Spracherwerb von L2-Sprechern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2012

26 Seiten, Note: 2,5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Von Neurowissenschaft zu Landeskunde
2.1 Phonologische Schleife und ,,hermeneutischer Zirkel
2.1.1 Wofür ist die phonologische Schleife?
2.2.2 Erklärungsmöglichkeiten

3. Empirische Befunde
3.1 Semantikerwerb von L2- Sprechern
3.2 Grammatikerwerb von L2-Sprechern
3.3 Das Zusammenspiel von Semantik und Grammatik

4. Chunking-Prinzip (nach Handwerker)
4.1 Chunks für Deutsch als Fremdsprache: Was ist gemeint?
4.2 Chunk-Angebote

5. Das mehrsprachige mentale Lexikon
5.1 Das Konzeptualisieren in mentalen Lexikon
5.2 Die interne Struktur des mentalen Lexikons und die compound/coordinate-„Dichotomie“
5.3 Der Zugriff auf das mentale Lexikon
5.4 Anregungen in Bezug auf konnektionistische Modelle

6. Zusammenfassung

Literatur:

1. Einleitung

Es existieren zahlreiche Vorurteile gegenüber dem Spracherwerb von L2-Lernern, z.B. dass Kinder bessere Sprachenlerner im Gegensatz zu heranwachsenden Jugendlichen sowie Erwachsene sind. Auf Grund empirischer Daten und ihrer Auswertung wird der Versuch unternommen, Unterschiede in Grammatik- und Semantikerwerb zwischen L1- und L2-Sprechern herauszuarbeiten und daraus entstehende Vor- und Nachteile darzulegen. Die Arbeit legt den thematischen Akzent auf Fragen der Modellbildung von Spracherwerb. Dabei werden neurowissenschaftliche und psycholinguistische Erkenntnisse mit landeskundlichen Einheiten in Verbindung gesetzt. Im Mittelpunkt stehen konnektionistische Modelle im Verstehen von Spracherwerb und Sprachgebrauch. Beispiele aus der Praxis werden mit aufgeführt um theoretische Ansätze zu verdeutlichen.

Im zweiten Kapitel wird die Fragestellung von Psycholinguistik zu Hermeneutik präzisiert. Um den Zusammenhang zwischen Lernprozessen und anatomischen Beschaffenheit des Gehirns zu verstehen wird detailliert auf den Aufbau der Nervenzellen und ihre Funktion eingegangen. Anschließend werden empirische Befunde über Semantik- und Grammatikerwerb von L2-Sprechern vorgestellt. Im Kapitel 4 wird das Chunk-Konzept (nach Handwerker) präsentiert, wobei das Chunk-Angebot evaluiert wird. Im Anschluss erfolgt die Analyse des mentalen Lexikons aus psycholinguistischer Sicht. Dazu steht ein Beispiel aus der Praxis in Hinblick auf situationsbedingte Zugriffsschwankungen auf das mentale Lexikon.

2. Von Neurowissenschaft zu Landeskunde

Das menschliche Gehirn gliedert sich in drei Abschnitte, zwei Hemisphären und fünf Lappen, mikrostrukturell besteht es aus vielen Milliarden Neuronen, d.h. kleinen Nervenzellen.

„Jedes Neuron empfängt über eine in der Regel fünfstellige Zahl von Eingängen Signale von anderen Nervenzellen, verarbeitet sie und gibt selbst über einen Ausgang nur ein einziges Signal weiter. Dieses wird seinerseits über mehrere zehntausend Synapsen (...) an etwa ebensoviele Nervenzellen weitergeleitet". (Multhaup 1995, S.225-226).

Das Gehirn ist nach modularen Prinzipien strukturiert und die Verarbeitung und die Kontrolle über visuelle, auditive, taktile und motorische Stimuli ist bestimmten Regionen des Gehirns vorbehalten. Diese Regionen werden jedoch vom Gehirnmultifunktionalgenutzt. Sein modularer Aufbau löst aus, dass es in viel Zeit und kostenden Training zur Ausbildung besonderer

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schaltkreise (Synapsen) zwischen Neuronengruppen in den verschiedenen Regionen des Neocortex (Großhirnrinde) kommt.

