Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses

Sinnvolle Stadtgestaltung oder plakativer Historismus?


Bachelorarbeit, 2007

49 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhalt

Abbildungsverzeichnis

I. Einleitung

II. Räumliche und funktionale Einordnung des Potsdamer Stadtschlosses bis zum Abriss in den Jahren 1959/1960
II.1 Die Entwicklung des Standortes: Von der mittelalterlichen Turmburg zum Sitz der Preußischen Könige
II.2 Die Zeit vom Funktionsverlust des Potsdamer Stadtschlosses als Residenz im Jahr 1881 bis zum Abriss in den Jahren 1959/1960

III. Stadtentwicklung und -gestaltung
III.1 Beschluss zum Landtagsneubau auf dem historischen Schlossgelände in Potsdam
III.2 Städtebauliche Aspekte
III.2.1 Städtebau in der DDR
III.2.2 Städtebau in der BRD
III.2.3 Städtebauliche Entwicklung nach 1989
III.3 Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses – ein Akt der sinnvollen Stadtgestaltung ?

IV. Das Potsdamer Stadtschloss und der Umgang mit historischen Bauten in der Öffentlichkeit
IV.1 Positionen und Akteure einer Debatte
IV.2 „Wofür und für wen wird rekonstruiert?“
IV.2.1 Identität und Stadtgeschichte
IV.2.2 2 Politik, Stadtimage und das Potsdamer Stadtschloss
IV.2.3 Geschichtsbewusstsein und Originalitätsbegriff in der Rekonstruktionsdebatte
IV.3 Historismus und das Potsdamer Stadtschloss

V. Schlussbetrachtungen

VI. Literatur

Anhang

Leitfragestellungen des Interviews mit Hans-Joachim Kuke

Leitfragestellungen des Interviews mit Saskia Hüneke

Abbildungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

I. Einleitung

Der Landtag Brandenburg beschloss am 20.05.2005 einen „Landtagsneubau für Berlin- Brandenburg am Potsdamer Standort ‚Alter Marktǥ³ ,Q GHP %HVFKOXVV KHL□W HV GDVV GHU „Landtagsneubau in den äußeren Um- und Aufrissen“ des historischen Potsdamer Stadtschlosses durchgeführt und sich die Gestaltung der Putz- und Fassadenflächen an dem historischen Vorbild orientieren soll (siehe dazu: Landtagsbeschluss 2005).

Die folgende Arbeit mit dem Titel „Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses – Sinnvolle Stadtgestaltung oder plakativer Historismus?“ geht der Frage nach, wie die Rekonstruktion des Potsdamer Stadtschlosses an dem historischen Standort am Alten Markt in Potsdam aus stadtgestalterischer Sicht einzuschätzen ist.

Die Ausgangsfragestellung suggeriert dabei polemisch einen Gegensatz zwischen sinnvoller Stadtgestaltung und einem nachdrücklich und allzu deutlich zur Schau gestellten Historismus.[1]

Unter sinnvoller Stadtgestaltung wird dabei ein gegenwartsbezogener und vorausschauender Städtebau verstanden. Das heißt auch, dass historische Vorgaben mit in die Planung einbezogen werden. Im Hinblick auf den geplanten Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses kann Stadtgestaltung aber nur dann als sinnvoll betrachtet werden, wenn die Rekonstruktion des Schlosses neben der nutzbringenden und funktionalen Eingliederung in die Stadt alle Aspekte im Zusammenhang mit Rekonstruktionsvorhaben ausreichend berücksichtigt.

Plakativer Historismus ist ein bewusst ausgewähltes, negativ besetztes Begriffspaar und kann in diesem Zusammenhang mit Schlagwörtern wie Maskeraden oder Kostümierung durch historisierende Elemente gleichgesetzt werden. Es versinnbildlicht damit eine Stadtentwicklung, die ohne Rücksicht auf ihre tatsächliche Geschichte eine sinnentleerte, einseitig auf die Vergangenheit bezogene Bildhaftigkeit zum tragenden Element der Gestaltung macht.

Die Gegenüberstellung dient in dieser Arbeit der thematischen Eingrenzung, um den Sachverhalt des Wiederaufbaus des Potsdamer Stadtschlosses und der damit verbundenen Diskussion um die Rekonstruktion historischer Bauten angemessen behandeln zu können.

Um zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen, war eine umfangreiche Literaturrecherche und die Auswertung der in diesem Zusammenhang durchgeführten Bevölkerungsumfragen nötig. Wegen der Aktualität der Thematik mussten daneben noch unterschiedliche Tageszeitungen eingesehen und aktiv am Geschehen beteiligte Personen in die Arbeit mit einbezogen werden. Dazu konnten zwei Interviewpartner gewonnen werden, die maßgeblich mit dazu beigetragen haben, dass es nun zu einem Wiederaufbau des Stadtschlosses kommt und die im Rahmen eines narrativ durchgeführten Experteninterviews befragt wurden.[2] Zum einen war das am 21.05.2007 Saskia Hüneke, eine studierte Kunsthistorikerin und Stadtverordnete von Potsdam. Als Mitglied der Fraktion der Grünen ist sie unter anderem im Ausschuss Kultur, Stadtplanung und Bauen tätig. Daneben ist sie Kustodin der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg und Vorstandsmitglied des Vereins Argus (Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung) Potsdam, der sich seit 1988 im Kulturbund mit Fragen der Stadtgestaltung und des Stadtverkehrs sowie der Beachtung des Natur- und Umweltschutzes auseinandersetzt. Der Verein war auch Initiator der später in dieser Arbeit noch behandelten Telefonumfrage zur äußeren Gestaltung des Landtagsneubaus.

