierung zum Plebiszit 1988 von 17 Parteien noch unter dem Namen Concertación de los Partidos por el NO[3] gegründet. Darunter befanden sich die bis heute dazugehörigen Parteien Partido Demócrata Christiano[4] (PDC), Partido por la Democracia[5] (PPD) und die Partido Humanista[6], die jedoch nach dem Referendum aus dem Bündnis ausgetreten ist. Zudem befanden sich acht sozialistische, bzw. sozialdemokratische Parteien unter ihnen, die sich später zur Partido Racial Social Demócrata[7] (PRSD), bzw. Partido Socialista[8] (PS) zusammenschlossen (vgl. Gaspar 1994: 150 ff).

Das anfänglich für ein Nein im Plebiszit zusammengeschlossene Bündnis, regiert Chile nun seit dem Ende der Diktatur vor 17 Jahren. Die PräsidentInnen stammten anfänglich aus der PDC, seit 2000 jedoch auch den sozialistischen Lagern PPD und PS. Dieses - für EuropäerInnen ungewöhnliche - gemeinsame Regieren von christdemokratischen und sozialistischen Parteien, verfolgt seit Beginn den Kurs Chile wirtschafltich und sozial an die Spitze Lateinamerikas zu setzen und meistert zumindest das ökonomische Ziel mit Bravour (vgl.ebd.: 138ff). So wurde der neoliberale Kurs Pinochets über die Jahre hinweg beibehalten und wird auch aktuell von allen Parteien als der richtige Weg angesehen.

Die Concertación gehört zweifelsohne zu den Profiteuren des binominalen Wahlsystems. Das Bündnis war in den vergangen fünf Wahlen im Abgeordnetenaus “übervertreten” (vgl. Larroulet 2006) und stand auch wegen den seinen Wahlerfolgen nie vor der Spaltung. Es ist daher kaum verwunderlich, dass die Concertación bisher wenig Anstrengung unternommen hat, das binominale Wahlsystem zu ändern, obwohl es aus einzelnen Ecken immer wieder gefordert wird. Bisher wurde jedoch noch kein Gegenmodell entworfen, was bei einer beabsichtigten Änderung schon längst geschehen wäre. Auch bei unseren Nachfragen auf der Exkursion wurden wir immer mit der Antwort getröstet, dass Chile wichtigere Probleme zu bewältigen hätte.

3.2. Alianza por Chile

Die Alianza por Chile [9] bildet im Gegensatz zur Concertación, den Mitte-Rechts-Block in Chile. Gegründet wurde es im Jahr 2000, zum einen als Reaktion auf das Nein zum Plebiszit und die Wiedereinführung der Demokratie und zum anderen als Gegenpol zur Concertación. Es besteht aus zwei Parteien: Der Unión Demócrata Independiente[10] (UDI) und der Renovación Nacional[11] (RN). Sie traten in den vergangenen Wahlen unter verschiedenen Namen an und wurden stets zur zweitstärksten Kraft in Chile.

Neben der Concertación zählen sie zu den großen Gewinnern des binominalen Wahlsystems. Wie oben bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus aufgezeigt wurde, profitieren sie als zweitstärkstes Bündnis und erhielten in 54 Wahlkreisen einen Sitz. Während die Concertación das Mitte-Links-Spektrum im Land abdeckt, bedient die Alianza die konservative und rechtseingestellte WählerInnenschaft. Die UDI ist mit 33 Abgeordneten und 9 Senatoren die meistvertretende Partei im Kongress (vgl. Ministerio del Interior 2007c/ Senado 2007). Zusammen mit der RN sind sie die Parteien in Chile, die bis zuletzt die Militärdiktatur Pinochets unterstützt hatten und nach wie vor die positiven Seiten hervorheben. Die Diktatur kann gemäß ihren Aussagen (auch von Seiten der UDI im Zuge der Exkursion) so schlecht nicht gewesen sein, habe sie Chile doch zu einem prosperienden Land gemacht (vgl. Gaspar 1994:150).

Auch dieses Wahlbündnis hat in den vergangenen Jahren keine Anstrengung unternommen das Wahlsystem zu ändern. Sie sind nicht nur aufgrund der Sitzverteilung im Kongress Gewinner des Systems, sondern sichern sich so auch ihren Vorsprung vor dem Bündnis Juntos Podemos Más, welches bei den letzten Wahlen nicht einen Sitz für sich beanspruchen konnte. Es ist daher auch von dieser Seite nicht zu erwarten, dass das Wahlsystem geändert werden wird.

