Aufsätze zur Archäologie

Band 1 2009/10


Sammelband, 2010

185 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Anthropophormismus

Das Spiel des Satyrs bei Dionysos

Mysterienvilla cubiclum

Nilmosaik von Palestrina

Fibeln in der Schweiz –Aufkommen und Entwicklung bis in die Eisenzeit

Römische Fibeln der Schweiz

Römische Bronzen

Die Thermen Helvetiens am Beispiel von Aventicum und Aquae Helveticae

Bestattungssitten, Grabbeigaben und Grabriten in der Schweiz; mit einem Exkurs zu „Begleitung in den Tod“

Ägyptische Sargtexte

Soziale Aspekte des Handwerks in den römischen Provinzen

Glas in römischer Zeit

Paläopathologie

Vorwort

Aufsätze zur ArchäologieBand 1 ist eine lose Sammlung meiner Seminararbeiten und eigenen Beiträge zu den Vorlesungen klassischer Archäologie und Ägyptologie an der Universität Freiburg (Schweiz) der Semester 2009/10.

Wie der Titel verspricht, soll die Reihe weiter gehen, der nächste Band also zu den Semestern 2010/11 erscheinen, u.s.f..

Die Arbeiten haben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, noch besteht die Absicht einer logischen Abfolge der Texte. Auf eine Bebilderung wurde weitgehend verzichtet. Dieser Textband dient lediglich dem Erhalt und der Archivierung persönlicher Arbeiten. Wenn sich dennoch interessierte Leser finden, ist der Zweck mehr als erfüllt.

Archäologe zu werden ist einer meiner Kindheitsträume. Geweckt wurde dieses Interesse in meiner frühen Kindheit durch meinen Onkel, Dr. Robert Develey, welcher mich regelmässig auf Prospektionen und Grabungen mitnahm. Dies hinterliess einen nachhaltigen Eindruck, und der Wunsch, diesen Traum zu erfüllen, wird nun endlich wahr. Lieben Dank an mon Oncle !

Mein Dank geht auch an die Universität Fribourg, Prof. Dr. Jean-Michel Spieser, wie auch den Professoren Véronique Dasen, Susanne Bickel und Claus Wolf, welche mich derzeit in die Welt der Archäologie einführen und meine ersten Arbeiten angenommen haben.

Grosser Dank gebührt meiner Partnerin, Béatrice Mathez, welche mir mein Studium ermöglicht und auch meinen Kindern, Fanny und Lukas, welche mein Vorhaben mittragen.

im Sommer 2010 Dominique Oppler

ÜberdieKunstderBildbetrachtungantikerObjekte

Zur Beschreibung von Bildern aus der Antike, ist der Begriff Ikonographie zu eng ge­griffen. Damit Bilder aus jener Zeit verstanden werden können, müsste man eher von einer Anthropologie der Bilder sprechen.

Bilder in der Antike sind keine fotografischen Dokumente, sondern mentale, figu­rative Abbilder einer Kultur.

Levy Strauss hat versucht die Mythologie mit strukturierter Forschung zu erfassen (Mytho-logique). Eine analoge Systematik in die Betrachtungsweise antiker Bil­der ein­zuführen würde wenig Sinn machen. Denn Bilder der Antike haben nicht als solches, als reines Bild, einen Wert. Der Sinn eines Bildes, die Bildsprache, kann erst in ge­samtheitlicher Sichtweise erfasst wer­den. Dazu sind die kulturellen, historischen Zu­sammenhänge, der Nutzen, die Form, Grösse, Art des dekorierten Objektes, oft auch der Fundzusammen­hang, zur Bildsemiotik beizuziehen. Jedes Bild hat seine eigene Phäno­meno­logie, seinen eigenen Code, und lässt sich daher kaum zufriedenstellend ty­pologi­sieren.

Bilder sind Metaphern. Ihre Sprache ist figurativ. Es reicht nicht, Bilder ein­fach nur anzusehen und zu beschreiben, Figuren und Dekorationen mit histo­rischen oder my­thologischen Themen in Zusammenhang zu bringen.

Ein antikes Bild will mit dem Betrachter in einen Dialog treten; manche Bil­der un­terstreichen diese Dialogbereitschaft geradezu. Bilder können positive oder ne­gative Aussagen haben, interrogative Bilder gibt es jedoch keine. Bil­der liefern nur Antworten. Die Fragestellung muss also vom Betrachter aus­gehen.

Bilder können den Blick steuern, in den Bildern steckt bekanntlich auch eine ge­wisse Macht.

Wir haben heute einen wesentlich einfacheren Zugang zur antiken Bildspra­che als dies noch vor ca. 80 Jahren der Fall war. Die bildende Kunst der Neu­zeit, die Abstraktion, hat sich der antiken Symbolsprache bedient und damit auch das Verständnis einer eher metaphysischen Bildbetrach­tung gefördert.

Antike Bilder provozieren Wertsysteme, Codes, Erfahrungen, Ängste, Wün­sche, posi­tive und negative Gedanken. Sie reproduzieren jene Referenzen, die in dama­liger Zeit in den Köpfen steckten.

Es wäre zum Beispiel falsch, Rituale alleine aufgrund der Bilder nachzeich­nen zu wol­len. Das ergibt bloss eine äussere, materielle Sichtweise der ok­kulten Prakti­ken. Teil­weise kann das seine Berechtigung haben. Aber Bilder sind nicht als Fo­tografien ge­dacht, sondern wollen als eine Art Grammatik interpretiert werden, die an die rituellen Inhalte führt. Bilder sind keine Do­kumente sondern Monu­mente. Die Bilder erzählen selbst keine Geschichten – sie beziehen sich auf Ge­schichten. Man muss die Geschichte kennen, sonst versteht man das Bild nicht.

Aufgrund von Texten lassen sich Bilder erklären. In der Renaissance ist das so. Aber in der Antike nicht. Denn die Bilder entstanden aus der Erinnerung, der mündlichen Tra­dierung der Geschichten. Das ist eine andere Kultur. Selbst die Ornamentik auf Vasen kann einen wesentlichen Bezug zur Bild­aussage haben, selbst dann, wenn die Orna­mentik unterbrochen ist – Zeichen für das „Nichts“, oder das „Ende“ oder eine andere „Sphäre“. Oder wenn die Figuren die Ornamen­tik übertreten, verlassen diese ihren an­gestammten Platz, treten quasi in eine an­dere, vielleicht unsere, Dimension.

Den Schöpfern der antiken Bilder lag es fern, ein Kunstobjekt zu schaffen. Natür­lich spielte die Kunstfertigkeit, der ästhetische Wert ein Rolle, aber man sprach von Bildern oder Objekten, nicht von Kunst, denn die Objekte hatten immer eine funktionelle und/oder eine rituelle Bestimmung.

Bernard de Montfocon, Benediktiner, verlegte Werke von Johannes Chri­sostomos (1718). Man muss die Welt der Menschen kennen um sie zu verste­hen. Auch die heidni­schen Menschen. Und dafür muss man sich auch für ihre Objekte interes­sieren[1].

Dieses Zitat umschreibt eigentlich was Archäologie soll. Das gibt den Sinn einer Gesell­schaft wieder. Objekte und ihre Bilder. Denn Bilder sind realer als das was wir heute an antiken Texten besitzen, denn die meisten Text-Do­kumente sind bereits Kopien von Kopien. Ein Bild hat jedoch etwas unmittel­bares, authentisches. Ein Bild ist immer das Original, hier spricht die Hand des Schöpfers direkt zum Bet­rachter, das Bild trägt des­sen Arbeit in sich.

Das Bild hat etwas Direktes und die Interpretation muss daher von Objekt zu Ob­jekt individuell entwickelt werden. Ein historischer Horizont muss gefun­den wer­den, als Historiker sind die Bilder zu betrachten.

Die Betrachtung muss kritisch bleiben, denn der intuitive, gesunde Men­schenverstand kann leicht über eine wahre Deutung hinweg täuschen. Die richtige Fragestellung des Betrachters an das Objekt ist daher von Bedeutung. Wozu wurde es genutzt, aus wel­cher Zeit stammt es, wie sieht die Rückseite des Objektes aus, welche Ikonographie ist dort anzutreffen, wie steht diese im Zusammenhang mit der Form, mit der Nutzung und mit der Zeit in welcher das Objekt geformt und dekoriert wurde.

