Universeller Präskriptivismus und Fanatismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

20 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Theorie des universellen Präskriptivismus

3. Universeller Präskriptivismus und Fanatismus
3.1 Fanatismus
3.2 Abgrenzung Ideale und Interessen
3.3 Ideale und Grundsätze
3.4. Fanatismus und Toleranz

4. Fortführung des Gedankens in späteren Werken

5. Schlussbetrachtung

6. Literatur

1. Einleitung

Der Fanatiker stellt für Hares Moraltheorie eine besondere Herausforderung dar, da ihm argumentativ und logisch nur sehr schwer beizukommen ist. Für Hares Moralphilosophie ergaben sich dadurch kontraintuitive Konsequenzen die zu großer Kritik an seinem Ansatz einer neutralen Moraltheorie geführt haben.

Diese Schwierigkeiten zeigen sich vor allem in Hares Buch Freedom and Reason (1962), in welchem er der Figur des Fanatikers großen Platz eingeräumt hat. Die Unfähigkeit einen Fanatiker von seiner Argumentation abbringen zu können, hat Hare aber auch in seinem späteren Werk noch entscheidend beschäftigt. So lässt sich anhand dieser Problematik auch die grundsätzliche Veränderung seiner gesamten Theorie vom universellen Präskriptivismus zu einer Form des Präferenzutilitarismus nachvollziehen.

Sein Ansatz, dass sich eine anwendbare Moraltheorie allein aus den logischen Eigenschaften der Sprache ergeben kann, wurde durch das Problem des Fanatikers häufig in Frage gestellt. In der vorliegenden Arbeit soll daher zunächst nur kurz auf Hares Grundtheorie des universellen Präskriptivismus eingegangen werden. Anschließend wird das Problem des Fanatikers in Freiheit und Vernunft genauer betrachtet und einige problematischen Stellen diskutiert. In einem dritten Teil wird auf die Veränderungen des Ansatzes in seinem späteren Werk eingegangen. Abschließend soll im Schlussteil noch kurz auf die Bedeutung Hares am Beispiel der Philosophie Peter Singers hingewiesen werden.

In dieser Arbeit wurde bei Freiheit und Vernunft auf die deutsche Übersetzung von 1983 zurückgegriffen, die Zitation bezieht sich also auch auf diese Ausgabe.

2. Die Theorie des universellen Präskriptivismus

Hares Überlegungen zum Fanatismus basieren auf seinen Überlegungen zum universellen Präskriptivismus. Um also die Logik Hares bezüglich Toleranz und Fanatismus in Freiheit und Vernunft nachvollziehen zu können, scheint es daher ratsam, zunächst einmal seine Theorie des universellen Präskriptivismus kurz zu betrachten.

In Freiheit und Vernunft greift Hare seine Überlegungen aus Die Sprache der Moral (1952) wieder auf und entwickelt den Gedanken weiter, dass in seiner moralischen Konzeption eine Handlungsentscheidung bzw. ein Werturteil auf zwei grundlegenden Prinzipien beruhen muss.

(1) Zum einen beinhaltet ein Werturteil nie nur einen deskriptiven Teil, sondern immer auch einen „empfehlenden“ präskriptiven Teil. Das heißt, wenn man von einem moralischen Urteil spricht, beinhaltet dieses Urteil stets auch eine Art Handlungsanweisung.[i] Die Eigenschaften der Wörter „good“ oder „ought“ sind demnach immer mit einer Empfehlung verbunden, wie man sich verhalten sollte. Hare ergänzt hierzu: „We have, therefore, to inquire what commending is. When we commend or condemn anything, it is always in order, at least indirectly, to guide choices, our own or other people's, now or in the future.“ [ii]

