Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Parteieliten in der BRD“ beschäftigt sich, wie der Titel verspricht, mit Parteieliten. Diese bilden den Führungsapparat der Parteien und bestehen, um sie mit Positionen zu benennen, aus den Bundesvorständen der Parteien. Obwohl sie eine wichtige Funktion innerhalb des Parteiensystems erfüllen, nämlich die Leitung der Partei und die Politikkoordination, und sich ihre Relevanz auch theoretisch begründen lässt, wurden die Parteivorstände als Untersuchungsobjekte sowohl in der Eliten- als auch der Parteienforschung bisher vernachlässigt. In dieser Arbeit geht es daher darum, diese Versäumnisse aufzuholen und die Bundesvorstände der fünf wichtigsten deutschen Parteien, CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne, FDP und PDS bzw. Linke einer genaueren Analyse zu unterziehen. Es geht darum zu zeigen, wie die Parteivorstände beschaffen sind und welche Karrierewege sie durchlaufen, bevor sie in den Vorstand gelangen. Zu diesem Zweck wurden biografische Daten der gesamten Vorstände über einen Zeitverlauf von 20 Jahren, von 1990 bis 2009, erfasst. Das Jahr 1990 wurde ausgewählt, um dem Vereinigungsprozess der BRD Rechnung zu tragen und damit sowohl ost- als auch westdeutsche Parteieliten untersuchen zu können. Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Parteivorstände insbesondere in ihren Ausbildungs- und Berufsstrukturen ähneln. Der Großteil der Vorstandsmitglieder besteht aus Akademikern mit breitem Fächerkanon und Berufspolitikern, d.h. die Vorstandsmitglieder waren schon vor ihrer Eliteposition politisch tätig. Dies bestätigen die Karriereverläufe, die zeigen, dass vor allem Erfahrungen in Ämtern auf Bundes- und Landesebene gesammelt wurden. Auch während der Tätigkeit im Vorstand werden sowohl legislative als auch exekutive und Parteiämter ausgeübt. Viele Vorstandsmitglieder sind gleichzeitig Teil des staatlichen Politikbetriebs, doch bleiben die Vorstände auch vermittels kommunaler Tätigkeiten mit ihrer Basis verwurzelt.
Inhaltsverzeichnis
Abstract
Zusammenfassung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
I. Einleitung
1.1 Fragestellung
1.2 Forschungsstand
1.3 Vorgehensweise
II. Theoretischer Teil
1. Eliten: Begriffsbestimmungen
1.1 Eliten und Demokratie
1.2 Politische Eliten
2. Zur Relevanz von Parteieliten
2.1 Drei Organisationsmodelle von Parteien
2.2 Das Macht- und Einflussgefalle der Parteieliten
3. Die Bundesvorstände der Parteien
3.1 Die CDU
3.2 Die SPD
3.3 Bündnis 90/Grüne
3.4 Die FDP
3.5 Die PDS.Linke
III. Empirischer Teil
1. Identifikation der Parteieliten mittels Positionsansatz
2. Datengrundlage
2.1 Soziale Merkmale
2.2 Karriereverläufe
3. Ergebnisse
3.1 Altersstruktur
3.2 Ausbildung
3.3 Berufsstruktur
3.4 Herkunft
3.5 Geschlecht
3.6 Karriereverläufe
IV. Zusammenfassung und Ausblick
V. Literaturverzeichnis
Anhang A
Abstract
The following work entitled „Party Elites in Germany“ deals with Party Elites that is the Party Central Office. It is composed of members of the national Party Board. Even though the Party Board performs an important function, that is leading the party and coordinate its politics, and its impact can be theoretically explained, Party Elites in Central Office are widely unattended both by elite and party research. Hence this work aims to catch up this fact and analyses the party boards of the five most important German parties: CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne, EDP and PDS/Linke. The work answers the question how Party Boards are constituted and which paths of career they are following. Therefore, biographical data was collected of the whole Party Boards of the five parties between 1990 and 2009. The year 1990 was chosen, because it marks the year of the German reunification, so that Party Boards consist of eastern as well as western German members. The results of the analysis shows, that the Party Boards are similar especially concerning their educational and vocational structures, since they are mostly academics with differentiated studies and professional politicians. The career data can verify these results by showing, that most members of the Party Boards have performed political mandates before they became members of the Party Board, especially at federal and state levels. Most members are keeping political mandates even during their membership in the Party Boards. By means of their mandates they are both parts of the governmental state-policy and through municipal mandates parts of the civil basis, to which the Board members stay connected.