Zum anderen konnte Dr. Hans-Joachim Kuke am 14.05.2007 interviewt werden. Er ist promovierter Kunsthistoriker und Mitglied im Vorstand des Vereins Potsdamer Stadtschloss. Außerdem ist er Autor u. a. von „Die Dresdner Frauenkirche“ und einer Biographie von Jean de Bodt, dem Baumeister unter Friedrich dem Großen und Konstrukteur des Fortunaportals am Potsdamer Stadtschloss.[3]

Um das Potsdamer Stadtschloss in einen historischen Bezug zu stellen und thematische Rückschlüsse zu ermöglichen, wird im zweiten Kapitel das Potsdamer Stadtschloss von seiner Gründung bis zum Abriss räumlich und funktional grob eingeordnet. Daneben wird die Entwicklung der äußeren Gestalt und deren historischer Hintergrund kurz erläutert, damit auch die kunsthistorische Bedeutung zum Ausdruck gebracht werden kann.[4]

Um die Entwicklungen, die letztendlich zu dem Beschluss des Wiederaufbaus des Stadtschlosses geführt haben, nachvollziehen zu können, werden im dritten Kapitel zuerst die landes- und stadtpolitischen Vorgänge, die den Entschluss begleitet haben, beschrieben. Anschließend folgt eine Darstellung der unterschiedlichen Stadtentwicklungsgeschichte im geteilten Deutschland nach Ende des Zweiten Weltkrieges und deren Auswirkungen auf die städtebauliche Entwicklung in Potsdam. Abgeschlossen wird das Kapitel mit der zusammenfassenden Einschätzung, welchen Beitrag der Wiederaufbau des Schlosses für die Stadtgestaltung in Potsdam leisten kann.

Das vierte Kapitel thematisiert den öffentlichen Umgang mit Geschichte: Um die verschiedenen Intentionen und Interessen, die mit dem Wiederaufbau des Stadtschlosses verbunden sind, nachvollziehen zu können, beginnt das Kapitel mit der Darstellung der unterschiedlichen Positionen der Akteure, die sich mit der Frage um die Rekonstruktion von historischen Bauwerken auseinandersetzen. Anschließend werden die einzelnen Begründungen kritisch hinterfragt und am Ende das Ergebnis dieser Auswertung zusammengefasst wiedergegeben.

Im Zuge der Diskussion um den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses werden verschiedenste raumplanerische Aspekte angesprochen, und insbesondere im Rahmen der Stadtgeographie ist die Auseinandersetzung und Beurteilung dieser Art von Stadtgestaltung von großer Bedeutung, um zum Beispiel Rückschlüsse auf allgemeine Stadtentwicklungstendenzen ziehen zu können. Gerade jetzt, wo ein wahrer „Retro-Boom in deutschen Städten“ (Schulz 2007, S. 156) herrscht, sind die Ergebnisse der Arbeit für die Beurteilung von Rekonstruktionsvorhaben nicht nur für Potsdam von Bedeutung.

Allgemeine Aussagen über den derzeitigen Stand der Debatte im Umgang mit der Rekonstruktion historischer Bauten zu treffen ist schwierig. In der Auseinandersetzung, die spätestens mit der Aussage Georg Dehios „nicht restaurieren – wohl aber konservieren“ (Dehio 1905, S. 19) im Jahr 1905 eingeleitet wurde und mit jedem Rekonstruktionsobjekt erneut aufflammt, klaffen die Meinungen von Befürwortern und Gegnern noch zu weit auseinander. Im Wesentlichen wiederholen sich dabei die gegenseitig hervorgebrachten Argumente, und eine Annäherung ist in nächster Zukunft nicht zu erwarten.

II. Räumliche und funktionale Einordnung des Potsdamer Stadtschlosses bis zum Abriss in den Jahren 1959/1960

II.1 Die Entwicklung des Standortes: Von der mittelalterlichen Turmburg zum Sitz der Preußischen Könige

Eine erste slawische Burganlage aus der Zeit um 800 n. Chr. konnte an dem Standort der heutigen Heilig-Geist-Kirche in Potsdam nachgewiesen werden und war wohl bereits seit dem Ende des 7. Jahrhunderts Mittelpunkt einer slawischen Siedlung. Bis zum 10. Jahrhundert schlossen sich nördlich der Burg zwei weitere Siedlungen in einem lockeren Gefüge an (vgl. Escher/Werner 1988, o. Seitenangabe).

Im Jahr 1157 wurde das Gebiet um Havel und Nurthe von dem Markgrafen der Nordmark, Albrecht dem Bären, erobert. Es wurde damit zur Ostgrenze der neu geschaffenen Mark Brandenburg, und der äußerst günstig gelegenen Übergang zwischen der Zauche und der Nauener Platte, der vermutlich bereits seit dem 10. Jahrhundert aus einer hölzernen Brücke bestand, musste geschützt und verwaltet werden. Deutsche Siedler legten im Gebiet um den heutigen Alten Markt in Potsdam auf einer Talsandfläche eine Siedlung sowie eine einfache Feldsteinkirche an, und die slawische Burg wurde durch eine einfache Turmburg mit viereckigem Grundriss am Standort des späteren Stadtschlosses ersetzt. Neben der Funktion als Grenzbefestigung war die Burg für den Schutz und die Kontrolle des Übergangs über die Havel nötig, der eine Wegverbindung zwischen dem Teltow und der Zauche nach Spandau und dem Havelland schaffte. Um 1300 wurde die slawische Siedlung nordöstlich der Burg aufgegeben, und die Bewohner siedelten sich in dem 1340 erstmals genannten Kiez westlich der Burg an der Havelbucht an. Die Bewohner der Siedlung gehörten der Burgherrschaft an und waren für den Bau und die Unterhaltung der Burg zuständig (vgl. Hahn 2003, S. 10).

