Missing Link: Körper. Ein Workshop zum besseren Umgang mit Konflikten in Unternehmen

Einverleibung einer konstruktiven Haltung bei der Erarbeitung von Konfliktklärungssystemen


Masterarbeit, 2009

69 Seiten, Note: ausgezeichnet


Leseprobe


INHALTSVERZEICHNIS

VORWORT

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ABSTRACT

1 EINLEITUNG
1.1 Ein paar Gedanken zu Beginn
1.2 Ausgangslage
1.3 Forschungsfragen und Hypothesen
1.4 Grober Aufbau

THEORETISCHER TEIL

2 BEGRIFFSANALYSE KONFLIKTMANAGEMENT
2.1 Konfliktmanagement
2.1.1 Analytische und mediative Ansätze
2.1.2 Kooperative Ansätze
2.2 Kooperative konstruktive Konfliktklärungssysteme
2.3 Konfliktlösung versus Konfliktklärung
2.3.1 Konfliktlösung
2.3.2 Konfliktklärung
2.4 Begriffshierarchie
2.5 Ansätze der Erarbeitung systematischer Behandlung von Konflikten
2.6 Schlussfolgerungen Begriffsanalyse

3 EINE KONSTRUKTIVE HALTUNG
3.1 Definition
3.1.1 Haltung
3.1.2 Konstruktive Haltung
3.2 Ergebnis

4 EINE KONSTRUKTIVE HALTUNG ÜBER DEN KÖRPER SCHULEN
4.1 Erste Hypothese
4.2 Als konstruktiv wahrgenommene Haltungen und Verhaltensweisen
4.3 Zusammenfassung und Fazit des bisher Gesagten
4.4 Zusammenhang von inneren und äusseren Verhaltensweisen
4.4. 1 Denken
4.4.2 Somatische Marker
4.4.3 Sensorische Engramme
4.4.4 Schlussfolgerung aus den betrachteten Body-mind-Zusammenhängen
4.5 Sozial adäquates Verhalten
4.6 Rückschlüsse auf Verhalten im Konflikt
4.7 Beantwortung der ersten Hypothese

5 EINE KONSTRUKTIVE HALTUNG ÜBER DEN KÖRPER LERNEN
5.1 Zweite Hypothese
5.2 «Verkörperung» einer konstruktiven Haltung
5.3 Wechselwirkung von Soma und Psyche
5.4 Erlernen einer neuen Haltung
5.4.1 Tendenz des Lernens bisher
5.4.2 Möglichkeiten des Lernens über den Körper
5.4.3 Zürcher Ressourcen Modell (ZRM)
5.4.4 Körperarbeit
5.5 Zwischenresultat für die zweite Hypothese

PRAKTISCHER TEIL

6 METHODIK DER PRAKTISCHEN ÜBERPRÜFUNG
6.1 Grundlagen für die Erarbeitung
6.2 Überblick Methodik
6.3 Komponente 1
6.3.1 Beobachtung
6.3.2 Fragebogen 1
6.3.3 Eckdaten Fragebogen
6.3.4 Teilnehmer-Daten
6.4 Komponente 2
6.4.1 Workshop 1
6.4.2 Workshop 2
6.4.3 Workshop 3
6.4.4 Theoretische Hilfsmittel
6.5 Komponente 3: Zwischen- und Schlussfragebögen

7 ERSTELLUNG DER WORKSHOPS
7.1 Zugang zur körperlichen Wahrnehmung
7.2 Vorkenntnisse der Teilnehmer
7.3 Relevanz für die Workshops
7.4 Wunsch nach Empathie-Training
7.5 Konsequenz für den Workshop

8 AUSWERTUNG DER WORKSHOPS BETREFFEND DIE ZWEITE HYPOTHESE
8.1 Beobachtungen Workshop 1
8.2 Ergebnisse Workshop 2 und 3
8.3 Beantwortung der zweiten Hypothese

9 AUSWERTUNG DER WORKSHOPS BETREFFEND DIE DRITTE HYPOTHESE
9.1 Dritte Hypothese
9.2 Resultate aus Workshop 1
9.3 Resultate aus Zwischenfragebogen 1 und 2
9.4 Interpretation der Resultate
9.5 Resultate aus Zwischenfragebogen 2
9.6 Schlussfolgerungen für die Workshopauswertung

10 VERÄNDERUNGEN IM UMGANG MIT KONFLIKTEN
10.1 Veränderungen vor und nach den Soft-Skills-Workshops
10.1. 1 Allgemein wahrgenommene Veränderungen
10.1.2 Konkrete Veränderungen im Umgang mit Konflikten
10.2 Veränderungen über ein Jahr
10.3 Beantwortung der dritten Hypothese
10.4 Auswirkungen auf das Konfliktklärungssystem

11 BEANTWORTUNG DER FORSCHUNGSFRAGEN
11.1 Ergebnisse
11.2 Mögliche Einwände

12 ZUSAMMENFASSUNG

13 AUSBLICK

14 DANK

15 LITERATURVERZEICHNIS

Vorwort

In der vorliegenden Arbeit habe ich die Thesis einer dreiteiligen Arbeit im Rahmen eines Master-Lehrgangs in Mediation, Konfliktforschung und Implementierung konstruktiver Konfliktlösungssysteme für die Publikation aufbereitet. Insbesondere wurde auf vertrauliche Informationen und auch die vollständigen Anhänge verzichtet.

