Deutschland in der Frühbronzezeit

Mit Zeichnungen von Friederike Hilscher-Ehlert


Fachbuch, 2011

278 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Die Bronzezeit
Das »goldene Zeitalter« der Urgeschichte

Die Frühbronzezeit in Deutschland Abfolge und Verbreitung der Kulturen und Gruppen

Bronzegießer, »Fürsten« und Kannibalen
Die Aunjetitzer Kultur von etwa 2300 bis 1600/1500 v. Chr

»Heiliges Geld« für die Götter
Die Straubinger Kultur von etwa 2300 bis 1600 v. Chr

Eine Leibwache im Jenseits
Die Singener Gruppe von etwa 2300/2200 bis 1800 v. Chr. und die Oberrhein-Hochrhein-Gruppe

»Brotlaib-Idole« am Bodensee
Die Arbon-Kultur von etwa 1800 bis 1600 v. Chr

Sie fürchteten ihre Toten
Die Ries-Gruppe von etwa 2300/2200 bis 1800 v. Chr. und die Neckar-Gruppe

Das Gräberfeld vom Adlerberg
Die Adlerberg-Kultur von etwa 2100 bis 1800 v. Chr

Die »Prinzessin von Fallingbostel«
Der Sögel-Wohlde-Kreis von etwa 1600 bis 1500 v. Chr

Stabdolche als Zeichen der Götter
Die nordische frühe Bronzezeit von etwa 1800 bis 1500 v. Chr

Anmerkungen

Literatur

Bildquellen

Die wissenschaftliche Graphikerin Friederike Hilscher-Ehlert

Der Autor Ernst Probst

Bücher von Ernst Probst

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der dänische Archäologe

Christian Jürgensen Thomsen (1788—1865)

hat 1836 die Urgeschichte

nach dem jeweils am meisten verwendetem Rohstoff

in drei Perioden eingeteilt:

Steinzeit, Bronzezeit und Eisenzeit.

Die Bronzezeit

Das »goldene Zeitalter« der Urgeschichte

Als Bronzezeit wird jenes Zeitalter der Menschheits­geschichte bezeichnet, in dem erstmals in größerem Umfang aus einer Verbindung der Metalle Kupfer und Zinn — nämlich Bronze1 — Werkzeuge, Waffen und Schmuck angefertigt wurden. Nach der vorange­gangenen, viel längeren Steinzeit ist die Bronzezeit in Europa mit ihrer verhältnismäßig geringen Dauer von maximal 1500 Jahren das zweitlängste Zeitalter der Urgeschichte.

Die Bronzezeit begann — nach den ältesten Bronze­funden zu schließen — in Mesopotamien, Ägypten, auf der Mittelmeerinsel Kreta, in Troja und Südosteuropa schon um 2500 v. Chr., nahm in manchen Teilen Mitteleuropas etwa 2300 v. Chr. ihren Anfang und setzte in Nordeuropa erst gegen 1600 v. Chr. ein. Die Bronzezeit endete mit dem Aufkommen des Eisens, also bei den Hethitern in Kleinasien schon 1300 v. Chr., in Griechenland etwa 1200 v. Chr., in Italien und auf dem Balkan um 1000 v. Chr., in Teilen Mitteleuropas ungefähr 800 v. Chr. und in Nordeuropa erst um 500 v. Chr. Bronzezeitliche Kulturen haben in Europa, Afrika und Asien existiert.

Der Begriff »Bronzezeit« wurde 1836 in einem Muse­umskatalog durch den dänischen Prähistoriker Christian Jürgensen Thomsen (1788—1865) aus Kopenhagen eingeführt. Statt des Namens Bronzezeit schlug der Prähistoriker Christian Strahm aus Freiburg/Breis­gau bei einem Vortrag im April 1991 den Ausdruck »Metallikum« vor, weil man erst seit diesem Abschnitt von einer weitverbreiteten Metallurgie sprechen kön­ne. Strahm bezeichnete die ältere Frühbronzezeit in Mitteleuropa als »Aufbauphase« und die entwickelte Frühbronzezeit als »industrielle Phase« der Metallur­gie.

Bis in die Bronzezeit reichen die Anfänge der Antike, also des klassischen oder griechisch-römischen Altertums, zurück. Die Historiker datieren den Beginn der Antike uneinheitlich. Sie lassen die Antike entweder schon mit der frühgriechischen Einwanderung in Hellas vor 1500 v. Chr. beginnen oder erst mit der eigentlichen griechischen Geschichte etwa 500 Jahre später. Auch bezüglich des Endes der Antike war man sich nicht einig. Es wird durch bestimmte historische Ereignisse — wie etwa den Beginn der Alleinregierung Konstantins 324 n. Chr. oder die Absetzung des letzten weströmischen Kaisers Romulus Augustus durch den Söldnerführer Odoaker 476 n. Chr. — markiert.

Außer den archäologischen Funden geben auch zahl­reiche schriftliche Quellen über das bronzezeitliche Leben Auskunft, weil in dieser Periode die Schrift in Ägypten, Sumer und Babylonien bereits bekannt war und auf Kreta, in Phönikien und Griechenland einge­führt wurde. So liegen beispielsweise für Ägypten aus der Zeit nach 2000 v. Chr. die Dauer der einzelnen Herrscherdynastien, die Regierungszeit der Pharaonen, deren Namen sowie Jahreszahlen wichtiger Ereignisse vor. Dieses Zahlengerüst liefert manchmal wertvolle Anhaltspunkte bei Datierungsfragen.

Die Menschen der Bronzezeit kannten vielleicht schon ein altes Maßsystem, das nach neueren Erkenntnissen bereits in der Steinzeit vorhanden war und bis in die Barockzeit galt. Es soll auf der Basis von 33,3 Zenti­metern für eine Einheit beruhen. Über dieses »altgerma­nische Maßsystem« hatte der Archäologe und Nu­mismatiker Robert Forrer (1866-1947) aus Strassburg schon 1907 geschrieben.

