Die Inhumanität des Krieges in der Literatur. Analyse des Romans „Im Westen nichts Neues“


Hausarbeit, 2012

16 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

I. Einleitung

II. Analyse des Romans „Im Westen nichts Neues“
II.1. Der Krieg als Realität
II.2. Zunehmende Verrohung des Protagonisten und seiner Kameraden
II.3. Der Krieg und der Tod
II.4. Die ,verlorene Generation‘ und die Inhumanität des Krieges

III. Fazit

IV. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Dieses Buch gehört in die Schulstuben, die Lesehallen, die Universitäten, in alle Zeitungen, in alle Funksender, und das alles ist noch nicht genug. Denn es handelt sich um eine gute Sache, [...] Das ist der Krieg, wie wir ihn in der Front gelebt haben, - gerade wir, eine ganz bestimmte, mit wenigen Jahreszahlen abzugrenzende Generation, - die vor dem Krieg noch kein Leben hatte, keine Form und keinen Inhalt, die vom Krieg geboren und zerschmettert wurde [...].[1]

Der Roman „Im Westen nichts Neues“ von Erich Maria Remarque begleitet eine Gruppe von Jugendlichen durch den Ersten Weltkrieg. In Rückblenden wird erzählt, weshalb diese jungen Männer von 19 Jahren in den Krieg zogen und was sie an der Front erleben. Auf welche Weise der Krieg Paul Bäumer, den Ich-Erzähler des Romans und seine Kameraden verändert hat, wird im Folgenden anhand von Textbeispielen untersucht.

Diese Hausarbeit beschäftigt sich mit der Fragestellung, inwiefern sich bei den Figuren im Roman eine zunehmende Inhumanität bzw. Abgestumpftheit zeigt. Um dies zu verdeutlichen wird zuerst die Realität des Krieges behandelt. Anschließend wird anhand von Beispielen auf die Verrohung des Protagonisten und seiner Kameraden eingegangen. Die Konfrontation mit dem Tod und die Auswirkung dessen werden danach analysiert. Abschließend wird noch das Problem der ,verlorenen Generation‘ und die Inhumanität des Krieges behandelt, bevor die Ergebnisse im Fazit noch einmal zusammen getragen werden.

II. Analyse des Romans „Im Westen nichts Neues“

Bei „Im Westen nichts Neues“ handelt es sich um einen Episodenroman.[2] Die einzelnen Kapitel oder auch Episoden kann man meist mit nur einem Wort betiteln. Remarque reiht Standardsituationen aneinander, die im Leben eines jeden Soldaten vorgekommen sind, die jeder mindestens einmal erlebt hat. Allerdings werden sie im Buch jeweils immer nur ein einziges Mal beschrieben.[3] Diese Episoden können in folgende drei Bereiche oder auch Handlungsräume eingeteilt werden: „Front“, „Etappe“ und „Heimat“.[4] Innerhalb dieser Räume macht sich die Doppelrolle Bäumers bemerkbar. Er ist zum einen ein Soldat, geformt durch die Brutalität des Krieges und zum anderen ein sensibler Schüler, der unter dem Krieg leidet.[5]

Der Erste Weltkrieg ist eine neue Art von Krieg. Die Kriegsführung ist eine ganz andere als in früheren Auseinandersetzungen, sie ist brutal und psychisch zermürbend. Es kommt zu ,Materialschlachten‘, Giftgasangriffen, stundenlangen, manchmal sogar tagelangem Artillerietrommelfeuer und Grabenkämpfen.[6] Tausende Männer sterben für wenige Meter Raumgewinn.[7] So etwas hat es zuvor nie gegeben. Von einem glorreichen Krieg kann nicht mehr gesprochen werden.

Inwiefern unter anderem diese, auf Zermürbung ausgerichtete neue Art der Kriegsführung entscheidenden Einfluss auf den Protagonisten und seine Kameraden nimmt, wird im Folgenden analysiert.