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Begriffshierarchie

Abb. 2: Räumliche Positionen

Abb. 3: Persentio-Hörer

Abb. 4: Ergebnisse Workshop 1

Abb. 5: Häufigkeit der Anwendung

Abb. 6: Wahrnehmung der Veränderung

Abb. 7: Künftige Anwendung

Abb. 8: Wahrnehmung vorher/nachher „Selbst“

Abb. 9: Wahrnehmung vorher/nachher „Dritt“

Abb. 10: Veränderungen allgemeine Selbsteinschätzung

Abb. 11: Persönliches Konfliktverhalten vorher/nachher

Abb. 12: Veränderung im Konfliktumgang

Abb. 13: Konkrete Veränderungen

Abb. 14: Gesamtauswertung Veränderungen

Abb. 15 Veränderungen über ein Jahr 1

Abb. 16: Veränderungen über ein Jahr 2

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

Vorliegende Arbeit befasst sich mit der Möglichkeit der Integration einer „Haltungsschulung“ in die Erarbeitung eines Konfliktklärungssystems (KKS). Konstruktive KKS unterscheiden sich von Top-down-Konfliktmanagement u.a. darin, dass im Laufe der kooperativen Erarbeitung den Mitarbeitern auch eine konstruktive konfliktklärende Haltung vermittelt werden soll.

Anhand von Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften und der Körperarbeit wurde ein dreiteiliger Workshop mit Heimübungssequenzen erstellt, welcher in Form einer Haltungsschulung den Körper in das Zentrum des Lernens stellt.

Die Inhalte der Workshops sowie Wirkungen und Resultate wurden mit Mitteln der empirischen Sozialforschung erhoben. Teile der Visualisierung der Resultate erfolgten mit informellen statistischen Graphiken.

An der Studie nahmen 6 freiwillige weibliche Personen aus einem Alters- und Pflegeheim verschiedenen Alters und gemischter Herkunft teil.

Das Ergebnis aus Fragebogenerhebungen zeigt, dass sich bereits nach einer dreiwöchigen Ausführung der Heimübungen, Verbesserungen im persönlich wahrgenommenen Umgang mit Konflikten einstellten. Alle Teilnehmerinnen meldeten eine Steigerung der Selbstwahrnehmung im Konflikt und einen bemerkenswerten Anstieg an Hoffnung und Vertrauen auf einen künftig besseren Umgang mit Konflikten in ihrem Unternehmen.

This paper looks at the possibility of integrating a posture-Training into the development of a Conflict Clarification System (CCS). One of the goals of cooperative development of a CCS - in contrast to top-down conflict management approaches — is to transfer a constructive conflict clarifying attitude to participants.

A three-part workshop, containing homework exercises, has been created integrating understandings from neuroscience and bodywork and which puts the body in the centre of the learning process of posture-Training.

Contents have been created and effects and results have been assessed and evaluated with methods of empirical social research and non-formal Statistical Graphics have been used for parts of the visualisation.

Voluntary participants in the workshop were six female employees of an old peoples home, they represented a range of ages and intercultural backgrounds.

The results of questionnaire assessments show an improvement in dealing with conflicts, when exercises where done over a period of three weeks. All participants reported an increase of self­awareness in conflict situations and a remarkable increase in hope and trust that conflicts within their company will be better dealt with in the future.

1 Einleitung

"Ziel eines jeden Konfliktmanagementsystems ist es, den bisherigen Umgang mit Konflikten zu ändern." (Schmidt, 2008, S.12)

1.1 Ein paar Gedanken zu Beginn

Der Gesundheitsbereich unterlag in den vergangenen Jahren einem starken Wandel. Kosteneindämmung und Gesundheitsförderung stehen im Brennpunkt der Diskussion. Pflegekräfte verlassen ihren Beruf oft früher, als Angehörige anderer Berufe (vgl. Hasselhorn H.-M., et al., 2005). Im Bereich Pflege, wo Ressourcen-Knappheit in ungleichem Gegensatz zu steigendem Bedarf der Pflegebedürftigen steht, wird der Ruf nach innovativen Wegen wach, um die physische und psychische Beschäftigungsfähigkeit von Pflegekräften zu erhalten und zu fördern (vgl. baua, 2009).

Konflikte beeinträchtigen nicht nur die Leistungsfähigkeit der Mitarbeiter, sondern auch deren Gesundheit. Eine systematische Erfassung und Bearbeitung von Konflikten kann einen nicht unerheblichen Beitrag zu einer verbesserten Arbeitssituation des Pflegepersonals und damit zu einer höheren Attraktivität des Arbeitsplatzes Pflege leisten. Dafür braucht es ein passendes und funktionierendes Konfliktmanagement, welches die speziellen Bedürfnisse der Mitarbeiter berücksichtigt. Die kooperative Erarbeitung eines konstruktiven Konfliktklärungssystems eröffnet diese Möglichkeit.

Kooperativ erarbeitete konstruktive Konfliktklärungssysteme bieten zudem eine Plattform für einen selbst gestalteten Wandel von eher hierarchisch geführten Unternehmen hin zu mehr Selbstverantwortung der Mitarbeiter. Dies bedingt die Förderung der Mitarbeiter durch Stärkung ihrer Kompetenzen.

Übertragung von mehr Selbstverantwortung wird nicht überall mit offenen Armen empfangen. Gerade im Bereich Pflege, wo man sich ein eher hierarchisch geregeltes Vorgehen gewöhnt ist und dadurch auch Verantwortung und Belastung abgeben kann, kann diese Forderung rasch zur Überforderung führen. Die Menschen müssen zuerst erkennen, dass es sich bei dem Geschenk nicht um ein Trojanisches Pferd handelt und zu dieser „neuen Haltung“ hingeführt werden.

1.2 Ausgangslage

Im Rahmen eines Master-Lehrgangs erarbeitete die Autorin gemeinsam mit zwei Kollegen und den Mitarbeitenden eines Alters- und Pflegeheim über ein Jahr ein konstruktives Konfliktklärungssystem.

Nach Eskalation einer durch die Führung begleiteten, bereits länger andauernden Auseinandersetzung in einer Pflegeabteilung der Institution entstand bei den Projektteilnehmern die Befürchtung, dass die Erarbeitung des Konfliktklärungssystems zu blosser Makulatur verkommen könne. Die Hälfte der Projektgruppe, bestehend aus 14 Personen, wollte lernen, mit Interpersonellen Konflikten konstruktiv umzugehen und Eskalationen zu vermeiden.