(2) Eng mit dieser Überlegung ist Hares Universalisierungsthese verbunden. Nach Hares Überlegungen in Freiheit und Vernunft sind moralische Urteile durch ihren deskriptiven Anteil universalisierbar, d.h. sie sollten nicht allein hinsichtlich einer besonderen Situation oder Person getroffen werden, sondern sie sind für alle Situationen die der zu bewertenden Situation in den relevanten Eigenschaften, ähneln zwingend. So wie man die Bedeutung „rot“ aufgrund bestimmter Eigenschaften auf alle Gegenstände anwenden muss denen eben diese Eigenschaften zukommen, gilt dies auch für moralische Urteile. Bevor man also einem Urteil zustimmt sollte man sich vor Augen führen, dass man dann auch akzeptieren muss, dass andere in ähnlichen Situationen genauso urteilen würden/könnten. Im Entscheidungsfall sollte man also von einer konkreten Situation auf eine „hypothetische“ Ebene abstrahieren, die aber in den entscheidungsrelevanten Eigenschaften ähnlich ist.[iii]

Deutlich werden diese Überlegungen vor allem in den Kapiteln 6.2 und 6.3. aus Freiheit und Vernunft. Hier zeigt Hare die Analogie zwischen dem deduktiv-nomologischem Modell Poppers und seinem „idealen“ moralischen Begründungsverfahren auf. Der Weg zu richtigen Entscheidung führt also nicht über eine einzige Entscheidung, vielmehr ist er ein Prozess. Es werden Urteile gefällt, hypothetisch abstrahiert, verworfen oder modifiziert, bis man zu einer vertretbaren Entscheidung kommt.

Zusammenfassend stellt Hare beide Thesen folgendermaßen in Beziehung: „Wenn wir uns in einem konkreten Fall in der Frage, was wir tun sollten, zu entscheiden versuchen, dann halten wir dabei [...] nach einer Handlung Ausschau, auf die wir uns selbst festlegen können (Präskriptivität), von der wir aber auch zugleich bereit sind, sie als Beispiel für einen Handlungsgrundsatz zu akzeptieren, der auch für andere in ähnlichen Umständen als Vorschrift zu gelten hat (Universalisierbarkeit).“[iv]

Um nach Hare ein vertretbares Moralurteil zu treffen sind also mindestens drei Voraussetzungen zu erfüllen. Man benötigt Tatsachenwissen, man muss logischer Schlussfolgerungen fähig sein und man darf nicht völlig gleichgültig gegenüber der gegebenen Situation sein. Zusätzlich zu diesen drei Faktoren erfordert Hares moralisches Begründungsverfahren noch das nötige Vorstellungsvermögen um die verschiedenen hypothetischen Situationen und Positionen durchzuspielen.[v]

Da auf die Problematik der Universalisierungsthese noch bei den Erläuterungen zum Fanatiker noch eingegangen wird, soll hier nur der kurze Hinweis auf Hares Vorgehen in Freiheit und Vernunft bezüglich der Universalisierung genügen.

Ob ein Urteil universalisierbar ist, hängt davon ab, ob man auch bei einem hypothetischen Positionstausch, d.h. bei der Vorstellung verschiedenster Umstände und verschiedenster Positionen in einer fraglichen Situation, das gefällte Urteil vertreten und auch dann so entscheiden würde, wenn man, zumindest in Gedanken, einen anderen Standpunkt einnimmt.

3. Universeller Präskriptivismus und Fanatismus

3.1 Fanatismus

Hares Position gegenüber dem Fanatiker ergibt sich aus der Problematik, dass es nicht nur zu Konflikten zwischen unterschiedlichen Interessen kommt, sondern auch zu Konflikten divergierender Ideale. Da Interessen nach Hare nicht universalisierbar sind, können Konflikte durch eine Abwägung der eigenen Handlungsmöglichkeiten und deren Konsequenzen aufgelöst werden. Ein Beispiel soll dies verdeutlichen. Wenn das eigene Interesse heute mit Freunden ins Kino zu gehen mit dem Interesse meines Partners, den Abend mit mir zu verbringen, kollidiert, ergeben sich verschiedene Handlungsmöglichkeiten: 1. Beide können versuchen einen Kompromiss zu finden, z.B. kann mein Partner mich ins Kino begleiten und wir unternehmen danach noch etwas zusammen. 2. Ich setze mein Interesse durch und gehe ins Kino, weil ich es nicht vertretbar finde in meiner Freiheit eingeschränkt zu werden. 3. Ich ordne mein Interesse dem meines Partners unter, weil es ein „höheres“ Interesse meinerseits ist, dass es meinem Partner gut geht und ich ihm nicht wehtun möchte. Wenn ich nun zur Lösung meines Dilemmas einen intersubjektiven Standpunkt einnehme und mich in der Lage meines Partners sehe, so werde ich mich wahrscheinlich dafür entscheiden den Abend mit meinem Partner zu verbringen. Schließlich wäre ich selber ja auch unglücklich, wenn mein Partner seine Freunde voranstellen würde und er seine Zeit nicht mit mir verbringen würde.[vi]