Zusammenfassung
Die vorliegende Arbeit mit dem Titel „Parteieliten in der BRD“ beschäftigt sich, wie der Titel verspricht, mit Parteieliten. Diese bilden den Führungsapparat der Parteien und bestehen, um sie mit Positionen zu benennen, aus den Bundesvorständen der Parteien. Obwohl sie eine wichtige Funktion innerhalb des Parteiensystems erfüllen, nämlich die Leitung der Partei und die Politikkoordination, und sich ihre Relevanz auch theoretisch begründen lässt, wurden die Parteivorstände als Untersuchungsobjekte sowohl in der Eliten- als auch der Parteienforschung bisher vernachlässigt. In dieser Arbeit geht daher darum, die Versäumnisse aufzuholen und die Bundesvorstände der fünf wichtigsten deutschen Parteien, CDU, SPD, Bündnis 90/Grüne, FDP und PDS bzw. Linke einer genaueren Analyse zu unterziehen. Es geht darum zu zeigen, wie die Parteivorstände beschaffen sind und auf welche Karrierewege sie durchlaufen, bevor sie in den Vorstand gelangen. Zu diesem Zweck wurden biografische Daten der gesamten Vorstände über einen Zeitverlauf von 20 Jahre, von 1990 bis 2009, erfasst. Das Jahr 1990 wurde ausgewählt, um dem Vereinigungsprozess der BRD Rechnung zu tragen und damit sowohl ost- als auch westdeutsche Parteieliten untersuchen zu können. Im Ergebnis zeigt sich, dass sich die Parteivorstände insbesondere in ihren Ausbildungs- und Berufsstrukturen ähneln. Der Großteil der Vorstandsmitglieder besteht aus Akademikern mit breitem Fächerkanon und Berufspolitikern, d.h. die Vorstandsmitglieder waren schon vor ihrer Eliteposition politisch tätig. Dies bestätigen die Karriereverläufe, die zeigen, dass vor allem Erfahrungen in Ämter n auf Bundes- und Landesebene gesammelt wurden. Auch während der Tätigkeit im Vorstand werden sowohl legislative als auch exekutive und Parteiämter ausgeübt. Viele Vorstandsmitglieder sind gleichzeitig Teil des staatlichen Politikbetriebs, doch bleiben die Vorstände auch vermittels kommunaler Tätigkeiten mit ihrer Basis verwurzelt.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Dreigliedrigkeit der Parteien
Abbildung2: Elitensoziologie
Abbildung 3: Zusammensetzung der Vorstände (Stand 2009)
Abbildung 4: Altersverlauf CDU-Vorstand*
Abbildung 5: Altersverlauf SPD-Vorstand*
Abbildung 6: Altersverlauf Vorstand Bündnis 90/Grüne*
Abbildung 7: AltersverlaufFDP-Vorstand*
Abbildung 8: Altersverlauf Vorstand PDS.Linke*
Abbildung 9: Entwicklung Anzahl ost- und westdeutscher Mitglieder CDU
Abbildung 10: Entwicklung Anzahl ost- und westdeutscher Mitglieder SPD
Abbildung 11: Entwicklung Anzahl ost- und westdeutscher Mitglieder Bündnis 90/Grüne
Abbildung 12: Entwicklung Anzahl ost- und westdeutscher Mitglieder FDP
Abbildung 13: Entwicklung Anzahl ost- und westdeutscher Mitglieder PDS.Linke
Abbildung 14: Anteil ost- und westdeutscher Vorstandsmitglieder gesamt
Abbildung 15: Amterkumulation CDU
Abbildung 16: Amterkumulation SPD
Abbildung 17: Amterkumulation Bündnis 90/Grüne
Abbildung 18: Amterkumulation FDP
Abbildung 19: Amterkumulation PDS.Linke
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Altersstruktur der Bundesvorstände
Tabelle 2: Ausbildungs- und Berufsstruktur CDU-Vorstand
Tabelle 3: Ausbildungs- und Berufsstruktur SPD-Vorstand
Tabelle 4: Ausbildungs- und Berufsstruktur Vorstand Bündnis 90/Grüne
Tabelle 5: Ausbildungs- und Berufsstruktur FDP-Vorstand
Tabelle 6: Ausbildungs- und Berufsstruktur Vorstand PDS.Linke
Tabelle 7: Gesamtüberblick Anteil Männerund Frauen
Tabelle 8: Karriereverlaufsvariablen CDU
Tabelle 9: Karriereverlaufsvariablen SPD
Tabelle 10: Karriereverlaufsvariablen Bündnis 90/Grüne
Tabelle 11: Karriereverlaufsvariablen FDP
Tabelle 12: Karriereverlaufsvariablen PDS.Linke
I. Einleitung
Nach dem desaströsen Ergebnis der SPD bei der Bundestagswahl 2009 begannen schnell die Diskussionen, wer Schuld an der Misere trägt. Die Schuldfrage manifestierte sich alsbald in der Neubesetzung des Parteivorsitzenden. Der bis dahin amtierende Franz Müntefering trat zurück und Sigmar Gabriel wurde zum neuen Chef der Partei gewählt.
Wahlen zum Parteivorsitzenden erlangen nicht nur bei der SPD mediale Aufmerksamkeit. Auch die übrigen bundesdeutschen Parteien zelebrieren ihre Wahlen zum Parteivorsitzenden mit regelmäßigem Medienecho.
Allerdings obliegt die Führung der Partei nicht einer einzelnen Person. Die deutschen Parteien werden vom Bundesvorstand geführt, der vom Parteitag alle ein bis zwei Jahre gewählt wird. Zwar existieren innerhalb des Vorstands Hierarchien, an deren Spitze der Parteivorsitzende steht. Da es sich bei den bundesdeutschen Parteien aber um demokratische Institutionen handelt, können diese auch nicht ohne weiteres zentralistisch von einer Person geleitet werden. Die Vorstände der Parteien sind mehr oder weniger umfangreich, bestehen größtenteils aus einem Präsidium, dem der Vorsitzende vorsteht, und einem zahlenmäßig größeren Vorstand.
1.1 Fragestellung
Wie Dietrich Herzog, einer der führenden politischen Eliteforscher, der sich insbesondere mit Karriereverläufen der politischen FührnngsSchicht auseinandersetzte, formuliert, obliegt den Parteivorständen die „anspruchsvolle Funktion der Politikkoordinati- on[...], ohne dass die Parteien- und Elitenforschung davon sonderlich Notiz genommen hätte“(Herzog 1997: 302). Mit dieser Aussage werden gleich zwei Punkte verdeutlicht: zum einen fehlt es an Forschung über Parteivorstände. Zum anderen betrifft die Untersuchung eben dieser Vorstände sowohl die Parteien- als auch die Elitenforschung. An diesem Punkt setzt die vorliegende Arbeit an.
Zwar gab es große Forschungsprojekte, nämlich die Mannheimer und Potsdamer Elitestudie, die die Eliten der BRD — und hier auch die politischen Eliten — umfangreich untersucht haben. Diese beschränken sich bei den Parteieliten aber auf die Präsidien der Vorstände. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass die Elitestudien sich nicht auf eine spezifische Teilelite Deutschlands begrenzten, sondern auf eine Gesamterhebung der nationalen deutschen Führungsschicht abzielten und Politik insgesamt nur einen von vielen untersuchten Elitesektoren darstellte. Eine detaillierte Betrachtung der Parteivorstände erschien daher für das Gesamtergebnis nicht relevant.
In dieser Arbeit werden aber nun die gesamten Parteivorstände der fünf wichtigsten deutschen Parteien, nämlich CDU, SPD, Bündnis 90/Die Grünen[1], FDP und die PDS bzw. Linke[2] analysiert, um ihrer Funktion innerhalb des Parteiensystems gerecht zu werden. Es geht um die Frage: Wer sind die Parteieliten in der BRD und wie rekrutieren sie sich?