Diese 7 Personen suchten nach einem Weg, wie man im Unternehmen den Umgang miteinander verbessern könne. Der Funke für eine konstruktive Konflikthaltung sollte auf alle Mitarbeiter überspringen und der Beginn eines Selbstorganisierten Handelns initiiert werden.

Die Teilnehmerinnen suchten nach einer Möglichkeit, künftig autonom und bewusst auf ihre eigene Konflikthaltung einwirken zu können. Dies sollte in einer leicht verständlichen und am „eigenen Leib“ erfahrbaren Art und Weise erlernt und angewandt werden können. Bisherige Schulungen versagten, wenn die Teilnehmerinnen unter grossem Druck standen.

Aus dieser Grundkonstellation entstand die Forschungsfrage.

1.3 Forschungsfragen und Hypothesen

„Wie könnte eine „konstruktive Haltung“ im Konflikt so erlernt werden, dass sie auch unter Druck noch bestehen bleibt?“

„Welche Wirkungen zeigen Workshops, welche den Körper in das Zentrum des Lernens stellen?“

Diese Fragen wurden theoretisch und praktisch erforscht. Dazu wurden folgende Hypothesen überprüft:

Hypothese 1: Die Schulung einer konstruktiven Haltung soll auch über den Körper erfolgen. Hypothese 2: Eine konstruktive Haltung kann über den Körper erlernt werden.

Hypothese 3: Das Erlernen einer konstruktiven Haltung über den Körper sollte einen Einfluss auf die Selbstwahrnehmung der Teilnehmer haben, und damit sollte sich ihr Umgang mit Konflikten nach ihrer Eigenwahrnehmung verbessern.

1.4 Grober Aufbau

Eingangs wird dargestellt, wie Konfliktmanagement in der gängigen Literatur definiert wird und wie sich das Konstruktive Konfliktklärungssystem darin einfügt.

Danach soll durch Literaturstudium ermittelt werden, was unter einer „konstruktiven Haltung“ zu verstehen ist und wie die gegenseitige Beeinflussung innerer und äusserer Haltung über die Neurowissenschaften erklärt werden könnte. In einem nächsten Schritt soll anhand der Literatur untersucht werden, ob eine konstruktive Haltung über den Körper geschult werden sollte und warum und wie sie über den Körper erlernt werden könnte.

Schliesslich wird im praktischen Teil das Forschungsprojekt dargestellt, indem Methodik und Resultate präsentiert und diskutiert werden.

Nach Beantwortung der Forschungsfrage schliesst die Arbeit mit einer Zusammenfassung und einem kurzen Ausblick.

THEORETISCHER TEIL

2 Begriffsanalyse Konfliktmanagement

Um der Frage nachgehen zu können, ob es sich bei der Erarbeitung eines Konfliktklärungssystems anbietet, Körperlernen als Instrument zu integrieren, wird zunächst versucht, den Begriff «Konfliktmanagement» zu klären; anschliessend soll untersucht werden, wie sich das Konfliktklärungssystem inhaltlich zu andern Begriffen in Beziehung setzt und wie in den verschiedenen Bereichen vermutlich geschult wird.

2.1 Konfliktmanagement

2.1.1 Analytische und mediative Ansätze

In Literatur und Umgangssprache findet man noch kaum klare Begriffsdifferenzierungen für die Behandlung von Konflikten. Glasl (2004) plädiert für eine klarere Differenzierung und zeigt mögliche Begriffsabgrenzungen auf. Er bildet einen Überbegriff «Konfliktbehandlung», welcher jede Form von Bemühung bezeichnet, auf einen Konflikt einzugehen (Glasl, 2004, S. 20). Es folgt eine Aufteilung in präventive und kurative Konfliktbehandlung. Während sich präventive Massnahmen mit Konfliktvermeidung befassen, behandelt kuratives Einwirken bereits laufende Konflikte (Glasl, 2004, S.21).

Weiter unterscheidet er drei Aspekte, auf die ein Konflikt gerichtet sein kann:

- das Konfliktpotenzial, welches sowohl persönliche als auch sachliche Faktoren betrachtet, welche Konflikte zur Eskalation führen können,
- den Konfliktprozess, welcher sich auf die Kette reziproken Verhaltens konzentriert und
- die Konfliktfolgen, welche sich mit den Auswirkungen des Konfliktprozesses beschäftigen.

Nach Glasl beinhaltet Konfliktmanagement Interventionen, welche sich hauptsächlich auf den Konfliktprozess richten.

Dem Konfliktmanagement liegt nach Glasl oft die Auffassung zugrunde, „dass Gegensätze wesentliche Elemente des sozialen Lebens sind und deshalb die Konfliktparteien lernen sollten, mit ihnen weniger destruktiv umzugehen.“ (Glasl, 2004)

Die einfachste Form des Konfliktmanagements beschreibt Kerntke folgendermassen:

"Konfliktmanagement in seiner einfachsten Form heisst für uns: Das Gesamtgefüge aus Macht, Regeln und Vermittlung im Unternehmen beschreiben und auf seine Funktionalität prüfen, und dann gegebenenfalls die erforderlichen Änderungen anbringen. Und anderseits im Einzelfall jeweils einen klaren und kommunizierbaren Plan entwickeln, welche der Ansätze angewandt werden sollen und in welcher Weise."

Das Hauptgebot dabei sei Transparenz.

Als Antwort auf eine steigende Komplexität stellt Kerntke weiter das Entwicklungsorientierte Konfliktmanagement vor, das basierend auf Mediation 5 Ebenen beinhaltet:

1. Ebene: Das Arbeiten mit den Parteien in Form von Mediation.
2. Ebene: Der Einbezug der Stakeholder, d.h. von Personen und Gruppen, welche aus der Konfliktlösung Konsequenzen zu ziehen haben.
3. Ebene: Das Organisationale Lernen, das Feedback nach der Mediation, aus dem die Organisation ein Wissen für einen Veränderungsanreiz ziehen kann.
4. Ebene: Die Berücksichtigung der Entwicklungsphase, in welcher die Organisation steckt.
5. Ebene: Die Entwicklungsorientierung; hierin wird die Impulskraft des Konfliktes gesehen und es wird versucht, ihr im Hinblick auf die Entwicklung eine sinnvolle Richtung zu geben.

