Ein Söldner und seine Erlebnisse während der Belagerung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg

„Ist mir doch von herdtzen leit gewessen das die stadt so schreglich gebrunnen hat...“


Hausarbeit, 2012

13 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Die Ausgangslage

Die Quelle

Interpretation der Quelle

Der namenlose Söldner als „Prototyp" eines Kämpfers

im Dreißigjährigen Krieg?

Quellen

Literatur

Einleitung

Diese Arbeit soll der erweiterten Erschließung eines von Jan Peters edierten „Tagebuchs" eines Söldners im Dreißigjährigen Krieg[1] dienen. Der Kämpfer[2] hinterließ der Nachwelt einen Text, welcher zunächst vermutlich nicht als zusammenstehendes Werk angelegt war, sondern eine Niederschrift aus mehreren, während der Kriegsjahre 1625-1648 und des darauf folgenden ersten Friedensjahres verfassten Aufzeichnungen, darstellt.[3]

Die Originalhandschrift umfasste ursprünglich wohl 192 Blätter, von denen bis heute 176 erhalten geblieben sind.[4] Dies entspricht einem Verlust von 16 Blättern und erlaubt von einer außergewöhnlich umfangreichen und authentischen Quelle auszugehen.

Das für die, der heutigen Edition zu Grunde liegende, finale Handschrift verwendete Papier wurde, wie anhand des Wasserzeichen ersichtlich, in einer Papiermühle bei Ronsberg im Allgäu hergestellt.[5] Memmingen ist als letzter bekannter Aufenthaltsort des Söldners zumindest für den Beginn der Niederschrift wahrscheinlich.[6]

Der katholische Schreiber kam, wie eine linguistische Analyse zeigte, vermutlich aus dem Rheingebiet.[7] Er entstammte einer Familie des mittleren Bildungsstandes und hatte offenbar eine Lateinschule besucht.[8] Nach dem Ende des Selbstzeugnisses verlieren sich seine Spuren.

Im Folgenden möchte ich die Erlebnisse des Söldners während der Belagerung Magdeburgs ab Herbst 1630 und im Besonderen der Erstürmung und Plünderung im Mai 1631 mit Hilfe seiner Aufzeichnungen untersuchen. Wie schildert der Autor die gewaltsamen Umstände der Belagerung und Erstürmung der protestantischen Stadt, aus denen die eigene Verwundung resultierte? Welchen Einfluss hatten die Erfahrungen jener Tage auf sein weiteres Verhalten im Fortgang des Krieges?

Die Ausgangslage

In diesem ersten Abschnitt werde ich kurz den militärischen Werdegang des Autors und die Ereignisse im Vorfeld der Belagerung Magdeburgs[9] darstellen.

Der Söldner war schon zu Beginn seiner Aufzeichnungen im Jahr 1625 im Kriegshandwerk tätig gewesen. Die Belagerung der Stadt Magdeburg war auch nicht seine erste, denn er hatte 1627 bereits an der erfolgreichen Wolfenbüttels und im Jahr darauf an der erfolglosen Stralsunds teilgenommen.[10]

Gelang es dem Autor, sein bekanntes Leben lang auch nie, die eigentliche Offiziersebene zu erreichen,[11] so stand er zum Zeitpunkt des Kampfes um Magdeburg nicht mehr am Beginn seiner Karriere. Anfang 1631 war es ihm gelungen in den Rang eines Gefreiten aufzusteigen, welcher ungefähr der zweiten möglichen Stufe einer Laufbahn in einem damaligen Söldnerheer entsprach.[12]

Zum Grad der (Selbst-)Reflexion der meisten Angehörigen kämpfender Verbände in diesem Konflikt gilt zu sagen, dass vermutlich kaum eine differenzierte Analyse der politischen Vorgänge im Vorfeld oder während der Kampfhandlungen selbst stattfand.[13]

Die geistigen Haltungen des Söldners und seiner Gefährten gegenüber der Tatsache des Krieges dürften davon, dass man „sich darauf einrichten [musste], mit dem Übel [des Krieges] zu leben",[14] bis zur Wahrnehmung desselben als „unabänderliches Schicksal"[15] gereicht haben. Dies mag schlicht an einer unzureichenden Informationslage gelegen haben, hatte aber wohl noch tiefer liegende Gründe, die hier nicht eingehend erläutert werden können.