Da es an Forschung über Parteivorstände mangelt, soll zunächst geklärt werden, wie die Parteivorstände der unterschiedlichen Parteien beschaffen sind, d.h. wie alt sie sind, welche Ausbildungen sie absolviert und welche Berufe sie ausgeübt haben, bevor sie in den Parteivorstand gelangten. Außerdem sind ihre Herkunft und das Geschlechterverhältnis von Interesse. Um aussagen zu können, wie sich die Parteieliten rekrutieren, müssen ihre Karrierepfade betrachtet werden. Untersucht werden daher auch die Faktoren, die wichtig sind, um in den Parteivorstand zu gelangen. Schließlich betrifft die Frage nach der Beschaffenheit der Parteieliten auch ihre Vernetzung mit dem politischen System als Ganzem, so dass es gilt, ihre Vernetzung mit den anderen politischen Teileliten, nämlich den Mandatsträgern legislativer und exekutiver Ämter, zu charakterisieren.
1.2 Forschungsstand
Wie erwähnt, gab es große Elitestudien. Deren Ergebnisse sind insofern für die eigene Arbeit von Bedeutung, da zum ersten zumindest Teile der eigenen Untersuchungspopulation, nämlich die Parteipräsidien, analysiert wurden. Zum anderen dienten die Elitestudien als Orientierung, um Analysekategorien für die eigene Untersuchung begründen zu können.
Zu den bedeutendsten Projekten in der Eliteforschung gehören die großen Elitestudien, 1981 von der Mannheimer Gruppe um Rudolf Wildenmann und Petra Kaase sowie die erste gesamtdeutsche Studie von 1995, die die Potsdamer Forschungsgruppe um Wilhelm Bürklin und Hilke Rebenstorf in Angriff nahm. Erkenntnisobjekte beider Studien waren nationale Führungsschichten, d.h. es wurden alle gesellschaftlich relevanten Sektoren mit ihren Eliten betrachtet, darunter auch der Sektor Politik. Während die Mannheimer Studie allerdings nur die Eliten der BRD analysierte, untersuchte die Potsdamer Studie die gesamtdeutsche FührnngsSchicht im wiedervereinten Deutschland, so dass erstmals Aussagen sowohl über ost- als auch westdeutsche Eliten gemacht werden konnten. Gemeinsam ist den Studien, dass sie parallel zur Befragung der Eliten eine repräsentative Bevölkerungsumfrage durchführten, um das Verhältnis von Eliten und Bevölkerung betrachten zu können (Kaina 2004: 9).
Da die Potsdamer Elitestudie ihre eigenen Ergebnisse mit denen der Mannheimer Studie vergleicht, werden hier nur die Ergebnisse der Potsdamer Elitestudie dargestellt, die für die eigene Untersuchung relevant sind. Die Potsdamer Elitestudie setzte den Schwerpunkt ihrer Untersuchung auf die Integration der nationalen deutschen Führungsschicht. Zu ihr zählen Personen, die an „zentralen Entscheidungen für die Gesamtgesellschaft maßgeblich und regelmäßig mitwirken“(Bürklin 1997: 16) und daher Führungspositionen in Institutionen oder Organisationen innehaben, die für die Gesellschaft von fundamentaler Bedeutung sind. In der Politik sind dies die exekutiven Eliten, d.h. Regierungsmitglieder, die legislativen Eliten, d.h. Fraktionsmitglieder sowie Parteieliten, die in der Potsdamer Studie als Parteipräsidien gefasst wurden.
Im Ergebnis zeigte sich, dass der Sektor Politik insgesamt zu den Elitesektoren mit dem geringsten Durchschnittsalter und dem höchsten Frauenanteil gehört, wobei ostdeutsche Eliten im Schnitt sieben Jahre jünger sind und einen drei Mal so hohen Frauenanteil stellen. Von 1981-1995 stieg nicht nur der Frauenanteil in der Politik, auch der Anteil an Hochschulabsolventen vergrößerte sich beträchtlich (Kaina 2004: 13). In der eigenen Untersuchung kann daher von einem hohen Akademikeranteil ausgegangen werden, weshalb im Zuge der Untersuchung der Ausbildungsstrukturen die Studienfächer detaillierter betrachtet werden.
Politik weist zudem eine große Bandbreite an sozialem Hintergrund auf und lässt keine einheitliche Ausbildungsstruktur erkennen. Damit kommt die Potsdamer Elitestudie zu dem Schluss, dass die politische Führungsschicht einen breiten Erfahrungshintergrund repräsentiert (Rebenstorf 1997b: 196). Dies gilt es auch bei der eigenen Analyse der FührnngsSchicht zu untersuchen.
Des Weiteren stellte sich bei der Untersuchung der politischen Teileliten in der Potsdamer Studie heraus, dass bei Parteivorständen das Geschlechterverhältnis am ausgeglichendsten ist, was sich nicht unerheblich auf die Proporz- und Quotenregelungen der Parteien zurückführen lässt. Bei den exekutiven Politikeliten dominieren Männer. Sie stellen 75% des Personals (Rebenstorf 1997b: 168).
Von besonderem Interesse war die Beschaffenheit der ostdeutschen im Vergleich zur westdeutschen Elite. Die Potsdamer Elitestudie konstatiert einen unterschiedlichen Karriereverlauf ost- und westdeutscher Politiker. Demnach sind ostdeutsche Eliten am häufigsten in der Politik vorzufinden (Machatzke 1997: 66). Dass Ostdeutsche besonders im Sektor Politik vertreten sind, liegt in der interessensvermittelnden Funktion dieses Bereichs begründet. Ostdeutsche Politiker sind dort nicht nur aus Repräsentationsgründen von Bedeutung. Sie spielen auch eine entscheidende funktionale Rolle: sie sind mit den Erwartungen und Problemen der ostdeutschen Bevölkerung vertraut und haben daher einen „Platziernngsvorteil“(Welzel 1997: 214).