Der Konflikt wird als Motor des Wandels erkannt. Indem man die Konfliktdynamik in die Konfliktbehandlung mit einbezieht, hilft Konfliktbearbeitung, den Wandel zu gestalten.

"Die Wahl des richtigen Konfliktbearbeitungsansatzes und die Art seiner Ausgestaltung kann die weitere Entwicklung der Organisation fördern."

(Kerntke, 2004)

Erstmals bei Schmidt (2008) finden wir eine Unterscheidung der Begriffe Konfliktmanagement und Konfliktmanagementsystem:

Konfliktmanagementsystem beinhaltet nach ihm: "alle Individuen, Teile, Aktivitäten, Methoden und Prinzipien eines Unternehmens, die zur Lösung eines Konflikts dienen", während "Konfliktmanagement eine Intervention beschreibt, die sich hauptsächlich auf den Konfliktprozess beschränkt, so dass Konflikte einen geregelten Verlauf nehmen." (Schmidt, 2008, S. 13 f.).

Als Ziel des Konfliktmanagements wird eine Veränderung des bisherigen Umgangs mit Konflikten in einem Unternehmen angestrebt (Schmidt, S. 12).

Ein Einbezug der Stakeholder in die Entwicklung des Konfliktmanagementsystems ist bei ihm nicht zu finden. Er propagiert eine gut ausgewählte Projektgruppe, welche die Gesamtheit der Bedürfnisse und des Know-how widerspiegelt.

Sowohl bei Glasl, als auch bei Kerntke und Schmidt wird Konfliktmanagement als Führungsaufgabe definiert. Eine gegenläufige Meinung ist nicht sichtbar.

Sowohl Kerntke als auch Schmidt weisen darauf hin, dass das Konfliktmanagement seiner Natur nach dem Changemanagement zuzurechnen sei.

Schmidt ergänzt, dass es sich beim Konfliktmanagementsystem um ein „Top-Down- Change“-Prinzip handelt.

Der Begriff „Konfliktmanagement“ wird von diesen Autoren nicht einheitlich definiert. Es stellt sich vielmehr als Prozess dar, für dessen Zielerreichung verschiedene Instrumente zur Verfügung stehen.

Der Haupttenor bei der Erstellung eines Konfliktmanagementsystems liegt bei den bisher vorgestellten Autoren auf stark analytischen und gut geplanten Vorgehensweisen.

2.1.2 Kooperative Ansätze

Costantino/Merchant (1996) stellen das interessenbasierte Konfliktmanagement vor. Sie unterscheiden zunächst "dispute" von "conflict" und definieren Konflikt als einen Prozess.

"Conflict is the process of expressing dissatisfaction, disagreement, or unmet expectations with any organizational interchange; a dispute is one of the products of conflict."

Das Konfliktmanagement fokussiert dementsprechend nicht auf Streitbeilegung, sondern auf die Formung der Prozessabläufe bei Konflikten. Wie Costantino/Merchant zeigen, kann sich Konflikt in einer Organisation in vielerlei Formen zeigen: Streit/Auseinandersetzung, Wettstreite, Sabotage, Ineffizienz, niedrige Arbeitsmoral, Wissensverweigerung etc. Diese zu erkennen, zu erfassen und sie mit den geeigneten Mitteln zu behandeln bezeichnen sie als Aufgabe des Konfliktmanagementsystems.

Als Alternative zu reinen "Dispute Resolution Systems", zeichnen Costantino/Merchant ein Bild für interessenbasierende Konfliktmanagementsysteme, welche die Ideen der Organisationsentwicklung (OE) der "Alternative Dispute Resolution" (ADR) und des "Dispute Systems Design" (DSD) integrieren. Da Konflikte die ganze Organisation durchdringen, sollte Konfliktmanagement nach Auffassung von Costantino/Merchant (C/M) auch unbedingt als offenes System gestaltet sein.

Als essentiell für ein funktionierendes und weitreichend akzeptiertes Konfliktmanagementsystem sehen die Autorinnen den Einbezug von "Stakeholdern" in den Erarbeitungsprozess. Dabei sehen sie die Rolle der Praktiker als Begleiter, die gemeinsam mit den und nicht für die Organisation und die Stakeholder interessenbasierte Konfliktmanagementsysteme gestalten.

"In many respects, interest-based conflict management systems design is really the mediation of an entire system. It is the designer acting as a facilitator, providing processes, and otherwise assisting the organization and its stakeholders to work together to fashion their own conflict management system."

Die Praktiker müssen sich wie OE-Entwickler stets dessen bewusst sein, dass sie bereits mit ihrem Betreten des Unternehmens etwas in Bewegung setzen. OE-Entwickler sind sich bewusst, dass sie sich selbst als Instrument benutzen können. Ein Bewusstsein über die eigenen Stärken und Schwächen ist Voraussetzung für eine gute Begleitung im Wandel. (C/M, 1996, S. 27)

Ausgehend von der US-amerikanischen Praxis umfasst nach Schoen (2003) ein Konfliktmanagementsystem "die Gesamtheit aller unternehmensinternen Vorgaben und Herangehensweisen an die Konfliktbehandlung."

Als „Systeme“ versteht er die verschiedenen Abteilungen, die jeweils für einen ganzen Aufgabenbereich zuständig sind und verschiedene Aufgabenbereiche in sich vereinen (z.B. Personalsystem, Entlöhnungssystem etc.). Systematische Behandlung von Konflikten erfolgt im gesamten Unternehmen mit all seinen Abteilungen und Unterabteilungen.

