Cognitive Load Theory


Wissenschaftlicher Aufsatz, 2008

28 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhalt

1 Cognitive Load Theory
1.1 Kognitive Prozesse beim multimedialen Lernen
1.2 Grundidee und Annahmen der Cognitive Load Theory
1.3 Die Anteile der kognitiven Belastung
1.3.1 Intrinsic Cognitive Load
1.3.2 Extraneous Cognitive Load
1.3.3 Germane Cognitive Load
1.3.4 Meta Cognitive Load
1.4 Management von Cognitive Load
1.4.1 Externales Management
1.4.2 Internales Management
1.4.3 Neuer Forschungsansatz zum Management von Cognitive Load
1.5 Bedeutung der Cognitive Load Theory für das multimediale Lernen
1.6 Die Effekte der Cognitive Load Theory
1.6.1 Der „goal free effect“
1.6.2 Der „worked example effect“
1.6.3 Der “completion problem effect”
1.6.4 Der “modality effect”
1.6.5 Der “split attention effect”
1.6.6 Der „redundancy effect“
1.6.7 Der „variability effect“

2 Literatur

1 Cognitive Load Theory

Basierend auf empirischen Studien zum Problemlösen beim Lernen (Sweller, 1988) entwickelten neben John Sweller und Peter Chandler seit Beginn der 1990er Jahre weitere Forscher eine instruktionspsychologische Theorie mit dem Namen "Cognitive Load Theory". Im Mittelpunkt der Cognitive Load Theory steht vor allem die Berücksichtigung des Zusammenspiels zwischen der instruktionalen Gestaltung[1] von Lernangeboten sowie den Merkmalen der kognitiven Architektur des Lernenden. Basierend auf Modellen der Kognitiven Psychologie, wie beispielsweise der Arbeitsgedächtnis- und Repräsentationstheorien, werden auf Grundlage der Cognitive Load Theory in experimentellen Studien Gestaltungsempfehlungen entwickelt. Diese Empfehlungen sollen eine effiziente Nutzung der verfügbaren kognitiven Ressourcen des Lernenden zu Wissenserwerbs- und Problemlöseprozessen ermöglichen.

Da der Ansatz der kognitiven Belastung vor allem für das Lernen mit Multimedia zu neuer Bedeutsamkeit gelangt ist, beschäftigen sich die folgenden Abschnitte dieses Kapitels mit der „Cognitive Load Theory“, indem auf die wesentlichen Aspekte dieser Theorie ausführlich eingegangen wird. In diesem Zusammenhang werden der Theorie zugrunde liegende Annahmen sowie die Effekte/Studie/Messmethoden erläutert.

1.1 Kognitive Prozesse beim multimedialen Lernen

Die kognitive Belastung des Lerners steht bei der Aneignung von neuen Sachverhalten und der Auseinandersetzung mit computerbasierten Lernumgebungen im Wesentlichen mit drei Aspekten seines kognitive Systems in engem Zusammenhang sowie ständiger Wechselwirkung (Sweller, Van Merrienboër & Paas, 1998; Paas, Tuovinen, Tabbers & Van Greven, 2003): dem investierten mentalen Aufwand (mental effort), der entstehenden mentalen Belastung (mental load) und den Leistungen (performance) des Lernenden.

Zum einen muss der Lernende mentalen Aufwand (mental effort) investieren und kann dabei bis zu einem gewissen Maß selbst beeinflussen, in welchem Ausmaß er die ihm zur Verfügung stehenden kognitiven Ressourcen zur Bearbeitung der Lerninhalte einsetzt. Dabei ist die Art und Weise der Verarbeitung der Lerninhalte von der individuellen Wahrnehmung des Lernenden abhängig. Der mentale Aufwand kann demnach als die subjektive Wahrnehmung der eigenen Anstrengung verstanden werden, der durch die momentane Aufgabe verursacht beziehungsweise zum Lösen dieser benötigt wird.