Abb. 1Nervenzelle (Multhaup, 1995)

Lernen vollzieht sich über die Vermehrung der Zahl und Art der Synapsen zwischen der Neuronen (Nervenzellen), d.h. über die Herstellung neuer Relationen bzw. Schaltkreise zwischen den neuronalen Kernen (vgl. Multhaup 1995). Übersetzt man dies in die Sprache des Fremdsprachenlernens, äußert sich Lernen in dimensionalen Bedeutungserklärungen der zu erlernenden Inhalte und ihre Verankerung an vorhandenes Wissen.

Aus sensorischen Eingangsdaten (Hören, Sehen, Fühlen, Riechen, Schmecken) werden neuroelektrische Impulse, die in ein psychologisch bedeutsames Wissen umgewandelt werden können. Gleichzeitig eingehende Impulse aktivieren Bereiche in verschiedenen Arealen synchron. Ein wahrgenommener Sachverhalt wird im Kurzeitgedächtnis aufgehalten (die Speicherzeit im Kurzeitgedächtnis ist auf wenige Sekunden begrenzt), wo weitere Prozesse wie das Vergleichen alter und neuer Aktivierungsmuster; Erkennen oder nicht Erkennen von Sachverhalten; Angleichen, Verarbeiten des neuen Objekts; erfolgen. Ein wichtiges Funktionsmodell des Arbeitsgedächtnis kommt hier dem Zusammenhang zwischen dem Arbeitsgedächtnis und Sprachenlernen zu, die so genannte phonologische Schleife.

2.1 Phonologische Schleife und ,,hermeneutischer Zirkel“

Unter phonologische Schleife ist ein kreisartig kognitiver Ablauf von Vergleichen, Anpassen und Aneignen von Lauten, Wörter, Sprachsequenzen zu verstehen. Der phonologische Prozess, in dem man eine Äußerung speichert, im Weiteren plant und ausführt, verläuft im L1-Spracherwerb ausschließlich implizit und unter anderen Bedingungen-situativ und handelsbezogen. Im allgemein ist es ein stufenartiger Prozess, wo die Planung einer Äußerung die höchste und ihre motorische Ausführung die niedrigste Stufe darstellt. Im Vergleich zu L1-Spracherwerb ist dieser Verlauf im L2-Spracherwerb eher explizit und zeichnet sich durch den großen Anteil am Vergleichen und Konzeptualisieren durch. Neben dem vorhandenen Weltbild wird ein neues aufgebaut, ausgebaut, bei ersten Begegnung mit einer Fremdsprache möglicherweise parallel angebaut.

2.1.1 Wofür ist die phonologische Schleife?

a) Imitieren der Ziellaute − die phonologischen Repräsentationen von Phonemen oder Silben aktivieren die Bewegungsparameter, die zur Produktion dieser Sprachlaute führen. Gleichzeitig aktivieren die abstrakten phonologischen Repräsentationen auch „Kopien“ der erwarteten somatosensorischen und auditiven Effekte, die mit dem Aussprechen des Ziellautes verbunden sind. Die Kopien erwarteter somatosensorischer Effekte werden mit den afferenten Signalen verglichen, und die Diskrepanz zwischen den beiden führt zu einer Korrektur (innere Feedbackschleife). Ebenso wird das erwartete „Klangbild“ des Ziellautes mit dem tatsächlich produzierten akustischen Muster verglichen (äußere Feedbackschleife), (Modell von Guenther und Perkell 2006).
b) Verstehen schwieriger Texte (Reihenfolge von Wörtern)
c) Lernen neuer Sprachen (L2-Spracherwerb)

Zur Veranschaulichen der Funktionen (b) und (c) der phonologische Schleife eignen sich "Gartenpfadsätze" mit zwei und drei Einbettungsebenen. Die Sätze sind syntaktisch korrekt stellen für das Verarbeitungssystem jedoch extreme bis unüberwindbare Schwierigkeiten dar.