II.1. Der Krieg als Realität

Die Handlung des Romans setzt einige Zeit nach Beginn des Ersten Weltkrieges ein, und damit auch einige Monate nachdem Paul Bäumer und seine Kameraden sich ,freiwillig‘ meldeten. Ihr Schulmeister Kantorek hatte sie solange durch flammende Reden beeinflusst, bis sie sich geschlossen im Rekrutierungsbüro melden, sie wollten keine ,Feiglinge‘ sein. (vgl. WN 17) Von einer gewissen Begeisterung ist die Rede, die sich allerdings mehr auf das ,Soldat-sein‘ als auf das Kämpfen und Töten in einem Krieg bezieht. (vgl. WN 24)

Der Roman enthält an sich sehr wenige Angaben zu historischen Ereignissen oder Orten. Zeitangaben sind meist sehr wage und lassen nicht viele Rückschlüsse darauf zu in welcher Phase des Krieges man sich aktuell befindet. Erst zum Ende hin werden die Angaben konkreter.[8]

„Remarque lokalisiert das Kriegsgeschehen in eine Art Niemandsland“.[9] Die Handlung umfasst etwas mehr als ein Jahr „sie erstreckt sich von Sommer 1917 bis Oktober 1918.“[10] Durch die Tatsache, dass keine genauen Orte oder Daten als Referenzpunkte genannt werden, anonymisiert Remarque das Geschehen. Er macht die Handlung allgemeingültig und schildert damit den Krieg an sich.[11]

Die Gruppe im Zentrum des Romans besteht aus vier ehemaligen Schulkameraden: Albert Kropp, Müller V, Leer und der Protagonist Paul Bäumer. Hinzu kommen noch die im Krieg gewonnene Freunde: Tjaden, Haie Westhus, Detering und Stanislaus Katczinsky, genannt Kat. (vgl. WN 12)

Der Erzähler beschreibt den Krieg als „Katastrophe aller Menschlichkeit“ (WN 136). Aber erst im Lazarett zeigt sich das wahre Ausmaß des Krieges, sein wahres Gesicht. Die Lazarette sind sein Spiegelbild. Paul und Albert kommen in ein katholisches Hospital in Köln. Sie sehen hier schreckliche Verletzungen aber vor allem die Anzahl an Verletzten schockiert sie:

Und dabei ist dies nur ein einziges Lazarett, nur eine einzige Station – es gibt Hunderttausende in Deutschland, Hunderttausende in Frankreich, Hunderttausende in Russland. Wie sinnlos ist alles, was je geschrieben, getan, gedacht wurde, wenn so etwas möglich ist! Es muss alles gelogen und belanglos sein, wenn die Kultur von Jahrtausenden nicht einmal verhindern konnte, dass diese Ströme von Blut vergossen wurden, dass diese Kerker der Qualen zu Hunderttausenden existieren. Erst das Lazarett zeigt, was der Krieg ist. (WN 180)

Der Krieg bestimmt ihren Alltag, ihr ganzes Leben. Darauf, ob sie an die Front geschickt oder zurück genommen werden, ob es ausreichend, zu wenig oder gar nichts zu Essen gibt. Er wird zu ihrer Realität. Ihre Welt, ihr gesamtes Dasein, beschränkt sich auf den Krieg.

II.2. Zunehmende Verrohung des Protagonisten und seiner Kameraden

Bereits beim Tode Kemmerichs zeigt sich eine gewisse Verrohung bzw. Abgestumpftheit bei den Charakteren. (vgl. WN 19ff.) Doch der Prozess hat schon viel früher begonnen.[12] In einer Rückblende wird von der Militärausbildung erzählt, dem unmenschlichen Drill auf dem Kasernenhof, durch den vormaligen Briefträger, und jetzigen Unteroffizier Himmelstoß.[13] (vgl. WN 25ff.) Dieser ist ein gutes Beispiel dafür, wie der Krieg Menschen verändern kann. Als vorher eher unbeachtetes Gesellschaftsmitglied, genießt er seine neu gewonnene Macht und Position als Vorgesetzter. Er quält und schikaniert seine Untergebenen, weil er es kann. In dem Glauben einem höheren Zweck zu dienen, will er die Rekruten für den Krieg und sein Vaterland stark macht. Sein Ziel war die Erschaffung eines „seelisch zum Überleben abgehärteten Soldaten“[14].

