Beispiele quantitativer und qualitativer Methoden der Sozialforschung: Die standardisierte Befragung und das narrative Interview


Studienarbeit, 2009

22 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die standardisierte Befragung
2.1 Datenerhebung / Auswahlverfahren
2.1.1 Grundgesamtheit
2.1.2 Stichprobe
2.1.3 Repräsentativität
2.2 Die standardisierte Befragung mittels Fragebogen
2.2.1 Entwicklung eines Fragebogens
2.2.2 Aufbereitung der Daten
2.3 Auswertung

3. Das narrative Interview
3.1 Entwicklung
3.2 Voraussetzungen
3.3 Verlauf
3.4 Auswertung
3.4.1 Transkription
3.4.2 Auswertungsverfahren
3.5 Einsatzbereiche des narrativen Interviews

4. Zusammenfassende Betrachtung

5. Schlussbemerkung

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Welche Partei würden Sie wählen, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre? Seit über zehn Jahren stellt ein Meinungsumfrageinstitut regelmäßig jede Wo- che mindestens 1000 Bundesbürgern diese „Sonntagsfrage“ und bedient sich damit einer Technik der empirischen Sozialforschung, der Befragung. Umfragen, ob telefo- nisch, schriftlich oder mündlich durchgeführt, sind den Bundesbürgern geläufig und gehören mittlerweile schon zur Tagesordnung. Häufig gelten sie sogar als Synonym für empirische Sozialforschung und prägen damit das Bild der Sozialforschung in der Öffentlichkeit. Im Bereich der empirischen Sozialforschung haben sich im Lauf der Zeit Regeln heraus- bzw. fortgebildet, die auf breiten Konsens stoßen.

Ein Ziel dieser Hausarbeit soll sein, dieses Regelwerk der empirischen Sozialfor- schung mit Blick auf die Technik der Befragung zu betrachten und auf einzelne ganz konkrete Beispiele der Befragung quantitativer und qualitativer Art einzugehen. Ob Wirtschaftsunternehmen, wie Meinungsumfrageinstitute, solche Regeln konsequent anwenden, wäre im Einzelfall zu prüfen, dies ist nicht Gegenstand dieser Betrach- tung.

Zum einen geht es mir um die „standardisierte Befragung“ als Beispiel einer quantitativen Methode der empirischen Sozialforschung. Die Befragung ist eine von mehreren Datenerhebungstechniken (andere sind z.B. die Beobachtung, Inhaltsanalyse) und kann in unterschiedlichen Formen erfolgen: als standardisiertes Interview, als schriftliche Befragung mittels Fragebogen, als Telefoninterview oder als internetgestützte Befragung (E-Mail-Befragung; Web-Surveys). In dieser Arbeit soll im Sinne der Zielsetzung ein konkretes Beispiel einer quantitativen Methode thematisiert werden: die schriftliche Befragung mittels Fragebogen.

Zum anderen lassen sich Befragungen aber auch in Form eines „narrativen Inter- views“ im Sinne der qualitativen Forschungsmethodik durchführen. Dabei wird der Proband gerade nicht an vorgefertigte Fragen herangeführt, sondern er soll auf eine Initialisierungsfrage hin eigenständig seine Geschichte erzählen, die Hauptlast der Kommunikation liegt beim Befragten selbst. Da das narrative Interview „in der bio- graphischen Forschung eine der wichtigsten Methoden“ darstellt und zudem „biogra- phische Fragestellungen heute in den Sozialwissenschaften zum Standardrepertoire“

[gehören] (Brüsemeister 2008, 86), soll im zweiten Teil dieser Arbeit der Frage nach- gegangen werden, welches Ziel mit einem narrativ biographischen Interview verfolgt wird und nach welchen Regeln diese Form der Befragung wissenschaftlich korrekt abläuft.

Mit der standardisierten Befragung und dem narrativen Interview sollen zwei Beispie- le für quantitative und qualitative empirische Sozialforschung aufgezeigt und auf die Paradigmen dieser unterschiedlichen Forschungsmethoden reflektiert werden. Dies erfolgt aber nicht in der Absicht, diese Datenerhebungstechniken in ihrer ganzen De- tailliertheit auszubreiten, um diese Techniken vollständig darzustellen. Ebenso wenig ist beabsichtigt, tiefer gehend den Methodenstreit zwischen quantitativen und qualita- tiven Forschungsmethoden nachzeichnen zu wollen. Dies wären eigenständige Schwerpunktsetzungen.