Über die Stellung der Gewalt in den Gesellschaften der frühen Neuzeit im Allgemeinen schreibt Bernhard Kroener: „Ein gewisses Maß an Gewalt gehörte in der frühen Neuzeit zum Alltag jeder menschlichen Gemeinschaft^ Es] erschien der Gesellschaft dieses Zeitalters als Zeichen von Lebenskraft und Führungsqualität."[16]

Ich schließe mich diesen Befunden in meinen weiteren Ausführungen an.

Die Quelle

Das Geschehen nach der Ankunft der Streitmacht des Reichsgrafen zu Pappenheim im Magdeburger Umland gegen Ende des Jahres 1630 beschreibt der Söldner damit, dass man die Truppe „verlecht auf dörffer[ ]"[17] hätte, sie also vermutlich und für die frühe Neuzeit nicht unüblich,[18] in vor der Stadt liegenden Bauern- und Bürgerhäusern einquartiert wurde.

Darüber, ob sich deren Bewohner gegen diese Prozedur zur Wehr setzten oder sie als allgemein bekannt über sich ergehen ließen, möglicherweise aber auch bereits vor dem heranrückenden Feind geflohen waren, schweigt der Autor, was bestätigt, dass er das Vorgehen nicht als ungewöhnlich empfunden haben dürfte.

Danach wurde die Stadt „geblogkieret"[19] und ein Belagerungsring errichtet. Vermutlich bei der Errichtung einer zu diesem Belagerungsring gehörigen Schanze - einer Art Schützengraben - wurde der Hauptmann, welcher die Einheit des Söldners anführte, von einer Kugel getroffen und starb daraufhin.

Bemerkenswert ist der genaue Wortlaut der Schilderung: „Alda Ist vnser haubtman, fur eine schansse todt, nehben Ihrer viel, geschossen worden...".[20] Peters übersetzt die Stelle folgendermaßen: „Da ist unser Hauptmann vor einer Schanze, neben vielen anderen, totgeschossen worden."[21]

Ein nicht unerhebliches Interpretationsproblem ergibt sich aus der unklaren Bedeutung des originalen „fur". Ob dieses Wort wie bei Peters „vor" oder alternativ „für" heißen müsste, was darauf hindeutete, dass der Hauptmann nicht beim Errichten, sondern im Kampf um eine feindliche Schanze - welche möglicherweise von den Magdeburgern als äußerste Verteidigungslinie vor den Stadtmauern errichtet worden sein könnte - starb, muss an dieser Stelle ungewiss bleiben.

Ähnlich verhält es sich mit „nehben Ihrer viel", wobei sich das Pronomen „Ihrer" sowohl auf den Hauptmann, als auch auf die Schanze beziehen könnte und dementsprechend den Sinn des Satzes verändere.

Im Anschluss scheint sich eine gewisse Lücke in der Nacherzählung der Ereignisse zu befinden, was sich einerseits in der schlichten Monotonie der Belagerungstätigkeit, andererseits durch den Zeitmangel des Söldners aufgrund seiner Einbindung in eben diese, erklären könnte.

Der Schreiber fährt erst wieder fort, als es nach erfolgreicher Zerstörung eines Tores zur Erstürmung der Stadt kommt und er „mit sturmer handt ohn allen schaden, In die stadt"[22] gelangt.

[...]


