Heinrich Heine als politischer Dichter und das ideologische Verhältnis zu Karl Marx 1843/44


Hausarbeit (Hauptseminar), 1997

35 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung

2 Die weltanschauliche Entwicklung Heines ab 1831

3 Die Bekanntschaft zwischen Marx und Heine 1843/4
3.1. Werdegang von Marx bis 1843
3.2. Die persönliche Beziehung von Karl Marx und Heinrich Heine im Jahre 1843/4 und deren Vorgeschichte

4 Marxens "Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung" und Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen" im Vergleich
4.1. Inhalt und Form der Marxschen "Einleitung zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosphie
4.1.1. Die Religionskritik als Voraussetzung aller Kritik
4.1.2. Die gegenwärtige Situation in Deutschland und ihre Konsequenz
4.1.3. Die Konstruktion des Proletariats als revolutionäres Subjekt
4.2. Die politische und geschichtliche Dimension von Heines "Deutschland. Ein Wintermärchen"
4.2.1. "Das ist mein Patriotismus": Das programmatische Vorwort als Absage an den Nationalismus
4.2.2. "Ein neues Lied, ein besseres Lied". Die Vision Heines (Caput I, XXVII)
4.2.3. "Die Tat von deinem Gedanken": Die Problematik der Dialektik Gedanke/Tat (Caput VI und VII)
4.2.4. "Ja, zählt auf mich und helft Euch selbst". Zur Frage der Parteilichkeit des Dichters (Caput XII)
4.2.5."Was ich gesehn, verrate ich nicht". Der Zwiespalt zwischen Barbarossa- Mythos (Caput XIII-XVII) und der Hammonia-Episode (Caput XXIII-XXVII)

5 Schlußbetrachtung

6 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Heinrich Heines Werke sind bisher in der Literaturgeschichte vernachlässigt oder auch absichtlich von der akademischen Welt mißachtet worden. So oder so ähnlich begannen die meisten (westdeutschen) Arbeiten über Heines Leben und Werk noch vor einigen Jahren. Heine galt vielfach einfach nur ein Ärgernis -man denke nur an die langjährigen Diskussionen um ein Heine-Denkmal. Dies hat sich heute grundlegend geändert und Heine erfreut sich bei Leser und Gelehrten größter Beliebtheit. Gerade jetzt zum 200. Geburtstag kann man sich vor Neuerscheinungen und Medienberichten kaum retten und sogar der SPIEGEL widmet Heine eine Titelgeschichte. Betont Rudolf Augstein in seinem Artikel das Deutschtum und die Vaterlandsliebe Heines, will diese Arbeit sich dem politischen Dichter Heine widmen. Denn es ist keine Frage, daß Heine ein "in jeder Hinsicht politischer Schriftsteller" war. Dieser Themenkomplex fand allerdings erst durch die Politisierung der westdeutschen Gesellschaft in der Forschung der alten Bundesrepublik einige Beachtung. Dies lag sicher auch an den ideologisch bedingten Barrieren des Kalten Krieges, denn in der DDR galt Georg Lukacs Diktum von Heine als "Ideologe des Weiterschreitens der demokratischen Revolution seiner Zeit zur proletarischen", lange Zeit als Grundlage der dortigen Forschung. Entscheidend hierfür war die Bekanntschaft zwischen Heine und Karl Marx in der Mitte der 1840er Jahre. Diese wurde in der westdeutschen Forschungsliteratur dann als Reaktion entweder verschwiegen oder bagatellisiert. Nach dem Ende des Kalten Krieges ist es nun möglich, die Frage nach einer politischen Verbindungslinie zwischen Heine und Marx neu zu stellen.

Die Arbeit will nun nach dem Verhältnis zwischen dem politischen Dichter Heinrich Heine und dem Philosophen Karl Marx fragen, und hierbei besonders die Frage nach der gegenseitigen ideologischen Beeinflussung untersuchen, wobei natürlich die Betonung auf die ideologische Beeinflußung von Heine liegt. Hierfür sollen das "Deutschland: Ein Wintermärchen" von Heinrich Heine und "Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie. Einleitung" von Karl Marx, beide fast gleichzeitig 1843/4 geschrieben, vergleichend gegenübergestellt werden.