a. Klaus hat Peters Lehrerin die Hefte einsammeln helfen lassen. (zwei Einbettungsebenen)
b. Ingrid hat Lotte die Bewohner dem Blinden das Essen kochen helfen lehren gehört. (drei Einbettungsebenen).
Das Problem bei der Verarbeitung von mehr als zwei Zentraleinbettungen scheint Hildegard in einer Kapazitätsbeschränkung des Kurzzeitgedächtnis (das Arbeitsgedächtnis) begründet zu sein, da bei solchen Zentraleinbettungen keine Proposition abgeschlossen werden kann und der gesamte Satz im Kurzzeitgedächtnis "behalten" werden muss, bis die zu den Argumenten gehörigen Verben verarbeitet und Argument-Prädikat-Strukturen abgeschlossen werden können (Hildegard 1994, S.91).
c. Ingrid hat gehört, wie Lotte die Bewohner lehrt, dem Blinden zu helfen, das Essen zu kochen. (ohne Zentraleinbettungen)
Der Satz, wo einzelne Propositionen abgeschlossen sind, bereitet kaum Verarbeitungsschwierigkeiten. Die Information wird vereinzelt und lässt sich wiederholen und dadurch kommt die phonologische Rückkopplung (Schleife) zum Einsatz.

Die eingehenden Impulse aktivieren verschiedene Areale bzw. Netzwerke zwischen Neuronen in verschiedenen Bereichen. Gleichzeitig erregte Neuronen verstärken ihre synaptischen Verbindungen, was den Wortabruf, sowie die Schnelligkeit und Sicherheit der entstehenden Beziehungen ermöglichen soll. Dadurch bahnen sich die Projektionen zum Langzeitgedächtnis, und aus rezeptiven Eingangsdaten wird ein geordnetes deklaratives Wissen, das dauerhaft im Langzeitgedächtnis gespeichert wird.

Im Hinblick auf das Verstehen von Lernprozessen kommt Multhaup zu dem Schluss, dass die Frequenz, mit der sich bestimmte Aktivierungsmuster einstellen, zum Lernen bzw. zum Behalten beiträgt. Der Zusammenhang zwischen Frequenz und Lernen ist grundlegend für die Beurteilung von Übung, denn der entspricht der Erkenntnis in Kognitionspsychologie, dass Elaboration und Wiederholen von Informationen zum gewünschten Erfolg führt.

Teile einercell assembly[1]können mit bestimmten Teilen von anderencellassembliesüberlappen, "d.h." sie können ineinander verschachtelt sein und multifunktional in verschiedenen Aktivierungsmustern eintreten, dass z.B. die Merkmalmengeweißin einer sehr großen Zahl sehr verschiedener Konzepte (Aktivierungsmuster) tätig sein kann (vgl. Multhaup 1995). Auf Grund charakterisierender Merkmale sind neue Konzepte anzubinden. Wie viel von der Merkmalmenge erkannt werden muss, damit ein neues Konzept an einer Assoziationskette angeschlossen werden kann. Nach der Gedächtnispsychologie weist die enorme Informationszentrale "Gedächtnis" verschiedene Typen unter den Einzelelementen auf. Assoziationen können zu einem Einzelwort in fünf grundlegenden Typen der Verbindungen eingeteilt werden (Mueller 1996, S.13).

[...]


[1]cell assembly-Neuronenpopulationen, die sich gegenseitig erregen können und ein Aktivierungsmuster repräsentieren, das psyhologisch repräsentativ für ein bestimmtes Konzept sein kann.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Spracherwerb von L2-Sprechern
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Note
2,5
Autor
Jahr
2012
Seiten
26
Katalognummer
V209803
ISBN (eBook)
9783656387558
ISBN (Buch)
9783656389514
Dateigröße
556 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
spracherwerb, l2-sprechern
Arbeit zitieren
Mariyana Valchanova (Autor:in), 2012, Spracherwerb von L2-Sprechern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/209803

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