Montaignes 'Apologie de Raimond Sebond' - eine Verteidigungsschrift?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

17 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Definition Apologie
2.2 De Sebond à Montaigne- von der Theologia naturalis zur Apologie de Raimond Sebond
2.3 Das Menschenbild nach Sebond und Montaigne
2.4 Montaignes Apologie- wirklich eine Verteidigung ?

3. Fazit

4. Bibliographie

5. Eigenständigkeitserklärung

1. Einleitung

Die Apologie de Raimond Sebond bildet das zwölfte Kapitel des zweiten Buches der Essais von Michel de Montaigne. Dieses Kapitel ist das längste und zugleich bedeutendste Kapitel der Essais. Es befindet sich exakt in der Mitte der drei Bände der Essais, was auf seine außerordentliche Stellung hinweist. Die Apologie de Raimond Sebond steht in direkten Bezug zur Theologia naturalis des katalanischen Theologen Raimond Sebond, die Montaigne 1569 übersetzt hat. Montaigne schreibt in den Jahren 1573-1580 die Verteidigungsrede für Sebond, bei der er auf zwei Kritikpunkte an der Theologia naturalis eingeht.

Im ersten Schritt meiner Arbeit wird der Begriff der Apologie erklärt und dargestellt welche Bedeutung der Apologie in den Essais Montaignes zukommt.

Der zweite Schritt soll Montaignes Verteidigung für Raimond Sebond beschreiben, wobei in diesem Schritt auf die zwei Kritikpunkte an der Theologia naturalis eingegangen wird. Dafür wird es in einem dritten Schritt wichtig sein, die Menschenbilder Montaignes und Sebonds in Bezug zu Gott genauer zu betrachten und auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten zu untersuchen.

Die Erkenntnisse dieser ersten drei Schritte führen abschließend zu der Frage, ob Montaignes Apologie wirklich einer Verteidigungsschrift für Sebond nachkommt und inwiefern er auf die beiden Kritikpunkte eingeht.

Im Rahmen dieser Arbeit und der Untersuchung des Menschenbildes von Montaigne, wird ebenso auf dessen Ansichten zu Gott, Glaube und Wissenschaft eingegangen, um die in dieser Hausarbeit gestellte Fragestellung zu beantworten.

2. Hauptteil

2.1 Definition Apologie

Der Terminus Apologie kommt aus dem Griechischen und lässt sich in Apologien im engeren und im weiteren Sinne unterscheiden.[1]

Eine Apologie im engeren Sinne ist eine Rede oder Schrift zur Verteidigung eines Angeklagten vor Gericht, unter einer Apologie im weiteren Sinne versteht man die Verteidigung oder Rechtfertigung einer Lehre oder Überzeugung[2], dabei ist besonders die Rechtfertigung des Glaubens aus wissenschaftlicher Perspektive zu berücksichtigen. Auch versteht man unter dieser Form der Apologie jede Selbstrechtfertigung und Selbstdarstellung angesichts von Gegnern und Bestreitung der eigenen Person oder einer Gruppe[3].

In diesem Kontext soll auch der Begriff der Apologetik bzw. des Apologeten eingeführt werden, da Sebond als ein solcher gilt.

Apologetik ist die Verteidigung einer Weltanschauung. In der Theologie bezeichnet dieser Begriff eine Strömung, die den Glauben aus wissenschaftlich-rationaler Sicht beleuchtet. Die Apologetik setzt sich das Ziel, wissenschaftliche Beweise und Argumente zu finden, um den Glauben zu rechtfertigen und näher zu bringen. Außerdem treten die Apologeten gegen konträre Glaubensrichtungen oder Weltanschauungen ein und verteidigen ihre eigene Weltanschauung gegen Angriffe von Kritikern[4].