Für Skandinavien und Norddeutschland wird die 1885 von dem schwedischen Prähistoriker Oscar Montelius (1843- 1921) aus Stockholm erarbeitete Gliederung der Bronzezeit verwendet. Er teilte die nordische Bronzezeit nach der typologischen Abfolge von Bronzeerzeug­nissen (Gewandspangen, Rasiermesser, Schwerter, Gürteldosen) in sechs Perioden ein, die er mit römischen Ziffern von I bis VI kennzeichnete. Das auf seinen Erkenntnissen aufbauende Chronologieschema sieht heute so aus:

Periode I (frühe Bronzezeit): etwa 1800 bis 1500 v. Chr.,

Periode II (ältere Bronzezeit): etwa 1500 bis 1200 v. Chr.,

Periode III (mittlere Bronzezeit): etwa 1200 bis 1100 v. Chr.,

Perioden IV und V (jüngere Bronzezeit): etwa 1100 bis 800 v. Chr.,

Periode VI (frühe Eisenzeit): etwa 800 bis 500 v. Chr.

Für das südliche Mitteleuropa (Süddeutschland, Öster­reich und die Schweiz) ist weitgehend die Gliederung von 1902 des damals in Mainz arbeitenden Prähistorikers Paul Reinecke (1872—1958) maßgeblich, der später in München tätig war. Er teilte die süddeutsche Bronzezeit nach Fundkombinationen in vier Stufen von A bis D ein. Auch die folgende Hallstatt-Zeit2 gliederte er in vier Stufen von A bis D, die er der Eisenzeit zurechnete. Erst später erkannte man, dass das Fundgut der Stu­fen Hallstatt A und B noch nicht zur Hallstatt-Kultur im eigentlichen Sinne gehört. Aus diesem Grund wurden diese Abschnitte unter dem Begriff Urnenfelder-Zeit zusammengefasst. Die Stufen Hallstatt C und D gelten heute als eigentliche Hallstatt-Zeit beziehungsweise -Kultur im Sinne der frühen Eisenzeit. Bisweilen werden die Stufen A und B je nach Fundgut als früheste Eisenzeit bezeichnet.

Im südlichen Mitteleuropa gilt heute — etwas abwei­chend von Reineckes Schema — folgende Einteilung der Bronzezeit:

Die Stufe Bronzezeit A entspricht der Frühbronzezeit. Sie wurde zeitweilig nach der vorherrschenden Bestattungsart auch Hockergräber-Bronzezeit3 genannt (etwa 2300 bis 1600 v. Chr.).

Die Stufen Bronzezeit B und C werden als Mittel­bronzezeit bezeichnet. Wegen der charakteristischen Bestattungsart heißt diese auch Hügelgräber-Bronze­zeit (etwa 1600 bis 1300/1200 v. Chr.).

Die Stufe Bronzezeit D (etwa 1300 bis 1200 v. Chr.) markiert sowohl das Ende der Mittel- als auch den Beginn der Spätbronzezeit. An manchen Fundstellen

weist sie noch Merkmale der Hügelgräber-Bronzezeit auf, an anderen bereits solche der Urnenfelder-Zeit, meistens aber beides. Diese Übergangszeit oder Zeit eines fassbaren Kulturwandels, die Bronzezeit D, wird heute häufig als ältester Teil der Urnenfelder-Kultur betrachtet. Die Hauptphasen der nach ihrer typischen Bestattungsart in weiten Gebieten als Urnenfelder­Kultur definierten Spätbronzezeit umfassen die Stufen Hallstatt A und B (etwa 1200 bis 800 v. Chr.) nach der Terminologie von Reinecke.

Das Klima der Bronzezeit fiel weitgehend in die Späte Wärmezeit (auch Subboreal4 genannt), die schon in der Jungsteinzeit begonnen hatte und bis etwa 800 v. Chr. dauerte. Es war eine Zeit des Übergangs, in der in Europa gebietsweise Eichenmischwälder, aber auch Buchen-, Buchen-Tannen- oder reine Fichtenwälder wuchsen.

In den Wäldern Mitteleuropas lebten unter anderem Braunbären (Ursus arctos), Wölfe (Canis lupus)., Rot­beziehungsweise Edelhirsche (Cervus elaphus^), Auer­ochsen beziehungsweise Ure (Bos primigenius) und Wildschweine (Sus scrofa). Funde von Löwenknochen, in einem Fall sogar mit Schnittspuren, Darstellungen der Mykenischen Kultur sowie die Sage von Herakles (Herkules) und dem Nemeischen Löwen zeigen, dass im bronzezeitlichen Griechenland noch wildlebende Löwen Panthera leo) gejagt und verzehrt wurden.

Im Mittelmeergebiet ereignete sich um 1500 v. Chr. eine der verheerendsten Naturkatastrophen der Bronzezeit: Bei einem Vulkanausbruch wurde die griechische Kykladeninsel Thera (das heutige Santorin) so stark verwüstet, dass man dieses Ereignis sogar mit dem Untergang des sagenhaften Atlantis in Verbindung brachte.

Die Menschen der Bronzezeit waren im Durchschnitt etwas größer als diejenigen der Steinzeit. Bei den frühbronzezeitlichen Angehörigen der Aunjetitzer Kultur in Tschechien und der Slowakei, in Mittel­deutschland und Niederösterreich erreichten die Män­ner eine Körperhöhe von 1,60 bis maximal 1,78 Me­tern, die Frauen von 1,55 bis 1,66 Metern. Die Männer der nordischen Bronzezeit in Skandinavien und Norddeutschland waren häufig mehr als 1,70 Meter groß, wie aus Skelettfunden in Baumsärgen ersichtlich wird.

