Die Stalin-Note vom 10. März 1952

Legende von der verpassten Gelegenheit“ oder „Eine Chance zur Wiedervereinigung?


Seminararbeit, 2009

19 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Entstehung der Stalin – Note

Inhalte der Stalin – Note

Reaktionen

Kontroverse nach 1952

Fazit

Literaturverzeichnis

Legende von der verpassten Gelegenheit“: Zitat aus dem Buch von Hermann Graml; Nationalstaat oder westdeutscher Teilstaat. Die sowjetischen Noten im Jahre 1952 und die öffentliche Meinung in der Bundesrepublik Deutschland in: Vierteljahreshefte für Zeitgeschichte 25, München 1977, S. 821 – 864

Eine Chance zur Wiedervereinigung?“: Buchtitel von Rolf Steininger: „Eine Chance zur Wiedervereinigung? – Die Stalin – Note vom 10. März 1952“ – Darstellung und Dokumentation auf der Grundlage unveröffentlichter britischer und amerikanischer Akten, Bonn 1985

Einleitung

Als die Westmächte, also Großbritannien, die Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich, am 10. März 1952 von der Sowjetunion eine Note überreicht bekamen, die den Vorschlag Stalins zu einer Wiedervereinigung und Neutralisierung Deutschlands enthielt, kam es schon unmittelbar danach zu den unterschiedlichsten Reaktionen und Meinungen über die Intentionen Stalins.

Die sogenannte Stalin - Note wurde – wie allgemein bekannt – von Deutschland und den Westmächten abgelehnt, weil man die Note als ein Störmanöver betrachtete. Die Sowjetunion, so die Meinung von Bundeskanzler Konrad Adenauer und der Westmächte, wollte die voranschreitende Westintegration Deutschlands stören, möglicherweise sogar verhindern.

Ob diese Ablehnung der Stalin – Note und damit die Ablehnung eines vereinten Deutschlands als Ausdruck einer entschiedenen und realistischen Politik zu sehen ist oder als ein historisches Versäumnis und ob das Angebot Stalins überhaupt ernst gemeint oder lediglich als Störmanöver gedacht war, darüber wird seit über fünf Jahrzehnten heftig debattiert.

Die Diskussion endete schließlich in einer großen Historikerdebatte, die bis heute anhält, obwohl die deutsche Frage seit der Wiedervereinigung 1990 eindeutig und endgültig geklärt wurde.

In der Geschichtswissenschaft hat sich die Meinung durchgesetzt, dass es sich bei dieser Note um einen Versuch Stalins gehandelt haben muss, die Westintegration Deutschlands zu stoppen. Diese Note konnte nach Ansicht der meisten Historiker nicht ernst genommen werden.

Auf der anderen Seite gibt es aber durchaus auch Historiker und Forscher, die eine ganz andere Meinung vertreten. Der bekannteste Historiker, der davon überzeugt ist, dass es 1952 eine reelle Möglichkeit zu einer Wiedervereinigung gegeben hat, ist Rolf Steininger.

Aber bis heute ist die wahre Intention Stalins nicht geklärt, obwohl nach 1990 auch die sowjetischen Archive zur Einsicht in die verschiedenen Dokumente rund um die Note geöffnet wurden. Man erhoffte sich neue Einblicke und Lösungen. Doch diese blieben aus. Die Einsicht in die sowjetischen Akten lieferte keine eindeutige Antwort, sondern sorgte stattdessen für neuen Aufschwung in der scheinbar nie enden wollenden Diskussion.