3.3. Juntos Podemos Más

Im Bündnis Juntos Podemos Más[12], welches 2003 gegründet wurde, vereinen sich derzeit mehr als 50 verschiedene Gruppierungen der chilenischen Linken. Podemos ist ebenfalls die Abkürzung für Poder Demócratico Social[13]. Die wichtigsten Parteien sind die Partido Comunista de Chile[14] (PCCh) und die Partido Humanista[15] (PH). Weitere Gruppierungen sind Gewerkschaften, kommunistische Jugendorganisationen und Soziale Bewegungen (vgl. Juntos Podemos Más 2007), die überwiegend finanzschwach sind. Die Partido Humanista hatte das Plebiszit und die Bildung der Concertación forciert, ist dann jedoch aufgrund unterschiedlicher Auffassungen in der Wirtschafts- und Sozialpolitik aus dem Bündnis ausgetreten.

Juntos Podemos Más stellt in unserem europäischen Verständnis die linke Opposition Chiles dar. Ihre Forderungen reichen von der Verhinderung von Freihandelsverträgen über Solidarität hin zu umfangreicher Mitbestimmung der BürgerInnen (vgl. ebd.). Daher sind sie die treibende Kraft in der Änderung des Wahlsystems Chiles: Trotz 488.688 Stimmen bei den letzten Wahlen zum Abgeordnetenhaus, welches einem Stimmenanteil von 7,40% entspricht (vgl. Punkt 2), erhielten sie nicht einen Sitz. Eben durch diese - in ihren Augen - Ungerechtigkeit, unternehmen sie seit Jahren jeden Versuch das Wahlsystem zu reformieren. Da sie jedoch weder Abgeordnetenhaus, noch im Senat über Stimmen verfügen, können sie nur weiter öffentlich protestieren, jedoch ohne Verbündete im Kongress nichts bewirken. Zudem stellt Juntos Podemos das finanzschwächste Bündnis dar, was es außerhalb der Region Metropolitana unmöglich macht, Stimmen für sich zu gewinnen, da Ausgaben für Werbung und öffentliche Auftritte in Chile enorm hoch sind.

4. Zusammenfassung und Fazit

Die Republik Chile hat im Vergleich mit seinen Nachbarländern oder weiteren Staaten Lateinamerikas weniger soziale und wirtschaftliche Probleme. Bis auf einzelne Streiks und Proteste in der vergangenen Jahren wie etwa durch die Pinguineras (SchülerInnen für den freien Hochschulzugang) und GegnerInnen von TranSantiago (Reform des öffentlichen Transportwesens in Santiago de Chile), ist Chile ein eher ruhiges und sicheres Land.

Seit dem Ende der Diktatur stellt das Bündnis Concertación de los Partidos por la Democracia den Präsidenten, bzw. die Präsidentin, die / der über die größte Machtfülle verfügt. Aber auch bei den Wahlen zum Kongress konnte sich die Concertación immer wieder als stärkste Kraft behaupten. An zweiter Stelle steht das Bündnis Alianza por Chile, welches sich aus den pinochetunterstützenden Parteien zusammensetzt. Sie konnten vom binominalen Wahlsystem nur profitieren und erlangten meist nur ein paar Sitze weniger im Kongress, konnte jedoch nie den Präsidenten stellen. Verlierer vom Wahlsystem sind die unabhängigen, regionalen und finanzschwachen Bündnisse. Hervorzuheben ist das Bündnis Juntos Podemos Más, welches trotz hoher WählerInnenstimmenanzahl nie einen Sitz für sich beanspruchen konnte. Sie sind jedoch die einzige Kraft im Land, welches das Wahlsystem ernsthaft reformieren möchte, besitzt dafür jedoch ungenügende politische Macht.

Das binominale Wahlsystem, welches von Pinochet verabschiedet wurde, repräsentiert gemäß dem Politologen und Chileexperten Dieter Nohlen 90% der Bevölkerung (vgl. Larroulet 2006). Zwar begünstige es ein ausgeprägtes Zwei-Bündnis-System, dennoch sei es in seinen Augen nicht undemokratisch. Ich persönlich kann seine Meinung nicht vertreten, da Parteien, die sich nicht den beiden großen Lagern anschließen, keine Chance auf Repräsentanz im Kongress bekommen. Da ausschließlich neoliberalfreundliche Parteien in den beiden großen Blöcken vertreten sind, haben so auch konträre wirtschaftspolitische Ansichten keine Stimme. Ebenso ist der Verlust von fast 10% der WählerInnenstimmen keineswegs als demokratisch zu bezeichnen. Eine Möglichkeit der Reformation wäre die zusätzliche Einführung von Wahllisten, die auch kleinen Parteien den Einzug in die Kammern ermöglichen würde. Schließlich ist die Grundbedeutung von Demokratie „Herrschaft durch das Volk“ und nicht „Herrschaft durch 90% des Volkes“. Zwar sind durch verschiedene Hürden auch in westlichen Demokratien nicht alle Parteien im Parlament vertreten (vgl. 5%-Hürde in Deutschland), jedoch findet man eine höhere Pluralität durch verschiedene Parteien wieder. Chile sollte daher seine demokratischen Mittel überdenken und repräsentativer gestalten.