Die ostdeutschen Politikeliten unterscheiden sich nicht nur im Alter und Frauenanteil von den westdeutschen Politikeliten. Auch in den verschiedenen Funktionsbereichen, nämlich Parteien, Regierung und Legislative, zeigen sich Differenzen. Bei den Parteieliten erreichen ostdeutsche Eliten ihre Position am schnellsten und sind jünger als westdeutscher Vorstandsmitglieder. Sie haben wesentlich häufiger Berufsausbildungen abgeschlossen sowie öfter promoviert bzw. habilitiert. In den Studiengängen dominieren Naturwissenschaften und Technik. Westdeutsche Parteieliten favorisieren hingegen juristische, wirtschaftliche und pädagogische Studienfächer. Ostdeutsche üben Politik länger nebenberuflich aus, wohingegen westdeutsche Parteieliten zu 40% Politik als ihre erste berufliche Tätigkeit angeben (Rebenstorf 1997b: 165). Viele ostdeutsche Politikeliten mussten zwar ihre frühere Macht einbüßen, jedoch nicht notwendigerweise ihre Eliteposition innerhalb der Parteien. Diese Position ging nur dann verloren, wenn sie sich im parteiinternen Wettbewerb nicht durchsetzen konnten (Bürklin 1997: 28).
Die Potsdamer Studie betrachtete auch die Rekrutierungsmuster genauer. Dabei zeigte sich, dass eine Angleichung der ostdeutschen an die westdeutschen Rekrutierungsmuster in der Politik stattgefunden hat. Zwar gab es erhebliche personelle Fluktuation, insbesondere in den ersten Jahren der Wiedervereinigung. Die „generellen Strukturcharakteristika der politischen Elite der BRD“ haben jedoch den Vereinigungsprozess überdauert (Bürklin/Herzog 2003: 510). Angesichts der Tatsache, dass die BRD ein etabliertes demokratisches System darstellt, dessen Parteien ebenfalls einer demokratischen Organisationsweise entsprechen, ist dies nicht weiter verwunderlich. Während also eine Anpassung der Parteistrukturen an die etablierten Westparteien kaum in Frage stand, verhält sich dies mit der Integration von Parteieliten ostdeutscher Herkunft in die Parteien anders. Für die eigene Arbeit bedeutet das, dass auch für die ostdeutschen Parteieliten die für die Politik charakteristischen Karrierewege beleuchtet werden können, da davon ausgegangen wird, dass die ostdeutschen Parteieliten den Rekrutierungsregeln der westlichen Parteien folgen.
Dietrich Herzog untersuchte, seiner kritischen Anmerkung folgend, selbst die Bundesvorstände der Parteien CDU, CSU, SPD, FDP, Bündnis 90/Die Grünen und PDS im Zeitraum von 1990-1996. Ihm ging es um Kontinuität und Wandel der Personalstruktur nach der Wiedervereinigung, das Ausmaß an Verflechtungen zwischen dem Bundesvorstand und den Staatsorganen sowie um typische Karrieremuster der Vorstandsmitglieder (Herzog 1997: 302).
Er kam zu dem Schluss, dass die personelle Fluktuation der beiden Volksparteien CDU und SPD ähnlich konstant war, bei der FDP war der Vorstand hingegen erheblichen Schwankungen in der Personalstruktur ausgesetzt. Die Grünen haben aufgrund ihres Rotationsprinzips den Vorstand fast vollständig ausgewechselt. Die PDS wechselte insbesondere in ihrer Anfangsphase häufig ihr Personal, was auf ihren strukturellen Anpassungsdruck zurückzuführen ist (Herzog 1997: 308-310). Die Fluktuation wird in der eigenen Arbeit zwar nicht untersucht, die Altersstrukturen geben aber zumindest Auskunft darüber, ob neue Mitglieder in die Vorstände aufrücken.
Was die Vernetzung der Vorstände mit der gouvermentalen Ebene betrifft, so konstatiert Herzog, dass eine Verflechtung bei CDU, CSU und FDP schon satzungsmäßig vorgeschrieben ist. Doch auch ohne solche Ex-Officio-Mitgliedschaften ist Ämterkumulation in allen Parteien außer den Grünen ausgeprägt. Die PDS bildete insofern eine Ausnahme, da sie in ihrem Selbstverständnis weniger auf „Übernahme staatlicher Mitverantwortung“(Herzog 1997: 315) zielt und damit auch weniger in Regierungsämtern vorkommt.
Bei den Karrierepfaden untersuchte Herzog den politischen Erfahrungsschatz der Vorstandsmitglieder, mit dem Ergebnis, dass für die Wahl in den Vorstand besonders staatliche Führungspositionen von Bedeutung sind (Herzog 1997: 321). Karriereverlaufsdaten sowie die Amterkumulation fließen auch in die eigene Untersuchung ein.
1.3 Vorgehensweise
Die vorliegende Arbeit orientiert sich an der Potsdamer Elitestudie und dem damit verbundenen Forschungsdesign.
Im Gegensatz zu einer solch groß angelegten Studie können im Rahmen einer Magisterarbeit weder zeitlich noch finanziell Daten in einem solchen Umfang gesammelt und einer solchen Beschaffenheit erhoben werden, die Werthaltungen oder Einstellungen der Elite hervorbringen, da dafür Befragungen und Interviews nötig wären. Daher greift diese Arbeit erstens auf soziostrukturelle Daten zurück, da diese verhältnismäßig leicht zugänglich sind und hauptsächlich Recherchearbeit erfordern. Damit bleibt die Analyse aber auf Daten beschränkt, die aus den jeweiligen Biografien hervorgehen. Es konnte nicht gezielt nach Informationen gefragt werde, so dass die verwendeten Informationen keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben können. Zum anderen beschränkt sich die Arbeit auf Parteieliten, d.h. untersucht wird nicht der politische Sektor als Ganzer, sondern der Subsektor Partei. Das liegt zum einen wiederum an der Größe der Untersuchung: die gesamte politische Führungsschicht von 1990 bis 2009 zu analysieren wäre mit einem erheblichen Zeit- und Materialaufwand verbunden. Zum anderen ist das Erkenntnisinteresse die Parteielite, weil detaillierte Untersuchungen dieser Teilelite kaum vorliegen und daher einer genaueren Beobachtung bedürfen. Schließlich findet auch kein Vergleich mit der Gesellschaft der Nicht-Elite statt, sondern nur der Parteieliten untereinander, d.h. zwischen den fünf bundesdeutschen Parteien.