Viele Menschen fragen sich, warum die Debatte um die Stalin – Note bis heute anhält, denn immerhin ist Deutschland seit rund 20 Jahren wiedervereinigt. Die Problematik dürfte allerdings jedem klar sein: Denn bei der Frage nach der Stalin – Note und deren Hintergründen geht es auch immer um die Frage, wer für die Spaltung Deutschlands letztendlich verantwortlich ist bzw. wer dafür verantwortlich gemacht werden kann oder verantwortlich gemacht werden muss. Wenn die Note vom 10. März 1952 ein ernst gemeintes Angebot Stalins war, dann können die Westmächte und Bundeskanzler Konrad Adenauer für den Mauerbau im August 1961 und die fortdauernde Spaltung unseres Landes verantwortlich gemacht werden. Es gilt also genau zu überprüfen, unter welchen Bedingungen und in welchem zeitlichen Kontext die Stalin – Note entstanden ist.

Die Hausarbeit mit dem Titel „Die Stalin – Note vom 10. März 1952“ wird aber nicht nur auf die Entstehungsbedingungen der Note, sondern auch auf die genauen Inhalte, die Reaktionen unmittelbar nach der Überreichung der Note und die anschließende Debatte eingehen.

Die Entstehung der Stalin – Note

Die Geschichte der Stalin – Note beginnt bereits im Frühjahr 1951. Im März sollte die Konferenz des alliierten Außenministerrates stattfinden, die die Sowjetunion einberufen hatte, weil sie der Meinung war, es müsse über die auf der Potsdamer Konferenz im Jahre 1945 getroffenen Vereinbarungen und deren Einhaltung gesprochen werden. Besonders der Punkt der Demilitarisierung Deutschlands bedurfte nach Ansicht der Sowjetunion einer Diskussionsrunde.

Michail G. Gribanow, der Leiter der dritten Europäischen Abteilung des sowjetischen Außenministeriums drängte im Februar, also einen Monat vor der geplanten Konferenz, auf die Erarbeitung eines verbindlichen Vorschlags für einen Friedensvertag mit Deutschland. Dieser Vorschlag sollte den Westmächten auf der Konferenz vorgelegt werden.

Bereits am 7. Februar teilte Gribanow Andrej J. Wyschinskij, von 1949 – 1953 Außenminister der Sowjetunion, mit, man habe schon einen Vorschlag ausgearbeitet und bat darum, diesen Vorschlag von einer hochkarätigen Kommission überarbeiten zu lassen.[1]

Etwa zur gleichen Zeit berichtete Walter Ulbricht, er gehe „von der planvollen Erfüllung der Remilitarisierung Deutschlands aus.“[2] Basierend auf diesen Aussagen und den ersten schriftlichen Vorschlägen Gribanows und der dritten europäischen Abteilung verfasste Wyschinskij am 18. Februar 1951 ein ausführliches Memorandum über die „Bewegung für eine Neutralisierung Deutschlands.“ Und übermittelte dieses an Molotow, bis 1949 Außenminister der Sowjetunion. In diesem Memorandum berichtete er über die Hauptrichtlinien der Gruppe Noacks (Nauheimer Kreis) für eine Neutralisierung Deutschlands. Wyschinskij teilte mit, dass Noack als der populärste Vertreter der Bewegung gelte und für ein „vereintes, neutralisiertes und entmilitarisiertes Deutschland eintrete“. Diese Bewegung werde auch in Westdeutschland immer populärer und habe Anhänger in den verschiedensten gesellschaftlichen Schichten. Sie sei den Westmächten allerdings ein Dorn im Auge, da diese die Westintegration Deutschlands stören könnte.[3]

Einige Tage später, am 24. Februar, bekräftigte Gribanow seine Aussagen nochmals, in dem er sich mit einem Schreiben an den stellvertretenden Außenminister Andrej A. Gromyko wandte. In diesem Schreiben machte er zudem Vorschläge, welche Personen der Kommission angehören sollten.[4] Die Einrichtung einer hochkarätigen Kommission, die den Deutschlandvertrag bearbeiten sollte, hatte er schon in einem Schreiben an den Außenminister vorgeschlagen.