2. Die standardisierte Befragung

2.1 Datenerhebung / Auswahlverfahren

Vor einer empirischen Untersuchung ist der Objektbereich der Untersuchung zu bestimmen, d.h. es ist zu klären, über welche Menge von Personen oder Sachverhal- ten Aussagen getroffen werden sollen. Die Festlegung der Untersuchungsobjekte ist bei eng abgegrenzten Mengen (z.B. die Besuchergruppe einer Freizeiteinrichtung) eher unproblematisch. „Sobald aber Aussagen gemacht werden sollen, die über die tatsächlich untersuchte Menge von Objekten hinausgehen, hängt die Gültigkeit der Aussagen von der Definition des Objektbereichs und der Art der Auswahl der Unter- suchungsobjekte ab. (…) Die Festlegung des Objektbereichs erfolgt zumeist mit der Festlegung der „ Grundgesamtheit “ einer Untersuchung, (…)“ (Schnell et al. 2005, 265). Diese Grundgesamtheit soll nun näher betrachtet werden.

2.1.1 Grundgesamtheit

Mit dem Begriff „Grundgesamtheit“ bezeichnet man die Menge von Objekten, für die die Aussagen der Untersuchung gelten sollen. „Aussagen einer Untersuchung gelten (selbst bestenfalls) nur für die Objekte der Grundgesamtheit: gehören bestimmte E- lemente nicht zur Grundgesamtheit, kann über diese Objekte nichts gesagt werden“

(ebenda, 266). So definiert sich die Grundgesamtheit der „Allgemeinen Bevölke- rungsumfrage der Sozialwissenschaften 1980“ (ALLBUS 1980) wie folgt: alle Perso- nen mit deutscher Staatsangehörigkeit, die zum Zeitpunkt der Befragung in der Bun- desrepublik und in West-Berlin in Privathaushalten leben und die spätestens am 1.1.1962 geboren wurden. Dieser Grundgesamtheit sind zahlreiche Ausschlüsse immanent (z.B. Angehörige der ausländischen Stationierungsstreitkräfte, die nicht zur Wohnbevölkerung gerechnet werden; ebenso die in einer Anstalt, z.B. in einer Strafanstalt oder in einem Altenheim, wohnenden Menschen, die keinen eigenen Hausstand führen). Die Grundgesamtheit ist somit keine feste Größe, sie unterliegt ständig, wenn auch in kleinen Erhebungszeiträumen u.U. geringen Schwankungen (vgl. ebenda).

Eine weitere Definition des Begriffs der Grundgesamtheit weist indes auf den Zusammenhang mit dem Element der Stichprobe und dem Merkmal der Repräsentativität hin: „Grundgesamtheit bezeichnet die gesamte Zielgruppe einer Erhebung, aus der eine Stichprobe von Versuchspersonen (Interviewten) gezogen wird. Ergebnisse aus der Stichprobe können - soweit diese repräsentativ war - auf die Grundgesamtheit übertragen werden“ (Fuchs-Heinritz et al. 1995, 254). Damit sind im Weiteren die Begriffe „Stichprobe“ und „Repräsentativität“ zu klären.

2.1.2 Stichprobe

Wenn die Daten aller Elemente einer Grundgesamtheit erhoben werden, spricht man von einer Vollerhebung, wenn nur eine Teilmenge der Grundgesamtheit untersucht wird, von einer Teilerhebung. „Werden die Elemente der Teilerhebung durch vor der Untersuchung festgelegte Regeln bestimmt, wird die Teilerhebung „ Auswahl “ oder „ Stichprobe “ genannt“ (Schnell et al. 2005, 267). Auf einzelne Stichprobenverfahren soll hier, weil dies als zu weit führend erachtet wird, nicht eingegangen werden. Wohl aber wird dem Begriff der „Zufallsstichprobe“ zunächst mit Blick auf die Unterscheidung zur „Vollerhebung“ Relevanz beigemessen.

Zufallsstichproben charakterisieren sich dadurch, dass „deren Auswahlregeln es dem Untersuchenden ermöglichen, vor der Durchführung einer Auswahl für jedes Element der Grundgesamtheit die Wahrscheinlichkeit zu berechnen, dass dieses Element der Grundgesamtheit Teil der Stichprobe wird“ (ebenda). Die Auswahlwahrscheinlichkeit für jedes Element der Grundgesamtheit muss folglich größer null sein - ansonsten gäbe es Elemente der Grundgesamtheit, die potentiell ausgeschlossen blieben und über die man dann nachher keinerlei Aussagen treffen könnte.

