Anachronieerscheinungen in "Eternal Sunshine of the Spotless mind"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Anachronismen in der Literatur
2.1. Die Dimension des Zeitlichen
2.2 Medienübergreifende Erzähltheorien
2.2.1. Das Medium Film

3. Eternal Sunshine Of The Spotless Mind
3.1. Mind Game Movies.
3.2 Anachronieerscheinungen
3.2.1. Die Pre- Title- Sequenz im Übergang zum Hauptfilm
3.2.2. Die Situation wird aufgeklärt, die Löschung beginnt.
3.2.3. Wandlung vom Objekt der Erinnerung zum Subjekt
3.2.4. Das Ende, zugleich der Anfang

4. Stilmittel
4.1 Bild vs. Ton
4.2 Technische Mittel.
4.2.1. Das Stop-Motion-Verfahren.
4.2.2. Verdopplung.

5. Schlussbetrachtung

6. Quellen.
6.1 Bibliographie
6.2. Filmographie

1.Einleitung

Eternal Sunshine Oƒ The Spotless Mind (deutscher Titel: Vergissmeinnicht) ist Michel Gondrys zweiter Spielfilm der nach dem Drehbuch von Charlie Kaufman inszeniert wurde. Der Film kam am 19. März 2004 in die amerikanischen Kinos und spielte seitdem 72,2 Millionen US Dollar ein. Die Hauptrollen spielen Jim Carry und Kate Winslet, Kirsten Dunst. Mark Ruffalo und Elijah Wood spielen, unter anderem, in Nebenrollen mit. Im Jahre 2005 gewann der Film einen Academy Award für das Beste Drehbuch und Kate Winslet wurde als beste Schauspielerin nominiert.

Der Titel entstammt aus dem Gedicht Eloisa to Aberlard von Alexander Pope1 in dem Pope die tragische Liebesgeschichte erzählt, in der das Vergessen der einzige Trost ist.

Die Geschichte schliesst sich Popes Thematik an. Joel Barish (Jim Carry) und Clementine Kruczynski (Kate Winslet) treffen sich am Valentinstag im Zug nach Montauk und trotz ihrer so unterschiedlichen Charaktere sind die zueinander hingezogen. Diese Szene entpuppt sich später als zeitlich nachfolgend, denn Joel und Clementine sind, ohne dass sie zunächst selbst davon Kenntnis haben, ein ehemaliges Paar. Nachdem sie bereits zwei Jahre zusammen waren heuerte Clementine die Firma Lacuna an ihre Erinnerungen an die Beziehung zu löschen und Joel, gekränkt als er davon erfährt, tut dasselbe. Das Treffen im Zug ist also ein Wiedersehen, auch wenn beide Figuren nichts davon Wissen. Der größte Teil des Films besteht aus Erinnerungen in Joels Gedächtnis, während es gelöscht wird und Joel quasi im Rückwärtsgang alles noch einmal erlebt.

Das Erzählkonzept spielt mit dem Potenzial des Kinos und nutzt die Gegenüberstellung der Themen 'Realität' und 'Erinnerung' um einen ungewöhnlichen Jonglageakt zwischen Rahmen- und Binnenhandlung mittels nonlinearer Narration zu schaffen. „Das Treffen in Montauk ist nur der Anfang des plots aber nicht der story .2

Das Thema des Gedächtnisverlusts ist ein sehr beliebtes im Film. Während

jedoch die allermeisten Filme von Anfang an klären dass eine oder mehrere Figuren ihr Gedächtnis verloren haben, und bestimmte Szenen Rückgriffe auf Vergangenes oder nicht Erinnertes sind, diese sogar als solche kennzeichnen, so dauert es bei Eternal Sunshine Oƒ The Spotless Mind eine ganze Weile bis der Rezipient begreift, wie die Handlung aufgebaut ist. Die „pre-title-sequence“. Das Treffen im Zug und die angedeutete Liebelei zwischen Clementine und Joel dauert fast fünfzehn Minuten an. Diese Sequenz mit dem darauf folgenden Hauptfilm bzw. die darauf folgende Szene lässt falsche Schlüsse über den zeitlichen Ablauf ziehen. Über diese zeitlichen Missverständnisse, Zeitsprünge und generell Anachronieerscheinungen soll sich diese Seminararbeit im Kern drehen, wobei auch gezeigt werden soll, welcher Mittel sich Michel Gondry bedient um diese zu vermitteln.