Abhängig von den Lerninhalten und dem Vorwissen des Lernenden beziehungsweise dem Medium, welches zur Vermittlung genutzt werden soll, wird der Lernende bereit sein, mentalen Aufwand zur Verarbeitung der Lerninhalte einzusetzen oder nicht (Schwan & Hesse, 2004). Zum anderen ist bei Verarbeitung von Lerninhalten die mentale Belastung (mental load) des Lernenden von Bedeutung. Die mentale Belastung geht vor allem auf die Wechselwirkungen zwischen der Aufgabe und den subjektiven Charakteristika des Lernenden zurück und wird über das Wissen des Lernenden über diese beiden Aspekte bestimmt. Die mentale Belastung stellt daher einen Indikator für den benötigten Anspruch an die kognitiven Ressourcen des Lernenden dar. Die Leistungen (performance) des Lernenden und sein Wissen darüber stellen einen weiteren Aspekt der beim multimedialen Lernen vorkommenden Prozesse dar, unter welchen alle beim Lernprozess erbrachten Leistungen gefasst werden können, beispielsweise wie viele richtige oder falsche Antworten der Lernende zu einer bestimmten Aufgabe in welcher Zeit gegeben hat.

Dem Aspekt des mentalen Aufwands kommt in diesem Zusammenhang eine besondere Bedeutung zu. Alle Bemühungen eine Instruktion an die kognitive Architektur des Lernenden anzupassen und ihm das Lernen zu erleichtern, werden nicht die gewünschten Resultate erzielen, wenn dieser nicht motiviert ist, mentalen Aufwand in die neuen Inhalte zu investieren.

1.2 Grundidee und Annahmen der Cognitive Load Theory

Das Ziel der Cognitive Load Theory besteht im Wesentlichen darin, die Beanspruchung kognitiver Ressourcen beim Lernen durch relevante, aber auch irrelevante Informationen beziehungsweise daraus resultierenden Verarbeitungsprozessen zu erfassen. Dementsprechend besteht die Grundidee darin, die während des Lernens dargebotenen Informationen respektive die Instruktionen so zu gestalten, dass ausreichend kognitive Ressourcen für den eigentlichen Lernprozess zu Verfügung stehen. Alle Prozesse, die für das Erlernen neuer Inhalte nicht relevant sind, sollten demzufolge vermieden werden.

Die Cognitive Load Theory stütz sich im Wesentlichen auf folgende Annahmen (Sweller, Van Merriënboer & Paas, 1998):

- Das Arbeitsgedächtnis (AG) ist für Problemlösungs- und Verarbeitungsprozesse zuständig, die Anzahl der Elemente, die dabei im Arbeitsgedächtnis parallel gehalten werden können, ist begrenzt (siehe Exkurs Working Memory).
- Das Langzeitgedächtnis zeichnet sich durch eine virtuell unbegrenzte Kapazität aus und seine Ressourcen werden vom Arbeitsgedächtnis zur Erweiterung seiner, im Gegensatz zum Langzeitgedächtnis, nur begrenzten Kapazität genutzt.
- Wissen wird im Langzeitgedächtnis in Form von hierarchisch strukturierten Schemata gespeichert. Wenn diese Schemata bereits in automatisierter Form vorliegen, wird es möglich, auch komplexere Zusammenhänge im Arbeitsgedächtnis zu verarbeiten, ohne das für den Abruf dieser Schemata auf freie kognitive Ressourcen zurückgegriffen werden muss.

Für das Lernen an sich bedeutet dies, dass aus externen Repräsentationen neue Schemata konstruiert werden beziehungsweise diese in bereits vorhandene Schemata integriert werden. Wenn noch keine brauchbaren Schemata im Langzeitgedächtnis vorhanden sind, muss das Arbeitsgedächtnis hauptsächlich zur Informationsverarbeitung genutzt werden. Grundsätzlich kann demnach davon ausgegangen werden, dass bei einer Auslastung des Arbeitsgedächtnisses innerhalb seiner Kapazitätsgrenzen, die Verarbeitung von externen Repräsentationen uneingeschränkt erfolgen kann. Bei einer Überschreitung dieser Kapazitätsgrenze, kommt es allerdings zu einer kognitiven Überbelastung (cognitive overload), wodurch das Erlernen neuer Inhalte behindert wird.

Exkurs: Das Arbeitsgedächtnis

Das Modell des Arbeitsgedächtnisses (working memory), ursprünglich vorgeschlagen von Baddeley und Hitch im Jahre 1974, stellt derzeit das populärste Modell des menschlichen Kurzzeitgedächtnisses dar und scheint Dank einiger Modifikationen heute noch genauso gut zu funktionieren wie bereits vor über 30 Jahren.

Das Arbeitsgedächtnis hat die Aufgabe, die vorübergehende Speicherung sowie die Verarbeitung von Informationen zu ermöglichen. Dabei ist die Kapazität, dass heißt die Anzahl der Elemente, die während der Verarbeitung von Informationen im Arbeitsgedächtnis gehalten werden können, allerdings begrenzt (Vgl. Miller, 1956). Zudem ist es modular aufgebaut, denn zur Speicherung und Verarbeitung eingehender Informationen werden mehrere Teilsysteme genutzt.