Es stellt sich die Frage, ob eher Vollerhebungen oder Stichproben der Vorrang einzu- räumen ist. Das wiederum hängt eng mit der Beschaffenheit der Grundgesamtheit zusammen. Ist diese im Umfang klein oder aber in Bezug auf ein bestimmtes Merk- mal heterogen, dann ist eine Vollerhebung angezeigt. Diese liefert den Vorteil, dass z.B. der Mittelwert der Merkmalsverteilung bekannt ist, während er bei einer Stich- probe geschätzt werden muss und damit gewissen (Zufalls-)Abweichungen unter- liegt. Anderseits sind Stichproben bei Grundgesamtheiten mit großen Umfängen kos- tengünstiger als Vollerhebungen und grundsätzlich auch schneller realisierbar - weshalb das Statistische Bundesamt auch den „Mikrozensus“ durchführt (vgl. eben- da, 268 f.) Der Stichprobe, konkret der Zufallsstichprobe, kommt auch im Zusam- menhang mit dem Merkmal der Repräsentativität eine essentielle Bedeutung zu.

2.1.3 Repräsentativität

Unter dem Begriff „Repräsentativität“ versteht man in der Statistik eine „Bezeichnung für das Ausmaß, in dem eine Stichprobe die Struktur der Grundgesamtheit in bestimmten Hinsichten getreu widerspiegelt. Da nur bei Zufallsauswahlen eine Berechnung des Stichprobenfehlers möglich ist, gelten für viele nur solche Auswahlen als repräsentative Stichproben“ (Fuchs-Heinritz et al. 1995, 557).

Eine Stichprobe ist also dann repräsentativ, wenn alle Merkmale, z.B. soziodemo- grafischer Art wie Alter, Geschlecht, Familienstand, Bildungsgrad, Berufs- und Ein- kommenssituation u.a, in ihr so verteilt sind, wie diese auch in der Gesamtheit verteilt sind; oder anders ausgedrückt, wenn die Stichprobe ein zwar verkleinertes, aber an- sonsten getreues Abbild der Grundgesamtheit darstellt. Und dabei kommt es, wie o.a., entscheidend auf die Zufallsauswahl an, denn: „Die Bezeichnung einer Stich- probe als „repräsentativ“ ist somit nur im Sinne des Prinzips der Zufallsauswahl zu verstehen: beide Begriffe sind im obigen Sinn synonym“ (Schnell et al. 2005, 305). Allerdings wird der Begriff der Repräsentativität jenseits dieser klar umgrenzten sta- tistischen Bedeutung auch oft zu einem „inhaltsleeren Attribut“, ungenau oder unnö- tigerweise verwandt (vgl. ebenda).

Die Datenerhebung im Rahmen quantitativer Forschungsmethodik kann also auch mit Blick auf die potentielle Reichweite ihrer Aussagefähigkeit wie folgt zusammengefasst werden:

Werden der Objektbereich und die Grundgesamtheit einer Untersuchung genau fest- gelegt und die Elemente einer Teilerhebung im Wege einer Zufallsstichprobe gene- riert, so kann diese Zufallsstichprobe dann als repräsentative Stichprobe bezeichnet werden, wenn die in ihr vorherrschende Merkmalsverteilung der Verteilung in der Grundgesamtheit entspricht. In diesem Fall lassen sich die im Rahmen der Stichpro- be erlangten Erkenntnisse unter Berücksichtigung der Einschränkungen durch sons- tige Verzerrungsfaktoren auf die Grundgesamtheit verallgemeinernd übertragen.

2.2 Die standardisierte Befragung mittels Fragebogen

Will man herausfinden, was Menschen bewegt, wie sie sich verhalten oder was sie sich wünschen, so liegt es nahe, sie einfach danach zu fragen. Die Befragung als Standardinstrument wird heute in vielen gesellschaftlichen Bereichen praktiziert; be- gonnen mit der eingangs erwähnten Analyse des Wahlverhaltens durch kommerziel- le Institute, über Mitarbeiterbefragungen in privaten und staatlichen Betrieben, als Marktforschungsinstrument schlechthin und schließlich auch im Rahmen wissen- schaftlicher Untersuchungen.