Ein Apologet vertritt und verteidigt somit eine bestimmte Anschauung mit Nachdruck[5], auch versteht man unter diesem Begriff den Vertreter einer Gruppe griechischer Schriftsteller des 2.Jahrhunderts, die für das Christentum eintraten wie beispielsweise Quadratus von Athen und Aristides von Athen. Raimond Sebond steht ebenfalls in der Tradition der Verteidiger des Christentums und so ist auch sein Werk Theologia naturalis zu sehen: eine Verteidigung des christlichen Glaubens gegen die Angriffe von Ungläubigen.

Sa fin est hardie et courageuse, car il entreprend, par raisons humaines et naturelles, establir et verifier contre les atheistes tous les articles de la religion chrestienne[6]

Nach Montaigne will Sebond den Atheisten zeigen, dass allein durch menschliche Vernunft der Wahrheitsbeweis für jegliche Glaubenssätze des Christentums zu erbringen ist.

Der historische Kontext des 15. Jahrhunderts zeigt, dass Sebonds Verteidigung leicht nachzuvollziehen ist. 1436 befindet sich Europa im Übergang vom Mittelalter zur frühen Renaissance. 1431 findet in Rouen Jeanne d'Arcs Verbrennung statt, 1453 wird Konstantinopel von den Türken eingenommen, die Technik des Buchdrucks verbreitet sich, 1453 ist das Ende des Hundertjährigen Kriegs und 1492 wird Amerika entdeckt - eine Epoche voller Umbrüche, auf der Schwelle zur Neuzeit. In dieser Zeit kommen viele griechische und arabische Einflüsse nach Westeuropa. Dazu kommt, dass die Kirche eine schlimme Krise durchlebt, da die sechs Päpste, die von 1378-1417 im Amt sind, allesamt Rom den Rücken kehren. Dies alles waren erste Tendenzen, die zu einer Infragestellung der Kirche und des Glaubens geführt haben, auch wenn die Religionskriege erst 1562 ausbrechen sollten.

Sebond will diese Infragestellung verhindern und mit der Theologia naturalis zeigen, dass Glaubensinhalte mittels rationaler Erkenntnis begründet werden können.

Im nächsten Paragraph werden die zwei Kritikpunkte gegen die Theologia naturalis vorgestellt und näher auf die Apologie eingegangen.

2.2 De Sebond à Montaigne- von der Theologia naturalis zur Apologie de Raimond Sebond

In diesem Paragraph wird die Theologia naturalis und deren Autor vorgestellt, um schließlich die zwei Vorwürfe, die gegen dieses Werk erhoben wurden, an zuführen. Daraufhin wird aufgezeigt, warum Montaigne die Apologie schreibt und wie er auf die Kritikpunkte an der Theologia naturalis antwortet.

Der katalanische Theologe[7] Raimond Sebond stellt 1436 sein Werk S cientia libri creaturarium fertig, das er europaweit unter einem anderem Namen, der Theologia naturalis, verbreitet. Er stirbt kurz nach der Beendigung dieses Werkes in Toulouse.

Sebond ist der Bewegung des 14. und 15. Jahrhunderts gegen den lateinischen Averroismus zuzuschreiben. Letzterer katapultiert die Glaubensinhalte so weit ins Irrationale, dass der rationale und logische Weg zum Glauben unmöglich erscheint[8]. Die Averroisten begründen eine „doppelte Wahrheit“, welche besagt, dass die religiöse Wahrheit weiterhin gilt ohne Schädigung dadurch, dass sie sich für das philosophische Verständnis als Fehler erweisen könnte[9]. Das Problem für die Gegner des Averroismus bestand darin, dass der Glauben irrational dargestellt wurde und somit gegenüber rationalistischer Kritik keinen Schutz erfuhr. Dies bedeutete, dass er sinnwidrig war und leicht den Weg zum Unglaube frei machte. Die Theologia naturalis ist ein Versuch die essentielle Einheit von Wissen und Glauben wiederherzustellen[10].

Dieses Werk will nicht nur von einer natürlichen Religion sprechen, sondern es will eine Philosophie der Religion erschaffen, die einem breiten Publikum gewidmet ist[11]. Das Ziel des Buches kommt einer Apologie gleich, wie es Sebond im Prolog formuliert. Er meint, dass die ganze Natur als Schöpfung Gottes anzuerkennen ist, denn nur so kann den Atheisten und Skeptikern gezeigt werden, dass Gott existiert[12].