Im Normalfall lösen sich derartige Interessenskonflikte durch eine Erwägung der eigenen Interessen und einer Hierarchisierung. Man stellt sich demnach in der Regel einfach die Frage, was einem selbst nun wichtiger ist. Oder man fällt die Entscheidung eben durch das Einnehmen der Position des Anderen und der Erwägung, welche Konsequenzen dieses Verhalten für alle Beteiligten hätte und was passieren würde, wenn alle anderen sich dies auch zu Eigen machen würden.

Anders gestaltet sich das Vorgehen aber, wenn unterschiedliche Ideale oder Ideale mit den Interessen anderer in einen Konflikt geraten. Dies liegt daran, dass Ideale, anders als Interessen, universalisierbar sind. Das bedeutet, dass mit einem Ideal ein anderer Anspruch miteinhergeht. Wird ein Ideal vertreten sind Konflikte häufig wesentlich schwieriger aus der Welt zu schaffen.

Bei einem Ideal geht es um „etwas mehr“ als bei einem bloßen Interesse. Idealen kommt daher die Eigenschaft der Universalisierbarkeit zu. Die Besonderheit eines Ideals liegt in dem Anspruch, dass sich andere einem Ideal anschließen oder sich diesem fügen sollen. Was aber heißt es ein Ideal zu haben?[vii]

„Ein moralisches Ideal haben heißt, einen gewissen Menschentyp für besser halten als alle anderen oder, möglicherweise, eine gewisse Gesellschaftsform für besser als alle anderen halten.“[viii]

Die denkbare Fragestellung für ein Ideal bzw. ein idealistisches Urteil wäre also nicht: Wie soll ich Handeln, bzw. was soll ich tun; sondern eher: wie soll ein Mensch sein. Es geht also um wesentlich grundlegendere Aspekte als ein bloßes Einzelurteil in einer konkreten Situation.

Ein denkbares Beispiel wäre Prostitution. Auch wenn eine Prostituierte aufgrund ihrer eigenen Entscheidung und durch keine äußeren (außer materiellen) Zwänge dieser Tätigkeit nachgeht, so wird dieser Beruf dennoch von vielen als ein Affront gegen die Menschenwürde gewertet. Im Normalfall, also wenn sich beide Parteien an die vereinbarten Regeln halten, sollten weder ihre eigenen Interessen, noch die Interessen anderer berührt werden.

Hare argumentiert hier, dass Ideale eine Sonderstellung in moralischen Überlegungen einnehmen und sie in ihrer Logik eher ästhetischen Urteilen gleichen. Ein Entschluss wird also anders gefällt als bei einem bloßen Interessenkonflikt.[ix]

[...]


[i] Vgl. BRÜGGEMANN 1993: 76.

[ii] HARE 1952: 127.

[iii] Vgl. HARE 1983: 30f.

[iv] Ebd.: 108f.

[v] Ebd.: 112f.

[vi] Vgl. auch BERLICH 1985: 255f.

[vii] Vgl. HARE 1983: 177f.

[viii] Ebd.: 179.

[ix] Ebd.: 170.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Universeller Präskriptivismus und Fanatismus
Hochschule
Universität Leipzig
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
20
Katalognummer
V148549
ISBN (eBook)
9783640709175
ISBN (Buch)
9783640708987
Dateigröße
424 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Universeller, Präskriptivismus, Fanatismus
Arbeit zitieren
Katharina Oberfeld (Autor:in), 2009, Universeller Präskriptivismus und Fanatismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/148549

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