Um die Akzeptanz des Konfliktmanagementsystems zu steigern, werden moderne Systeme unter Zusammenarbeit des Unternehmens mit seinen Angestellten und nicht mehr nur durch die Geschäftsführung erarbeitet und umgesetzt.

Der Erfolg und die Akzeptanz des Konfliktmanagementsystems im Unternehmen hängen nach ihm davon ab, wie sehr sich die Mitarbeiter mit diesem identifizieren können. Werden sie in den Erarbeitungsprozess miteingebunden, so steigert das einerseits die Identifikationsmöglichkeit, anderseits erhalten sie grössere Verantwortung für die Konfliktbehandlung. Diese Faktoren sieht er als Garant für eine fortgesetzte Umsetzung des Konfliktmanagementsystems (Schoen 2003, S. 214 f.). Er beruft sich in seinen Darstellungen weitgehend auf Costantino/Merchant.

Bei Costantino/Merchant treten die Menschen im und um das Unternehmen in den Vordergrund. Während bei Kerntke die Entwicklung noch oft aus bestehenden Konflikten eingeleitet wird, wird bei Costantino/Merchant der Konflikt behandelt, bevor es zum Streit kommt. Präventive Aspekte werden wichtiger, obwohl man eigentlich nicht von Prävention sprechen kann, da Konflikt als in der Natur der Sache liegend unvermeidbar wird und daher verwaltet werden muss.

Bemerkbar ist bei Costantino/Merchant ein Wandel der Rolle der Begleiter: Es geht nicht um die Mediation von Konfliktpositionen, sondern vielmehr um die Erleichterung der Kommunikation unter den verschiedenen Interessengruppen. Eine subtile Machtverschiebung weg vom Begleiter hin zum Unternehmen, seinen Mitarbeitern und den Stakeholdern.

2.2 Kooperative konstruktive Konfliktklärungssysteme

Bei Lisa Waas finden wir drei Begriffe mit denen eine Idee erfasst werden soll: „kooperative Konflikt/ö'sungssysteme“ (Waas/Ertl, 2008), „kooperative Konfliktk/ärungssysteme“ (Waas/Ertl, 2007) und der im Master-Lehrgang 2008/2009 verwendete Begriff „konstruktive Konfliktklärungssysteme“. Beschrieben wird durch die Begriffe ein einheitliches Ziel:

"Das Ziel der kooperativen Konfliktlösungssysteme ist, das kreative Potenzial von Auseinandersetzungen innerhalb und zwischen Organisationen zu nutzen und die Eskalation von Konflikten innerhalb eines Systems zu vermeiden."

Unter Verwendung einheitlicher Mittel:

"...ein Angebot von unterschiedlichen Konzepten wie Verhandlung, Moderation, Mediation, Schlichtung - zusätzlich zu Instrumenten zur Analyse und Diagnose von Konflikten sowie Kommunikations- und Kreativitätstechniken. Nach unserem Verständnis gehören auch die Förderung der Selbst- und Sozialkompetenz und Angebote wie Coaching und Supervision dazu."

Weiter betont auch Waas die Wichtigkeit des Einbezugs der Beteiligten, da alle Teilnehmer in Konfliktsituationen sowohl über klare Handlungsoptionen als auch über Zugang zu Hilfen verfügen sollen. Der Gedanke von Costantino/Merchant wird bei Waas nach meinem Verständnis dahingehend erweitert, dass dem Empowerment der Beteiligten verstärkte Aufmerksamkeit geschenkt wird. Mitarbeiterinnen und Führungskräfte sollen sensibilisiert und trainiert werden, um ihre Fähigkeit zur Kooperation und sozialen Kompetenz zu steigern, um damit ihre Fähigkeiten zu kooperativem und konstruktivem Verhandeln zu erweitern. Es soll nicht nur ein System erarbeitet werden, sondern den Beteiligten soll eine „mediative Grundhaltung“ (Waas/Ertl, 2007) vermittelt werden.

2.3 Konfliktlösung versus Konfliktklärung

Die Benutzung verschiedener Begriffe für dasselbe Ziel stiftet Verwirrung; im Folgenden soll ein Versuch einer möglichen klärenden Begriffshierarchie vorgestellt werden.

2.3.1 Konfliktlösung

Hier sollen die Quellen des Konflikts beseitigt werden. Konfliktinterventionen konzentrieren sich auf das Konfliktpotential, indem z.B. die Organisation verbessert wird (Glasl, 2004). Die Vermutung liegt nahe, dass sich für diesen Bereich vor allem Methoden der Organisationsentwicklung und des Changemanagements oder auch das auf Mediation aufbauende Vorgehen von Kerntke anbieten.

2.3.2 Konfliktklärung

Das Ziel liegt nach meinem Verstehen zunächst in gleicher Richtung wie Konfliktlösung. Mit Mitteln der Organisationsentwicklung, des Changemanagements und der Mediation soll das Konfliktpoten%ial in einer Organisation vermindert werden. Aber im Gegensatz zur Konfliktlösung kommt hier noch ein Wirken in Richtung Konfliktpro%esse hinzu. Die Selbst- und Sozialkompetenzen der Beteiligten sollen nämlich zusätzlich gefördert und die Verantwortung für die ursprüngliche und fortgesetzte Entwicklung und Nutzung vielmehr in Richtung der Mitarbeiter verlagert werden.

2.4 Begriffshierarchie

Die Verantwortung für das Konfliktmanagement liegt jederzeit bei der Führung eines Unternehmens. Die Gestaltung, Inhalte und Ausführung des Systems werden beim KonfliktklÄrwngssystem in die Verantwortung des Gesamtunternehmens übertragen, und den Stakeholdern wird eine Tür zur Mitgestaltung geöffnet.

Aus den bisherigen Betrachtungen ziehe ich den auf Abb. 1 dargestellten hierarchischen Begriffsaufbau.