Für Jungen und Mädchen endete die Kindheit wohl im Alter von etwa 14 bis 15 Jahren. Dieses Ereignis wurde mit einem großen Fest (Initiationsfeier) begangen, bei dem die Jugendlichen Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen fanden. Nach der Zeremonie, die mög­licherweise vom Häuptling oder Priester durchgeführt wurde, galten Jungen als Männer, die Mädchen als Frauen und konnten nun heiraten. Bei der Feier erhielten die Jungen vermutlich eine Waffe und die Mädchen bronzene — oder sogar goldene — Schmuckstücke.

Um den Gesundheitszustand der bronzezeitlichen Be­völkerung war es meistens schlecht bestellt. In manchen Kulturen hatte mehr als die Hälfte der Menschen irgendwelche körperlichen Missbildungen und Krank­heiten.

Mehr als drei Viertel der Männer und Frauen litten unter Parodontose, über 25 Prozent an Karies. Auch

Kiefererkrankungen waren recht häufig. Weniger als ein Fünftel der Männer wurde älter als 40 Jahre. Bei den Frauen, die häufig wegen mangelnder Hygiene nach einer Entbindung starben, überlebte nur jede zwanzigste das 40. Lebensjahr. Schädelverletzungen und -krank­heiten versuchte man gelegentlich durch Operationen (so genannte Trepanationen) zu heilen.

Die bronzezeitlichen Bauern, Handwerker und Krie­ger in Mitteleuropa lebten in Einzelgehöften, kleinen Dörfern und befestigten Siedlungen (»Burgen«). Letz­tere wurden auf Bergen mit zum Teil steil abfallenden Hängen errichtet sowie mit Gräben, Wällen und Pali­saden befestigt, was unruhige Zeiten vermuten lässt. In Süddeutschland, Österreich und der Schweiz gab es — wie zuvor in der Jungsteinzeit — auch Seeufer­siedlungen (»Pfahlbauten«). Spuren von ihnen kennt man aus der Früh- und Spätbronzezeit. In der Mittel­bronzezeit waren die Seeufer offenbar wegen ungün­stiger klimatischer Verhältnisse und steigender Was­serspiegel kein idealer Platz für Siedlungen. Die Wän­de und Dächer der Wohnhäuser und Nebengebäude hatte man überwiegend in Holzbauweise errichtet.

In manchen Gebieten baute man sehr große Häuser, mehrheitlich viele kleinere. Aus Angelsloo-Emmerhout bei Emmen in der holländischen Provinz Drenthe sind Grundrisse einer Siedlung mit etwa 50 Lang- und Kurzbauten sowie Speichern bekannt. Die Langbauten hatten eine Breite zwischen fünf und sechs Metern sowie eine Länge bis zu 65, in einem Fall sogar bis zu 80 Metern. Die riesigen Häuser waren in je einen Wohn- und Stallteil gegliedert. In Elp, ebenfalls in der Provinz Drenthe, existierte eine Siedlung, die aus sechs Lang- und vier Kurzhäusern sowie drei Stallgebäuden bestand. Das größte Gebäude mit 40 Meter Länge konnte im Stallteil etwa 20 bis 30 Rinder aufnehmen. Die Wohn- hütten der Aunjetitzer Kultur in Tschechien und der Slowakei mit Grundrissen von sechs mal vier bezie­hungsweise neun mal sechs Metern gaben sich wesent­lich bescheidener.

Auf Kreta, in Griechenland, auf Sardinien, den Balea­ren (Mallorca, Menorca), in Spanien, Frankreich und im Karpatenbecken (Ungarn) wurden in der Bronze­zeit bereits steinerne Wohngebäude oder -anlagen mit teilweise kolossalen Ausmaßen errichtet.

Zu den erstaunlichsten Leistungen der bronzezeitlichen Baukunst zählten die prachtvollen Paläste von Herr­schern der Minoischen Kultur5 auf Kreta. Hier sind vor allem die Anlagen von Knossos, Phaistos und Hagia Triada zu nennen. Deren Glanz steht in auffälligem Kontrast zu dem Elend der Hütten in weniger ent­wickelten, gleichzeitigen Kulturen Mitteleuropas.

Der Palast von Knossos aus dem 16. Jahrhundert v. Chr., der ältere Vorgänger hatte, umgab einen 28 mal 60 Meter großen zentralen Hof, der von zahlreichen mehrstöcki­gen Gebäuden mit vielen Räumen, Pfeilersälen und Lichthöfen umrahmt wurde, die durch enge Korridore und Treppen verbunden waren. Fresken mit Alltagssze­nen schmückten viele Wände. Der Palast verfügte über Warmwasserheizung, Badezimmer mit Sitzwannen und Toilette mit Wasserspülung. Diesem Komplex schloss sich eine Stadt mit ungefähr 50.000 Einwohnern an.

Weniger prunkvoll fielen die wehrhaften Burgen der Mykenischen Kultur6 (1600 bis 1100 v. Chr.) auf dem griechischen Festland und einigen Mittelmeer­inseln aus. Das berühmteste Beispiel dieses Baustils findet sich in Mykene (auch Mykenä oder Mykenai genannt), nach dem jene Kultur bezeichnet ist. In den Epen des griechischen Dichters Homer residierte Fürst Agamemnon auf Mykene. Besonders trutzig wirkte die auf einem Hügel thronende Burg in der zweiten Hälfte des l4. Jahrhunderts v. Chr., nachdem sie mit »kyklopischen« Mauern verstärkt worden war.

Auch andere Kulturen beziehungsweise Stämme er­richteten in der Bronzezeit schon burgenähnliche Befestigungsanlagen mit steinernen Mauern und mit­unter sogar Türmen. Derartige Bauwerke kennt man von der El-Argar-Kultur7 in Spanien, aus dem medi­terranen Frankreich und aus dem Karpatenbecken (Ungarn).