In den Wochen danach kam es zu einigen Unstimmigkeiten zwischen der Sowjetunion und den Westmächten bezüglich der Konferenz des alliierten Außenministerrates. Die Sowjetunion bestand darauf, dass die Diskussion über die Demilitarisierung Deutschlands als erster Tagesordnungspunkt der Kommission gelten solle. Außerdem sollte über die Deutschlandfrage diskutiert werden. Der amerikanische Außenminister Dean Acheson machte auf einer dreitägigen Sitzung der amerikanischen Botschafter aber schnell deutlich, dass er keine Verhandlungen über die Deutschlandfrage zulassen werde:

„In der jetzigen politischen Lage ist es unmöglich, eine Neutralisierung Deutschlands zu verwirklichen. Jedes europäische Land kann nur zwischen Ost und West wählen. Niemand kann neutral bleiben.“[5]

Auch war er mit dem von der Sowjetunion angesetzten ersten Tagesordnungspunkt nicht einverstanden.

Mit diesem Machtwort des Amerikaners war der Entwurf für einen Deutschlandvertrag plötzlich unwichtig geworden, denn über die Deutschlandfrage sollte nicht diskutiert werden. Auch Adenauer machte schnell deutlich, was er von einer Neutralisierung Deutschlands hielt:

„Das deutsche Volk muss mit all seiner Kraft gegen die Absicht der Sowjetunion auftreten, die auf der bevorstehenden Konferenz der Vier eine Neutralisierung und Entwaffnung Deutschlands erreichen will.“[6]

Doch Gribanow gab nicht auf: Am 9. Juli entwarf er ein Memorandum, das an den stellvertretenden Außenminister Gromyko gerichtet war. In diesem beschwor er Gromyko, dass der Sowjetunion „die Initiative im Kampf für die Wiederherstellung der Einheit des demokratischen Deutschlands“ zu entgleiten drohe. Er hielt es dringend für nötig, einige Maßnahmen durchzuführen, damit die Frage nach einem geeinten Deutschland in den Händen der Sowjetunion blieb.[7] Einige seiner Maßnahmen lauteten:

- Die DDR – Regierung solle der BRD so bald wie möglich „Verhandlungen über die Durchführung freier, demokratischer, gesamtdeutscher Wahlen“ vorschlagen. Sollte Bonn diesen Vorschlag ablehnen, gelte die DDR als „Bannerträger des Kampfes um die Wiederherstellung des geeinten Deutschlands“. Der Bundeskanzler Konrad Adenauer und die Westmächte würden so als Gegner eines geeinten Deutschlands auftreten und geschwächt werden. - Die DDR – Regierung solle sich zudem schnellstmöglich an die vier Westmächte wenden und abermals „um schnellen Abschluss eines Friedensvertrages mit Deutschland“ bitten. Diesmal sollten allerdings Ergebnisse von Umfragen, die die „Nationale Front“ gegen die Remilitarisierung und für den Abschluss eines Friedensvertrages durchführte, diese Bitte stützen. Unterschriften wurden auch in Westdeutschland gesammelt. [8]

Außerdem sprach er sich dafür aus, die Neutralistenbewegung zu unterstützen, da „die Bewegung für eine Neutralisierung Deutschlands die Verwirklichung der amerikanischen Pläne der Bewaffnung Westdeutschlands erschwert.“[9]

Doch erst am 20. August fand Gribanow wieder Gehör: Er wandte sich mit einem Schreiben an Molotow, ein Vollmitglied im Politbüro. Am 25. August kam es zu einem Meinungsaustausch zwischen Molotow, Wyschinkij und Gribanow bezüglich einer Veröffentlichung der Grundlagen eines Friedensvertrages.

Das Ergebnis dieses Meinungsaustausches, eine überarbeitete Fassung des Friedensvertrages, legte Wyschinskij, der sowjetische Außenminister, einen Tag später Stalin vor. Nur 24 Stunden später fand eine Beratung im Politbüro statt. Während dieser Sitzung befasste sich Stalin erstmals mit dem Vorschlag zur Veröffentlichung der Grundlagen des Friedensvertrages.