[1] Jan Peters (Hg.): „Ein Söldnerleben im Dreißigjährigen Krieg" (=Selbstzeugnisse der Neuzeit-Quellen und Darstellungen zur Sozial- und Erfahrungsgeschichte, Bd. 1), Berlin 1993.

[2] Dieser wird weiterhin vornehmlich bei seiner Berufsbezeichnung genannt, da der Forschung sein Name, trotz einiger Hinweise in dem von ihm hinterlassenen Manuskript, z.B. auf „Peter Hagendorf" (vgl.: Peter Burschel: „Himmelreich und Hölle - Ein Söldner, sein Tagebuch und die Ordnungen des Krieges", S. 4; in: B. v. Krusenstjern, H. Medick (Hg.): „Zwischen Alltag und Katastrophe - Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe", Göttingen 22001, S. 181-194.), nicht mit Sicherheit bekannt ist.

[3] Peters: „Söldnerleben", S. 17f.

[4] Ebd., S. 12/13.

[5] Ebd., S. 15.

[6] Ebd., S. 16.

[7] Ebd., S. 24f.

[8] Ebd., S. 15.

[9] Zur Vorgeschichte Magdeburgs in den Glaubenskämpfen des 16. Jahrhunderts, siehe: Hans Medick: „Historisches Ereignis und zeitgenössische Erfahrung: Die Eroberung und Zerstörung Magdeburgs 1631", S. 2; in: B. v. Krusenstjern, H. Medick (Hg.): „Zwischen Alltag und Katastrophe - Der Dreißigjährige Krieg aus der Nähe", Göttingen 22001, S. 377-407.

[10] Peters: „Söldnerleben", S. 204/205.

[11] Burschel: „Himmelreich und Hölle", S. 1.

[12] Peters: „Söldnerleben", S. 202.

[13] Vgl.: Burschel: „Himmelreich und Hölle", S. 12.

[14] Peters: „Söldnerleben", S. 199.

[15] Bernhard Kroener: „Soldat oder Soldateska? Programmatischer Aufriß einer Sozialgeschichte militärischer Unterschichten in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts", S. 1; in: M. Messerschmidt, K. Maier, u. A. (Hg.): „Militärgeschichte - Probleme - Thesen - Wege", Stuttgart 1982, S. 100-123.

[16] Ebd., S. 13.

[17] Peters: „Söldnerleben", S. 46/S. 23; die erste Seitenangabe bezieht sich auf die Edition, die zweite auf das Originaldokument.

[18] Vgl.: Bernhard Kroener: „Militär in der Gesellschaft. Aspekte einer neuen Militärgeschichte der Frühen Neuzeit", S. 8; in: T. Kühne, B. Ziemann (Hg.): „Was ist Militärgeschichte?", Paderborn 2000, S. 283-299; Geoffrey Parker: „Der Dreißigjährige Krieg", Frankfurt (Main) 1987, S. 288.

[19] Peters: „Söldnerleben", S. 46/S. 23.

[20] Peters: „Söldnerleben", S. 46/S. 23.

[21] Ebd., S. 138/S. 23.

[22] Ebd., S. 47/S. 24.

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Ein Söldner und seine Erlebnisse während der Belagerung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg
Untertitel
„Ist mir doch von herdtzen leit gewessen das die stadt so schreglich gebrunnen hat...“
Hochschule
Freie Universität Berlin  (Friedrich-Meinecke-Institut)
Veranstaltung
Seminar: „Der Dreißigjährige Krieg“
Autor
Jahr
2012
Seiten
13
Katalognummer
V208821
ISBN (eBook)
9783656363699
ISBN (Buch)
9783656840299
Dateigröße
442 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
söldner, erlebnisse, belagerung, magdeburgs, dreißigjährigen, krieg
Arbeit zitieren
Georg Hermann (Autor:in), 2012, Ein Söldner und seine Erlebnisse während der Belagerung Magdeburgs im Dreißigjährigen Krieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/208821

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