In Mitteleuropa gab es überwiegend »Burgen« mit Mauern, deren Holzkonstruktionen man mit Erde und Steinen füllte. Solche Befestigungen sind häufig durch Brände, die durch ungeschicktes Hantieren mit offenem Feuer verursacht oder durch Angreifer gelegt wurden, zerstört worden.

Für die Bauern, Handwerker und Krieger der Bronze­zeit war die Jagd nicht mehr lebenswichtig, weil die Ernährung durch Ackerbau und Viehzucht weitgehend gesichert wurde. Dennoch dürfte gelegentlich der Speisezettel durch zur Strecke gebrachte Wildtiere oder Fische bereichert worden sein.

Auf einem Lebensbild von 1921 wurden die Menschen der Brongegeit als Jäger und Viehgüchter dargestellt.

Diese Zeichnung

stammt aus einem Buch

von Karl Schumacher (1860—1934),

dem damaligen Direktor

des Römisch-Germanischen Zentralmuseums,

Maing.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Verkohlte Getreidekörner aus Siedlungen, Gräbern und an Opferstellen sowie Getreidekörnerabdrücke auf Ton­gefäßen und Hüttenlehm belegen, welche Getreidearten in der Bronzezeit angebaut wurden. Wie in der Jungstein­zeit gab es weiterhin Nacktgerste (Hordeum vulgare var. nudum)., mehrzeilige Gerste (Hordeum vulgare)., Saatweizen (.Triticum aestivum), Emmer (Triticum dicoccon, früher auch Triticum dicoccum genannt) und seltener das ertragsarme Einkorn (Triticum monococcum). Hinzu kamen Rispenhirse (Panicum miliaceum)., Dinkel beziehungsweise] Spelt (Tri­ticum spelta)., der sogar in Gebieten mit niederschlags­reichem und rauem Klima gedeiht, und im südlichen Mitteleuropa auch Kolbenhirse (Setaria italica). Außerdem säte und erntete man allerlei Gemüse, wie Kohl (Brassica oleracea) und vielleicht auch Möhren (Daucus carota). Eiweißhaltige Hülsenfrüchte wie Linsen (Lens culinaris^), Erbsen (Visum sativum) und vor allem Ackerbohnen (Vida faba), auch Pferde- oder Saubohnen genannt, wurden immer beliebter. Man verwendete sie vermutlich zur Herstellung von Brei.

Schlafmohn (Papaver somniferum) und Flachs (Linum usitatissimum) dienten — wie schon in der Jungsteinzeit — zur Gewinnung von pflanzlichem Öl. Der Flachs (Lein) wurde außerdem zur Herstellung von Fasern für Lei­nengewebe verwendet. Ab der Spätbronzezeit stellte man häufig aus Leindotter (Camelina sativa) Öl für technische und Speisezwecke her. Als essbare Sam­melpflanzen sind Wildäpfel (Malus sylvestris), Wildbirnen (Pyrus pyraster), Schlehen (Prunus spinosa),, Trauben von Wildem Wein (Vitis sylvestris),, Kornelkirschen (Cornus mas),, Himbeeren (Rubus idaeus), Brombeeren (Rubus fruticosus), Schwarzer Holunder (Sambucus nigra), Haselnüsse (Corylus avellana) und Eicheln (Quercus robur, Quercuspetraea) bekannt.

Dicht bei den Einzelgehöften oder Dörfern dürften gartenartige Flächen gelegen haben, etwas weiter da­von entfernt die Felder, auf denen Sommer- und Wintergetreide Hülsenfrüchte angebaut wurden. Zum Schutz der Saat und der Frucht auf den Äckern vor Wild- und Haustieren waren Zäune beziehungsweise dichte Hecken erforderlich.

Neben Feldhacken aus Holz oder Hirschgeweih wur­den zum Auflockern des Ackerbodens auch hölzerne Pflüge mit Rindern und später auch Pferden als Zug­tieren eingesetzt. Bronzezeitliche Hakenpflüge, welche die Erde aufrissen, aber noch nicht wendeten, sind aus Italien (Lavagnone) und eventuell auch aus Deutschland (Walle bei Aurich) bekannt. Außer den parallel gezoge­nen Pflugspuren unter Grabhügeln ist der Einsatz des Pfluges durch spätbronzezeitliche Felszeichnungen nachgewiesen.

Die Getreideernte erfolgte in der Frühbronzezeit wohl überwiegend mit Sichelschäften aus Holz oder Hirsch­geweih, in die scharfkantige Feuersteinklingen einge­klemmt wurden. Schlagartig mit Beginn der Mittelbron­zezeit setzte sich paneuropäisch die aus Bronze gegos­sene Sichel als Neuheit durch. Es fällt auf, dass dieses Erntegerät erst jetzt in Bronze ausgeführt wurde, obwohl der Werkstoff Bronze schon seit Generationen bekannt war. Sicheln sind fast ausschließlich in Depots (früher Horte genannt) gefunden worden. Sie lösten das früh­bronzezeitliche Randleistenbeil als Hortungsgut ab.

Die mittelbronzezeitlichen Sicheln weisen als einziger Gegenstand im bronzezeitlichen Inventar ein komple­xes Zeichensystem auf, die so genannten Sichelmarken. Es spricht einiges dafür, dass diese Sichelmarken ein mit kalendarisch-vegetationszyklischen Begriffen ver­bundenes Mitteilungssystem beinhalten. Die mond­förmige, heilige Gestalt der Sichel, ihr massives und plötzliches Auftreten in Depots, verbunden mit der Beobachtung, dass zwei Drittel aller Markensicheln nie benutzt wurden, lassen die Bronzesichel als Hortgut erscheinen.