Im klassischen Drei-Komponenten-Modell ist das Arbeitsgedächtnis aus zwei abhängigen Systemen, den so genannten „slave systems“ aufgebaut, welche durch ein drittes Teilsystem, die zentrale Exekutive (central executive), gesteuert werden (Baddeley, 2003). Diese beiden „slave systems“ sind im Wesentlichen für die Speicherung von Informationen zuständig. Dabei ist zum einen die phonologische Schleife (phonological loop) für Materialien verantwortlich, welche phonologisch, d.h. sprachlich encodiert werden können. Die Aufgabe des visuell-räumlichen Skizzenblocks (visual spatial sketchpad) zum anderen besteht darin, visuelle und räumliche Informationen zu speichern. Die zentrale Exekutive agiert vor allem als Steuerorgan der anderen beiden Teilsysteme und bildet somit die Grundlage für komplexe kognitive Leistungen (Baddeley, 1996).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Das Mehr-Komponenten-Modell des AG ( nach Baddeley, 2003)

Im Jahr 2000 wurde das Drei-Komponenten-Modell des Arbeitsgedächtnisses von Baddeley um eine Komponente, den so genannten episodischen Puffer (episodic buffer) erweitert (siehe Abbildung 1). Diese Erweiterung zum Mehr-Komponenten-Modell des Arbeitsgedächtnisses trug Ergebnissen der Gedächtnisforschung Rechnung, die sich mit der Vorstellung von zwei inhaltsspezifischen Subsystemen und eines zentralen Kontrollsystems nicht mehr erklären ließen. Im Normalfall ist es möglich, dass man nur etwa fünf bis sechs zufällig ausgewählte Wörter kurzzeitig behalten und korrekt reproduzieren kann. Verschiedene Untersuchungen zeigten allerdings, dass sobald Wörter in einem sinnhaften Zusammenhang stehen, diese Anzahl bis zu 16 Wörtern und mehr betragen kann (Baddeley, 2000). Es liegt demnach nahe, dass syntaktische und semantische Informationen ebenfalls für das Halten von Informationen im Arbeitsgedächtnis von Bedeutung sind.

Bei der Komponente des episodischen Puffers handelt es sich um ein multimodales Speichersystem von begrenzter Kapazität, welches in besonderem Maß mit der zentralen Exekutive in Zusammenhang steht und in der Lage ist, Informationen aus verschieden Quellen und unterschiedlichen Kodierungen (visuell und akustisch) zu so genannten „Episoden“ zu integrieren sowie deren Enkodierung im Langzeitgedächtnis erlaubt. Damit kann der episodische Puffer als Schnittstelle zwischen den beiden anderen Subsystemen des Arbeitsgedächtnisses angesehen werden, welche diese verschiedenen Modalitäten beinhalten sowie für deren Verarbeitung zuständig sind. Im Gegensatz zum Drei-Komponenten-Modell des Arbeitsgedächtnisses stehen daher im Mehr-Komponenten-Modell die phonologische Schleife und der visuell-räumliche Notizblock über den episodischen Puffer mit dem Langzeitgedächtnis in engem Austausch, werden aber weiterhin von der zentralen Exekutive kontrolliert (Baddeley, 2000).

1.3 Die Anteile der kognitiven Belastung

Mittels der Theorie der kognitiven Belastung[2] wird versucht, die Kapazitäten zu erfassen, welche vom kognitiven System eines Lernenden bereitgestellt werden müssen, um entsprechende Verarbeitungsprozesse durchführen zu können. Dabei spielt nicht ausschließlich der Einfluss relevanter Inhalte eine bedeutende Rolle, sondern es werden auch die Auswirkungen von irrelevanten Inhalten auf den Lernprozess betrachtet.

Die aus diesen Inhalten resultierende Belastung des Arbeitsgedächtnisses wird dabei in drei Anteile aufgegliedert (Sweller, Van Merriënboer & Paas, 1998): die intrinsische Belastung (intrinsic cognitive load), die extrinsische Belastung (extraneous cognitive load) und die lernbezogene Belastung (germane cognitive load). Diese Unterteilung erfolgt auf Grund der unterschiedlichen Ursachen für die Belastung, welche sich in ihren Auswirkungen auf den Lernprozess wesentlich unterscheiden. Die Gesamtheit der kognitiven Belastung eines Lernenden ergibt sich demnach aus der Summe von intrinsischer, extrinsischer und lernbezogener Belastung.