Nebst dem Bild selbst, ist auch die Form des Objektes zu berücksichtigen, und auch wiederum, wie das Bild in diese eingebettet wurde, mit der Form im Dialog steht.

Griechische Keramik ist selten flach, und die gestaltete Oberfläche ist eher klein. Das Objekt hat immer eine zylindrische Form. Innen- und Aussenbe­reiche, können mit einer Ikonographie geschmückt sein, die zum funktionalen Bezug des Objektteils in direkter Beziehung steht. Aussenteil zeigt das Leben in der freien Natur, der Innenteil das häus­liche Leben im Hause.

Diese Dinge muss man nicht nur sehen, man muss sie auch verstehen und über das Bildhafte hinaus interpretieren können. Mit dieser Betrachtungs­weise werden antike Objekte wieder lebendig. Sie beginnen zu sprechen und wir treten mit der vergangenen Kultur in einen intimen, zeitlosen Dialog.

Bibliographie:

Lissarrague François, Un Flot d’Images, une esthetique du banquet grec, Paris,1987

Reinach Salomon, Répertoire des vases peintes grecs et étrusques, E. Leroux, Paris, 1899

Daremberg-Saglio, Le Dictionnaire des Antiquités Grecques et Romaines, 1877

Anthropophormismus

Unter Anthropomorphismus kann generell alles gezählt werden das der Ver­menschli­chung dient. Die Zuschreibung menschlicher Eigenschaft an Nicht­menschlichem.

Anthropomorphe Darstellungen sind personifizierte Analogien, welche in zahlreichen Bereichen der menschlichen Reflexion dienen.

Bereits die Vor­stellungen antiker Götterwelten bei den Griechen, Römer[2], Germanen, Kel­ten, wie auch jene der asiatischen Mythologien, tragen Analogien zur menschlichen Körpergestalt (morphé) und menschlichen Gemütszuständen (páthè)[3].

Auch im Alten Testament werden dem monotheistischen Gott der Juden menschliche Eigenschaften und Gefühle zugeschrieben. Von Gott sollst Du Dir kein Bild machen, heisst es in der Bibel.Der Islam spricht von der Unvergleichbarkeit Allahs, der nichts und niemandem ähneln soll. Die Christen stellten sich im Laufe der Geschichte immer wieder über dieses Ge­bot, verwendeten Bilder, oder sie stritten darum. Nur der Islam hielt streng an seinem Gesetz.

Das Bild zur Überwindung des Unbekannten

Als Vorläufer des Anthropomorphismus ist vermutlich der Animismus zu bezeichnen, der eine Vorstellungswelt umfasst, welche eher für indigene, schriftlose Kulturen be­zeichnend ist – speziell jener der naturverbundenen Jäger- und Sammlerkulturen.

Die sozialen und politischen Ordnungen der Hochkulturen, wie sie sich bei­spielsweise in Ägypten, Persien, Babylonien, Griechenland, etc. entwickelt haben, konnten eine animistische Religion ohne Überbau nicht mehr nach­vollziehen. Das Verständnis des Heiligen, der Respekt und das Respektfor­dernde aller Ausprägungen der Natur, jedes Tieres, des Menschen, den Stei­nen oder speziellen Orten gegenüber, gingen mit einer der Natur sich ent­fremdeten Lebensweise verloren. An die Stelle der unmittelbaren Na­turerfah­rung trat eine Metaphysik, durch welche der Mensch mit den Naturereignissen kommunizierte. Hierzu benötigte man das Bild.

Das Anthropomorphe begegnet uns erstmals und in erster Linie in einem reli­giösen Kontext. Durch die Abwendung hochentwickelter Kulturen von den täglichen Naturer­fahrungen und -erlebnissen, wird die Natur zu einem unbe­kannten, fremdartigen, Angst machenden, okkulten Kosmos. Über ein Bild soll dieser Kosmos wieder erfahrbar, fass­bar, vorstellbar und vor allem auch bezwingbar werden – der Mensch verwendete dazu sein bekanntestes, nämlich sein eigenes Bild. Ein anthropozentrisches Weltbild, in dem der Mensch das Mass aller Dinge ist, wird zur Komponente eines weltanschaulichen, ethi­schen und religiösen Schnittpunktes.

Der Mensch stellt also Analogien auf, zu einer ihm bestens bekannten Per­spektive. Er schliesst zum besseren Verständnis induktiv vom Bekannten auf das Unbekannte, und dies ist wohl auch die grundlegende Absicht anthropo­morpher Darstellungen.

Das Unbekannte kann dabei aber auch in Wechselwirkung zum Bekannten stehen, und dieses in Frage stellen. Die wechselseitige Spiegelung wird zur Karikatur. Besonders in der politischen Karikatur hat man sich anthropomor­pher Stilmittel bedient – wohl auch, weil man damit die Protagonisten nicht beim Namen nennen wollte, und damit Pein­lichkeiten vermied (on ne crache pas dans le pot dont on boit).

Das Tier als Anthropomorphismus

Nach der vermenschlichten Götterwelt, war es das Tier, welches häufig für das Unbe­kannte anthropomorph einstand.

Zwar hat der Mensch das Tier früh zu seinem Nutzen domestiziert, trotzdem blieb ihm dieses Wesen fremd. Eine direkte, sprachliche Kommunikation, nach der er sich noch immer sehnt, blieb ihm bisher verwehrt. Weil dem so ist, hat er die angestellten Beo­bachtungen in Analogie zu menschlichem Ver­halten gestellt. Das war das Nahelie­gendste, weil es für den Menschen nachvoll­ziehbar war.

Die Forschungen der Physiognomen Bell, Lavater und Duchenne haben Charles Darwin ermuntert, ebenso bei Tieren Gemütsbewegungen[4] zu beschrei­ben. Alleine der Titel des Buches, The Expression of the Emotions in Man and Animals, lässt bereits den Anthro­pomorphismus damaliger Zeit durchblicken, welcher Darwins Beobachtungen zugrunde lagen.

Wir finden den Anthropomorphismus in neuerer Zeit bei Böcklin (Spiel der Najaden, 1886, Kentaurenkampf, 1873, etc.),Khnopff(Die Kunst oder die Liebkosungen, 1896), bei Klinger (Meeresgötter in der Brandung, 1884-85), Moreau (Europa und der Stier, 1869), Redon (Weinende Spinne, 1881), Rops (Pornocrates und Le Wehrwolf, 1896) und anderen mehr.

Anthropomorphe Comicfiguren wie Mickey Mouse und Donald Duck stehen in dieser Tradition, und diese ist längst nicht zu Ende geführt. In den vergan­genen Jahren hat die Filmtechnik zahlreiche Figuren hervorgebracht, die Jung und Alt auf‘s Neue entzücken – Nemo, Chicken-Run, etc..

Das Tier mit vermenschlichten Zügen und Tätigkeiten erscheint als Therio­morphismus bereits in der Vorgeschichte. Ob es die Erfahrung physischer Überlegenheit von Tieren über den vorzeitlichen Menschen ist, welche dazu führte, bleibt Spekulation. Den The­riomorphismus in der Antike hat man ver­schiedentlich als Rest vorindoeuropäischer, mediterraner Tierverehrung und Totemismus zu interpretieren versucht.[5]

Die Verehrung tiergestaltiger Gottheiten ist im Altertum, in Ägypten, ausge­prägt. Das Tier wurde dort jedoch nie als Gottheit angesehen, sondern stand sozusagen als Numen für eine göttliche Macht.

Im 3. Jahrtausend v. Chr. be­gegnen auf den Darstellungen erstmals menschengestal­tige Gottheiten die sich mit theriomorphen Gestalten vermischen. Es entstehen Gotthei­ten mit Tierkopf und Menschenleibern. Wir finden den Skarabäus (Chepre), den Widder (Amun), den Falken (Horus), die Kuh (Hathor), den Schakal (Anu­bis), den Ibis (Thot), den Stier (Apis-Stier/Ptah), u.v.a.m..

Die Griechen hatten für die Tierverehrung der Ägypter wenig Verständnis, mitunter stiess sie auf Ablehnung und Spott, und die Römer verurteilten den Kult auf das Ent­schiedenste.