Bevor man allerdings die ideologische Beeinflußung in den Werken untersuchen kann, müssen ersteinmal die wichtigsten ideologischen Grundpfeiler in Heines Werken vor der

Begegnung mit Karl Marx analysiert werden. Diese sollen möglichst knapp im ersten Abschnitt dargestellt werden. Im zweiten Abschnitt wird dann, nach einer Kurzbiographie von Marx bis 1844, auf das persönliche Verhältnis von Heine und Marx 1843/4 einzugehen sein. Denn eine nähere Charakteristik der fast einjährigen Bekanntschaft zwischen Marx und Heine erscheint mir unbedingt notwendig, wenn man nach ideologischer Beeinflussung fragen will. Erst der dritte Abschnitt wird sich dann detailliert dem Vergleich der beiden Werke widmen, wobei zuerst die "Einleitung der Kritik zur Hegelsche Rechtsphilosophie" formal und inhaltlich analysiert werden soll. Um den Rahmen dieser Arbeit nicht zu sprengen, können bei der Analyse des "Wintermärchens" nur paradigmatisch einzelne für die Fragestellung relevanten Kapiteln vergleichend untersucht werden.

Die Sekundärliteratur zu diesem Themenkomplex ist zwar teilweise ideologisch vorbelastet, aber dafür recht reichhaltig. Aus diesem breiten Sortiment sollen hier nur die wichtigsten Arbeiten genannt werden, die sich für die Untersuchung als sehr hilfreich erwiesen haben. Da wäre die trotz ihres älteren Datums noch ausführlichste Analyse des "Wintermärchens" von Hans Kaufmann zu nennen, ebenso wie die Monographien und Aufsätze von Günther Baumann, Nigel Reeves und Christoph Schefold. Heine wird nach der neuesten, kürzlich neu aufgelegten Gesamtausgabe, herausgegeben von Klaus Brigleb, zitiert.

2 Die weltanschauliche Entwicklung Heines ab 1831

Als Heine im Mai 1831 Hamburg verließ und nach Paris umsiedelte, war der Verfasser der "Buch der Lieder" und der "Reisebilder" bereits einer der bekanntesten und umstrittendsten Dichter Deutschlands. Neben beruflichen Schwierigkeiten war vor allem die geistige Enge Deutschlands, des "Landes der Philister", für diesen Schritt verantwortlich. Frankreich stand dagegen für Heine seit seinen Jugendjahren stellvertretend für die Ideale der Französischen Revolution. Denn "wie ich die Freiheit liebe, liebe ich Frankreich", hatte er 1834 in den Pariser Vorreden zu den "Reisebildern" geschrieben. So begrüßte er auch den Ausbruch der Juli-Revolution 1830 durch den Sturz Karl X euphorisch als Wiedergeburt der großen Revolution 1789, denn "der gallische Hahn hat jetzt zum zweitenmal gekräht" und "in Frankreich flammt immer mächtiger die Sonne der Freiheit und überleuchtet die ganze Welt mit ihren Strahlen." Es überrascht daher nicht, daß er sich schnell einlebte und Paris immer mehr als seine eigentliche Heimat empfand. Das revolutionäre Paris, in seinen Worten "die

natürliche Fortsetzung von Athen und Rom", führte bei Heine nun zu einer weiteren Politisierung. Heine beschrieb zwar in den "Reisebildern", besonders in der "Harzreise", die herrschende bürgerliche Gesellschaft sozialkritisch in bissig-ironischen Tönen und schon in seinen "Ideen. Das Buch Le Grand" verherrlichte er Napoleon als Träger uns Ausbreiter der Ideale der Französischen Revolution, was gerade in den Zeiten des aufkommenenden deutschen Nationalismus als Folge der Befreiungskriege besonders ketzerisch war. Heine sah sich also schon vor 1831 als Oppositionschriftsteller, doch seine Kritik war noch ziemlich konfus und allgemein gehalten und es fehlte eine konkrete politische Vision, die seinen Wunsch nach der Emanzipation jedes Menschen erfüllen konnte.