Mitte des 15. Jahrhunderts wurde anstelle der Turmburg eine wesentlich größere Steinburg auf einem unregelmäßigem viereckigen Grundriss errichtet, und die alte Burg wurde mit der westlichen Mauer in die Anlage einbezogen. Vom frühen 15. Jahrhundert bis zur Zeit des Großen Kurfürsten war Potsdam – und damit vor allem die Burg – bis auf zwei kurze Unterbrechungen verpfändet. Die Pfandinhaber konzentrierten sich hauptsächlich auf die zum Amt Potsdam gehörenden Landgüter. Entsprechend blieben die Bedeutung und das räumliche Wachstum des Amtes Potsdam sehr gering (vgl. Giersberg 1998, S. 10).

Eine erste bedeutende Erweiterung fand im Jahr 1546 statt, als etwa auf der Höhe des späteren Stadtkanals ein Wall und ein Graben instandgesetzt wurden. Dadurch wurden die freien Flächen zwischen der slawischen und der deutschen Siedlung mit der Burganlage in die Stadt einbezogen (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

Als Markgraf Joachim Friedrich nach seiner Thronbesteigung 1598 das Amt Potsdam seiner Gemahlin Katharina von Brandenburg-Küstrin als Wittum übergab, folgte eine kurze Phase der Pfandlösung. Da die Kurfürstin in Potsdam auch ihren Wohnsitz haben wollte, wurde das alte Wohnhaus abgerissen, mit einem Neubau begonnen und dieser noch im selben Jahr vollendet. Der Innenausbau zog sich jedoch bis nach 1603 hin, ohne abgeschlossen worden zu sein, da die Kurfürstin 1602 verstarb und damit das dynastische Interesse an Potsdam wieder erlosch, so dass es 1606 wieder an einen kurfürstlichen Gläubiger verpfändet wurde (vgl. Giersberg 1998, S. 11 und Hahn 2003, S. 15).

Abb. 1: Das Stadtschloss zu Potsdam seit dem Umbau der Burg durch die Kurfürstin Katharina 1598/1599 bis zum Neubau durch Kurfürst Friedrich Wilhelm 1660

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Fol. 2b „Potsdam Anno 1672“ aus: Geheime Staatsarchiv zu Berlin (seit 1945 verschollen), hier aus: Sello 1888, S. 11.

Abbildung 1 zeigt den Grundriss der Burganlage nach dem Neubau des Schlosses durch die Kurfürstin Katharina 1598/1599 mit den Mauern und Türmen aus der Mitte des 14. Jahrhunderts sowie der bis 1660 in dieser Form angelegten Gartenanlage. Bei dem verzeichneten großen Gebäude handelt es sich um das Katharinenhaus. In den beidseitig vom Eingang befindlichen Bauten waren vermutlich die Ställe und Wirtschaften untergebracht.

Bis etwa 1660 behielt Potsdam den Charakter einer märkischen Kleinstadt. Von etwa 30 Häusern wuchs es bis in das Jahr 1623 auf etwa 200 Häuser mit 1.000 bis 1.500 Bewohnern an. Während des Dreißigjährigen Krieges erlebte Potsdam einen rapiden wirtschaftlichen Einbruch, und die Bevölkerungszahl ging in dieser Zeit stark zurück. Erst nach der Auslösung des Amtes durch Kurfürst Friedrich Wilhelm im Jahre 1660 erholte sich die Stadt von diesen Auswirkungen. Der Beschluss des Kurfürsten, das Potsdamer Schloss zu einer seiner Residenzen auszubauen, gab dem Städtchen neue wirtschaftliche Impulse, und anstelle des heruntergekommenen Baus entstand von 1662 bis 1687 nach holländischem Vorbild ein Stadtschloss (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

Das Haus Hohenzollern stand zu der Zeit in Konkurrenz mit den Dresdner Wettinern und wollte seine Dynastie an die Spitze der protestantischen Reichsstände führen. Der Hof des Landes war dabei mehr als je zuvor das Machtzentrum des Landes, und das politische Gewicht im Reich sollte durch den Ausbau der Residenzen zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Kunisch 1995, S. 62ff.). Entsprechend erforderte die Politik eine ausgesprochene Prachtentfaltung der Residenzen und seiner angeschlossenen Anlagen. Dass sich der Kurfürst dabei auf den Potsdamer Raum konzentrierte, dürfte einerseits an seiner Jagdleidenschaft und den dort reichlich vorhandenen Jagdgründen, zum anderen an der hervorragenden Eignung dieser Landschaft für den Ausbau von Gärten und Schlossanlagen gelegen haben.

Unter der Leitung des Baumeisters Johann Gregor Memhardt wurde auf den Fundamenten des alten Schlosses bis 1669 ein Neubau errichtet, das Hauptgebäude an beiden Enden mit großen Pavillons abgeschlossen und ein mittlerer Pavillon geschaffen, der den zentralen Saal aufnahm (vgl. Hahn 2003, S. 21).