Die Befragung als Standardinstrument der empirischen Sozialforschung kommt zum Einsatz, wenn man Fakten, Wissen, Meinungen, Einstellungen oder Bewertungen einholen oder überprüfen möchte und sie erfolgt traditionell schriftlich mit der Zustel- lung eines Fragebogens (Mail Survey). Dieser wird per Post an die zu Befragenden versandt, mit der Bitte, diesen auszufüllen und an die jeweilige Forschergruppe wie- der zurück zu schicken. Und hierin liegt auch schon die erste Problematik: Da häufig nicht mehr als die Hälfte der Fragebogen beantwortet wird (vgl. Burzan 2005, 92), ergeben sich mit Blick auf die Rücklaufquote Verzerrungsmöglichkeiten bei der Er- kenntnisgewinnung.

2.2.1 Entwicklung eines Fragebogens

„Fragen stellen ist nicht schwer, Fragebogen konstruieren sehr!“ (Kirchhoff et al. 2001, 19). Die hier in Reimform zugespitzte Problematik verweist darauf, dass die Erstellung von Fragebogenfragen keine einfache Angelegenheit darstellt. Das Prob- lem der Wortwahl („wording“), die „Konstruktion der Fragen, das Aufeinander- Abstimmen, das Maßschneidern auf die „Bedürfnisse“ der Befragten und das in Ein- klang-Bringen von Fragen und Forschungszielen“ (ebenda) halten ein Forscherteam bereits in Trab, noch lange bevor ein Proband die erste Frage beantwortet. Die For- mulierung und Zusammenstellung von Fragebogenfragen ist nicht einfach erlernbar oder vermittelbar, sondern sie erfolgt auch stark intuitiv, insofern sind Regeln für die Entwicklung von Fragebogen bestenfalls als „Empfehlungen auf dem Niveau von Faustregeln“ (Häder 2006, 191) zu betrachten. Allein die Frageformulierung kann zu deutlich abweichenden Antworten führen, wie das „Klassiker-Experiment“ zur Variati- on in der Frageformulierung, dem zahlreiche Replikationen mit ähnlichen Ergebnis- sen folgten, zeigt:

Variante A Glauben Sie, dass die USA öffentliches Reden gegen die De- mokratie erlauben sollte?

Ergebnis 21 Prozent plädieren für „erlauben“, 61 Prozent sind dagegen und der Rest ist unentschieden.

Variante B Glauben Sie, dass die USA öffentliches Reden gegen die De- mokratie verbieten sollte?

Ergebnis 39 Prozent plädieren jetzt für das Nicht-Verbieten (erlauben) und 46 Prozent sind für das Verbieten“ (ebenda, 216).

Für die Antwortreihenfolge stellt Fuchs im Rahmen von Feldexperimenten zum Ant- wortverhalten Minderjähriger fest, dass „Antwortkategorien, die am Beginn der Liste erscheinen, (…) unabhängig vom Inhalt der Antwortkategorie höhere Zustimmungs- werte [enthalten] verglichen mit einer Positionierung in der Mitte oder am Ende der Liste“ (Fuchs 2004, 70). Neben den Skalen-Effekten findet er auch „bei den Effekten der numerischen Werte sowie bei der Fragenreihenfolge“ altersabhängige Unter- schiede (vgl. ebenda, 81).

Bei der Konstruktion von Fragen und Antwortvorgaben und des Layouts des Fragebogens sollte somit auf mögliche Einfluss- und Verzerrungsfaktoren Bedacht genommen werden. Solche können sich sowohl aus der Frage- als auch aus der Fragebogenkonstruktion oder im Zusammenhang mit dem Pretest ergeben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
Beispiele quantitativer und qualitativer Methoden der Sozialforschung: Die standardisierte Befragung und das narrative Interview
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Soziologie IV / Soziologische Gegenwartsdiagnosen)
Autor
Jahr
2009
Seiten
22
Katalognummer
V159483
ISBN (eBook)
9783640739189
Dateigröße
413 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialforschung, Methoden, quantitativ, qualitativ, Befragung, Interview, narrativ
Arbeit zitieren
Egon Wachter (Autor:in), 2009, Beispiele quantitativer und qualitativer Methoden der Sozialforschung: Die standardisierte Befragung und das narrative Interview, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/159483

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