Trotzdem wurde hingenommen, dass sich die Götter des griechisch-römischen Pan­theons dem Mythos nach in Tiere ver­wandeln konnten. Der Göttervater Zeus näherte sich seinen Geliebten u.a. in Gestalt von Adler, Stier und Schwan. Dionysos konnte als Bock oder Stier erscheinen; Satyrn und Silene bilden sein Gefolge, das mitunter von Pan an­geführt wird. Diesen ursprünglich in Arkadien beheimatete Wald- und Hir­tengott, stellte man sich als Mann mit Bocksbeinen und Ziegenhörnern vor, dessen Erscheinen den nach ihm panischen Schrecken hervorrief.

Das Pferd steht bei den Griechen in enger Beziehung zum Flussgott Poseidon. Es gab den Kult des Poseidon Hippios, den man mit Wagenrennen ehrte und dem man Pferd­opfer darbrachte. Es gab schlangenfüssige Giganten oder halbfischlei­bige Tritone, Kentauren als Pferdemenschen, und zahlreiche tiergestaltige Dämonen mehr.

Die Römer kannten keine theriomorphen Tiergestalten. Tiere traten als Kult­begleiter oder Symboltiere von Gottheiten in Erscheinung, als Boten resp. Medien der Götter, die sich göttlicher Zeichenrede bedienten.

Der Flug der Vögel offenbarte beispielsweise den Auguren das Zukünftige als göttli­chen Willen. Bedeutendstes Attribut kam dem Adler zu, als Emblem und Inkarna­tion Jupiters. Als Legionsadler wurde er auf dem Marsch und in den Kampf geführt.

Bei den Kelten sind theriomorphe Gottheiten als Hirsch, Stier und Pferd (Epona) be­kannt. Sie standen in kultischem Zusammenhang. Aber auch stier­gestaltige Gottheiten, wie der dreigehörnte Stier sind aus jener Zeit über- liefert.

Im Christentum war der Fisch ein Emblem Christi, wegen seines Namens ICHTYS, wel­cher die selben Buchstaben umfasste, wie die auf Jesus bezo­gene Formel I(esus) CH(ristos) Th(eou) Y(ios) S(oter). Im neuen Testament wird Jesus als Lamm Gottes bezeichnet. In der Gestalt von Lämmern kom­men die 12 Apostel gelegentlich in der christlichen Kunst auf (San Apollinare in Classe, Ravenna), als weisse Taube wird der heilige Geist symbolisiert und Ezechiel bezeichnet nach seiner Vision die Evangelisten Johannes, Lukas, Markus als Adler, Stier und Löwe[6].

Tiersymbolik – Speziesmus oder Archetypen?

Das Tier fand aber nicht nur als vermenschlichtes Wesen Einzug in die bil­dende Kunst, in die Architektur und Literatur, sondern stand auch als Symbol für die unterschied­lichsten menschlichen Bedürfnisse.

Anthropomorphismus als Metapher ist eine beliebte Darstellungsweise, um auf alltägli­che, soziale, kulturelle, politische Missstände hinzuweisen oder auch um Dinge zu ver­niedlichen. Das Humoristische, besonders wenn das Tier die Rolle des Menschen ein­nimmt, überdeckt dabei den Ernst der Sach­lage, auf welche das Bild zielt. Dabei mag ein gewisser Speziesismus eine gewichtige Rolle spielen.

Als Speziesismus[7] wird die Ungleichbehandlung von Lebewesen aufgrund ihrer Art be­zeichnet. Eine umstrittene Konzeption der Tierbefreiungsbewe­gung. Ein Konstrukt, das dem Rassismus und Sexismus unter Menschen ähn­lich ist. Es soll an dieser Stelle nicht vertieft auf diesen Diskurs eingegangen werden, aber der Begriff könnte trotzdem für die immer wieder verwendeten Tierarten in anthropomorphen Darstellungen angeführt werden, besonders wenn es darum geht zu beleuchten, welches Tier für welche Ge­mütsbewe­gung, welche Handlung oder bei Objekten, für welches Instrument oder Werkzeug Pate stand resp. stehen musste.

Das Motiv der Kinder mit dem Hahn, ist ein solches Beispiel. Eine römische Ikonogra­fie aus der Villa de Casale in Piazza Armerina (325 n. Chr.). Der Hahn steht Symbolisch für den Kampf, die Jagd, oder vielleicht den Gladiato­renkampf, der aber von Kindern spielend nachgeahmt wird[8].

Bei La Fontaines Fabeln und bei Goethes Reinecke Fuchs, wie auch in zahl­reichen Volksmärchen, finden sich Tierfiguren, welche ganz offensichtlich symbolträchtig für menschlich, all zu menschliches einstehen.

Sigmund Freud analysiert in seiner Traumdeutung die Tiersymbolik und C.G. Jung zählt das Tiersymbol zu den Archetypen des kollektiven Unbewussten.

Vielfach wird der Esel als Sexualsymbol angeführt, das Schwein steht für die Fresslust und das Pornografische. Bären und Stiere verkörpern die Kraft. Af­fen werden in der Ikonografie entweder frech oder dumm dargestellt. Der Papagei symbolisiert Überfluss und Luxus.

Die Eule steht als Weisheit Athena zur Seite. Dieser Nachtvogel scheint den Menschen mit seiner Ruhe und den wachen Augen, welche auch im Dunklen sehen können, beein­druckt zu haben. Besonders aber die Fähigkeit, den Hals, und damit den Sichtradius über 360° zu führen, ohne dabei die Sitzstellung zu verändern, wird zur Symbolkraft umsichtiger Weisheit geführt haben.

Über die Kräfte, Fähigkeiten, Regungen, Gestus und anthropomorph inter­pretierten Gemütszustände wurde das Tier in der Ikonografie auch zum Be­gleiter von Götter, Hei­ligen oder berühmter Persönlichkeiten. Athena wurde bereits genannt. Bei Hermes und Aphrodite[9] finden wir die Schildkröte, als Grabsymbolik oder Symbol der idealen Frau. Mit Adam und Eva verbindet sich die Schlange, Napoleon I. schmückte sich mit der Biene.

Anthropomorphes im Alltag

Anthropophormismus begegnet uns auch in der Sprache, im Zwischen­menschlichen, wie mit Du Affe! Esel! Elefant! Schwein! Ma biche! Mon Loulou!. Wir haben einen Bä­ren Hunger oder das Wetter ist kalt, un froid de canard.

Wenn vom Metallesel die Rede ist, meint man das Fahrrad. Das Dampfross war früher die Dampflokomotive. Ein Flugzeug wird als Vogel bezeichnet und Frauen schnattern gelegentlich.

Das anthropomorphe Objekt kann der Wecker sein, mit Gesicht und Pantof­feln. Oder der Regenschirm mit Entengriff. Auch der Nussknacker, als Objekt oder Ballettinsze­nierung, ist anthropomorph besetzt.

Schlussbetrachtung

Unser Auge und Bildverständnis hat sich über die Jahrtausende an die anthro­pomorphe Ikonografie dermassen gewohnt, dass wir anthropomorphe Züge in Wolkenbildungen, in knorrigen Bäumen, in einer Blume oder im Design ei­nes Autos erkennen[10]. Selbst der Toaster und das Handy tragen für unser Ver­ständnis anthropomorphe Züge. Ein Vor­gang der sich beinahe von selbst ein­stellt und mit unserem Verständnis und Erleben der Umwelt einher geht.

Der Mensch als Mass aller Dinge – scheint aktueller denn je. Stellt sich die Frage, was sich unserer Wahrnehmung alles verschliesst, das sich aufgrund dieser einseitigen Kon­ditionierung unseren Sinnen nicht offenbaren lässt.

Bibliographie

Allgemeine Bibliographie

Brockhaus, Konversationslexikon, 1902 – 1910, Seite 685.

de La Fontaine Jean, Fables, 1668 – 1678, Tours, reprint 1862

Goethe Johann Wolfgang, Reinecke Fuchs, 1793, Frankfurt a/M, reprint 1975

Fachspezifische Bibliographie

Darwin Charles, The Expression of the Emotions in Man and Animals, reprint. Oxford, 2009.

Ryder Richard, Speciesism and Panism, in Animals‘ Agenda 17, Nr.1, Janu­ary/February, Baltimore, 1997.

Schmidt Rudolf, Tierkult, in Mensch und Landschaft in der Antike, Lexikon der Histo­rischen Geographie, Sonnabend H. (Hrsg.), Stuttgart, 2006.