1.3.1 Intrinsic Cognitive Load

Die intrinsische kognitive Belastung ergibt sich aus den Eigenschaften des Lernmaterials und beschreibt damit den notwendigen Bearbeitungsaufwand, der durch den Lernaufwand verursacht wird. Die Elementinteraktivität (element interactivity) wird demzufolge laut Sweller und Kollegen durch das Ausmaß, in dem die Elemente, die im zu lernenden Material miteinander interagieren, definiert. „It is proposed that the cognitive load associated with material to be learned is strongly related to the extent to which the elements that material interact with each other.” (Sweller et al, 1998, S. 188). Dabei können sich die Beziehungen zwischen den Elementen des zu lernenden Inhalts auf einem Kontinuum von vollkommen unverbunden bis hin zu hochgradig integriert bewegen (Sweller, Van Merriënboer & Paas, 1998). Wenn die Sinneinheiten des Lernmaterials stark miteinander interagieren, müssen sie zur Verarbeitung simultan im Arbeitsgedächtnis gehalten werden. Entsprechend der daraus resultierenden starken Auslastung der Kapazität des Arbeitsgedächtnisses steigt die intrinsische kognitive Belastung an. Dies bedeutet wiederum für das Lernen, dass die dargestellten Inhalte nur sehr schwer zu verstehen sind (Marcus, Cooper & Sweller, 1996).

Allerdings ist die intrinsische Belastung des zu lernenden Materials keineswegs für jeden Lernenden gleich, sondern von individuellen Unterschieden abhängig. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, das Zusammenspiel der Sinneinheiten des Lernmaterials und den Expertisegrad, den ein Lernender auf einem bestimmten Gebiet erreicht hat, zu betrachten. Was für den in einem Wissensgebiet unerfahrenen Lerner viele interagierende Sinneinheiten darstellt, kann für einen erfahrenen Lerner unter Umständen eine einzige Einheit bilden. Dieser Unterschied ist davon abhängig, ob Schemata zu diesem Gebiet im Langzeitgedächtnis vorhanden sind oder nicht. Durch das Vorhandensein von entsprechenden Schemata, können die Sinneinheiten eines Gebietes zusammengefasst werden, wodurch die Verarbeitung im Arbeitsgedächtnis erleichtert wird. Letztlich hat dies für das Lernen zu Folge, dass die intrinsische kognitive Belastung zwar nicht direkt durch das Instruktionsdesign[3] beeinflusst werden kann aber dennoch darin berücksichtigt werden sollte (Marcus, Cooper & Sweller, 1996 sowie Sweller, Van Merriënboer & Paas, 1998). Denn eine hohe Interaktion zwischen den einzelnen Elementen des Lernmaterials, kann nicht nur durch den Inhalt an sich, sondern auch durch die Art und Weise der Informationsdarbietung verursacht werden (Sweller & Chandler, 1994), wie im anschließenden Abschnitt erläutert wird.

[...]


[1] Unter die „instruktionale Gestaltung“ können in diesem Zusammenhang alle Maßnahmen gefasst werden, welche in Art, Umfang sowie der Umsetzung durch die mediale Aufbereitung eine Hilfestellung für den Lernenden darstellen.

[2] Obwohl der Ausdruck „Belastung“ eher negativ belegt ist, wird im Folgenden für „cognitive load“ die Übersetzung „kognitive Belastung“ verwendet, da sie sich über die Jahre im deutschen Sprachgebrauch durchgesetzt hat.

[3] Unter „Instruktionsdesign“ kann in diesem Zusammenhang die Art und Weise der Aufbereitung sowie Organisation der Inhalte durch die Lernumgebung verstanden werden, die dem Lernenden als Anleitung und Hilfe dienen sollen.

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Cognitive Load Theory
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Pädagogik des E-Learning und der Neuen Meidien)
Veranstaltung
Instruktionspsychologische Aspekte des E-Learning
Note
1,7
Autor
Jahr
2008
Seiten
28
Katalognummer
V130876
ISBN (eBook)
9783640399550
ISBN (Buch)
9783640399666
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Cognitive, Load, Theory
Arbeit zitieren
Magister Dana Stechbart (Autor:in), 2008, Cognitive Load Theory, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/130876

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