Ebenso wie in der Potsdamer Studie wird in vorliegender Arbeit zur exakten Identifizierung der Parteieliten auf den Positionsansatz zurückgegriffen. Er basiert auf der Annahme, dass es sich bei Macht und Einfluss nicht um individuelle Eigenschaften handelt, sondern um Ressourcen, mit denen Führungspositionen qua Amt für einen be- stimmten Zeitraum ausgestattet sind. Der Positionsansatz ermittelt die Inhaber solcher Führungspositionen bzw. die Positionseliten (Machatzke 1997: 35). Da beim Positionsansatz unterstellt wird, dass Macht- und Einflusschancen institutionell und nicht individuell verfestigt sind, stellt die ausgewählte Positionselite gleichzeitig eine soziologisch relevante Kategorie dar. Ihre sozialen Merkmale lassen sich sinnvoll mit denen andere gesellschaftlicher Gruppen vergleichen. Dies ist vor allem für die Analyse der soziode- mografischen Merkmale und Karrieremuster von Eliten relevant (Hoffmann-Lange 1992: 86).
Um die Positionseliten zu identifizieren, wird zunächst ein vierstufiges Auswahlverfahren durchgeführt. Auf der ersten Stufe geht es darum, die Sektoren zu bestimmen, die in die Untersuchung mit einbezogen werden sollen. Auf der zweiten Stufe werden dann die wichtigsten Organisationen innerhalb der ausgewählten Sektoren definiert. Anschließend wird auf der dritten Stufe herausgefiltert, welche die formalen Führungspositionen innerhalb der Organisation sind, um schließlich in der vierten Stufe die im jeweiligen Untersuchungszeitraum amtierenden Positionsinhaber zu identifizieren (Hoffmann-Lange 1992:88).
Eine weitere wichtige Grundentscheidung betrifft die horizontale und vertikale Abgrenzung der Untersuchungspopulation, d.h. es muss entschieden werden, wie eng oder breit der Einfluss auf Entscheidungen definiert wird. Bei der horizontalen Abgrenzung geht es darum, den Personenkreis auf Positionsinhaber einzugrenzen, die unmittelbar an Entscheidungen mitwirken. Die vertikale Abgrenzung betrifft die Anzahl der Hierarchieebenen, d.h. in die Erhebung werden entweder nur die Inhaber der höchsten Führungsposition miteinbezogen oder auch Personen, die zwar kein formal höchstes Amt innehaben, aber an wichtigen Entscheidungsvorbereitungen teilnehmen (Machatzke 1997: 36 und Bürklin 1997: 17). Für die Definition der vertikalen und horizontalen Abgrenzung existiert kein objektives Kriterium. Sie bleibt daher dem Forscher selbst überlassen.
Der Vorteil des Positionsansatzes ist seine hohe Reliabilität, weil sich die Eliteforschung größtenteils darin einig ist, welche Institutionen und Organisationen als mächtigste und einflussreichste der Gesellschaft ausgewählt werden. Hinzu kommt, dass der Positionsansatz stark formalisiert ist und daher keine umfangreichen Vorstudien nötig sind, um die Positionseliten bestimmen zu können[3]. Nachteilig ist allerdings zum einen, dass es keine Richtlinien gibt, die Grenzen der Elitegruppen zu bestimmen. Außerdem kann der Positionsansatz aufgrund seiner formalen Positionsdefinition informelle Machtpositionen nicht berücksichtigen, da diese nicht qua Amt erfasst werden. Solche informellen Positionen können aber eine entscheidende Rolle bei der Durchsetzung wichtiger Entscheidungen spielen (Kaina 2009: 396). Dennoch findet der Positionsansatz auch in dieser Arbeit Anwendung, was in Kapitel 5 genauer erläutert wird.
Bevor die Parteivorstände im Einzelnen untersucht werden, wird zunächst in einem theoretischen Teil der Anforderung genüge getan, dass es sich bei Parteivorständen um eine Kategorie handelt, die sowohl für die Eliten- als auch die Parteienforschung relevant ist. Daher werden zunächst politische Eliten definiert und ihre spezifischen Rekrutierungswege erläutert (Kapitel 2). Anschließend wird die Relevanz von Parteieliten im Parteiensystem erklärt (Kapitel 3). Diese beiden Kapitel sollen den Zusammenhang beider Forschungsstränge darstellen. Anschließend werden die Organisationsstruktur und die personelle Zusammensetzung der Bundesvorstände der fünf Bundesparteien aufgezeigt (Kapitel 4), um einen Überblick über ihre Funktion und ihren Aufbau der zu erhalten. Im darauf folgenden Kapitel (Kapitel 5) wird erläutert, wie die Parteieliten identifiziert wurden, um dann die sozio-strukturellen Merkmale zu erklären, die analysiert werden. Sowohl die soziodemografischen Merkmale als auch die Karrieremuster der Parteieliten, die in vorliegender Arbeit untersucht werden, gehören zu den klassischen Themen der Eliteforschung. Sie lassen Aussagen über die „soziale Rekrutierungsbasis und typische Aufstiegswege in Elitepositionen“(Hoffmann-Lange 1992: 56) zu.