Mit Übertragung der Verantwortung für Konfliktbehandlung an das Gesamtunternehmen steigt aber auch die Verantwortung jedes Einzelnen, das eigene Konfliktverhalten, die Selbstverantwortung und ein autonomes Denken und Handeln zu entwickeln, zu fördern und auch zu pflegen.

Abb. 1: Begriffshierarchie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für mich bedeutet dies im Speziellen, dass den Mitarbeitern Instrumente und Trainingsmöglichkeiten angeboten werden müssen, welche für sie verständlich, leicht erlernbar und auch selbständig und unabhängig von Dritten oder Literaturstudium vertieft und eingeübt werden können.

Die Begriffsdefinition würde demnach wie folgt lauten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.5 Ansätze der Erarbeitung systematischer Behandlung von Konflikten

Bei Schmidt werden Mitarbeiter zwar in den Erarbeitungsprozess miteinbezogen, gedacht wird jedoch primär an systematisierte Arbeitsabläufe in und zwischen den Abteilungen.

Solch geartete Konfliktmanagementsysteme können sachlich erarbeitet werden. Eine Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen scheint hier eher nebenrangig. Betrachtet wird primär, mit welchem Handwerkszeug welche auftretenden Konflikte aufgefangen und behandelt werden können.

Glasl baut seine Studien auf ein Menschenbild auf, welche den Menschen als dreifältiges Wesen versteht. Die Organisation ist etwas, das Konfliktpotential trägt, aber er geht nicht von der Organisation als System aus, in welchem Konflikte gelöst werden müssen. Seine Ausführungen gehen alle in Richtung Analysieren und Verstehen des Menschen und seines Zusammenwirkens mit anderen Menschen. Seine Bemühungen streben wie gesehen primär nach Stärkung und Schulung von Führungskräften und Beratern etc.

Kerntke wiederum stellt die Mediation in den Mittelpunkt der Betrachtung. Ausgehend von einem konkreten Konflikt entwickelt er Wege zu einem Wandel im Unternehmen. Er propagiert Schulung von aussen insbesondere in Richtung Kollegiale Beratung und Konflikt-Perspektiv-Beratung® (a.a.O., S. 112).

Costantino/Merchant und Schoen plädieren zwar für einen starken Einbezug der Mitarbeiter in das Design; Trainings und Schulungen sollen aber primär in Richtung Fähigkeit und Information über das Konfliktmanagementsystem und kurze Kommunikationstrainings gehen.

Costantino/Merchant sehen in der Zukunft einen steigenden Bedarf an präventiven Massnahmen, was meines Erachtens bedeutet, dass die Konfliktsensibilisierung aller Mitarbeiter immer mehr an Bedeutung gewinnen wird.

Bei Waas fällt zunächst auf, dass im Zentrum das kooperative Handeln zu stehen scheint. Neu hinzu treten Gedanken über die Förderung der Selbst- und Sozialkompetenz, sowie neben den üblichen Verfahren auch Coaching und Supervision.

Obwohl eine starke Übereinstimmung mit Costantino/Merchant besteht, verlagert sich meiner Ansicht nach bei Waas die Verantwortung für einen anderen Umgang mit Konflikten noch mehr auf die Stakeholder und jeden einzelnen Mitarbeiter in einem Unternehmen.

Im Gegensatz zu den andern Autoren geht es hier nicht mehr „bloss“ um die gemeinsame Erstellung von Auffangnetzen in einem System, sondern nach meinem Verständnis auch um die Systematisierung und Klärung der Kooperation sowie, um es in den Worten von Waas auszudrücken, die Vermittlung einer „mediativen Grundhaltung“ (Waas/Ertl, 2007). Kooperation und Haltung werden die Basis einer fortgesetzten - kooperativen sowie konstruktiven - Konfliktklärung.

Sie verbindet die Idee des systematischen Behandelns von Konflikten über das ganze Unternehmen mit der Idee einer direkten Kompetenzsteigerung nicht nur der Führungskräfte, sondern auch der Mitarbeiter. Förderung der Selbstverantwortung nimmt dabei einen erheblichen Stellenwert ein.

Aus dem Blickwinkel der Mediation fällt auf, dass im Gegensatz zu Kerntkes Ansatz bei Waas viel stärker eine zentrale Idee der „Transformative Mediation“ (TM) zum Tragen kommt (vgl. Bush/Folger, 1994): das Empowerment der Mediationsparteien.

In der TM kreiert der Mediator einen Raum für die Medianden, in welchem ihnen eine Chance zum Wandel geboten wird. Dabei bleibt der Mediator nicht passiv. Er setzt immer wieder Anreize, welche eine „Transformation“ der Medianden hin zu einem konstruktiven Umgang mit Konflikten ermöglichen sollen. Empowerment heisst in der TM:

„In simplest terms, empowerment means the restoration to individuals of a sense of their own value and strength and their own capacity to handle life’s problems.“ (a.a.O., S.2)

2.6 Schlussfolgerungen Begriffsanalyse

Ein kooperativ erarbeitetes, konstruktives Konfliktklärungssystem stellt die Art und Weise dar, in welcher die Führung ihrer Verantwortung für ein Konfliktmanagement nachkommt. Mit Wahl für diese Form des Konfliktmanagementsystems überträgt die Führung die Verantwortung für das Design Hierarchie- und bereichsübergreifend an das ganze Unternehmen und je nachdem auch an aussenstehende Stakeholder.

Konfliktklärungssysteme fokussieren sowohl auf das Konfliktpoten%ial als auch auf den Konfliktprozess eines Unternehmens.