Anfangs wurde die Sichel überwiegend als »Hortgeld« an numinöse Mächte für Bitten oder Danksagungen hergestellt und geopfert. Erst in der Jung- und Spät­bronzezeit, als die Zusammenstellung der Depots mehr auf dem Materialwert anstatt auf dem Symbolwert der Opfergaben basierte, büßte die Bronzesichel ihre streng genormte Form und auch ihre Funktion als »Hortgeld« ein. Von nun an diente sie vor der Deponierung in der Regel als profanes Ernteschnittgerät.

Wie in der Jungsteinzeit wurden auch in der Bronze­zeit die Getreidekörner mit steinernen Handmühlen zerquetscht. Das auf diese Weise gewonnene Mehl mischte man mit Wasser. Der Teig wurde dann in tö­nernen Backöfen zu Brot gebacken. Solche Backöfen gehörten zu jedem Haushalt.

Neben den schon in der Jungsteinzeit üblichen Haus­tieren — wie Hund (Canü), Rind (Bos), Ziege (Capra), Schaf (Ovis) und Schwein (Sus) — gewann in der Bronzezeit das Pferd (Equus) immer größere Bedeutung. In der Mittelbronzezeit kam der vom Pferd gezogene

Streitwagen auf. Ab der Spätbronzezeit fand das Pferd vermehrt als Reittier von Kriegern Verwendung.

Die während der Bronzezeit gehaltenen Schafrassen trugen noch dicke Stichelhaaare in der Wolle. Sobald diese beim Spinnen zu Wollfäden zusammengedreht werden sollten, erwiesen sie sich als recht widerspen­stig: Sie knickten und spreizten sich mit den Enden aus dem Faden heraus. Das kann man an bronzezeitlichen Kleidungsstücken gut beobachten.

Der wichtigste technische Fortschritt in der Bronzezeit war die Verwendung des neuen Metalls Bronze bei der Herstellung von Werkzeugen, Waffen und Schmuck. Anders als bei Rohkupfer, das man bereits gegen Ende der Jungsteinzeit (auch Kupferzeit8 genannt) in Europa kannte, ist Bronze wesentlich leichter zu schmelzen, erweist sich dann aber beim Endprodukt als merklich härter. Aus Bronze ließen sich weitaus kompliziertere Geräte anfertigen als aus Stein.

Wo und ab wann Bronze zuerst bewusst hergestellt wurde, ist umstritten. Wahrscheinlich wurde diese neue Legierung aus den Metallen Kupfer und Zinn im Vorderen Orient entdeckt. Die ältesten Bronzegeräte sind aus Mesopotamien, Ägypten und von der Mittel­meerinsel Kreta bekannt. Anscheinend konnte dort der enorme Metallbedarf bald nicht mehr ausschließlich durch eigene Kupfer- und Zinnvorkommen gedeckt werden.

Dies führte offenbar bereits im dritten vorchristlichen Jahrtausend zu Expeditionen von Erzsuchern nach Mittel- und Westeuropa, die wohl überwiegend auf dem Seeweg entlang der Mittelmeerküste erfolgten.

Möglicherweise sind bestimmte befestigte Hügelsied­lungen in Südspanien und Portugal von solchen Erz­suchern als Kolonien erbaut worden. Dieser Theorie zufolge haben Kontakte der Erzexpeditionen mit einheimischen Stämmen und das Abreißen der Ver­bindung zum fernen Mutterland vielerorts selbständige Kulturen der Frühbronzezeit entstehen lassen.

In Mitteleuropa zeigte sich zunächst nur die Bevölke­rung weniger Regionen dem neuen Metall gegenüber aufgeschlossen, dessen Kenntnis wahrscheinlich von der Pyrenäenhalbinsel und von Südosteuropa aus durch Wanderhandwerker verbreitet wurde. Hier ist an erster Stelle die gebietsweise in Tschechien und der Slowakei, Mitteldeutschland und Niederösterreich heimische Aunjetitzer Kultur zu nennen. Es wird vermutet, dass von dieser das ideale Mischungsverhältnis von etwa 90 Prozent Kupfer und zehn Prozent Zinn für die Bronze herausgefunden wurde.

Andere frühbronzezeitliche Kulturen in Mitteleuropa waren am nördlichen Oberrhein die Adlerberg-Kultur, südlich der Donau in Bayern die Straubinger Kultur, in Teilen Baden-Württembergs die Singener Gruppe sowie im westschweizerischen und französischen Rhônegebiet die Rhône-Kultur. Um die Zinnvorkommen der Bre­tagne und Südwestenglands entstand die Wessex- Kultur9.

In der Mittelbronzezeit setzte sich die Bronzeherstel­lung und -verarbeitung in weiteren Gebieten durch. Zum Beispiel war sie nun in der von Ostfrankreich bis nach Ungarn verbreiteten Hügelgräber-Kultur sowie gleich­zeitig in der nordischen Bronzezeit Skandinaviens und

Norddeutschlands üblich. Während der Spätbronzezeit haben bereits alle Kulturen Europas — beispielsweise Urnenfelder-Kultur, Lausitzer Kultur, nordische Bron­zezeit — die Bronzegusstechnik beherrscht.

Der Abbau der Erze Kupfer und Zinn, der Guss von verschiedenen Geräten, die Weiterverarbeitung von Bronzebarren zu Werkzeugen und Waffen sowie der Handel mit Bronzeerzeugnissen ließen neue Berufe entstehen: zum Beispiel Bergleute, Gießer, Schmiede und Händler. Holzgeräte, Keramikgefäße, Textilien und Lederwaren sind wohl noch meistens von jeder Familie selbst angefertigt worden, wenngleich es mit zuneh­mendem Tauschhandel auch hier bald Speziali-sten gegeben haben dürfte.