In der Arbeit werden die soziale Zusammensetzung und Karrierewege der Parteieliten in erster Linie beschrieben. Sie geht aber über eine statische Deskription hinaus, da es der gewählte Ergebungszeitraum von 1990 bis 2009 erlaubt, Tendenzen und Entwicklungen in der Struktur des Führungspersonals und ihrer Rekrutierung aufzuzeigen. Die Wahl des Untersuchungszeitraums lässt sich damit begründen, dass das Jahr 1990 für die Bundesrepublik eine Zäsur darstellt, denn 1990 fand die Wiedervereinigung Deutschlands statt, die sich auch in der Verbindung der westdeutschen mit den ostdeutschen Parteien manifestierte, die dann zum ersten Mal für einen gesamtdeutschen Bundestag zur Wahl standen. Die Dauer von 20 Jahren lässt mit zwei Generationen außerdem vermuten, dass sich die Eliten ostdeutscher Herkunft etablieren und sozialisieren konnten, so dass tatsächlich von einer gesamtdeutschen Parteielite gesprochen werden kann. Im empirischen Teil der Arbeit (Kapitel 6) werden dann die Ergebnisse der Untersuchung dargestellt.
II. Theoretischer Teil
1. Eliten: Begriffsbestimmungen
Ziel dieses Kapitels ist zunächst zu klären, was Eliten sind und welche Bedingungen sie erfüllen müssen, um in demokratischen Systemen legitim existieren zu können.
1.1 Eliten und Demokratie
Eliten entstehen in den verschiedenen Sektoren der Gesellschaft und sind
„die mehr oder weniger geschlossenen sozialen und politischen Einflussgruppen, die sich aus den breiten Schichten der Gesellschaft und ihren größeren und kleineren Gruppen auf dem Weg der Delegation oder Konkurrenz herauslösen, um in der sozialen oder politischen Organisation des Systems eine bestimmte Funktion zu übernehmen"(Stammer) (Bürklin 1997: 16).
Diese Definition geht zurück auf Otto Stammer und beschreibt relativ abstrakt die Beschaffenheit von Eliten in modernen Gesellschaften, die er als Funktionseliten bezeichnet. Auf Stammers Eliten-Charakterisiernng basiert die Sichtweise von Eliten als Positionseliten, die über die jeweilige Position, die sie bekleiden, bestimmt werden und damit exakter identifiziert werden können (Bürklin 1997: 16).
Moderne Gesellschaften sind heute ausdifferenziert und gliedern sich in verschiedene Subsysteme, die miteinander interagieren. Angesichts der immer komplexer werdenden gesellschaftlichen Problemlagen müssen diese Subsysteme hierarchisch organisiert sein. Die verschiedenen Subsysteme bilden dabei eine pluralistische Struktur aus, so dass Macht nicht bei einer für die Gesamtgesellschaft entscheidenden Gruppe liegt, sondern je autonomen Führungsgruppen, die ihrem Subsystem entsprechend eigene Interessen vertreten (Hoffmann-Lange 2006: 71). An der Spitze dieser hierarchisch organisierten Subsysteme stehen Führungsgruppen oder genauer, Eliten. Ihre Existenz ist für das Funktionieren von Demokratien essentiell und wird daher nicht mehr in Frage gestellt. Bedeutend ist jedoch die Frage nach der Legitimität der Auswahlprozesse, mittels derer Individuen in die Elite aufsteigen, denn Elitenrekrutierung unterliegt in demokratischen Gesellschaften bestimmten Bedingungen: Die Aufstiegskanäle müssen zugänglich, die Auswahlverfahren offen und die Auswahlmaßstäbe transparent sein (Kevenhörster 2008: 126). Nicht Herkunft, Rasse oder Geschlecht sind also ausschlaggebend, um in eine Elite zu gelangen, sondern „Leistung und funktionale Erwägungen“(Schnapp 1997: 69-71). Daher steht jedem Individuum die Möglichkeit offen, Teil der Elite zu werden, sofern es die dem jeweiligen Subsystem entsprechende erforderliche Leistungsqualifikation aufweist (Münkler et al 2006: 14). Chancengleichheit und Offenheit sind also bei der Elitenrekrutierung entscheidendes Charakteristikum für demokratisch Eliten (Hoffmann-Lange 1992: 118).
Das Leistungsprinzip als entscheidendes Prinzip der Elitenrekrutierung ist deswegen legitim, weil dadurch eine Leistungskonkurrenz gefördert wird. Denn nur wer fähig ist, seine Funktion im politisch-gesellschaftlichen System zu übernehmen und zu erfüllen, bleibt Teil der Elite. Dies fördert die Anstrengung, seiner Funktion entsprechende Leistung zu erbringen. Damit ist die Funktionsfähigkeit der demokratischen Elite sowie des demokratischen Systems als Ganzes gewährleistet (Hartmann 2004: 54). Die Annahme, dass die unterschiedlichen Führungsgruppen in friedlichem und freiem Wettbewerb um Macht und Einfluss konkurrieren, bildet den Kern des pluralistischen Elitenparadigmas, auf den sich die heutige Eliteforschung stützt (Kaina 2004: 9).
1.2 Politische Eliten
Nachdem nun geklärt ist, welchen Bedingungen Elitenrekrutierung in Demokratien unterliegt, soll dies im Folgenden für politische Eliten spezifiziert werden.
Politische Eliten sind „durch demokratische Auswahlverfahren legitimierte[] Führnngs- schichten[...], die unmittelbaren Einfluss auf die Besetzung politischer Ämter und auf die Substanz politischer Entscheidungen nehmen“(Kevenhörster 2008: 126).
Zur politischen Elite gehören daher Personen, die „qua Amt oder Position gesamtgesellschaftlich verbindliche Entscheidungen [treffen] oder diese zumindest beeinflussen oder auch verhindern [können]“(Grabow 2006: 21).
Politische Eliten gehen in demokratischen Systemen aus Wahlen hervor. Das Volk entscheidet, welcher kleine Personenkreis aus politischen Kandidaten für einen bestimmten Zeitraum gesamtgesellschaftliche Entscheidungen trifft, indem es zwischen konkurrierenden Parteien auswählt. Sind die Wähler mit den Handlungen des so hervorgegangenen politischen Führungspersonals nicht zufrieden, so müssen die politischen Eliten damit rechnen, zum nächsten Wahltermin nicht wiedergewählt zu werden (Grabow 2006: 25). Diese Rückbindung politischen Handelns an die Vorstellungen der Bürger ist das Fundament repräsentativer Demokratien.