'Erinnerung' und 'Vergessen' sind also zentrale Themen des Films und man kann auch beide Handlungsstränge so benennen. Beide Stränge laufen aber zeitlich ungleich ab, sodass man sich als Rezipient erst kurz vor Schluss einen Überblick über die gesamte Geschichte verschaffen kann.

Um mich zum eigentlichen Thema der Hausarbeit, den Anachronismen des Films vor zuarbeiten, werde ich mich zunächst einmal sukzessive an das Thema und dessen Rezeption annähern müssen und Begriffe erklären.

2. Anachronismen in der Literatur

„Eine Anachronie liegt vor, wenn die Erzählung nicht der chronologischen Ordnung der Geschichte entspricht, sondern in sie eingreiƒt und verändert.3

Ein Anachronismus bezeichnet also in der Zeitgestaltung einer Erzählung Rückwendungen sowie Vorausdeutungen bzw. eine nicht chronologische Zeitstruktur. Einen Rückgriff bezeichnet man als Analepse. Hierunter versteht man „die Unterbrechung der fiktiv- gegenwärtigen Handlungsfolge, um einen oder mehrere Einschübe zu Zeitspannen oder Ereignissen einzubauen, die von der fiktiven Gegenwart aus in einer Vergangenheit liegen4“. Eine Prolepse ist hingegen ein erzählerischer Verweis „auf in der Erzählchronologie noch zukünftige Ereignisse5“.

Schlägt man in den Einführungswerken zur Literaturwissenschaft nach, so

findet sich der Unterschied zwischen Erzählte Zeit und Erzählzeit. Die Erzählzeit darf hier vernachlässigt werden, sie bezeichnet die Zeit die benötigt wird eine Begebenheit oder Handlung wiederzugeben. Die Erzählte Zeit hingegen, die Zeitspanne in der die erzählte Begebenheit oder Handlung spielt, ist für unsere Betrachtungen durchaus relevant. Interessant wird es hierbei besonders wenn sie von der Norm, das heißt unserer natürlichen Sichtweise, einer chronologischen Abfolge, abweicht.

Zwar bezieht sich Genette dabei vornehmlich auf literarische Texte und nicht auf audio-visuelle Medien, dennoch kann man seine Erkenntnisse durchaus auch adaptieren. Manfred Pfister bestätigt diese Gültigkeit auch für dramatische Texte und deren Produktionen. Ein dramatischer Text laufe, wie auch jeder andere literarische Text, in der Zeit und somit sei „die Dimension der Zeit eine seiner Wirkungsdimensionen6

Pfister teilt die Informationsvergabe eines dramatischen Textes zudem in zwei zeitliche Achsen ein: „die Achse der Simultaneität – in jedem Augenblick werden über die verschiedenen Codes und Kanäle gleichzeitig Informationen vermittelt – und die Achse der Sukzession – über jeden der Codes und Kanäle werden im zeitlichen Nacheinander linear-akkumulativ Informationen vermittelt.7

Pfister spricht hiermit den wesentlichsten unterschied von Literatur zu Film an, nämlich die verschiedenen Kanäle der Informationsvergabe oder, wie der Filmanalytiker Knut Hickethier sie nennt, „Pole der Informationsvermittlung“8. Diese Kanäle unterscheiden sich zwischen Erzählen und Darstellen. Durch verschiedene Ausdrucksformen wie Bilder, Gesten, Bewegungen oder „durch die Kombination von Sprache, Bild, Bewegungen etc.9“ kann ebenso erzählt werden.

2.1. Die Dimension des Zeitlichen

Die Frage nach dem Erzählmodus drängt sich beim Sehen von Eternal Sunshine Oƒ The Spotless Mind förmlich auf. Warum? Weil unsere gewohnte Sehweise, eine chronologische, gestört wird. Das Verhältnis der Reihenfolge des Erzählens zur

Reihenfolge des Erzählten verschiebt sich. Wie oben bereits erwähnt unterscheidet Gérard Genette hier zwischen der Prolepse, wenn auf ein späteres Ereignis vorgegriffen wird und der Analepse, wenn ein Ereignis nachgeholt wird. Hier bezieht er sich ausdrücklich auf die filmische Erzählung, welche ihm zufolge genauso wie die schriftliche literarische und die mündliche Erzählung „nur in einer Zeit 'konsumiert', das heißt aktualisiert werden, nämlich in der Lektüre.10“ Er merkt an, dass diese Zeitdualität „ein charakteristisches Merkmal der kinematografischen Erzählung11“ sei.