Der wichtigste Bezugspunkt im politischen Denken Heines war ähnlich wie bei den meisten Intellektuellen seiner Generation die Philosophie Georg Wilhelm Friedrich Hegels. Seitdem er in seiner Berliner Studienzeit seine philosophische Vorlesungen hörte, war er vor allem fasziniert von seiner Geschichtstheorie, die seine Werke bei aller Auseinandersetzung mit ihr maßgeblich beeinflußte. Heine fühlte sich hingezogen zu der Hegelschen Deutung der Geschichte als einen fortschreitenden Emanzipationsprozeß. Nach Hegel vollzieht sich der Geschichtsablauf bekanntlich nach dem Prinzip des dialektischen Dreischritts These- Antithese-Synthese. Am Anfang steht dabei die absolute Idee (=These), die an der absoluten Durchsetzung durch die Realität gehindert wird (=Antithese). Durch eine beschränkte Realisierung der absoluten Idee (=Synthese) wird dann geschichtlicher Fortschritt möglich. Der Weltgeist als die Gesamtheit der absoluten Idee wirkt über jede einzelne beschränkte Idee. Die Weltgeschichte ist demnach nach Hegel die sukzessive Selbstverwirklichung des Weltgeistes, oder in der berühmten Formulierung Hegels: "Die Weltgeschichte ist der Fortschritt im Bewußtsein der Freiheit, den wir in seiner Notwendigkeit zu erkennen haben." Heine hat sich zeit seines Lebens, wie noch im weiteren deutlich werden wird, an der Philosophie seines akademischen Lehrmeisters gerieben, so ist er einerseits "der größte Philosoph, den Deutschland seit Leibniz erzeugt hat", andererseits stößt ihn die kalte, abstrakte "lebensfremde" Ausdrucksweise ab, die er später auch als "graue Spinnweb der Hegelschen Dialektik" bezeichnet. Heine übernimmt nun von Hegel insbesondere die Vorstellung, daß alle historischen Taten nur Ausfluß bereits existierenden Ideen sind und dadurch die Idee die Hauptantriebskraft für den geschichtlichen Fortschritt darstellt. Diese Überzeugung von der Macht des Idealismus führte nun bei Heine zu der Erkenntnis, daß der Schriftsteller als intellektueller Ideengeber eine besondere Verantwortung vor der Geschichte

besitzt. Von Anfang an stand Heine der Hegelschen Annahme kritisch gegenüber, daß die Geschichte notwendigerweise logisch zur Freiheit führe. Vielmehr sah er immer angesichts der bedrückenden Gegenwart die Notwendigkeit, mit seinen Ideen für eine bessere Zukunft zu kämpfen.