Der Handel in der Bronzezeit erfolgte — mit Ausnah­me von Ägypten, Sumer, Babylon, Kreta, Phönikien und erst viel später auch in Griechenland — ohne die Kenntnis der Schrift. Da allgemein noch kein Geld gebräuchlich war, beschränkte man sich auf Tauschgeschäfte. Gehandelt wurde mit den Rohmetallen Kupfer, Zinn, Gold, Silber, außerdem mit Bronze, besonders kunstvoll gearbeiteten Werkzeugen, Waffen, Gefäßen und Schmuckstücken, Bernstein, Salz und mit Überschüssen aus der Landwirtschaft, wie Saatgut und Haustieren. Vielleicht waren gelegentlich auch Kriegsgefangene als Sklaven Tauschobjekte. Ein Teil der Versteckfunde könnte von wandernden Händlern als Depot angelegt worden sein.

Für den Transport größerer Handelsgüter fanden in der Bronzezeit zunehmend Wagen Verwendung, vor die man Rinder oder Pferde spannte, sowie Boote und Schiffe, die von Ruderern fortbewegt wurden. In dieses Zeitalter fällt auch der früheste Einsatz leichter zweirädriger, von Pferden gezogener Streitwagen, die beispielsweise von den um 1650 v. Chr. in Ägypten einfallenden Kriegern der Hyksôs und außerdem von der Mykenischen Kultur in Griechenland bekannt sind. Seit etwa 1800 v. Chr. fertigte man in Europa die im Vergleich zu den vorher üblichen schweren Scheiben­rädern viel leichteren Speichenräder an. Als einer der frühesten Belege dafür wird ein Fund aus Balkäkra in Schweden gedeutet, den manche Autoren als ein nach 1700 v. Chr. zu kultischen Zwecken gebautes Wagen­modell mit Vierspeichenrädern betrachteten. Das angebliche Wagenmodell soll eine 42 Zentimeter gro­ße, kreisrunde Bronzescheibe als Sonnensymbol ge­tragen haben. Andere Experten deuteten denselben Fund als Trommel oder als Altarschmuck.

Ins 16. Jahrhundert v. Chr. werden Abdrücke original­großer zehnspeichiger Räder datiert, die in Gräbern (Kurgane genannt) der Andronovo-Kultur10 von Sintasta im südlichen Transuralien entdeckt wurden. Diese Abdrücke stammen von Speichenrädern, deren Durchmesser bis zu einen Meter aufwies und deren Holz zerfallen war. Darstellungen von Speichenradwagen fand man häufig auf Tongefäßen der jüngeren Ockergrab- Kultur11 nach 1500 v. Chr. in Russland. So waren in ein Tongefäß aus einem Grab von Suchaja Saratovka im Transwolgagebiet ein zweirädriger Wagen mit Spei­chenrädern, Deichsel, Joch und zwei Zugpferden eingeritzt Besonders häufig finden sich Wagen mit Speichenrä­dern auf Felsbildern in Südskandinavien und in den Südalpen. Sie wurden zwischen etwa 1800 und 1100 v. Chr. geschaffen. Eine Felsbildgruppe von Frännarp in Schweden zeigt insgesamt etwa ein Dutzend zwei­rädriger Wagen, die in einer Reihe aufgefahren zu sein scheinen. Sechs davon sind fahrbereit, nämlich mit je zwei Pferden bespannt. Felsbilder von Tanum und aus dem Steinkistengrab von Kivik stellen Zweiradwagen dar, auf denen der Fahrer steht. Andere schwedische Felsbilder wie die von Rished und Langön lassen vier­rädrige Wagen erkennen, die lenkbar waren. Zweirädrige Wagen mit Speichenrädern gehören außerdem zum Motivschatz der Felsbilder im norditalienischen Val Camonica, einem etwa 80 Kilometer langen Talabschnitt des Oglio zwischen Tonalepaß und Iseosee.

In der Spätbronzezeit ab etwa 1200 v. Chr. waren Wagen in der von Ungarn bis Frankreich verbreiteten Urnen- felder-Kultur im Einsatz, wie Reste hölzerner und bron­zener Räder sowie von Wagenbeschlägen in Gräbern belegen. Auch im Leben der Skythen in Transkaukasien spielten Wagen eine große Rolle. Die Frauen und Kinder dieser kriegerischen Nomaden wohnten in von Rindern gezogenen Fahrzeugen mit ein bis drei Räumen und Wänden aus Filz, während die Männer meistens zu Pferde ritten. Tonmodelle solcher skythischer No­madenwagen sind in Gräbern aus der Zeit nach 1000 v. Chr. gefunden worden, beispielsweise in Mengecaura am rechten Ufer des Flusses Kura.

Bei den hochentwickelten Kulturen im östlichen Mittelmeerraum, die zu Beginn der Bronzezeit auf dem Seeweg Expeditionen zur Erzsuche nach Westeuropa entsandten, nahm die Schifffahrt zweifel­los eine wichtige Stellung ein. Ihre Seefahrer waren schließlich schon fähig, Schiffe mit großer Mann­schaft auf einer küstennahen Route im Mittelmeer zu fernen Gestaden zu rudern. Ähnlich tüchtige Seefahrer lebten offenbar ab etwa 1600 v. Chr. auch in Süd­skandinavien. Ohne ihre Aktivitäten sind die völlig übereinstimmenden Funde von Werkzeugen, Waffen und Schmuck beiderseits der Nord- und Ostsee nicht erklärbar. Die auf skandinavischen Felsbildern und bronzenen Rasiermessern jener Zeit dargestell­ten Schiffe trugen noch keine Segel, wurden also durch Ruder oder Paddel vorwärtsbewegt. Mit ihren hoch­gezogenen, von Spiralen und Tierköpfen gekrönten Steven erinnern diese Gefährte an die sehr viel später konstruierten Drachenschiffe der Wikinger. Auf den ersten Blick ähneln die Darstellungen manchmal eher einem Schneeschlitten, doch Steuer­ruder und paddelnde Männer schließen eine solche Vermutung aus.