5. Literaturverzeichnis

I. Rechtstexte

Constitución Política de la República de Chile (2005), www.camara.cl/legis/constitucion/DTO1001.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.11.2007.

Constitución Política de la República de Chile (1980), www.camara.cl/legis/masinfo/m6.htm, zuletzt aufgerufen am 1.11.2007.

Ley Orgánica Constitucional (1990), www.senado.cl/prontus_senado/antialone.html?page=http://www.senado.cl/prontus_senado/site/artic/20050516/pags/20050516222204.html, zuletzt aufgerufen am 1.11.2007.

II. Fachtexte in Büchern und Zeitschriften

GASPAR, Gabriel (2004): La transición chilena: más allá del neoliberalismo, in: Dutrénit, Silvia/ Valdés, Leonardo (Hrsg.) (2004): El fin de siglo y los Partidos Políticos en América Latina, Universidad Autónoma Metropolitana Unidad Iztapalapa: Mexiko Stadt, S. 137-152.

NOHLEN, Dieter (1995): Chile, in: Nohlen, Dieter/Nuscheler, Franz (1995): Handbuch der Dritten Welt, Band 2 Südamerika, 2. Auflage, Dietz Verlag: Berlin, S. 151-156.

NOHLEN, Dieter (2004a): Wahlsysteme, in: Nohlen, Dieter/ Schultze, Rainer-Olaf (2004): Lexikon der Politikwissenschaft, Band 2², Verlag C.H.Beck: München, S. 1099-1102.

NOHLEN, Dieter (2004b): Chile (Sistema binominal), in: Nohlen, Dieter (2004): Sistemas electorales y partidos políticos, 3. Auflage, Fondo de cultura económica: Mexiko Stadt, S. 314-323.

III. Internetquellen

EU (2006): The EU's relations with Chile, http://ec.europa.eu/comm/external_relations/chile/intro/index.htm, zuletzt aufgerufen am 27.10.2007.

JUNTOS PODEMOS MÁS (2007): Documento Fundacional del Movimiento Podemos, http://srv76.hosteur.com/~podemos/index.php?option=com_content&task=view&id=33&Itemid=1, zuletzt aufgerufen am 4.11.2007.

LARROULET, Christián (2006): Chile: La Concertación... ¿a favor del binominal?, http://independent.typepad.com/elindependent/2006/08/chile_la_concer.html, zuletzt aufgerufen am 3.11.2007.

MINISTERIO DEL INTERIOR (2007a): Votación por Lista/Pacto País, Diputados 2005, www.elecciones.gov.cl/SitioHistorico/index2005_dipu.htm, zuletzt, aufgerufen am 2.11.2007.

MINISTERIO DEL INTERIOR (2007b): Votación de Circunscripción por Lista/Pacto, Diputados 2005, www.elecciones.gov.cl/SitioHistorico/index2005_dipu.htm, zuletzt aufgerufen am 2.11.2007.

MINISTERIO DEL INTERIOR (2007c): Votación por Partido/País, www.elecciones.gov.cl/SitioHistorico/index2005_dipu.htm, zuletzt aufgerufen am 4.11.2007.

SENADO – REPÚBLICA DE CHILE (2007): Senadores, http://appsvr2.senado.cl/prontus_senado/antialone.html?page=http://appsvr2.senado.cl/mss/listaparlamentarios.php, zuletzt aufgerufen am 4.11.2007.

[...]


[1] Quelle: Constitución Política de la República de Chile, www.camara.cl/legis/constitucion/DTO1001.pdf, zuletzt aufgerufen am 1.11.2007.

[2] Absprache zwischen den Parteien für die Demokratie

[3] Absprache zwischen den Parteien für ein NEIN

[4] Christdemokratische Partei

[5] Partei für die Demokratie

[6] Humanistische Partei

[7] Radikal-Sozialdemokratische Partei

[8] Sozialistische Partei

[9] Allianz für Chile

[10] Unabhängige demokratische Union

[11] Nationale Erneuerung

[12] Gemeinsam können wir mehr

[13] Demokratisch soziale Kraft/Macht

[14] Kommunistische Partei Chiles

[15] Humanistische Partei

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Details

Title
Das binominale Wahlsystem in Chile - Repräsentanz aller BürgerInnen? Eine Analyse der chilenischen Parteienlandschaft
College
University of Vienna  (Institut für Politikwissenschaft)
Course
Demoraktie neu (er-)denken?
Grade
1
Author
Year
2007
Pages
16
Catalog Number
V111344
ISBN (eBook)
9783640094226
ISBN (Book)
9783640130054
File size
470 KB
Language
German
Keywords
Wahlsystem, Chile, Repräsentanz, BürgerInnen, Eine, Analyse, Parteienlandschaft, Demoraktie
Quote paper
Tanja Trost (Author), 2007, Das binominale Wahlsystem in Chile - Repräsentanz aller BürgerInnen? Eine Analyse der chilenischen Parteienlandschaft, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/111344

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