Am 8. September beriet das Politbüro erneut über die „deutsche Frage“.[10] An diesem Tag wurde der endgültige Friedensvertrag beschlossen.

Kurz darauf kam es auch tatsächlich zu der von Gribanow bereits im Februar vorgeschlagenen Einsetzung einer Expertenkommission, die den vom Politbüro beschlossenen Friedensvertrag mit Deutschland überarbeiten sollte. Die Formulierungen wurden in den nächsten Wochen genauer ausgeführt und präzisiert. Am 15. September präsentierte Gribanow Molotow einen völlig neuen Text. Vermutlich hatten Experten in der Kommission deutlich gemacht, dass man den Deutschen inhaltlich entgegen kommen musste, damit diese Frankreich, Großbritannien und die USA von einem Friedensvertrag überzeugen können. In dem neuen Text waren 16 knappe Punkte aufgeführt, die die wesentlichen Bestimmungen des Friedensvertrages darstellen sollten. Zu den Punkten gehörten unter anderem die Grenzbestimmungen, die Sicherung der Menschenrechte und die Entfaltung der Friedenswirtschaft. In der nächsten Zeit wurden immer wieder einige Punkte umgeändert und umgeschrieben. Dabei waren die zwei wichtigsten Personen Andrej Gromyko, stellvertretender Außenminister und Vjaceslav Molotow, stellvertretender Vorsitzender des Ministerrates der UdSSR.

Am 25. Januar 1952 schließlich wurde er an Stalin übermittelt. Der Friedensvertrag war viel zu wichtig, als dass sich Stalin nur auf Gromyko und Molotow verlassen wollte. Zusammen mit der Verabschiedung des endgültigen Notentextes wurde beschlossen, die Note am Montag, dem 10. März den Botschaftern der drei Westmächte zu übergeben und zu veröffentlichen. Der Zeitpunkt war nicht ohne Hintergedanken gewählt: Nach langen Verhandlungen sollte im Mai die Unterzeichnung des Vertrages der Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) stattfinden.

[...]


[1] Gribanov an Vysinskij 7. 2. 1951, AVPRF, f. 082, op. 38, p. 233, d. 74, ll. 4 - 5

[2] RGSAPI, f. 82, op. 2, d. 1333, S. 161 - 168

[3] Vysinskij am Molotow RGSAPI, f. 82. , d. 1182, S. 40 - 48

[4] Grivanov an Gromyko 24.2.1951, AVPRF, f. 082, op. 38, p. 230, d. 47, l. 1

[5] Peter Ruggenthaler: Stalins großer Bluff – Die Geschichte der Stalin – Note in Dokumenten der sowjetischen Führung S. 26

[6] Vgl.: Stalins großer Bluff: Die Geschichte der Stalin – Note in Dokumenten der sowjetischen Führung S. 26

[7] AVPRF, f. 082, op. 38, p. 239, d. 108, ll. 126 - 134

[8] Wilfried Loth; Stalins ungeliebtes Kind. Warum Moskau die DDR nicht wollte, Berlin 1994, S. 175 f.

[9] Vgl: großer Bluff: Die Geschichte der Stalin – Note in Dokumenten der sowjetischen Führung S. 26

[10] RGASPI f. 17, op. 3, d. 1090, zitiert nach Bjornstad, Soviet Union, S. 124

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Die Stalin-Note vom 10. März 1952
Untertitel
Legende von der verpassten Gelegenheit“ oder „Eine Chance zur Wiedervereinigung?
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
Veranstaltung
Auferstanden aus Ruinen…“? Die Gründung der DDR 1949
Autor
Jahr
2009
Seiten
19
Katalognummer
V131127
ISBN (eBook)
9783640373406
ISBN (Buch)
9783640373116
Dateigröße
509 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stalin-Note, März, Legende, Gelegenheit“, Chance, Wiedervereinigung
Arbeit zitieren
Kendra Schoppmann (Autor:in), 2009, Die Stalin-Note vom 10. März 1952, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/131127

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