Die Förderung der Selbst- und Sozialkompetenzen erhält damit einen tragenden Stellenwert. Eine zentrale Aufgabe des Konfliktklärungssystems ist es, neben verschiedenen Angeboten für Konfliktbehandlung, „bei allen Beteiligten eine mediative Grundhaltung zu etablieren.“1 (Waas/Ertl, 2007). Aus diesem Grund bietet es sich an, nach Wegen zu suchen, welche diese Grundhaltung im Unternehmen etablieren können. Selbst- und Sozialkompetenzen werden primär über kommunikative Schulungswege trainiert. Der Körper als Trainingsmedium wurde bisher noch nicht ausgeschöpft. Es macht Sinn, diese Möglichkeit zu überprüfen.

Was unter einer „mediativen“ Haltung zu verstehen und wie diese Grundhaltung bei den Teilnehmern zu etablieren sei, wird nicht beantwortet.

Da Waas für eine Steigerung der Selbst- und Sozialkompetenz plädiert, fragt es sich, ob die „mediative“ Haltung in der Vermittlerrolle gegenüber zwei Streitparteien eingenommen werden soll, oder auch im Vermittler selbst wirken soll, wenn er persönlich in einen Konflikt verwickelt ist. Aus eigener Beobachtung und Erfahrung ist gerade Letzteres auch Mediatoren nicht immer möglich.

Da der Begriff für mein Verständnis noch nicht genügend geklärt ist, aber bereits sehr viele Assoziationen mit ihm verbunden sind, möchte ich von einer weiteren Verwendung vorerst absehen.

Wir erstellen konstruktive Konfliktklärungssysteme, ich schlage daher vor, den Menschen eine konstruktive Haltung zu vermitteln und möchte das im nächsten Abschnitt kurz begründen.

3 Eine Konstruktive Haltung

3.1 Definition

3.1.1 Haltung

Haltung

[1] Plural ungebräuchlich oder selten: (bezüglich des Stehens, Gehens oder Sitzens) Art und Weise, den Körper, insbesondere das Rückgrat zu halten; Körperhaltung

[2]

[a] Plural ungebräuchlich oder selten: jemandes Denken und Handeln prägende innere (Grund-) Einstellung

[b] Plural ungebräuchlich oder selten: durch eine bestimmte innere Einstellung, Verfassung, hervorgerufenes Verhalten, Auftreten

[c] ohne Plural: (am Verhalten, Auftreten ersichtliche) Beherrschtheit; innere Fassung [3] ohne Plural; besonders schriftsprachig: das Halten von Tieren.2

Quelle: URL: http://de.wiktionary.org/wiki/Haltung [12.08.09]

Es fällt zunächst auf, dass „Haltung“ einerseits eine Aktivität des Körpers und anderseits auch eine Grundeinstellung, Verfassung oder Verhaltensweise bezeichnet.

3.1.2 Konstruktive Haltung

Maringer/Steinweg (Berghof Report Nr. 3, 1997) gingen der Frage nach, was «konstruktive Haltungen und Verhaltensweisen» im Konflikt ausmachen. Dazu trugen sie 28 Verhaltensweisen zusammen, die von Menschen, die mit Konflikten Erfahrungen gemacht hatten, als konstruktiv erachtet wurden. Für die detaillierte Darstellung verweise ich auf den Report.

Ausgehend vom Begriff „konstruktive Konfliktaustragung“ erklären sie die Bedeutung von „konstruktiv“ folgendermassen:

"Konstruktive Konfliktaustragung: In dieser Kombination wird die Tatsache der Austragung von Konflikten - im Gegensatz zur Konfliktvermeidung - grundsätzlich positiv bewertet. Diese Bewertung beruht auf einem psychodynamischen Verständnis von Konflikt, demzufolge nicht ausgetragene (oder nicht bearbeitete) Konflikte in Varianten oder unterschiedlichen «Verkleidungen» immer wiederkehren, solange bis sich die soziale Formation entweder aufgelöst hat oder durch eine endlich doch erfolgte Konfliktaustragung ein neues Beziehungsgefüge und ein neues Beziehungsniveau erreicht worden ist.“ (a.a.O. S.12)

Diese Definition erinnert stark an Costantino/Merchant (1996), die den Konflikt als Prozess beschreiben, den es im Auge zu halten gilt. Wird ein Konflikt ausgetragen, so benutzt man verschiedene Mechanismen, um einen „Streit“ (dispute) zu vermeiden. Konstruktiv bedeutet in diesem Sinne „bewegt zu bleiben“. „Dispute“ demgegenüber wäre eine Form des Verharrens, bzw. des Verhärtens in einer Position. „Destruktiv“ würde in dem Sinn bedeuten, dass die Position einer Partei demontiert, d.h. zerstört, werden muss, um den Streit zu gewinnen.

Die geistige „Beweglichkeit“ der Beteiligten an sich ist folglich bereits als konstruktiv zu bezeichnen.

Hinzu kommt ausserdem die Bewegungsrichtung, nämlich das Ziel, das durch die Konfliktaustragung erreicht werden soll:

"Als konstruktiv werden im Konfliktfall verstanden

a) bestimmte Haltungen und Verhaltensweisen der Konfliktpartner,

b) bestimmte Auswirkungen des Konfliktverlaufs auf die Konfliktpartner und/oder ihre Beziehungen bzw. die gegebene soziale Situation: Etwas »Neues« entwickelt sich oder wird auf der Basis des mehr oder weniger »bewältigten« Konflikts aufgebaut.“

(vgl. Maringer/Steinweg, a.a.O., S.13)

Dem Ziel nach soll etwas „Neues“ entstehen, d.h. man will zusammen = "con", bauen = "struere" (lat.). Etwas zusammen bauen weist aber auch in die Zukunft: das angestrebte Resultat soll gemeinsam erdacht, diskutiert und erstellt werden.

3.2 Ergebnis

Konstruktive Haltungen im Konflikt wären demnach Verhaltensweisen und körperliche Haltungen, die es ermöglichen, für die Zukunft gemeinsam etwas zu erdenken, zu diskutieren und zu erstellen. Das Resultat wird dadurch noch nicht definiert und muss im Konfliktfall auch keinesfalls eine Versöhnung sein. Menschen können z.B. auch gemeinsam eine von beiden beschlossene Trennung konstruieren. Wichtig dabei ist, dass sie im Prozess der Erstellung den Fokus auf das gemeinsam gewollte Resultat setzen können, eben konstruieren.