Der Hauptpunkt in S cientia libri creaturarium ist die Begründung der Glaubensinhalte - und Grundsätze aus rein rationaler Erkenntnis.

Der Kerngedanke der natürlichen Theologie dagegen [...] bestand in der Überzeugung, daß das logisch-diskursive Denken imstande sei, selbst für die geoffenbarten „absurden“ Glaubenswahrheiten Gewißheitsgründe beizubringen, die sie auch für Nichtgläubige zwingend machen[13].

In seinem Werk ist sehr bezeichnend,dass Sebond zu jeder Form von Autorität, sogar zur Bibel, auf Distanz geht. Er beschreibt den Weg zur Erkenntnis des Glaubens, die Menschen und die Welt.

Der Autor übernimmt im Laufe der Theologia naturalis ein Bild von Lullus, das besagt, dass die Natur als ein sichtbares „Buch“ darstellt, welches für alle Menschen zugänglich ist. In diesem Buch hat Gott geschrieben und der Mensch ist der edelste Buchstabe.

Sebond will mit diesem Motiv ausdrücken, dass die Welt von Gott geschaffen wurde, sie ist ein natürlicher Erkenntnisbereich, den jeder Mensch jeden Tag beschreiten kann und der zu einer rationalen Erkenntnis der Gottbezogenheit alles Existierenden führen könne[14]. Somit ist die Einheit von Wissen und Glauben hergestellt, denn die Welt kann durch die Menschen wahrgenommen werden und rational erklärt werden, zugleich kann sich aber auch jeder der göttlichen Schöpfung bewusst werden, die damit verknüpft ist[15].

Montaigne kommt mit dem Werk Sebonds in Berührung, durch die Bitte seines geliebten Vaters dieses zu übersetzen[16].

[...]


[1] Berger, K.:, 1287.

[2] Drosdowski, G./Köster, R./Müller, W./Scholze-Stubenrecht, W.: Der Duden, S. 75.

[3] Berger, K.: 1287.

[4] Unter Vertretern und Kritikern konträrer Glaubensrichtungen versteht man beispielsweise Juden und Heiden

[5] Drosdowski, G./Köster, R./Müller, W./Scholze-Stubenrecht, W.: Der Duden, S. 75.

[6] Vgl. Montaigne 1962: 478

[7] Sebond war außerdem auch noch Doktor der Medizin und Professor an der Universität zu Toulouse

[8] Friedrich 1993: 91

[9] Friedrich 1993: 94

[10] Friedrich 1993: 95

[11] Blum, Claude 1990: 21

[12] Blum, Claude 1990: 20

[13] Vgl. Friedrich 1993: 95

[14] Im Gegensatz zur Bibel, die nicht allen zugänglich war, ist das „Buch der Natur“ allen zugänglich.

[15] Ebd.

[16] Ein weiterer Grund für die Übersetzung mag die Bekanntheit des Werkes an den europäischen Höfen gewesen sein, womit eine starke Anziehung der Frauen für dieses Buch einher ging. Montaigne hat die Theologia naturalis also vielleicht auch übersetzt, um den Frauen bei Hof zu gefallen. Im Rahmen dieser Hausarbeit wird aber nicht weiter auf dieses Thema eingegangen.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Montaignes 'Apologie de Raimond Sebond' - eine Verteidigungsschrift?
Hochschule
Universität Stuttgart
Note
2
Autor
Jahr
2009
Seiten
17
Katalognummer
V147033
ISBN (eBook)
9783640561414
ISBN (Buch)
9783640561513
Dateigröße
516 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verteidigungsschrift, Montaigne, Raimond Sebond, Les Essais
Arbeit zitieren
Katharina Weiß (Autor:in), 2009, Montaignes 'Apologie de Raimond Sebond' - eine Verteidigungsschrift?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/147033

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