Poplin François, Le Parapluie et le Bédane, in Alliage no. 29-30, 1996-97

Trinquier Jean, L’Ours mal Léché, in Schedae 2009, no. 20/2, Ulm, 2009

Vendries Christophe, L’Enfant et le Coq, Une Allusion à la Gladiature, in An Tard 15 2007, Renne, 2007

Quellen aus dem Internet

Pander Jürgen, www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,440407,00.htmlSchau mir in die Scheinwerfer, Zugriff 2.7.2010

Das Spiel des SatyrsbeiDionysos

Mythologische Geschichte

Dionysos

Dionysos (Διόνυσος) (lat. Dionysus) ist in der griechischen Götterwelt ein Gott des Wei­nes, der Freude, der Trauben, der Fruchtbarkeit und der Ekstase. Er wurde von den Griechen und Römern wegen des Lärmes, den sein Gefolge veranstaltete, auch noch Bromios („Lärmer“), Bakchos oder Bacchus („Ru­fer“) genannt. Als „Löser“ (Lysios, Lyaios) entfesselt er die Menschen, be­freie sie von Sorgen und liess Mauern einstürzen. Oft wurde er dem in den Eleusinischen Mysterien gerufenen Iakchos gleichgestellt, dem „göttlichen Kind“.

Während der winterlichen Abwesenheit des Apollon überwachte Dionysos das Orakel von Delphi.

Später wurden in Rom die Dionysien als die Bacchanalien gefeiert, weil Diony­sos bei den Römern dem Bacchusentsprach.

Geschichten über Dionysos' Geburt und Kindheit

Über die Abstammung des Dionysos gibt es viele Quellen. Als Mutter werden Demeter, Io (beides Korngöttinnen), Persephone (die Todesgöttin), sowie Lethe („Vergessen“, ein Fluss im Hades, der Unterwelt) und eine Sterbliche, namens Semele, genannt.

Nach der bekanntesten Geschichte ist Dionysos der Sohn des Zeus und der Semele.

In menschlicher Gestalt hatte Zeus eine geheime Liebschaft mit Semele, der Tochter des Königs Kadmos von Theben. Es heißt, die eifer­süchtige Hera habe Semele in einer Ver­kleidung überredet, sie möge sich von Zeus als Liebesbeweis erbitten, sich ihr in seiner wahren Gestalt zu zeigen. Zeus habe sich ihr daraufhin als Blitz gezeigt und sie ver­brannt. Da sie bereits mit Dionysos schwanger gewesen sei, habe Zeus ihr Kind zu sich genommen. Er brachte sich eine tiefe Wunde bei und nähte die unreife Leibesfrucht in seinen eigenen Schenkel. Nach drei Monaten öffnete er die Wunde wieder und brachte Dionysos hervor. Dionysos wird deshalb der zweimal Geborene ge­nannt. Mit dieser zweiten Geburt durch Zeus wird seine Göttlichkeit und Un­sterblichkeit begründet.

Dionysos als Wiedergeburt des Zagreus

Zeus näherte sich in einer Höhle seiner Tochter, der Unterweltsgöttin Persephone, als Schlange. Ihr Kind war als Zagreus bekannt, der „große Jä­ger“, dessen Beinamen auch Zeus selbst als Unterweltgott trägt, besonders auf Kreta. Aber auch Hades, Persephones Gatte, wurde als Vater genannt, der Katachtonios genannt wurde, „unterirdischer Zeus“. Dionysos wurde als Sohn der Persephone auch Chtonios, „Unterirdischer“ genannt.

Zeus liebte seinen Sohn, was die Eifersucht der Hera heraufbeschwor. Sie trieb die Titanen an Zagreus zu töten. Er wurde beim Spielen überrascht und von den Titanen in sieben Teile zerrissen, in einem Kessel, der auf einem Dreifuß stand, gekocht, über dem Feuer gebraten und verschlungen. Doch die Hörner des gebratenen Kindes erinnern da­ran, dass es sich um ein geopfertes Zicklein oder Kälbchen handelt, dessen Leiden de­nen des Gottes genau ent­sprachen.

Zeus strafte diese Tat, indem er die Titanen mit einem Blitz vernichtete. Aus der Vermi­schung der Asche des Zagreus und der der Titanen soll das Men­schengeschlecht ent­sprungen sein. Der Mensch enthielt göttliche und titani­sche Elemente. Nach Meinung der Orphiker konnte man durch Reinigung und Initiationen das titanische Element verlie­ren und ein Backchos werden.

Es gibt neben dieser orphischen,aber auch verschiedene andere Fortsetzungen der Ge­schichte der Tötung des Dionysos durch die Titanen:Zeus habe die Glieder gesammelt und sie Apollon übergeben, der sie in Delphibestattete. Dort wurde jährlich in der win­terlichen Abwesenheit des Apollon seine „Auferstehung“ gefeiert.

Nach einer anderen Geschichte entstand der „erste Weinstock“ aus der Asche der ver­brannten Glieder des Zagreus.

Es wird auch berichtet, Rhea habe die im Kessel gekochten Glieder gesam­melt und wieder zusammengefügt. Zagreus sei als Dionysos ins Leben zu­rückgekehrt und wurde Persephone zurückgegeben. Der Unterschied zwi­schen diesen beiden Geschichten ist gering.

Es wird erzählt, dass Athene das Herz des Dionysos beiseite getan habe. Die­ses Herz gab Zeus der Semele zu essen oder mischte es einem Trank bei, so dass er erneut emp­fangen wurde. In Wahrheit soll es aber ein anderer Körperteil gewesen sein, das eine Göttin in einem zugedeckten Korb versteckte, der Phallos.

Geboren wurde Dionysos möglicherweise auf dem Berg Nysa. Seine Amme war zu­nächst Ino, die Schwester der Semele. Er wurde als Mädchen verkleidet.

Als einmal in seiner Kindheit die durch Hera drohende Gefahr besonders groß war, verwandelte Zeus den Dionysos in ein Zicklein und übergab ihn den Nymphen des Ber­ges Nysa, die das Kind in einer Höhle pflegten und mit Ho­nig fütterten. Erzogen wurde er von Silenos.

Es wird berichtet, dass an der Stelle, wo Semele starb, später ein Weinstock gestanden habe.

Ikonopgraphie des Dionysos

Meist wird Dionysos mit Efeu- bzw. Weinranken und Weintrauben darge­stellt. Seine Attribute sind der mit Efeu und Reben umkränzte Thyrsosstab und der Kantharos (Trink­gefäß für Wein).

Dionysos Wirken im Pflanzenle­ben kommt weiter dadurch zum Ausdruck, dass Gott­heiten der Vegetation wie Eirene, Opora und Hebe bisweilen ihre Selbständigkeit auf­geben und ihm als Nymphe folgen.

Seine Tiergestalt war der Stier, was ihn mit seinem Vater Zeus verbindet. In menschli­cher Form wurde Dionysos rituell als bärtige Maske dargestellt. Seine Maske hängt an einem Pfahl oder einer Säule, darunter ein langes Ge­wand.

Das Gefolge von Dionysos

Gewöhnlich war Dionysos in triumphaler Begleitung der Silene und Satyrn, die die Fruchtbarkeit der ungebändigten Natur verkörperten.

Dionysos wurde vor allem von Frauen verehrt, den Mänaden. Sie waren bekränzt mit Efeu, hüllten sich in Hirsch, Reh- oder Fuchsfelle und trugen Fackeln und Thyrsoi. Von den Fuchsfellen rührt die Bezeichnung „Bassariden“ her (alternativ zu Mänaden), denn bassaros heißt „Fuchs“.

Andere auf den Fuchs bezogene Eigennamen sind Dionysos Bassaros, „fuchshafter Dionysos“ oder Bassareus, „der Fuchsgott“, ein thrakisches Allonym und Epitheton für Dionysos, zu­gleich der Name, unter dem er in Lydien verehrt wurde.

Bei ihren orgiasti­schen Riten wurden wilde Tiere zerrissen und gegessen und „freie Liebe“ zwischen den Geschlechtern genossen. Sie tanzten begleitet von Flöten, Pau­ken und Tamburinen. Die frühesten Mänaden trugen zahme Schlangen um den Arm gewun­den und der Gott erschien ihnen als Stier.

In seiner Eigen­schaft als Gott der Freude, wurde in Athen durch die Dionysien das Theater erfunden und der Prototyp des Theaters gebaut, das Dionysostheater in Athen.