Leistung wird in der Politik daher zum einen von der Bevölkerung beurteilt. Sie spielt aber nicht allein eine Rolle bei der Selektion und Leistungsbeurteilung politischer Eliten. Während das Volk Leistungsevaluation mittels Wahlen betreibt, obliegt den Parteien die Aufstellung des politischen Personals, das dem Volk dann zur Abstimmung vorgelegt wird (Münkler 2006: 33). Parteien sind also in der Position des Selektors, während das Volk Leistungsbeurteiler ist. Beiden gemeinsam bleibt aber die Aufgabe erhalten, den Leistungsanforderungen entsprechende Personen durch Wahlen zu beurteilen. Dies gestaltet sich in der Politik deshalb schwieriger, weil es keine spezifischen Anforderungen gibt, die Politiker erfüllen müssen, d.h. es gibt keine festgelegten Leistungskriterien. Im Sektor Politik sollen die vielfältigen Interessen der Gesellschaft repräsentiert und aggregiert werden, damit im Ergebnis ein Ausgleich dieser Interessen in Form konsensualer Politik steht. Eine feste Normierung des Berufs „Politiker“ erscheint insbesondere dahingehend wenig sinnvoll, da nur so die Rekrutierung in die Politik offen bleibt. Dies ist nicht nur aufgrund demokratischer Normen entscheidend. Mit einer Berufsnormierung wären Politiker sehr viel starrer und unflexibel und könnten weniger zügig auf sich ändernde gesellschaftliche Anforderungen reagieren und ihre Rekrutierung entsprechend anpassen (Rebenstorf 1997b: 161).
Karriereverläufe in derPolitik
Es existiert also kein Studiengang Politik, bei dem der Abschluss wie ein Staatsexamen zum Beruf befähigt. Politik zählt zwar immer noch zu den ungelernten Berufen (Wiesendahl 2006b: 101), allerdings hat sich in der Politik ein ausbildungsähnlicher Werdegang etabliert, die so genannte Ochsentour. Gemeint ist eine Phase der Lehrzeit in verschiedenen innerparteilichen und kommunalpolitischen Funktionen (Gruber 2009: 46). Die Ochsentour ist durch einen kontinuierlichen, innerparteilichen Aufstieg gekennzeichnet. Sie beginnt mit dem Parteibeitritt und der aktiven Ausgestaltung der Mitgliedschaft, indem ehrenamtlich Partei- und Wahlämter auf Orts- und Kommunalebene übernommen werden (Wiesendahl 2006b: 106-107). Das Hochdienen über eine Vielzahl von Parteiämtem dient der Vermittlung von Spezialwissen, das für die Ausübung politischer Ämter unabdingbar ist (Gruber 2009: 47). Der zukünftige Berufspolitiker lernt den Umgang mit der Wählerklientel, zu der er selbst eine gewisse Affinität aufweisen muss, um längerfristig im Politikbetrieb bestehen zu können. Zudem kann er sich auf der lokalen Ebene auch gegenüber der Parteibasis beweisen, die bei der Kandidatenaufstellung eine wichtige Rolle spielt (Hartmann 2004: 22). Hier zeigt sich erneut die essenzielle Bedeutung von Parteien bei der Rekrutierung des politischen Personals. Zum einen rekrutieren sie ihren Führungsnachwuchs aus dem Reservoir ehren- und nebenamtlicher Lokalpolitiker (Wiesendahl 2006b: 107) Entscheidend für den Aufstieg sind weniger Expertise oder Fachkenntnisse als vielmehr der richtige „Stallgeruch“, den sich die Nachwuchspolitiker bei ihrer Ochsentour angeeignet haben. Seiteneinsteiger oder Nicht-Parteimitglieder haben wenig Chancen, als Kandidaten für höhere politische Ämter und Positionen nominiert zu werden. Ihnen fehlt die langjährige Erfahrung im Politikbetrieb (Grabow 2006: 35). Rekrutierungsmuster sind daher vornehmlich parteipolitisch bestimmt.
Zum anderen werden Parteien quasi zum Äquivalent zu Berufsverbänden, indem sie den Zugang zu Ämtern und Mandaten steuern (Gruber 2009: 48). Das ist für Parteien auch von fundamentaler Bedeutung, da sie ihren Mitgliedern kaum andere selektive und materielle Anreize für eine aktive Mitgliedschaft bieten können (Grabow 2006: 35).
So nachvollziehbar die langjährige Erfahrung im politischen Bereich als Voraussetzung für eine hauptberufliche Politikerkarriere auch ist, so fördert das Durchlaufen der Ochsentour doch eine gewisse bernfs- und soziostrnkturelle Verzerrung zugunsten von Berufen, die sowohl Zeit als auch finanzielle Mittel stellen, um über einen längeren Zeitraum hinweg ein nebenberufliches bzw. nebenamtliches politisches Engagement zu ermöglichen. Der Herkunftsberuf wird so zum Weichensteller für die weitere politische Karriere (Wiesendahl 2006b: 107).
Die Ochsentour gehört zum Standard in der Politik, ist aber nicht die einzige Möglichkeit, im politischen Bereich Fuß zu fassen.
Dietrich Herzog identifizierte drei für die Politik relevante Karrieretypen, die immer wieder vorzufinden sind.
1. Die Standard-Karriere ist jener Karrieretyp, bei der die Ochsentour neben dem Beruf durchlaufen wird und Politik als zusätzliche oder zweite Laufbahn eingeschlagen wird (Gruber 2009: 104). Erst, wenn man sich im privaten Beruf etabliert hat, findet ein Wechsel in die Berufspolitik statt (Gruber 2009: 15). Da ein solcher Politiker durch seine langjährige private Berufserfahrung aus der Mitte der Gesellschaft stammt und durch die Ausübung verschiedener politischer Ämter mit seinen gesellschaftlichen Wurzeln verbunden bleibt, gilt die StandardKarriere als besonders responsiv gegenüber der Bevölkerung.