Nach 1671 hielt sich der Kurfürst regelmäßig in Potsdam auf, und die Schlossanlage wurde überwiegend genutzt, um dort Familienfeste abzuhalten. Dabei muss berücksichtigt werden, dass insbesondere den höfischen Festen im Zeitalter des Absolutismus eine bedeutende Rolle zukam, da sie ein wesentlicher Bestandteil der fürstlichen Repräsentation waren (vgl. Kunisch 1995, S. 67).

Im Jahr 1679 wurde ein Erweiterungsbau in Auftrag gegeben, die zur Stadt hin liegenden Seitenflügel wurden verlängert und der den Innenhof begrenzende Querbau erhielt eine halbkreisförmige Galerie, in deren Mitte ein turmartiger Portalbau aufragte. 1685 kam noch der Lustgarten und eine westlich des Schlosses gelegene Orangerie hinzu (vgl. Hahn 2003, S. 24).

Abb. 2: Perspektivische Ansicht von Potsdam um 1672

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Fol. 2b „Potsdam Anno 1672“ aus: Geheime Staatsarchiv zu Berlin (seit 1945 verschollen), hier aus: Sello 1888, S. 67.

Mit den Erweiterungen hatte das Schloss seine Grundrissform erhalten, die bis auf geringfügige Veränderungen unter Friedrich dem Großen bis zu seinem Abriss beibehalten wurde.

Abbildung 2 zeigt die unregelmäßige, aus dem Mittelalter übernommene Stadtanlage. Westlich des Lustgartens an der 1688 angelegten Allee, der heutigen Breiten Straße, wurden Wohnungen für die Mitarbeiter der kurfürstlichen Manufakturen und für Handwerker angelegt. Die sichtbare, frontal auf die Gartenseite des Stadtschlosses zulaufende Brücke ist nur eine idealisierte Darstellung und wurde nicht realisiert (vgl. Giersberg 1998, S. 21).

Für die Einbeziehung des Umlandes in das Residenzgefüge waren das Wege- und Alleensystem von zentraler Bedeutung. Es sollte die favorisierten Sicht- und Raumbezüge herstellen, mit dem Herrschersitz an zentraler Stelle. Ab 1665 nahmen die Bemühungen Gestalt an und der gesamte Landstrich wurde mit gartenbaulichen und architektonischen Zeichen besetzt, die den fürstlichen Herrschaftsanspruch visualisieren sollten. Das Gut Caputh, die Gartenanlage und das Lusthaus in Bornim sowie das Lustschloss in Glienicke wurden in dieser Zeit geplant und umrahmten so anschaulich die Herrschaftsfläche (vgl. Hahn 2003, S. 26f.).

Die von Memhardt geplanten weit ausgreifenden Achsen führten zu den Lustschlössern. Eine Achse wies nach Nordosten in Richtung Sacrow und verlief zur Glienicker Brücke, die 1682 als Zugang zum Schloss Klein-Glienicke erbaut wurde. Südlich der Havel entstand ebenfalls eine Allee, das heutige Alt-Nowawes. Der Stadtgraben wurde 1673 begradigt und am Ostufer des Templiner Sees ein Wildgarten angelegt (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

So war in fast drei Jahrzehnten aus einer unbedeutenden märkischen Kleinstadt eine Residenz geworden, die gerade in den letzten Lebensjahren des Großen Kurfürsten sein bevorzugter Aufenthaltsort war und wo er 1688 auch verstarb.

Sein Nachfolger, Kurfürst Friedrich III., im Jahr 1701 in Königsberg zum König Friedrich I. in Preußen gekrönt, war an dem Potsdamer Stadtschloss weniger interessiert, veranlasste aber dessen barocke Ausgestaltung. Grundgedanke der baulichen Veränderungen war wohl, dem bisher holländisch geprägtem Schloss nach dem Geschmack der Zeit einen eher französischen Charakter zu geben (vgl. Giersberg 1998, S. 36).

Neben kleineren Veränderungen im Dachbereich und im Innenhof sowie an der Fassadengliederung wurde in Hinblick auf die Königskrönung ein neues Portal zur Stadt errichtet, das später wegen der bekrönenden Glücksgöttin den Namen Fortunaportal erhielt. Ab dem Jahr 1705 übernahm Andreas Schlüter neben dem Baumeister Jean de Bodt die Bauleitung für das Stadtschloss und die umliegenden Lustschlösser. Zu diesem Zeitpunkt war es immer noch ein Schloss, in dem Feste gefeiert, aber auch hoher Besuch empfangen wurde. Ein Höhepunkt war das Dreikönigstreffen im Jahr 1709, bei dem sich Friedrich I. mit August dem Starken und dem König von Dänemark, Friedrich IV., traf (vgl. Giersberg 1998, S. 39- 48).