Der Dionysiskult

Kulte haben keine Stifter, es gibt keinen Punkt, von dem aus sie sich durch Raum und Zeit ausbreiten würden. Sie entstehen als Variante irgendeines Kultes und gehen früher oder später in einer anderen Variante auf.

Es scheint, dass ursprünglich selbständige Götter an verschiedenen Orten Griechen­lands, z. B. in Theben, Athen und auf Kreta, im Laufe der Zeit den Namen des Dio­nysos annehmen konnten, weil sie mit dem Wesen des Fruchtbarkeitsgottes vereinbar waren.

So war es auch, dass Satyrne und Silenen vor dem Aufkommen des neuen dionysischen Kultes unabhängig unterwegs waren, und die rituellen Tänze, welche sie früher für Cy­bele tanzten, nun auch bei Dionysios aufnahmen (Wilamowitz).

Die Tänze führten zu extatischen Zuständen, welche den Men­schen die Illusion gaben, von der Gottheit besetzt zu werden, und liess sie die Metamorphose in heilige, gehörnte Tiere (Widder oder Pferde) erleben (Sa­tyre).

Dionysos – hat eine exoterische und eine esoterische Erscheinungsform.

Der exoterische Dionysos ist ein lustiger, harmloser Gott des Weines, der esoteri­sche Dionysos dagegen ist ein Gott fundamental ernster Dimension. Er ist das Gegenstück zum Gott der Unterwelt: Denn wäre es nicht Dionysos, dem sie den Umzug machen und das Lied singen vom Phallos , sonst ist es ganz scham­loses Treiben. Ein und derselbe aber sind Hades und Dionysos, dem sie toben und feiern, sagt Heraklit.[11]

Offenbar, weil Dionysos ein Gott der Unterwelt ist, wurde er von den Grie­chen auch mit dem ägyptischen Osiris gleichgesetzt[12]. Allerdings scheint Dio­nysos ähnlich wie die Unterweltsgöttin Persephone, periodisch auf- und abzu­steigen, und so ist Dionysos letz­ten Endes ein typischer „sterbender und auf­erstehender“ Gott an der Seite einer Großen Mutter, wie er auch im Mittel­punkt anderer Mysterienkulte steht.

Ein Gott Diwonusos kommt schon um 1250 v. Chr. im mykenischen Grie­chenland vor, er war schon damals eng verbunden mit dem Wein[13]. Beziehun­gen des Dionysoskultes zur Religion der Thraker und Phrygier sind unbestreit­bar, können aber statt durch Im­port auch durch Export erklärt wer­den. Martin P. Nilsson hält den Dionysoskult für rein griechisch[14].

Dionysien waren im antiken GriechenlandFestspiele zu Ehren des Gottes Dionysos, des Gottes der Ekstase, des Rausches, der Verwandlung, des Weins.

Was als religiöser Kultthrakischen Ursprungs mit Umzügen begann, entwickelte sich in Athen zu einem Fest, den sogenannten "städtischen Diony­sien". Aus den aus kultischen Gesangs-, Tanz- und Opferriten entwickel­ten sich die griechische Tragödie und Komödie in religiösem Kon­text.

Das Fest der städtischen Dionysien wurde wohl erst unter den Peisistratos eingeführt oder war vorher unbedeutend. Über den genauen Ablauf des Festes zur Zeit der Tyran­nenherrschaft ist wenig bekannt. Ab 534 v. Chr. gibt es Belege für die Wettkämpfe von Tragödiendichtern bei Dionysien. Die atheni­sche Polis, die ab 510 tyrannenfrei war, führte das Fest zur Selbstrepräsenta­tion fort. In dieser Zeit dauerte das Fest, das jährlich im März und April statt­fand, insgesamt acht Tage.

Weitere wichtige Feste zu Ehren Dionysos waren die ländlichen Dionysien, sowie die im Winter stattfindenden Lenäen, bei denen ebenfalls ein dramati­scher Agon - mit deutli­chem Akzent auf die Komödie - gegeben wurden.

Silen

Silenos oder Seilenos (lateinisch Silenus) ist in der griechischen Mythologie der Sohn des HirtengottesPan oder des Hermes und einer Nymphe. In Nysa soll er von den Nym­phen großgezogen und dort König geworden sein. Mit den Nymphen hatte er selbst wieder eine große Zahl von Söhnen, die Silenoi, die ihm an Aussehen geglichen haben sollen: Mischwesen aus einem Mensch und einem Pferd, wobei allerdings kaum eine Ähnlichkeit mit den Kentauren bestand: Silenos hatte eine Stupsnase und den Schwanz, die Hufe und die Ohren eines Pferdes.

Silenos war der Lehrer des Dionysos in Nysa, und mit den Mänaden sein Begleiter bei dessen Umzügen.

Silenos soll fast immer betrunken gewesen sein und es mit der Wahrheit nicht sehr ge­nau genommen haben, dennoch wurde er für seine praktische Lebensweisheit und seine prophetischen Gaben gerühmt.

Als Gefangener von Midas, trank Silenos Wasser einer Quelle, aus der er zu trinken pflegte, die mit Wein vermischt worden war. Silenos schlief ein und soll fünf Nächte lang wun­dersame Geschichten über ein Land im Westen erzählt haben.

Dionysos, besorgt über den Verbleib seines alten Lehrers, sandte einen Boten zu Midas um zu fragen, was dieser für dessen Freilassung verlange. Midas, dem prophezeit wor­den war, dass er sagenhaften Reichtum anhäufen werde, erbat sich, dass sich alles in seinen Händen in Gold verwandle. Dies geschah nun auch - so dass Midas zu verhun­gern und zu verdursten drohte.

Silenos erzählt von sich mit Dionysos Teilnehmer an der Gigantomachie gewe­sen zu sein, den Enkelados getötet zu haben und die Giganten mit dem Geschrei seines alten Lastesels in Furcht und Schrecken versetzt zu haben.

Satyr

Als Genossen des Dionysos lieben die Satyre den übermäßigen Genuss des Weins und erscheinen bald mit dem Pokal, bald in bacchantischem Taumel mit dem Thyrsos.Bald sind sie dem Schlaf ergeben, bald kelternd, auch auf der Flöte spielend, oder das Cymbalum schlagend, oft auch mit den Nymphen zu ra­schen Tänzen vereinigt oder diese lüstern verfolgend.

Besonders charakteristisch ist das Ungestüm, das Rasende, des dionysischen Orgias­mus, die wilde Ungebundenheit.

Satyre kann man auch bei der Arbeit antreffen. Sei es bei der Weinlese, beim Keltern oder bei der Arbeit auf den Äckern.

Das Spiel liegt ihnen ganz besonders. Man findet sie an oder auf der Schau­kel, sie spie­len Pferd oder Ball, klettern auf Bäume oder Tische, etc..

Und natürlich assistieren Sie bei den rituellen Handlungen der bachialischen Mysterien, bei Initiationsriten, helfen beim Opfern, bringen dem Hermes Ku­chen, kümmern sich um die Dekoration und sind natürlich beim Symposium mit dabei.

Nicht immer sind Silenen oder Satyrn als ungestüme Wesen anzutreffen. Man sieht sie auch sitzend, schlafend, in der Hocke sinnierend oder nach Indianer­art in die Ferne bli­ckend. Und es kann auch mal passieren, dass sie auf allen Vieren unterwegs sind, oder einfach feige davon laufen.

Die älteren Satyrn werden vorzugsweise Silene genannt und haben meist Glat­zen und Bärte; die jüngeren heißen Satyrisken. Ihrem Wesen nach sind sie die Repräsentanten des üppigen und ausgelassenen Naturlebens, die ro­here Seite dessen, was bei Dionysos veredelt und verklärt erscheint.

In späterer Zeit sind Satyrn und Satyrisken oft mit den Panen und Panisken verwechselt und infolge davon mit Hörnern und Bocksfüßen dargestellt, und von römischen Dich­tern auch mit den Faunen identifiziert worden.