2. Die Cross-Over-Karriere bestimmt sich aus dem Verhältnis zwischen der Berufslaufbahn und dem politischen Aufstieg. Personen, die eine Cross-OverKarriere vollziehen, sind externe Spezialisten für Sachthemen (Rebenstorf 1997b: 162) und haben auf sich aufmerksam gemacht, indem sie im privaten Beruf herausragende Leistungen erbracht bzw. hervorgehobene Positionen eingenommen haben. Von dort wechseln sie direkt in die Politik (Gruber 2009: 104), ohne vorher die langwierige Ochsentour durchlaufen zu haben.
3. Dem Karrierepfad der reinen Polit-Karriere folgen Personen, die sich bereits früh, z.B. in Jugendorganisationen der Parteien, politisch engagiert haben. Sie lernen das politische Handwerk von Grund auf kennen, d.h. Verhandlungsfüh- rnng, Bedeutung von formellen und informellen Gremien und ähnliches. Allerdings weisen sie keinerlei oder kaum berufliche Erfahrungen auf, da sie direkt nach ihrem Abschluss in die Berufspolitik gehen (Rebenstorf 1997b: 162). Mit mangelnder beruflicher Erfahrung geht aber auch ein Mangel an gesellschaftlicher Interessensintegration einher.
Bisher wurde eine Dominanz der Standard-Karriere konstatiert, während die reine Politik-Karriere und die Cross-Over-Karriere mit abnehmender Verbreitung festgestellt wurden.
Die Professionalisierung derPolitik
Die gesellschaftliche Entwicklung mit ihrer funktionalen Differenzierung hat nicht nur die Existenz von Eliten nötig gemacht. Mit der Politisierung immer weiterer Lebensbereiche und der damit einhergehenden Komplexität von Politik ist auch eine Professiona- lisiernng des politischen Sektors notwendig geworden. Dies schließt die Professionalisie- rnng von Politikern mit ein, was zur Herausbildung des Berufspolitikers führte (Bor- chert 2003: 29).
Parteien zeichnen sich heute durch eine ausdifferenzierte Binnenstruktur mit zeitaufwendigen Verfahren aus. Um sowohl effizient als auch effektiv arbeiten zu können, be- dürfen sie daher eines großen, professionellen und daher auch hoch qualifizierten Mitarbeiterstabs (Borchert 2003: 28), was ebenso höhere Bildungsabschlüsse erfordert.
Um hauptberuflich Politik betreiben zu können, muss man von der Politik leben können, d.h. es ist ein verlässliches Einkommen erforderlich, welches zudem über einen längeren Zeitraum gesichert sein muss. Eine Professionalisiernng im Sinn einer Verbernflichung ist auch deshalb für Politiker wichtig, weil sie oft nur schwer wieder in ihren gelernten Beruf zurückkehren können. Je länger man seinem Grundberuf durch die Ausübung politischer Tätigkeiten entfernt bleibt, desto größer ist auch die Entfremdung zum Grundberuf (Herzog 1982: 96). Politiker haben daher Maßnahmen entwickelt, um ihre politischen Karrieren zu sichern. Zwar müssen sich auch Berufspolitiker durch Wahlen in ihrem Amt bestätigen lassen. Jedoch können auch institutionelle Regeln dazu beitragen, länger im Amt zu verbleiben. Solche institutionellen Regeln werden von den Parteien selbst festgelegt, denn sie entscheiden über die Verfahren zur Aufstellung und Wahl der Kandidaten (Borchert 2003: 35-36).
Im Zuge der Professionalisiernng entstehen Berufspolitiker, die eine gewisse Berufsnormierung vorgenommen haben — zumindest sind bestimmte Kenntnisse und Qualifikationen sowie eine hohe Bildung von Belang. Dies kann zur Schließung der politischen Arena gegenüber den Bürgern führen. Zudem nimmt mit dem Maß, mit dem die Pro- fessionalisiernng zunimmt, die Bindung an politische Herkunftsmilieus ab (Borchert 2003: 45).
Das Kapitel hat gezeigt, wer Politikeliten sind und wie sie sich rekrutieren. Die Ochsentour ist von fundamentaler Bedeutung für politische Karrieren, auch wenn der Politikbetrieb immer weiter professionalisiert wird. Mit der Professionalisiernng steigen vor allem die Bildungsanforderungen.
2. Zur Relevanz von Parteieliten
Die nun folgenden Kapitel sollen klären, welche Elitetypen es innerhalb von Parteien gibt und welche Bedeutung sie haben. Dabei soll sich herauskristallisieren, warum die in der Arbeit untersuchten Parteieliten relevant sind, indem gezeigt wird, welche spezifischen Funktionen sie erfüllen und welche Machtressourcen sie besitzen.
2.1 Drei Organisationsmodelle von Parteien
Parteien nehmen im gesellschaftlichen Willensbildungs- und Entscheidungsprozess eine „politische Schlüsselstellung“ (Wiesendahl 2006a: 10) ein: sie nehmen unmittelbar und maßgeblich Einfluss auf den Verlauf und den Ausgang politischer Entscheidungen. Ihre Funktion und Position im demokratischen System definiert Elmar Wiesendahl folgendermaßen:
[...]
[1] Im Folgenden unter der Bezeichnung „Grüne" verwendet.
[2] Für die Gesamtschau von PDS und Linkspartei als PDS.Linke bezeichnet.
[3] Zur Identifizierung von Eliten gibt es noch zwei weitere Ansätze. Der Reputationsansatz gründet auf der Hypothese, dass Personen, die Einfluss haben, auch bekannt sind (Kaina 2009: 394). Die Zielpersonen werden ausgewählt, indem Experten um ihre Einschätzung gebeten werden, wer zum Kreis der einflussreichsten Personen gehört (Bürklin 1997: 18). Abgesehen vom hohen Vorbereitungsaufwand ist bei diesem Ansatz nachteilig, dass die ausgewählten Personen nur für einflussreich gehalten werden. Sie müssen es aber nicht auch tatsächlich sein. Beim Entscheidungsansatz beruhtdie Auswahl auf konkreten politischen Entscheidungsverfahren, deren Teilnehmer dann als zur Elite gehörig betrachtet werden (Bürklin 1997: 18). Nachteil dieses Ansatzes sind die besonders aufwendigen und umfangreichen Vorstudien, die notwendig sind, um die Eliten zu identifizieren (Kaina 2009: 394).
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