Der Erzähler beschreibt die Grundausbildung wie folgt: „Wir wurden hart, misstrauisch, mitleidlos, rachsüchtig, roh“. (WN 27) Darauf folgt allerdings gleich die Rechtfertigung:

und das war gut; denn diese Eigenschaften fehlten uns gerade. Hätte man uns ohne diese Ausbildung in den Schützengraben geschickt, dann wären wohl die meisten von uns verrückt geworden. So aber waren wir vorbereitet für das, was uns erwartete. (WN 27)

Die militärische Ausbildung „zielte auf ein ,Aufgeben der Persönlichkeit‘“ und war „nur durch Gewöhnung und Abstumpfung“ zu ertragen.[15] Allerdings hat sie ihnen noch etwas gebracht: Kameradschaft. Und diese wird im Roman zu einer der wichtigsten Säulen für die Charaktere. Die Kameradschaft ist ein „wichtiges Mittel zum Überleben und zur Bewahrung der seelischen Integrität“.[16] Der Erzähler beschreibt sie einmal so:

[das Leben] hat in uns den Kameradschaftssinn geweckt, damit wir dem Abgrund der Verlassenheit entgehen [...]. (WN 185)

Die Verrohung, welche bereits während ihrer Ausbildung einsetzte, nimmt allerdings im Verlauf des Romans immer mehr zu, was sich vor allem auch an den Beschreibungen des Ich-Erzählers bemerkbar macht. Anfangs beschreibt er Verletzungen und auch Todesfälle relativ nüchtern, zum Ende hin werden die Schilderungen immer blutiger und grausamer.[17]

Kemmerich, zum Beispiel, wird verletzt und eines seiner Beine amputiert. Die Verwundung wird im Buch nicht beschrieben nur das Ergebnis: Er liegt im Sterben und seine Kameraden kommen ihn besuchen. Müller denkt allerdings mehr an Kemmerichs Stiefel, als an seinen Freund. (vgl. WN 21) Der Erzähler mildert diesen Eindruck zwar etwas später wieder ab:

[...]


[1] Carl Zuckmayer: Erich Maria Remarque. Im Westen nichts Neues, in: Berliner Illustrierte Zeitung, 31.1.1929, zitiert nach: Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, Köln 2011, S. 211-213, hier: S. 211.

[2] Vgl. Peter Bekes: Erich Maria Remarque Im Westen nichts Neues. Interpretation, München 1998, S. 46.

[3] Vgl. Hubert Rüter: Erich Maria Remarque Im Westen nichts Neues. Ein Bestseller der Kriegsliteratur im Kontext. Entstehung-Struktur-Rezeption-Didaktik, Paderborn, München, Wien, Zürich 1980, S. 73.

[4] Vgl. Bekes, Interpretation, S. 46.

[5] Vgl. Rüter, Bestseller, S. 76.

[6] Vgl. Bekes, Interpretation, S. 56ff.

[7] Vgl. Erich Maria Remarque: Im Westen nichts Neues, Köln 2011, S. 98.

Im Folgenden zitiert mit der Sigle (WN) und Seitenzahl.

[8] Vgl. Bekes, Interpretation, S. 45.

[9] Rüter, Bestseller, S. 71.

[10] Rüter, Bestseller, S. 71..

[11] Vgl. Ebenda.

[12] Vgl. Ebenda, S. 84.

[13] Vgl. Bekes, Interpretation, S. 51.

[14] Rüter, Bestseller, S. 132.

[15] Ebenda, S. 130f.

[16] Ebenda, S. 133f.

[17] Vgl. Ebenda, S. 80.

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die Inhumanität des Krieges in der Literatur. Analyse des Romans „Im Westen nichts Neues“
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Germanistik)
Veranstaltung
Seminar: Der Erste Weltkrieg in der Literatur
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
16
Katalognummer
V213993
ISBN (eBook)
9783656422891
ISBN (Buch)
9783656423515
Dateigröße
523 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
inhumanität, krieges, literatur, analyse, romans, westen, neues
Arbeit zitieren
Andrea Benesch (Autor:in), 2012, Die Inhumanität des Krieges in der Literatur. Analyse des Romans „Im Westen nichts Neues“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/213993

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