Die griechische Kunst kennt in der älteren Zeit nur bärtige Silene, in welchen das tieri­sche Element oft zum hässlich Grotesken ausgeprägt ist. In attischer Zeit gewinnt dann daneben eine jugendlichere Form der Satyrn Geltung, in der das Tierische nur leicht angedeutet auftritt, und deren schadhafte Anmut den Satyr als würdigen Gespielen des Weingottes erscheinen lässt.[15]

In der Literatur wurde zwischen Silenen und Satyrnen jedoch wenig unter­schieden. Auch der berühmteste Vertreter der Fabelwesen, Marsyas, ist mal als Satyr, mal als Si­lene bezeichnet.

Etymologisch ist über die Ursprünge der Bezeichnungen, Silene oder Satyr, wenig be­kannt. Einiges weist nach Thrakien, dennoch scheint sich unter Ge­lehrten die Meinung gebildet zu haben, dass der Pelopones, vor allem Arka­dien, die Heimat der Satyre sei.

Das Satyrspiel

Eine Bedeutung für die Poesie gewannen die Satyre durch die Spiele der Dio­nysien, in denen die Maske der Satyre wegen ihrer ungebundenen Natürlich­keit und ihres necki­schen Mutwillens besonders beliebt und volkstümlich war; daraus entstand dann in At­tika das Satyrische Drama.

Ein Satyrspiel ist eine Gattung des antiken Dramas, die von Pratinas um 500 v. Chr. in Athen eingeführt wurde.

An den Festspieltagen wurden jeweils drei Tragödien und ein Satyrspiel von einem der Autoren aufgeführt. Das Satyrspiel ist ein heiteres, befreiendes Nachspiel, das den drei Tragödien folgte. Tragödien und Satyrspiel bilden eine Tetralogie.

In den athenischen Satyrspielen kommentierten eine Gruppe Satyrn das Ge­schehen. Das einzige vollständig überlieferte Satyrspiel ist Der Zyklop (ca. 408 v. Chr.) von Euripides. 1907 wurde nahe dem ägyptischen Oxyrhynchus ein Fragment von Sophokles' Ichneutae gefunden.

Eine Verbindung von Vasenbild und Satyrspiel ist jedoch nur in wenigen Fällen zu si­chern oder wenigstens wahrscheinlich zu machen.[16]

Die Bühnensa­tyrn auf den Vasenbildern haben, wie ihre ‚realen Brüder‘, einen struppi­gen Vollbart, stumpfe Nasen, spitze Pferdeohren und eine weit nach hinten reichende Glatze. Bis auf einen Schurz sind sie gewöhnlich nackt, d.h. nur mit einem enganlie­genden, fleischigen Trickot[17] bekleidet. Der Lenden­schurz dient anscheinend vor allem der Befestigung eines kräftigen, recht langen Pferdeschwanzes und eines (meist) errigierten Phalos. Sie dürften in der Regel barfuss aufgetreten sein.[18] Weiter währen zum Satyrspiel der Satyr-Chor und dessen Satyr-Tanz auszuführen.

Zur Ikonografie des dionysischen Geschehens auf schwarz- und rotfigurigen Va­sen

Dionysos und Satyr erscheinen auf den Vasen der attischen Zeit, 625 – 550 v.Chr., mit dem Aufkommen narrativer Motive (LC Phase).[19]

Während auf schwarzfigurigen Vasen, Dionysos mit seinem wilden Gefolge seltener anzutreffen ist, entwickelte sich auf den rotfigurigen Vasen das Mo­tiv virtuos und mit grosser künstlerischer Detailraffinesse.

Dionysos erscheint bärtig, ganz gekleidet, trägt oft eine Krone aus Weinblät­tern oder Efeu und hält eine Schale in Händen (Kanthare oder ein Trinkhorn), und ist manchmal auch von Weinranken umgeben.

Dionysos ist eine Gestalt von vorrangiger Bedeutung; sein Kult wird häufig dargestellt. Nach der Klassik erscheint er als junger, etwas weiblicher Gott, doch behält er sein hö­heres Alter bei einigen Trinkszenen und bei der traditi­onellen Prozession, in der He­phaistos zum Olymp zurückgeführt wird. Seine Gemahlin Ariadne erscheint zusammen mit ihm meist in der späteren klassi­schen Zeit, vor allem in den üblichen „höfischen“ Szenen, wo Satyrn und Mänaden dem Gott aufwarten.

Die Satyrn verändern sich in ihrer Lebensweise und ihrem Verhalten gegen­über den Mänaden seit der Archaik nur wenig.Dennoch, im vierten Jahrhun­dert, nehmen sie im­mer stärker ziegen- als pferdeähnliche Züge an. Zuweilen haben sie kurze Ziegen­schwänze oder sogar kleine Hörnchen; die Anregung dazu stammt vielleicht von ihrem neuen Gefährten Pan.[20]

Die Satyrnamen und Texte auf Vasenbildern

Oft werden die Silenen (und übrigen Dämonen) mit Namen versehen. Bei ionischen Vasen wird der Pferdecharakter der Silenen stark betont. Ausge­stattet mit Pferdeschwei­fen, grossen spitzen Ohren und Pferdehufen. Oft tra­gen die Dämonen Namen, welche daher von tierischen Erscheinungen herge­leitet sind[21], z.B. Kalb, Affe[22], aber auch Spitz­namenwie Bursch, junger Kerl, Schwätzer, Schreier, Frechling, Tänzer, Sänger, Besessener, ekstatischer Die­ner der Rhea, des Bakchos.

In altionischer Kunst sind in der freien Natur waltende Dämonen, die in die Ferne zu blicken genötigt und geübt sind, cha­rakteristisch.

Die dionysischen Schwärmer tragen auch orgiastische Namen, oder solche, die herge­leitet sind von Geräuschen oder unverstanden Lautkomplexen, wie ba-, baba, was als Babbeln, Pappeln interpretiert werden könnte, was wiederum die ekstatischen, orgiasti­schen Zustände unterstreichen dürfte. Vorläufer der späteren Comix-Sprache?

Auf schwarzfigurigen, attischen Vasen sind Benennungen überaus selten. Auf der Françoisvase[23], einem der wenigen bekannten Beispielen, werden Dämo­nen als „Ge­folge des Dionysos und Hephaistos“ genannt.[24]

Erst bei den rotfigurieren Darstellungen tritt für Attika derselbe Reichtum an bakchischen Namen ein, der für die die alt-chalkidische Malerei aus den we­nigen er­haltenen Resten erahnt werden kann. Vorherrschend sind männliche Namen, die im Wortlaut oder Inhalt eng mit denen des chalkidischen Kunst­kreises verbunden sind.

Gleich eine ganze Reihe auf die erotische Situation bezogenen Namen liefert die Lon­doner Brygosvase (E65), mit den tollsten erotischen Abenteuer der Silene. Eine Attacke auf die Götterbotin Iris und auf die Himmelskönigin Hera. Die Namen stehen mit der Handlung in unmittelbarer Verbindung, die an Begriffe wie „Haltefest“, „Habebald“, „Faust“, erinnern.[25]

Zu den bekanntesten namentlich erwähnten Silenen gehört Marsyas. Seine Ursprünge liegen in der anatolischen Mythologie, er gilt dort als der Erfinder der Flöte, welche in den Dienst der Cibele gestellt wurde.

Weshalb dieses dionysischeSpektakel auf den Vasen?

In der archaischen Zeit dienten Mythen häufig als Parabeln für die Geschicke des Staa­tes (oder seiner Führer), oder aber als Rechtfertigung (aitia) für neue Kulte.

Da Satyrn, ausser auf der Bühne, im Mythenstoff aber kaum eine Funktion hatten, wirft Boardman die Frage auf, in wie fern Satyrspiele den Satyr hervorbrachten oder zumin­dest über eine längere Periode aktuell hiel­ten. Wir müssen damit rechnen, dass allein die Analogie des Satyrspiels dem Künstler das Recht verschafft, Satyrn in geeignete Mythenszenen einzufüh­ren, ob es sich nun tatsächlich um ein Bruchstück handle oder nicht.[26]

Cornelia Isler-Kerényi widerspricht dieser These. Es gibt zahlreiche Hin­weise, dass Satyre lange vor den Satyrspielen in- und ausserhalb Griechen­lands Spuren hinterlassen haben, und dies nicht nur auf Vasen[27]. Die Satyr­spiele kamen erst etwa fünf Generatio­nen nach dem ersten bekannten Auftau­chen des Fabelbwesens auf.