Während der Amtszeit des Soldatenkönigs, König Friedrich Wilhelm I., ab dem Jahr 1713 gab es am und im Schloss, das nun als dauerhafter Wohnsitz genutzt wurde, im Gegensatz zur Stadt Potsdam nur wenige Veränderungen. Bis zum Jahr 1740 wurde Potsdam zweimal erweitert. Es wurden Kasernen zur Unterbringung der Soldaten errichtet, der Stadtgraben nochmals begradigt und eine neue Stadtmauer sowie drei neue Kirchen errichtet. Der höfischen Prachtentfaltung wurde entsagt und der größte Teil des Lustgartens wurde zum Exerzierplatz umgewandelt. Die schon bestehende Berliner Straße führte diagonal durch das typisch barockzeitliche rechtwinklige Wegeraster. Die Kasernen für die Soldaten und die daran angeschlossenen Manufakturen bildeten am westlichen Ende der Stadt ein eigenes Viertel. Die Erweiterungen veränderten auch die Silhouette der Stadt, deren Enden nun durch die Heilig-Geist-Kirche im Osten und die neue Garnisonskirche im Westen abgeschlossen wurden (vgl. Giersberg 1998, S. 51ff. und Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

Durch die Erweiterungen und aufgrund der intensiven Bautätigkeit unter Friedrich Wilhelm I. kann seitdem von Potsdam als eine wirkliche Stadt gesprochen werden, während sich das Stadtschloss in seinem Aussehen kaum verändert hat. Die Stadtfläche hatte sich in dieser Zeit etwa verdreifacht und gleichzeitig die Zahl der Zivilbewohner von 2.500 auf fast 12.000 verfünffacht; hinzu kamen 4.300 Militärpersonen (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe). Auch Friedrich Wilhelm I. verstarb 1740 im Potsdamer Stadtschloss.

Mit Friedrich II. (Friedrich der Große) begann ab 1740 ein erneuter Wandel von der funktional ausgerichteten Stadtentwicklung zum Ort der höfischen Repräsentation. Für das Stadtschloss entwickelte sein Baumeister Georg Wenzeslaus von Knobelsdorff weitreichende Pläne zur Monumentalisierung des Bauwerkes. Dazu wurden Säulenordnungen verwendet, die Fassaden vereinheitlicht und die Seitenflügel erhöht. Auch mit der Erweiterung des Schlossgartens wurde begonnen, der von einer Mauer umschlossen und durch zwei Kolonnaden ergänzt wurde. Gleichzeitig wurde mit der an repräsentativen Prinzipien orientierten Umgestaltung des Alten Marktes begonnen. Die Ergebnisse waren der Bau eines stattlichen Rathauses, die Schaufassade an der Nikolaikirche und der nach den Plänen von Knobelsdorff errichtete Obelisk. 1745 beschloss der König den Bau von Schloss Sanssouci und die Gestalt Potsdams wurde damit grundlegend verändert. Fachwerkhäuser wurden durch massive Bauten ersetzt und bereits bestehende Steinbauten durch Fassaden verdeckt, bei deren Gestaltung Adelsbauten aller Epochen aus anderen Städten als Vorbild dienten. Mit dem Tod Friedrich II. 1786 endete auch der höfische Absolutismus und die Inszenierung der fürstlichen Gewalt in Potsdam (vgl. Giersberg 1998, S. 65-69).

Der Nachfolger Friedrichs II., Friedrich Wilhelm II., zeigte nur noch geringes Interesse für das Schloss. Im Gegensatz zu seinem Erben hielt sich der König nur selten im Schloss auf. Friedrich Wilhelm III. (1797-1840) und seine Gemahlin Königin Luise dagegen entdeckten eine Vorliebe für das Schloss, was zu massiven Eingriffen in die Raumdekoration und zum Verlust des Theaters im nordöstlichen Kopfbau führte. Baugeschichtlich zählt diese Zeit zum Klassizismus und eine betont schlicht gestaltete Innenausstattung wurde bevorzugt. 1818 erhielt Peter Joseph Lenné den Auftrag des Königs zur Umgestaltung des Lustgartens, und unter Beibehaltung der Grundstruktur wurde eine im Inneren freiere und sich der Landschaft öffnende Gestaltung geschaffen. Für die weitere städtische Umgebung des Schlosses waren der Neubau der Langen Brücke und der Wiederaufbau der 1795 abgebrannten Nikolaikirche von Bedeutung: Die neue Brücke wurde 1825 fertiggestellt, und die Stadt erhielt einen neuen repräsentativen Zugang vom Süden in die Stadt (vgl. Giersberg 1998, S. 89-100).

Der 1840 gekrönte König Friedrich Wilhelm IV. bewohnte zwar als Kronprinz das Stadtschloss, konzentrierte sich aber während seiner Regierungszeit eher auf die Gestaltung der anderen Schlösser und Gärten. Die Funktion Potsdams als Regierungssitz fand, abgesehen von den Behördenbauten, nur in dem unauffällig umgebauten Königlichem Civilkabinetthaus an der Allee nach Sanssouci statt. Der letzte bedeutende Bau der klassizistischen Zeit war Schloss Lindstedt, das der amtierende König für sich als Ruhesitz vorgesehen hatte. Nach dem Tod des Königs im Jahr 1861 ließ das Engagement der Hohenzollern für die Residenz Potsdam erheblich nach (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

Bis zu diesem Punkt kann festgestellt werden, dass die funktionale und räumliche Einordnung des Stadtschlosses in ihrer Entwicklung nach einem typisch europäischen Muster verlief:[5] Angefangen mit einer ersten Burg, die als Schutz einer Siedlung an einer geomorphologisch günstig gelegenen Flussüberquerung für einen Handelsweg lag, über die Funktion als Grenzbefestigung und schließlich als Mittelpunkt einer Residenzstadt mit den Merkmalen der höfischen Prachtentfaltung des Absolutismus.