Im Binnenland Europas benutzte man, wie Funde aus Seeufersiedlungen in Deutschland, Österreich und der Schweiz beweisen, Einbäume als Wasserfahrzeuge. Sie wurden durch das Aushöhlen von dicken Baumstäm­men geschaffen.

Die Bekleidung für den Alltag ist in der Bronzezeit vermutlich fast in jedem Haushalt selbst hergestellt worden. Nur die privilegierten Anführer und Priester ließen sich wahrscheinlich besonders prächtige Ge­wänder anfertigen. Funde von Spinnwirteln, Webstuhlgewichten und Nähnadeln in Frauengräbern lie­ferten Hinweise dafür, dass das Spinnen von Wolle und das Weben von Stoffstücken mit Webstühlen wohl zum Aufgabenbereich der Frauen gehörte.

Reichbemalte Tonfiguren aus der Mittelminoischen Kultur von Kreta um 2000 bis 1700 v. Chr. führen uns die damaligen Garderoben vor Augen. Demnach begnügten sich die Männer mit einer kurzen Schürze. Die Frauen mit Wespentaille betörten mit einer langen »Krinoline«, die raffinierterweise die Beine bedeckte, jedoch die Brüste unverhüllt zur Schau stellte.

Über die in Nordeuropa übliche Garderobe sind die Prähistoriker besonders gut durch die unter günstigen Umständen erhaltenen Kleidungsreste in Baumsärgen der nordischen Bronzezeit unterrichtet. Nach diesen Funden zu schließen, hatten die Männer keine Hosen an. Dieses Kleidungsstück war in der Bronzezeit all­gemein unbekannt. Die Männer trugen einen von der Schulter bis zu den Knien reichenden Rock, der die Schultern nicht bedeckte, von Schulterriemen gehalten und in der Hüfte geschnürt wurde. Als Kopfbedeckung gab es verschieden hohe Filzmützen. Die Füße steckten in sandalenartigen Schuhen mit an den Unterschenkeln kreuzweise gebundenen Lederriemen.

Die Frauen zogen eine einfache Bluse mit halblangen Ärmeln und einen langen weiten Rock an. Der Rock bestand aus einem einzigen Stück Gewebe. Er wurde um die Hüfte geschlungen und von einem Stoffgürtel zusammengehalten. Ob Unterwäsche üblich war, ist unbekannt. Mädchen waren mit einem sehr kurzen Fransenrock bekleidet, der viel Bein zeigte. Zum Gürtel

So genannte »weise Frau«

aus dem mittelbronzezeitlichen Grabhügel 24

im Königswieser Forst (Kreis Starnberg) in Bayern

nach einer historischen Trachtenrekonstruktion

des Münchener Historienmalers

und Altertumforschers Julius Naue (1832—1907)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So genannter Stammesfürst

mit Beil und Schwert bewaffnet

aus der mittelbronzezeitlichen Hügelgräber-Kultur

nach einer historischen Trachtenrekonstruktion

des Münchener Historienmalers

und Altertumsforschers Julius Naue (1832—1907)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

So genannte »reiche Frau«

aus der mittelbronzezeitlichen Hügelgräber-Kultur

nach einer historischen Trachtenrekonstruktion

des Münchener Historienmalers

und Altertumforschers Julius Naue (1832—1907)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

aus Stoff oder Leder gehörte häufig ein bronzener Gürtelhaken alsVerschluss.

Für die wohl unter großem Zeitaufwand zurechtge­machte kunstvolle Frisur wurde ein Netz verwendet. Kämme waren nichts Neues mehr, da diese Toilette­gegenstände seit der Jungsteinzeit bekannt sind. Ab der Mittelbronzezeit kamen bronzene Rasiermesser für die Männer und bronzene Pinzetten zum Entfernen lästiger Haare auf.

Wegen der zahlreichen golden glänzenden Bronzeer­zeugnisse — darunter auffallend viel Schmuck —, des relativ häufig vorkommenden Goldschmucks sowie einiger anderer Kriterien wird die Bronzezeit zuweilen als das »goldene Zeitalter« der Urgeschichte bezeich­net. In manchen bronzezeitlichen Kulturen waren vor allem die Frauen über und über mit Schmuck behängt. So trugen die Frauen der frühbronzezeitlichen Aunje- titzer Kultur in Tschechien und der Slowakei bronzene oder goldene Ohrgehänge, Halsketten aus Bernstein­oder Bronzeperlen oder mit Röhrchen aus gerolltem Bronzeblech oder -draht, Halsringe, Gewandnadeln, Armringe oder -spiralen, Manschettenarmbänder, An­hänger und Fingerringe aus Bronze- oder Golddraht. Nicht minder geschmückt waren die Frauen der Lü­neburger Gruppe in der mittleren Bronzezeit. Damals wurden den Damen die Hals-, Arm- und Beinringe ver­mutlich angeschmiedet, weil man diese wegen der Sprödigkeit der Bronze nicht wiederholt aufbiegen konnte. In der Spätbronzezeit kam zu all diesem Ge- funkel noch klappernder Anhängerschmuck dazu, der wohl weniger dazu gedacht war, Aufsehen bei den Männern zu erregen, als vielmehr Unheil von der Trägerin fernzuhalten. Neben Schmuck aus Bronze gab es aber weiterhin solchen aus Stein, Knochen und Geweih.

Zu den herrlichsten Kunstwerken der Bronzezeit in Eu­ropa gehören die Fresken und Stuckreliefs der Minoi- schen Kultur an den Wänden der Paläste von Knossos und Hagia Triada auf Kreta. Mitteleuropa hat ihnen nichts Gleichartiges entgegenzusetzen. Diese Kunst­werke zeigen Szenen von Palastfesten, Becherträger, Stiere, die Motive »Prinz mit Federkrone« und »Kleine Pariserin« (»petite Parisienne«), womit ein besonders attraktives Frauenbildnis gemeint ist. Die Kleinplastiken aus Bronze, Fayence (Ton mit bemalter Zinnglasur) und Elfenbein stellen betende Frauen und Männer, Prie- sterinnen mit Schlangen sowie Athleten dar, die tollkühn einen angreifenden Stier überspringen, indem sie dessen Hörner als Schwungstütze benutzten.