Isler-Kerényi hebt den Verwendungszweck der bemalten Vasen hervor - sie begleiteten die Symposien: halb-private Anlässe oder Zusammenkünfte von Bürgern, an welchen (viel) Wein konsumiert wurde - wo aber auch Gelegen­heit war für Gespräche.Es wur­den aktuelle Probleme diskutiert, man freute sich am Rezitieren von Dichtung, sang Lieder und machte Liebe.[28] Dionysos war also in Gedanken und Vorstellung der Bürger speziell aktiv und präsent.

Von zahlreichen Gelehrten wurden die Satyre vom griechischen Pantheon verbannt, weil die freizügige Sexualität der Abbildungen für christliches Empfinden kaum mit religiösen Hintergründen vereinbart werden konnte.

Nach Isler-Kerényi wollten die Vasenmaler jedoch auf die Gefährlichkeit der Satyre hinweisen. Die Bilder erzählen Geschichten und vergleichen gleichzeitig die Teilneh­mer eines Symposiums mit den Satyren. Ihnen wird sozusagen ein Spiegel vorgesetzt.

Diese These wird zusätzlich mit der Beobachtung unterstützt, dass Satyre in den Bildge­schichten meist Sterbliche begleiten und immer wieder mit dem Betrachter zu kommu­nizieren versuchen.

Satyre sind oft in der Weise abge­bildet, dass sie fragend, grinsend, sinnierend aus dem Geschichtszusammen­hang zum Betrachter sehen. Der Betrachter könnte dadurch be­merken, wie viel eines Satyrs, in gutem oder bösen, in ihm steckt. Er könnte auch vorü­ber­gehend seine menschliche Identität aufgeben und sich wie ein Satyr fühlen. Dies unterstützt möglicherweise auch das Aufkommen der Augenschalen, welche gleich ei­ner Maske, den Trinkenden kurzfristig in ein Fabelwesen verwandelt.

Einen Bezug zum Göttlichen erhalten Satyre bei Dionysos‘ Geburtsmythos und bei der Herstellung des Weines. Dieser Prozess des Erntens, des Zerstörens der Frucht, die Metamorphose vom süssen Fruchtsaft zum berauschenden Wein, kann eine religiöse Dimension der Satyre anspielen. Der Satyr in der Rolle des rituellen Initiators?

Schlussbetrachtung

Dionysos und Satyr sind dermassen prominent auf Vasenbildern vertreten, besonders auf den rotfigurigen, dass man mit gutem Grund annehmen kann, dass es sich um ein besonders beliebtes Motiv handelte.

Trotz der teils der­ben, für heutiges Empfinden pornografischen Ikonografie, haben die Motive nichts Moralisierendes. Die Bilder, mit ihren dionysischen Extravaganzen, kön­nen als Aufmunterung verstanden werden, sich am Wein, am Rausch, am Festgelage, an der geschlechtlichen Liebe, am Leben ganz allgemein zu freuen –und dies als ein Ge­schenk der Götter anzunehmen.

Die Satyre sind ambivalente Mittler, zwi­schen Dionysos, dem Göttlichen, welcher den Ausgleich und das Mass reprä­sentiert, und den sterblichen Bürgern, die aufgefordert sind, das Symposium dionysisch zu geniessen.

Mal treten die Satyre auffordernd, mal eher mah­nend auf. Der Betrachter entscheidet selbst, was er tun und was er lassen will. Eine Clownerie, die Moral und Spass, auf eine, für unser heutiges Empfinden oftmals allzu direkte Weise vor Augen führt. Eine Art sich am Leben zu freuen, die damals wie auch heute, doch eher und ausschliesslich, männlich geprägt sein dürfte.

Bibliographie

Allgemeine Bibliographie

Brauneck/Scheinlin, Theaterlexikon. Hamburg, 1992.

Antike Bibliographie

Heraklid. Fragmente.

Fachspezifische Bibliographie

Boardman John, Early Greek Vase Painting, London, 1998.

Boardmann John, Rotfigurige Vasen aus Athen - die klassische Zeit. Übersetzung: Constanze Buchbinder-Felten und Florens Felten, Mainz, 1989.

Delavaud-Roux Marie-Hélène, Les danses dionysiaques en Gréce antique. Hrsg. L'Univ. de Provence, Aix-en-Provence, 1995.

Fränkel Charlotte, Satyr- und Bakchennamen auf Vasenbildern. Halle a.S., 1912.

Gilbert, Otto, Die Festzeit der attischen Dionysien, Göttingen, 1872.

Isler-Kerényi Cornelia, Civilizing Violence - Satyrs on 6th-Century Greek Vases.

Fribourg/Göttingen, in Academic Press Fribourg, 2004.

Kloft Hans, Mysterienkulte der Antike, München, 2003.

Krumeich Ralf, Das griechische Satyrspiel, Hrsg. Pechstein, Seidensticker Krumeich, Darmstadt, 1999.

Nilsson Martin P., Dionysiac Myteries of the Hellenistic and Roman Age. Lund, 1957.

Petiscus, A.H., Mythologie der Griechen und Römer, Leipzig, 1871.

Mysterienvillacubiclum 5

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die oder (auch Villa Item in älterer Literatur) ist eine römische Villen­anlage nahe Pompeji, die beim Aus­bruch des Vesuv im Jahr 79 verschüt­tet wurde. Aufgrund der dort gefundenen Fresken mit Darstellun­gen dionysischer Mysterien, ist die Villa einer der bedeutendsten Fun­dorte der klassischen Archäologie.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Villa hatte im 2. Jahrhundert v. Chr. einen klar gegliederten, ach­sensymmetrischen Grundriss, wurde aber später immer wieder vergrößert, umgebaut und aufgestockt.

Das eigentliche Mysterium, welches dieser Villa den Namen gab,befindet sich im Raum 5, cubiculum 5.

Einige Bilder der Villa zeigen die für den 2. Stil typische Scheinarchitektur wie z. B. Säulen, Scheinmauerwerk und ähnliches, wie auch Ausblicke auf illusio­nistische Landschaften. Es finden sich aber auch Fresken, die man dem 3. Stil, dem Kandelaberstil, zuordnet.

Stile der pompeijanischen Wandmalerei

Der Mauerwerkstil (Inkrustationsstil), 200 - 80 v. Chr.

In der Anfangsphase des Mauerwerkstils wurden die Wände zunächst mit Kalkputz verputzt.

Aus dem noch frischen Kalkputz formte man Steinquader, auf die man anschließend mit Pinsel und Farbe Marmorimitationen aufmalte. Im späteren Verlauf verzichtete man auf die Ausformung des Putzes und malte direkt auf die glatte Wand. Dadurch wurde es möglich, auch vor der Wand lie­gende Tür- und Fensterrahmen, Säulenreihen oder Gebälk zu malen. Weniger gut betuchte Hausbesitzer Pompejis imitierten so die mit echtem Marmor ver­kleideten Hauswände von Bürgern der Oberschicht.

Der Architekturstil (Illusionsstil), 80 - 30 v. Chr.

Zu Beginn des Architektur- oder Illusionsstils malte man architektonische Elemente mit Licht- und Schatteneffekten.

Die aufgemalte Architektur entfaltete nun dreidimensionale Wirkung, wodurch die Darstellungen täuschend echt aussahen. Populäre Motive waren Fenster, Säulen und Bögen. Im weiteren Verlauf entstanden Wandöffnungen mit Durchblick auf entfernt im Hintergrund liegende Gärten oder Landschaften mit perspektivischer Darstellung. Statuen, menschliche Gestalten, Tiere, Pflanzen und allerlei Gegenstände kamen hinzu.

Der Kandelaberstil (Ornamentstil ), 20 v. - 50 n. Chr.

Charakteristisch für diesen Stil war die zunehmende zweidimensionale Darstel­lung der architektonischen Motive.

Die Raumillusion ging verloren, wodurch sich die Architektur in die Wand zurückzog. Säulen wurden dünner und wir­kten wie Ornamente. Eine feine und zerbrechlich wirkende Ornamentik auf monochromem Untergrund setzte sich mehr und mehr durch. Lebhafte Farben wurden bevorzugt. Zwischen den Ornamenten in der Mitte der Wand, fanden sich nun genaue Darstellungen von Personen oder Szenen aus der Mythologie. Durch ihre impressionistische Darstellung standen diese in starkem Gegensatz zur Strenge der umgebenden Dekoration.

Der Phantasiestil (Illusionsstil), 40 - 80 n. Chr.