II.2 Die Zeit vom Funktionsverlust des Potsdamer Stadtschlosses als Residenz im Jahr 1881 bis zum Abriss in den Jahren 1959/1960

Der Tod Friedrich Wilhelms IV. markierte einen deutlichen Wendepunkt in der Geschichte Potsdams: Die Stadt diente nunmehr als Bühne für repräsentative Handlungen von Monarchie und Armee, und militärische Zeremonien wurden bevorzugt in Potsdam abgehalten. Somit behielt die Stadt bis zum Ende der Monarchie den Ruf eines „lebendigen Gedächtnisorts dynastischer und militärischer Traditionen“ (Hahn 2003, S. 118), und um 1914 hatte die Militärbevölkerung mit rund 7.500 Soldaten immer noch einen Anteil von vierzehn Prozent an der Gesamtbevölkerungszahl Potsdams (vgl. Escher/Werner 1993, o. Seitenangabe).

Abb. 3: Parade am Lustgarten 1898 anlässlich des zehnjährigen Regierungsjubiläums Kaiser Wilhelms II.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Klünner 1975, S. 11.

Ein Teil des Stadtschlosses wurde ab 1920 an die Stadtverwaltung vermietet und als Museum genutzt. Der Exerzierplatz wurde nach 1927 wieder von der Reichswehr und später von der Wehrmacht verwendet. Im Zusammenhang mit der Machtübernahme durch die NSDAP rückte Potsdam als symbolträchtige preußische Kulisse in das Blickfeld einer breiteren Öffentlichkeit. So fand zum Beispiel die unter dem Namen Tag von Potsdam bekannte Eröffnung des Reichstages im März 1933 in der Garnisonskirche statt (vgl. Hahn 2003, S. 135 und Giersberg 1998, S. 105).

Dreizehn Tage vor dem Einmarsch der Roten Armee in Potsdam wurde das Potsdamer Schloss am 1. April 1945 bei einem englischen Fliegerbombenangriff schwer getroffen und brannte bis auf die Umfassungsmauern nieder. Nach Ende des Krieges regten sich bald erste Kräfte des Wiederaufbaus und auch erste Sicherungsmaßnahmen für den Erhalt des Stadtschlosses wurden getroffen. Immer drängender wurden die Fragen nach der Richtung der Stadtentwicklung in planerischer und gestalterischer Hinsicht. Die weitgehende Zerstörung des alten Stadtzentrums erlaubte dabei die Neukonzeption nach den Gesichtspunkten eines sozialistischen Stadtgefüges, deren nähere Hintergründe noch in Kapitel III.2.1 erläutert werden.

Im Zusammenhang mit dem Bau eines Stadions im Lustgarten kam 1949 erstmals der Gedanke zum Abriss der Schlossruine auf, doch bis zur endgültigen Abtragung dauerte es noch einmal zehn Jahre. Eine konkrete Umsetzung der Abrisspläne erfolgte erst, als in Potsdam Anfang 1958 der Neubau der Langen Brücke von den Potsdamer Stadtverordneten beschlossen und ein Wettbewerb ausgeschrieben wurde, der in seinen Vorgaben zur Brückentrasse nicht nur den Abbruch des Stadtschlosses, sondern mit der anschließenden Straßenführung den Abriss weiterer historisch bedeutsamer Bauten vorsah (Werner 1988, S. 34).

Am 13.11.1959 folgte dann der Beschluss der Stadtverordneten, im Rahmen einer monumentalen Planung für den Aufbau eines neuen Zentrums, das Stadtschloss abzureißen. Der Beschluss wurde veröffentlicht, worauf zahlreiche Persönlichkeiten, darunter der Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten, Dr. Kurth, und der Leiter des Stadtmuseums, Dr. Schier, öffentlich gegen die Abrisspläne protestierten (Werner 1988, S. 34). Margarete Kühn, Leiterin der Verwaltung der Staatlichen Schlösser und Gärten Berlin, schrieb am 18.11.1959 im Tagesspiegel: „Meint man etwa, die Lösung des Verkehrsproblems erheische die Beseitigung des Schlosses? Es geschähe gerade das, was der moderne Städtebauer vermieden sehen will: der Verkehr würde in die Stadt gelenkt statt diese von ihm zu entlasten. [...] Das Schloss kann als Kunstwerk nicht ersetzt werden, und kein Kalkül vermag einem neuen Bau das Leben einzuhauchen, das hier in den Adern eines ganzen städtebaulichen Organismus pulsiert hat.“ (hier aus: Giersberg 1998, S. 110).

Der Beschluss sah an dem neuen Zentralen Platz am Alten Markt und auf dem Gebiet des Lustgartens eine Festhalle, ein Film- und ein Stadttheater, ein Hotel sowie ein Karl- Liebknecht-Forum und -Denkmal vor (Werner 1988, S. 34). Von diesen Planungen verwirklicht wurden das Hotel (heute Maritim-Hotel), das Denkmal und ein Theater im Rohbau, der allerdings 1991 wieder abgerissen wurde. Der Abriss des Stadtschlosses wurde im Dezember 1959 mit der Sprengung der Arkaden und des Fortunaportals begonnen und mit der Beseitigung des Treppenhauses im April 1960 abgeschlossen.