Faszinierende Einblicke in das Leben während der Bronzezeit in Europa erlauben daneben vor allem die eingepickten Felsbilder in Frankreich, Italien, in der Schweiz, Schweden, Finnland und Norwegen. Sie informieren über Werkzeuge, Waffen, Jagd, Ackerbau, Viehzucht, Kleidung, Verkehrswesen, Musik, Tanz und Religion.

Die Felsbilder im südfranzösischen Alpental von Mar­vels beispielsweise zeigen Einritzungen von Bronze­dolchen, gehörnten Menschenfiguren und allerlei Sym­bolen religiösen Inhalts. Die bereits erwähnten Felsbilder im norditalienischen Val Camonica, etwa 80 Kilometer von Brescia entfernt, lassen unter anderem zweirädrige Wagen erkennen. Auf einem Felsbild im schweizerischen Kanton Graubünden sind zahlreiche Symbole, Tiere und ein Reiter zu sehen.

Die Felsbilder in Skandinavien (Schweden, Finnland, Norwegen) zeigen Waffen (Äxte, Speere, Schwerter, Schilde), kämpfende Krieger, Jagdszenen mit Speer oder Pfeil und Bogen, Wildtiere (Lachs, Heilbutt, Wal, Robbe, Schlangen, Kraniche, Schwalben, Elche, Hirsche, Füchse, Bären) und Haustiere (vor Pflüge und vier­rädrige Wagen gespannte Rinder, zweirädrige Streit­wagen mit Pferden). Weitere Motive sind nackte Männer mit erigiertem Penis, Frauen mit langem Haar und langen Kleidern, Schiffe ohne und mit Besatzung, Lurenbläser, Tanzszenen und zahlreiche religiöse Motive.

Die auf den skandinavischen Felsbildern dargestellten Luren, eine Art von Bronzetrompeten, wurden offen­bar nie einzeln, sondern stets paarweise oder gar zu viert geblasen. Sie sind vielleicht zuerst auf den dänischen Inseln hergestellt und verwendet worden, weil von dort besonders viele Funde vorliegen. In Norddeutschland gehören Lurenfunde zu den Ausnahmen.

Die aus mehreren Teilen bestehenden Luren gelten als Meisterwerke bronzezeitlicher Bronzegießer. Ihre Klänge erinnern an jene von Waldhorn und Tenor­posaune. Möglicherweise sind sie zu Signalzwecken oder bei kultischen Anlässen verwendet worden. Aus Bronze bestanden auch Trommeln, die man aus Ungarn (Hazfalva) und vielleicht auch aus Schweden (Balkákra) kennt, sowie Blashörner. Daneben wurde natürlich mit Instrumenten aus Holz (Flöten) musiziert, die aber nur in Ausnahmefällen bis heute erhalten blieben.

Zu Beginn der Bronzezeit ging man in Europa bei der Anfertigung von Tongefäßen und sowohl bei der Formung per Hand als auch bei der Verzierung und beim Brand noch mit großer Sorgfalt zu Werke. In manchen Gebieten verkümmerte danach die Keramik immer mehr, worauf der Begriff »Kümmerkeramik« basiert. Ein wichtiger Grund dafür mag gewesen sein, dass die Bronze als Neuheit erhebliche Aufmerksam­keit erregte, zu vielfältigen Experimenten anregte und die irdenen Gefäße immer mehr in den Hintergrund drängte. Gebietsweise legte man aber auch in der Spätbronzezeit noch Wert auf eine qualitätvolle feine Keramik.

Das neue Metall löste bald den bis dahin für einige Werkzeuge und Waffen verwendeten Stein als Rohstoff ab und ermöglichte neue Formen, wie bronzene Meißel, Beile, Äxte, Dolche, Schwerter, Lanzen- und Pfeil­spitzen. Neuschöpfungen gab es des weiteren bei den Schutzwaffen, nämlich bronzene Helme, Schilde, Panzer und Beinschienen. Manche Werkzeug- und Waffenfor­men waren typisch für bestimmte Stufen der Bronzezeit und dienen deshalb als wertvolle Hilfen für die Gliede­rung dieses Zeitalters.

Bei den Werkzeugen sind es vor allem die Beilklingen, die eine typologische Abfolge erkennen lassen. Beim so genannten Randleistenbeil wurden an den Rändern Leisten mitangegossen, um der Schäftung einen bes­seren Halt zu verleihen. Die Beilklinge schob man in den hölzernen Schaft (Stiel) und band sie fest. Dieser Typ hatte den Nachteil, dass die Beilklinge mit jedem Schlag tiefer in die Schäftung gedrückt wurde.

[...]

Ende der Leseprobe aus 278 Seiten

Details

Titel
Deutschland in der Frühbronzezeit
Untertitel
Mit Zeichnungen von Friederike Hilscher-Ehlert
Autor
Jahr
2011
Seiten
278
Katalognummer
V179720
ISBN (eBook)
9783656023586
ISBN (Buch)
9783656023838
Dateigröße
10168 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Bronzezeit, Frühbronzezeit, Aunjetitzer Kultur, Straubinger Kultur, Singener Gruppe, Oberrhein-Hochrhein-Gruppe, Arbon-Kultur, Ries-Gruppe, Neckar-Gruppe, Adlerberg-Kultur, Sögel-Wohlde-Kreis, nordische frühe Bronzezeit, Archäologie, Ernst Probst
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2011, Deutschland in der Frühbronzezeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/179720

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