Der vierte Stil entstand noch vor dem Erdbeben von 62. n.Chr und wurde durch den Ausbruch des Vesuvs 79 n. Chr. beendet. Dieser Stil nahm das Illu­sionistische des Architekturstils wieder auf. Die Scheinarchitekturen wurden noch phantastischer und glanzvoller gemalt, eine Kunstwelt, die der realen Welt gegenübergestellt wurde. Aneinandergereihte Tücher und Teppiche mit textilen Mustern, schwebende Figuren, Girlanden, Tiere und Fabelwesen. Horizontal und vertikal verlaufende Ornamente standen dazu im Gegensatz. Die Einzelheiten wurden flüchtiger, skizzenhafter und schwungvoller gemalt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Mäander ist ein seit dem Neolithikum verwendetes orthogonalesOrnament. Der Name entstand in Anlehnung an die gleichnamigen Flussschlingen. Eine Sonderform des Mäanders ist der sogenannte Doppelmäan­der. Dieser besteht aus zwei entgegengesetzt verlaufenden Mäan­dern.

Mäander finden sich zum Beispiel in den Bordüren von Gewändern oder als strukturbetonendes Relief und als Fries in der Architektur. Wir finden sie als Doppelmeander auch in der Villa Mysterii.

In der griechischen Antike steht dieses Ornament für die Erlangung der Ewig­keit als Dauer in der Zeit durch Reproduktion. Ein alterndes Wesen setzt ein junges an seine Stelle und erlangt so Unsterblichkeit. Das ältere Wesen rollt sich zusammen, während sich ein junges entfaltet. Es ist eine Anspielung auf den uralten und ewig jungen Gott Eros und die sich ewig erneuernde Energie des Kosmos.

Dass in der Villa de Mysterii im cubiculum 5 ein Doppelmeander das Fries ein­rahmt, ist daher kaum ein Zufall und steht wohl in direkter Verbindung mit der dionysischen Bedeutung der Szenen.

Der Dionysiskult

Dionysoshat eine exoterische und eine esoterische Erscheinungsform.

Der exoterische Dionysos ist ein lustiger, harmloser Gott des Weines.Der esoterische Dionysos dagegen ist ein Gott fundamental ernster Dimension. Er ist das Gegenstück zum Gott der Unterwelt:

Denn wäre es nicht Dionysos, dem sie den Umzug machen und das Lied singen vom Phallos , sonst ist es ganz schamloses Treiben. Ein und derselbe aber sind Hades und Dionysos, dem sie toben und feiern, sagt Heraklit.[29]

Offenbar, weil Dionysos ein Gott der Unterwelt ist, wurde er von den Griechen auch mit dem ägyptischen Osiris gleichgesetzt[30]. Allerdings scheint Dionysos, ähnlich wie die Unterweltsgöttin Persephone, periodisch auf- und abzusteigen, und so ist Dionysos letzten Endes ein typischer „sterbender und auferstehen­der“ Gott an der Seite einer Großen Mutter, wie er auch im Mittelpunkt anderer Mysterienkulte steht.

Dionysien waren im antiken GriechenlandFestspiele zu Ehren des Gottes Dionysos, des Gottes der Ekstase, des Rausches, der Verwandlung, des Weins.

Was als religiöser Kultthrakischen Ursprungs mit Umzügen begann, entwi­ckelte sich in Athen zu einem Fest, den sogenannten "städtischen Dionysien".

Aus den aus kultischen Gesangs-, Tanz- und Opferriten entwickelten sich die griechische Tragödie und Komödie in religiösem Kontext.

Beschreibung des cubi­culum 5

Es handelt sich um einen rechteckiger Raum von ca. 4 x 7 m.

Innerhalb der Villenanlage, ist es die attraktivste Lage, denn der Raum kommuniziert einerseits mit einem klei­neren Raum, möglicher­weise ein Schlafgemach, und der Raum blickt auf einen Porticus, c ryptoporticus, welcher den Blick aufs Meer erlaubt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Man kann davon ausge­hen, dass diese Räume von jener Person bewohnt waren, welche sich dem dionysischen Ritus hingegeben hat, und auch, dass diese Räume zur Privatsphäre dieser Person gehörten.

Es wird vermutet, dass es sich um die Gemächer der Domina handelte, der Hausherrin also. Vielleicht war es auch so, dass der Hausherr, ganz Gentlemen, die am besten gelegenen Gemächer seiner Gattin überliess.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Fries in cubiculum 5 umfasst die beinahe lebensgroße, megalographische, Darstellung von 29 Personen, welche auf einem Podium in trompe l‘oeil Tech­nik aufgestellt sind. Die Art des Malstils, wird dem zweiten Stil zugerechnet, der Phase 1b[31].

Gemalt wurde in Fresko, ein glatter Verputz welcher in nassem Zustand bemalt wurde.

Der Fries verläuft über alle 4 Seiten des Raumes, wobei nur zwei Seiten (NW und NO) einen geschlossenen Ablauf der bildlichen Erzählung zulassen, sieht man von einer schmalen Tür ab, welche den Raum auf der Seite NW mit dem Nebenraum verbindet. Die beiden anderen Seiten (SW und SO) werden entwe­der durch den Haupteingang oder ein Fenster unterbrochen – der Blick fällt aufs offene Meer.

[...]


[1] Chrisostomos J., L’Antiquité Expliqué en Figure, Enzyklopädie

[2] In der früh-römischen Religion gab es keine Götter in menschlicher Gestalt. Die Religion war animistisch und es galt das Numen, ein abstrakter Begriff für das Wirken einer wahrgenommenen Gottheit. Im römischen Kaiserkult war es das numen Augusti, das nicht den amtierenden Kaiser bezeichnete, sondern die ihm innewohnende Gottheit. Anthropomorphe Gottheiten kamen bei den Römern erst mit dem Einfluss griechischer Kultur auf.

[3] Anthropopathismus

[4] Darwin Ch., 1872

[5] Schmidt R., 2006

[6] Nur Matthäus blieb was er war – ein Mensch.

[7] Ryder R., 1970

[8] Vendries Ch., 2007

[9] Aphrodite à la Tortue, Musée du Louvre, Paris

[10] Pnder Jürgen, 2010

[11] Heraklit, Fragmente 15

[12] Herodot, Historien II, 42. 48. 61. 132. 144. 170

[13] Kloft 2003, 26

[14] Nilsson 1957, 143

[15] Konversationslexikon 1885 - 1892

[16] Krumeich 1999, 5

[17] Nach Daremberg soll es sich dabei um einen speziellen Anzug handeln, an welchem man Heu befestigen konnte (chiton).

[18] Krumeich 1999, 13

[19] Boardman, Early Greek Vase Painting 1998, 184

[20] Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen - die klassische Zeit 1989

[21] Fränkel 1912, 6 - 7

[22] Antike Naturforscher gaben einer Affenspezies, welche dem Silen ähnlich sieht, den Namen Satyrus. (Fränkel 1912, 23)

[23] Auf der François-Vase wird das Fabelwesen Satyr erstmals benannt, „Silenoi“.

[24] Fränkel 1912, 20

[25] Fränkel 1912, 26

[26] Boardman, Rotfigurige Vasen aus Athen - die klassische Zeit 1989, 234-235

[27] Homer. Ven. 262

[28] Isler-Kerényi 2004, 1

[29] Heraklit, Fragmente 15

[30] Herodot, Historien II, 42. 48. 61. 132. 144. 170

[31] nach H.G. Beyen

Ende der Leseprobe aus 185 Seiten

Details

Titel
Aufsätze zur Archäologie
Untertitel
Band 1 2009/10
Hochschule
Université de Fribourg - Universität Freiburg (Schweiz)
Autor
Jahr
2010
Seiten
185
Katalognummer
V154770
ISBN (eBook)
9783640671465
ISBN (Buch)
9783640671588
Dateigröße
2647 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Nilmosaik, Palästrina, Fibeln, Bronzen, römisch, Ägyptologie, Thermen, Helvetien, Helveter, Bestattungssitten, Bestattungsrithen, Bestattungsriten, Begleitung in den Tod, Ägyptische Sargtexte, Handwerk, soziale Aspekte Handwerk, römisches Handwerk, Glas, römisches Glas, Bildbetrachtung, antike Kunst
Arbeit zitieren
Dominique Oppler (Autor:in), 2010, Aufsätze zur Archäologie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/154770

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