III. Stadtentwicklung und -gestaltung

III.1 Beschluss zum Landtagsneubau auf dem historischen Schlossgelände in Potsdam

Bereits am 24.10.1990 wurde durch die Stadtverordnetenversammlung Potsdam eine „behutsame Wiederannäherung an den charakteristischen, historisch gewachsenen Stadtgrund- und -aufriss“ beschlossen (Beschlüsse zur Wiederbelebung[6]). Dieser Beschluss bildet die Grundlage der städtebaulichen Entwicklung rund um das ehemalige Potsdamer Zentrum am Alten Markt. Es folgte 1995 die Gründung des Bürgervereins für den Wiederaufbau des Fortunaportals, dem Vorgängerverein des jetzigen Potsdamer Stadtschloss e.V. Der Verein setzte sich, wie der Name schon sagt, für den originalgetreuen Wiederaufbau des Fortunaportals ein. Doch erst im Jahr 1998, mit der Wahl Matthias Platzecks zum Oberbürgermeister von Potsdam, wurde die Rückgewinnung der historischen Stadtstruktur ernsthaft in Angriff genommen (vgl. Interview Hüneke 06:35 min). Im Oktober 1999 erfolgte der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zur „Wiedererrichtung des Fortuna-Portals des ehemaligen Stadtschlosses“ (Beschlüsse zur Wiederbelebung). Durch die finanzielle Unterstützung durch den Fernsehmoderator Günther Jauch und den Bundesverband der Zementindustrie konnte bereits im Jahr 2000 mit den Bauarbeiten zur Wiedererrichtung begonnen werden. Als eines der wenigen vorhandenen Originalteile wurde im Juni 2001 ein Stein mit dem Kopf von Minerva, einer römischen Göttin, in das Bauwerk eingesetzt. Der Rest entstand in Handarbeit aus dem gleichen Material, das ursprünglich verwendet wurde (vgl. Schmidt 2001, S. 26). Im Frühjahr 2002 konnten die Bauarbeiten mit der Kuppelkonstruktion abgeschlossen werden.

Laut Aussage von Hans-Joachim Kuke war die Fertigstellung des Portals ein Durchbruch im Hinblick auf das Bewusstsein der Potsdamer Bürger, denen nun die ursprüngliche Mitte der Stadt bewusst wurde (vgl. Interview Kuke 04:26 min).

Am 05.04.2000 folgte dann der Beschluss der Stadtverordneten für den Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses. Zunächst war eine Ausführung als „multifunktionales Kongreß-, Hotel- und Dienstleistungszentrum Stadtschloss“ (Beschlüsse zur Wiederbelebung) geplant und ein Markterkundungsverfahren für Interessen bei potentiellen Investoren wurde durchgeführt. Eine damals in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie sah jedoch nur eine teilweise Wiederherstellung der historischen Fassaden als möglich an (vgl. Schmidt 2001, S. 26).

Im Juli 2001 wurde von der Stadtverordnetenversammlung ein Beschluss zur Aufstellung eines Bebauungsplans (B-Plan Nr. SAN P 10 „Baufeld Stadtschloss“) gefasst, um die planungsrechtlichen Voraussetzungen für die Bebauung des Grundstückes am Alten Markt zu schaffen (vgl. Beschlüsse zur Wiederbelebung).

Nachdem der brandenburgische Landtag im Jahr 2001 beschlossen hatte, dass ein neues Landtagsgebäude errichtet werden müsse, sprach sich die Stadtverordnetenversammlung Potsdam für eine Realisierung des Neubaus „unter Einbeziehung des ehemaligen Stadtschlosses“ (Beschlüsse zur Wiederbelebung) aus. Der Landtag Brandenburg beschloss daraufhin am 20.05.2005 einen „Landtagsneubau für Berlin-Brandenburg am Potsdamer Standort ‚Alter Marktǥ³ 'DULQ KHL□W HV GDVV GHU Ä/DQGWDJVQHXEDX LQ GHQ lX□HUHQ 8P- und Aufrissen“ des historischen Potsdamer Stadtschlosses durchgeführt werden und sich die Gestaltung der Putz- und Fassadenflächen an dem historischen Vorbild orientieren solle. Die Kapazität müsse für ein Parlament eines gemeinsamen Bundeslandes Berlin-Brandenburg ausreichen. Auf dieser Grundlage solle ein Architektenwettbewerb, oder im Fall einer öffentlich-privaten Partnerschaft, ein kombiniertes Investoren- und Architektenverfahren stattfinden (vgl. Landtagsbeschluss 2005).

Abb. 4: Entwurf für einen Landtagsneubau in der Machbarkeitsstudie von Waechter & Waechter

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Machbarkeitsstudie im Internet.

Es wurde dann entschieden, dass das Projekt in einer öffentlich-privaten Partnerschaft realisiert werden soll. Das heißt, das Land schreibt die Nutzung des Landtags für 30 Jahre aus und der interessierte Bauherr reicht die entsprechenden architektonischen Entwürfe ein. Das Land würde dann für 30 Jahre Miete zahlen, und anschließend geht das Gebäude in den Besitz des Landes über. Damit lassen sich die Kosten um rund 10 % reduzieren, doch bedeutet die Entscheidung auch den Ausschluss jeder weiteren Einflussnahme auf den Entwurf (vgl. Peter 2005, S. 8).

Es folgte Anfang 2006 eine Machbarkeitsstudie des Darmstädter Architekturbüros Waechter & Waechter, wonach die Kosten – ohne die Kosten für das Grundstück sowie für eine Tiefgarage – auf 83,6 Millionen Euro veranschlagt wurden (MAZ vom 09.05.2007).