Wie vorher schon erwähnt, besaß Heine nur vage Vorstellungen von der Durchsetzung der Ideale der Französischen Revolution. 1831, kurz nach seiner Ankunft in Frankreich, kam er dann in Paris mit dem dort aufblühenden Saint-Simonismus in Berührung, der ihn tief berührte und bei aller Kritik in seinen späteren Werken zutiefst beeinflußte. Der Saint- Simonismus geht auf die Lehren von Claude-Henri de Saint-Simon (1760-1825) zurück, die später von seinen Schülern Amand Bazard und Prosper Enfantin, ein Freund Heines, zu einer saint-simonistischen Doktrin entwickelt wird. Ziel dieser Doktrin war die Beendigung der "Ausbeutung des Menschens durch den Menschens " in der bisherigen Gesellschaftstruktur. Dafür sollte die vollständige Industriegesellschaft durchgesetzt und ein Industriestaat errichtet werden, in dem alle sozialen Schichten durch den radikalen Abbau aller Geburtsprivilegien zu produktiver, gesellschaftlich nützlicher Arbeit verpflichtet werden. Diese Gesellschaft müsse unter wissenschaftlicher Anleitung durch eine gemäß dem Leistungsprinzip zusammengestellte "Aristokratie des Talents" organisiert werden. Das Hauptinteresse Heines lag trotz allem Interesse an der "Suppenfrage", wie Heine die durch die Entstehung der Arbeiterschaft entstandende "soziale Frage" nannte, hauptsächlich an der Religionskritik der Saint-Simonisten. Ihr Plädoyer für eine dieseitig orientierte Religion und gegen die spiritualistische Sinnenfeindlichkeit des Christentums sprach Heine aus dem Herzen. Ebenso wie die Saint-Simonisten proklamiert Heine einen diesseitigen, allumfassenden Gott getreu der Maxime Spinozas: "Gott ist alles, was da ist." Dieser Pantheismus beinhaltet folgerichtig die Gleichberechtigung von Geist und Körper und fordert deswegen, mit den Worten Heines gesprochen, die "Rehabilitation des Fleisches". Der Einfluß der vorher dargelegten weltanschaulichen Entwürfe -der Glaube an die Macht der Ideen für den geschichtlichen Fortschritt in der Hegelschen Geschichtstheorie und die frühsozialistischen Utopie des Saint- Simonismus mit ihrem pantheistischen Gottesverständnis- ist auch in den bedeutendsten Prosawerken der 1830-Jahre "Die romantische Schule" und "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland" sichtbar. Diese Prosawerke sind von Heine selbst als Einheit konzipiert worden und sollen dem französischen Publikum eine "Überschau deutscher Vorgänge" bieten. Die "Romantischen Schule" (1833) stellt eine deutliche Kritik an der

unpolitischen Literatur der Romantik, u.a. mit dem Namen Schlegel verbunden, dar. Hierbei distanziert er sich auch vom klassischen Kunstbegriff Goethes, des "größte(n) Künstler in unserer Literatur", welcher "die Kunst als unabhängige zweite Welt" betrachtet und sich von "jener wirklichen Welt, welcher doch der Vorrang gebührt", abwendet. Vielmehr müsse die Literatur im Hegelschen Sinne direkt in die soziale Wirklichkeit einbrechen. Der Pantheismus saint-simonischer Prägung müsse die Basis solcher Literatur sein, da dieser im Dienste des Fortschrittes stehe.

Der Essay "Zur Geschichte der Religion und Philosophie in Deutschland" (1835) ist ebenfalls kein "normales" philosophiegeschichtliches Traktat, sondern vielmehr eine dreiteilige revolutionäre Interpretation der deutschen Geistesgeschichte von Luther bis Hegel. In der von Martin Luther vorausgedachten Reformation sah Heine die "große religiöse Revolution", durch die der Reformator Deutschland von der Herrschaft einer dogmatischen Theologie befreite und damit -mehr ungewollt- zum Begründer der Geistesfreiheit wurde. Der protestantische Freiheitsgedanke wurde damit der Wegbereiter der "philosophischen Revolution", die sich von Descartes über Leibniz und Lessing immer mehr von geistigen Autoritäten löste und sich nur noch den Prinzipien der Vernunft verpflichtet fühlte. Kant, der durch seine "Kritik der reinen Vernunft" jedlicher Metaphysik ein Ende bereitete, radikalisierte diese weiter. Die "philosophische Revolution" erreichte mit Hegel einen Endpunkt, weil er "durch den expliziten Realitätsbezug seiner Philosophie diese ihrer eigentlichen Bedeutung zuführte und damit den Boden für eine politische Revolution in Deutschland bereitete." Als überzeugter Hegelianer ist Heine von der Notwendigkeit einer realen Revolution im Anschluß an die vorausgegangene ideelle Revolution überzeugt, "denn der Gedanke geht der Tat voraus, wie der Blitz dem Donner". Hierdurch nähert sich Heine dem aufstrebenden Linkshegelianismus und der daraus entstandenen "Philosophie der Tat" an. Bereits schon 1831 verglich Heine die philosophische Revolution der Deutschen mit der großen Revolution der Franzosen 1789, eine Einschätzung, die auch die Grundlage für seine philosophiehistorische Schrift bildet. Doch die Revolution sollte keine Kopie der französischen Revolution sein, sondern vielmehr über sie hinausgehen, indem sie dem Heinschen Wunsch nach einer ganzheitlichen Emanzipation der Menschen gemäß der sensualistischen Utopie der Saint-Simonisten entsprach:

"Das große Wort der Revolution, das Saint-Just ausgesprochen: le pain est le droit du peuple, lautet bei uns: le pain est le droit divin de l homme. Wir kämpfen nicht für die Menschenrechte des Volkes, sondern für die Gottesrechte des Menschen. (...) Wir wollen keine Sansculotten sein, keine frugale Bürger, keine wohlfeile Präsidenten; wir stiften eine Demokratie gleichherrlicher, gleichheiliger, gleichbeseligter Götter. Ihr verlangt einfache Trachten, enthaltsame Sitten und ungewürzte Genüsse; wir hingegen verlangen Nektar und Ambrosia, Purpurmäntel, kostbare Wohlgerüche, Wollust und Pracht, lachenden Nymphentanz, Musik und Komödien (...)."

Heines Revolutionsverständnis orientiert sich also primär an der ganzheitliche Freiheitutopie der Saint-Simonisten und stellt sich damit gegen die radikale Opposition um Ludwig Börne, die als Vertreter eines radikalen Republikanismus auf eine primär politische Revolution setzte. In seiner Prosaschrift "Ludwig Börne. Eine Denkschrift" von 1840 spricht Heine nun verächtlich von einer "nazarenischen Beschränktheit" Börnes, die er mit asketischem, passsionssüchtigem Verhalten identifiziert. Demgegenüber steht das Heinsches Ideal des "Hellenentums", welches Lebenswille und Sinnenfreude symbolisiert.

Diese Denkschrift und vor allem die heftigen Reaktionen auf sein Werk machen ein Grunddilemma Heines deutlich, welches auch später deutlich werden sollte. Heine war ein intellektueller Außenseiter. Denn obwohl er die gegenwärtigen Zustände bissig als unhaltbar und reaktionär kritisierte und Metternich ihn als den am ärgsten zu bekämpfenden Gegner ansah, fand er in der politischen Opposition mit seinen saint-simonistischen Emanzipationsträumen viel Unverständnis, wenn nicht sogar Ablehnung. Denn obwohl er eine deutsche Revolution prinzipiell befürwortete, fürchtete er gleichzeitig doch die Gewalttätigkeit revolutionär-fanatischer Menschenmassen, was in einigen Passagen seiner Schriften deutlich hervortritt. Zu Beginn der 1840-Jahre schien die Zeit für revolutionäre Umbrüche reif zu sein. In Preußen erfüllte sich die Hoffnung auf eine Liberalisierung der Politik durch den Thronwechsel zu Friedrich Wilhelm IV nicht und die Nationalbewegung erstarkte im Folge der sogenannten "Rheinkrise" von 1840. Ein fast inflationäres Ansteigen der sogenannten "Tendenzpoesie", einer politischen Lyrik, in der weniger der Kunstanspruch, sondern mehr die politische Botschaft im Vordergrund steht, war die Folge.

Trotz der Skepsis Heines gegenüber der "Tendenzpoesie" beginnt in den Augen einiger Forscher nun ein Prozeß der zunehmenden politischen Radikalisierung Heines, der durch seine Bekanntschaft mit Karl Marx 1843/4 seinen Höhepunkt erreicht. Dieser These wird im folgenden nun ausführlichst nachzugehen sein. Bevor wir aber diese These durch einen exemplarischen Vergleich der genannten Werke überprüfen, soll auf Vorgeschichte und Charakter der Bekanntschaft Heines mit Karl Marx eingegangen werden.