Eine konstruktive Haltung stellt sich in diesem Sinn als Grundvoraussetzung für eine funktionierende Konfliktklärung dar.

4 Eine konstruktive Haltung über den Körper schulen

4.1 Erste Hypothese

Aus der Erkenntnis, dass „Haltung“ eine Kombination von geistigen und körperlichen Vorgängen widerspiegelt, folgt die erste Hypothese.

Die Schulung einer konstruktiven Haltung soll auch über den Körper erfolgen.

4.2 Als konstruktiv wahrgenommene Haltungen und Verhaltensweisen

Die Bereitschaft, konstruktiv auf einen Konflikt eingehen zu wollen, muss sich auch im Körperausdruck widerspiegeln. Maringer/Steinweg (1997) meinen dazu:

"Haltungen haben im Gegensatz zu »Meinungen« und »attidudes« [sic!]ein körperliches Äquivalent, genauer eine körperliche Ausdrucksform, ohne im Äusserlichen ganz aufzugehen; sie teilen sich über Körpersignale (Stimme, Blick, Körperhaltung, Gestik), also nicht nur über Sprachinhalte (Semanti) mit, zu denen sie oft genug im Widerspruch stehen und dann vom Konfliktgegner fast regelmässig stärker gewichtet werden als diese."

(a.a.O., S. 14)

Sie verweisen weiter auf Glasl (2004), der in seinen Ausführungen zur dritten Eskalationsstufe zeigt, dass ab dieser Stufe die nonverbale Kommunikation in der Wahrnehmung der Parteien besondere Bedeutung erhält:

"Sobald die ganze Interaktion zwischen den Parteien negative Züge annimmt, vor allem, wenn sich die Konfrontation nicht mehr übers Wort, sondern mittels der Tat abspielt, verlagert sich die Aufmerksamkeit der Konfliktparteien von den verbalen Aussagen zu den non-verbalen Signalen, die als wahrhaftiger Ausdruck der wirklichen Stimmungen und Absichten empfunden werden."

(Glasl, 2004, S. 253)

Watzlawick (2003), der primär davon ausgeht, „dass man, wie immer man es auch versuchen mag, nicht nicht kommunizieren kann“ (S. 51), schreibt in seinen Ausführungen über analoge und digitale Kommunikation:

"Überall, wo die Beziehung zum zentralen Thema der Kommunikation wird, erweist sich die digitale Kommunikation als fast bedeutungslos. Das ist nicht nur, wie wir eben sahen, zwischen Mensch und Tier der Fall, sondern in zahllosen Situationen des menschlichen Lebens, z.B. in Liebesbeziehungen, Empathie, Feindschaft, Sorge und vor allem im Umgang mit sehr kleinen Kindern oder schwer gestörten Patienten. Kindern, Narren und Tieren wird ja seit alters eine besondere Intuition für die Aufrichtigkeit oder Falschheit menschlicher Haltungen zugeschrieben; denn es ist leicht, etwas mit Worten zu beteuern, aber schwer, eine Unaufrichtigkeit auch analogisch glaubhaft zu kommunizieren. Eine Geste oder eine Miene sagen uns mehr darüber, wie ein anderer über uns denkt, als hundert Worte."

(a.a.O., S.64)

Exkurs: nonverbale Kommunikation

Nonverbale Kommunikation hat in den vergangenen Jahren eine nicht unbeachtliche Aufmerksamkeit in Kommunikationstrainings erhalten. Allen voran propagiert das Neuro-Linguistische Programmieren (NLP) nonverbale Kommunikation als Mittel, andere Menschen besser verstehen und beeinflussen zu können (vgl. O’Connor/Seymour, 1995). In dem Zusammenhang wird auch immer wieder darauf hingewiesen, dass nonverbale Kommunikation bis zu 93 % unserer Kommunikation ausmache (a.a.O., S. 18).

[...]


1 Zu bedenken ist hier, dass Letzteres nur in den von Costantino/Merchant als Quadrant IV dargestellten Konfliktmanagementsystemen unmittelbar umsetzbar ist (1996, S. 51 - 58, Table 4.2.) und wie die Autorinnen selbst anmerken: "However, in spite of the above preference, we along with countless managers, designt teams, and practitioners know only too well that one must take the organization as one finds it". Die Praktiker sollten infolge ihres Selbstverständnisses als "Mediatoren für ein ganzes System" niemals dem Unternehmen etwas aufdrängen.

2 Dieser Punkt 3 wird in der folgenden Betrachtung, da für die Thesis irrelevant, ausser Betracht gelassen.

Ende der Leseprobe aus 69 Seiten

Details

Titel
Missing Link: Körper. Ein Workshop zum besseren Umgang mit Konflikten in Unternehmen
Untertitel
Einverleibung einer konstruktiven Haltung bei der Erarbeitung von Konfliktklärungssystemen
Hochschule
Akademie Perspektivenwechsel München  (zak GmbH, Basel)
Note
ausgezeichnet
Autor
Jahr
2009
Seiten
69
Katalognummer
V155236
ISBN (eBook)
9783640695829
ISBN (Buch)
9783640695973
Dateigröße
6433 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Mediation, Konfliktforschung und Implementierung konstruktiver Konfliktklösungssysteme. Die Autorin wurde mit der Forschungsarbeit für den Schweizerischen Mediationspreis 2010 nominiert.
Schlagworte
Missing, Link, Körper, Einverleibung, Haltung, Erarbeitung, Konfliktklärungssystemen
Arbeit zitieren
M.L. Asitta Tabatabai (Autor:in), 2009, Missing Link: Körper. Ein Workshop zum besseren Umgang mit Konflikten in Unternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/155236

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