Der vorgeschlagene Neubau läge auf dem historischen Grundriss des Schlosses, und der moderne Innenbau wäre fünf- statt ursprünglich dreistöckig. Außerdem würde der historische Dachaufbau durch ein Flachdach ersetzt werden und lediglich die zum Alten Markt gerichteten Kopfbauten würden in ihrem Äußeren dem historischen Original entsprechen. Der Rest der Fassade wäre, wie von Hans-Joachim Kuke kritisch angemerkt wurde, an einem neoklassizistischen Stil orientiert ohne Bezug zur historischen Substanz (vgl. Interview Kuke, 05:36 min).

Auch Saskia Hüneke kritisierte, dass es nach dem Landtagsbeschluss zu mehreren strukturellen Fehlentscheidungen kam: So wurde nach dem Beschluss nur noch das Bauvorhaben als Ganzes diskutiert, ohne auf Fragen der speziellen Baugestalt einzugehen. Daneben wurde das Finanzministerium mit dem Bauvorhaben beauftragt, was die Prioritäten in Richtung Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit verschoben hat und sich auch in den Ergebnissen der Machbarkeitsstudie widerspiegelt (vgl. Interview Hüneke, 17:00 min).

Im Juli 2006 erfolgte eine Kooperationsvereinbarung, in der sich Stadt und Land verpflichteten, mit dem Bau am 1. Juli 2008 zu beginnen, so dass er bis Ende des Jahres 2010 fertiggestellt wäre. Doch eine erste und eine zweite Abstimmung im Stadtparlament Anfang und Mitte November 2006 über die öffentliche Auslegung des Bebauungsplans scheiterten zunächst, obwohl sie eigentlich nur noch der formale Abschluss der Kooperationsvereinbarung gewesen wären. Die Beschlussgegner forderten eine engere Anlehnung an das im 18. Jahrhundert überwiegend unter der Leitung von Knobelsdorff gestaltete Stadtschloss und auch der geplante Grundriss sowie die Bebauungsgrenzen wurden kritisiert (vgl. MAZ vom 09.05.2007).

Ohne die Zustimmung der Stadt konnte die Landesbauverwaltung die Ausschreibung für den kombinierten Architekten- und Investorenwettbewerb nicht verschicken.

Das Scheitern der Abstimmung veranlasste die städtischen Abgeordneten zu einer Bürgerbefragung. Im Dezember 2006 wurde ein Fragebogen, in dem es um den gewünschten zukünftigen Standort des Landtages ging, an alle wahlberechtigten Potsdamer Bürger verschickt. Die Rücklaufquote betrug 46,1 %. 42,8 % der Befragten stimmten für den Standort auf dem Grundriss des ehemaligen Stadtschlosses, 28,5 % für einen Standort in der Speicherstadt, 12,8 % für den Standort des ehemaligen Palais Barberini an der Alten Fahrt und 14,7 % für einen anderen Standort (vgl. Ergebnisse Bürgerbefragung 2006).

[...]


[1] Leitgedanken, die Stadtgestaltung und Historismus als sinnvolle Ergänzung betrachten, gab es erstmals als Tendenzen in der Baukunst an der Wende zum 17. Jahrhundert. Die Architektur des Historismus wurde aber vor allem in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts angewendet. Während sie bis Ende 1960 weitgehend negativ beurteilt wurde, erfuhr sie danach eine Neubewertung in ihrer kunsthistorischen Bedeutung (vgl. Brockhaus Enzyklopädie 1989, S. 113).

[2] Die Leitfragestellungen der durchgeführten Interviews finden sich im Anhang Seite V und VI.

[3] Der Audiomitschnitt der Interviews findet sich in digitalisierter Form im Anhang Seite VII.

[4] Für eine umfassendere Darstellung siehe: Das Potsdamer Stadtschloss von Hans-Joachim Giersberg - einschließlich zahlreichen Skizzenmaterials und ausführlicher Fotodokumentation sowie das Grundlagenwerk von Friedrich Mielke: Potsdamer Baukunst. Das klassische Potsdam.

[5] Vgl. im Einzelnen die kulturhistorischen, stadtentwicklungsgeschichtlichen und bauepochalen Entwicklungen Mitteleuropas in: Heineberg 2001, S. 135ff.

[6] Siehe Internetquellenangabe.

Ende der Leseprobe aus 49 Seiten

Details

Titel
Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses
Untertitel
Sinnvolle Stadtgestaltung oder plakativer Historismus?
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Geographisches Institut)
Note
1,3
Autor
Jahr
2007
Seiten
49
Katalognummer
V117366
ISBN (eBook)
9783640198542
Dateigröße
3802 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Kommentar der betreuenden Professorin: Insgesamt ist festzustellen, dass die Bachelorarbeit ein überzeugender Nachweis einer strukturierten themenzentrierten Forschungsarbeit ist. Die Gutachterin hat die Arbeit mit großem Interesse und Freude gelesen. Die Bachelorarbeit belegt, dass der Verfasser in der Lage ist, eine Fragestellung wissenschaftlich qualifiziert zu bearbeiten. Die Gutachterin bewertet die Bachelorarbeit mit dem Prädikat „Sehr gut“ (1,3).
Schlagworte
Wiederaufbau, Potsdamer, Stadtschlosses
Arbeit zitieren
Henning Zühlke (Autor:in), 2007, Der Wiederaufbau des Potsdamer Stadtschlosses , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/117366

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