3 Die Bekanntschaft zwischen Marx und Heine 1843/4

3.1. Werdegang von Marx bis 1843

Als Heinrich Heine im Dezember 1843 nach seiner Deutschlandreise Karl Marx in Paris kennenlernte, war Heine nicht nur ein berühmter Literat, sondern auch mit 46 Jahren ein lebenserfahrener reifer Mann. Der 1818 in Trier geborene Karl Marx war mit 25 Jahren gerade am Anfang seines Schaffens, trotzdem wurde sein Genie schon überall sichtbar. Der aus einem wohlhabenden jüdischen Elternhaus stammende Karl Marx bestand siebzehnjährig das Abiturexamen in Trier und schrieb sich für juristische Studien in Bonn ein. Ähnlich wie Heine interessierten den jungen Marx bald mehr die geschichtlichen und philosophischen Fragen und er zeigte sogar eigene Dichterambitionen. In Berlin, seinem zweiten Studienort nach Bonn, kommt er, wie Heine, in den Bann der Hegelschen Philosophie, dessen "groteske Felsenmelodie" ihn faszinierte. Schnell nimmt er Partei für die junghegelianische Schule und schließt sich dem Intellektuellenzirkel um Bruno Bauer an, der sich später mit Arnold Ruge zur politischen und philosophischen Avantgarde des Junghegelianismus entwickelte. In erster Linie sieht sich Marx allerdings als Philosoph. So arbeitete er in den Jahren bis 1841 hauptsächlich enthusiatisch an seiner Dissertation über die "Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie" und interessierte sich noch wenig für die aufkommmende "soziale Frage". 1842 wird er Chefredakteur der liberalen "Rheinischen Zeitung" in Köln und kommt dort u.a. durch Moses Heß in Kontakt mit saint-simonistischen und kommunistischen Ideen der französischen Frühsozialisten (z.B.Fourier, Proudhon). Er ist zwar von diesen Vorstellungen fasziniert, will aber "diese Ideen einer gründlichen Kritik unterwerfen". Im Laufe des Jahres 1842 hatte das dem Kommunismus verdächtige Blatt immer mehr Schwierigkeiten mit der Zensur und er verließ entnervt die Redaktion. Mitte 1843 beschließt er mit seinem Kollegen Arnold Ruge, im freieren Frankreich die "Deutsch-Französischen

Jahrbücher" zu publizieren, die eine "unerbitterliche Kritik an der bestehenden Ordnung im Namen eines uneingeschränkten Humanismus" darstellen sollten. Wie bereits in diesen Worten deutlich wird, war Marx jetzt auf dem Weg zum Kommunismus, oder pointierter ausgedrückt, "Marx war auf dem Weg zu Marx". Er befaßte sich eingehend mit den französischen Sozialisten und der radikalen Religionskritik Feuerbachs, der die Religion aus dem Wesen des Menschens erklärte, und schrieb an einer Kritik des Hegelschen Staatsrechts. Aus diesen neuen politischen Ansatzpunkten versuchte er eine eigenständige Theorie zu entwickeln.

Im Dezember 1843 war Marx also auf dem Weg zum autonomen kommunistischen Theoretiker. Diese Entwicklung vollzog sich für ihn logisch-rational aus seinen philosophischen Studien. Utopischen Träumereien stand er als Philosoph immer kritisch gegenüber.

[...]

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Details

Titel
Heinrich Heine als politischer Dichter und das ideologische Verhältnis zu Karl Marx 1843/44
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Fachbereich Literaturwissenschaft)
Veranstaltung
Hauptseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
1997
Seiten
35
Katalognummer
V1575
ISBN (eBook)
9783638109741
ISBN (Buch)
9783638637305
Dateigröße
494 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Paradigmatisch dargestellt an Heines ´Wintermärchen´ und Marxens ´Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie´. 228 KB
Schlagworte
Heinrich, Heine, Dichter, Verhältnis, Karl, Marx, Hauptseminar
Arbeit zitieren
Christoph Marx (Autor:in), 1997, Heinrich Heine als politischer Dichter und das ideologische Verhältnis zu Karl Marx 1843/44, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1575

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