Es gibt allerdings noch eine weitere Unterscheidung die zu berücksichtigen ist: spielt sich eine Anachronieerscheinung zeitlich weit vor oder nach der Haupthandlung ab, so wird von externer Analepse bzw. Prolepse gesprochen. Interne Analepsen bzw. Prolepsen werden sie genannt, wenn die in ihnen integrierten Ereignisse innerhalb der Haupthandlung bereits stattfanden bzw. noch stattfinden werden.

Beispiele in Eternal Sunshine Oƒ The Spotless Mind gibt es genug. So ist die gesamte pre-title Sequenz eine externe Prolepse. Das Treffen im Zug und die darauf folgenden Geschehnisse bis zum eigentlichen Filmbeginn finden zeitlich gesehen erst nach der eigentlichen Geschichte statt. Innerhalb des Films finden wir einige Sequenzen die wir als interne Analepsen bezeichnen müssen. Es sind vor allem die Erinnerungen die während der Löschung in Joels Kopf ablaufen. Interessant hierbei ist zu sehen, dass Michel Gondry und Charlie Kaufman sich nicht scheuen, sowohl Analepsen als auch Prolepsen mit ins Spiel zu bringen. Bei anderen Filmen nonlinearer Erzählweise finden sich meistens nur eine Art der Anachronieerscheinungen.

2.2 Medienübergreifende Erzähltheorien

Genette bezieht sich, wie bereits erwähnt, vornehmlich auf die schriftliche literarische Textproduktion und setzt nur vereinzelt Querverweise zu Drama und Film. Er bezieht sich dabei überwiegend auf das Hauptwerk Marcel Prousts À la recherche du temps perdu .

In seinem 1987 erschienen Standardwerk Story and Discourse12 stellte der Film- und Literaturkritiker Seymour Chatman erste Überlegungen zu einer medienübergreifenden Erzähltheorie an. Sein berühmter Grundsatz „transposability of the story13“. Er meint dabei eine weitgehende Übertragbarkeit einer Geschichte in jedes Medium.

Bei der Vorstellung von einem Transfer von Medium zu Medium hebt der Literaturwissenschaftler Werner Wolf die Auswirkungen der jeweiligen Präsentationsform auf die Art und Weise der der Erzählung der Geschichte hervor. In seinem Aufsatz zur intermedialen Erzähltheorie schreibt er, dass das Narrative nicht in einer transzendalen story einzuschließen ist, sondern ein „kognitives Schema menschlichen Denkens14“ ist, welches „die Fähigkeit des Menschen beinhaltet, zeitliche Prozesse in einem kausalen Zusammenhänge zu verstehen15“.Er unterscheidet deshalb vor allem in welchem Medium sich ein kognitives Schema aktualisiert.

3.2.1. Das Medium Film

Gehen wir davon aus, dass sich das Storytelling des Films aus dem Drama entwickelt hat, so werden wir feststellen dass das Theater selbst aufgrund seiner unlösbaren Bindung an den Ordnungsfaktor Ort

stärker au ƒ ein 'einsinniges' Nacheinander der Geschichte ƒ estgelegt, als die narrative Präsentation, die eine Umstellung von ganzen Großabschnitten und eine Auƒƒächerung und Verzweigung der Geschichte im nebeneinander herlauƒende Handlungsphasen kennt. 16

Das Theater tut sich also mit der nicht-filmischen Darstellung von Analepsen bzw. Prolepsen eher schwer und greift gezwungenermaßen auf verbale Wege zurück.

Der Film hingegen hat keine unbedingte Ortsgebundenheit. Hickethier stellt

[...]


1 How happy is the blameless vestal's lot! The world ƒorgetting, by the world ƒorgot. Eternal sunshine oƒ the spotless mind!

Vgl: BOWLES, William Lisle: The Works of Alexander Pope.Charlston: Nabu Press. S. 24 ff.

2 KRÜTZEN, Michaela: Dramaturgien des Films. Das etwas andere Hollywood. Frankfurt a.M: S. Fischer. S. 293.

3 JAHRAUS, Oliver: Grundkurs Literaturwissenschaft. Stuttgart: Klett Verlag. S 123.

4 JEßING, Benedikt, KÖHNEN; Ralph: Einführung in die Neuere deutsche Literaturwissenschaft.

6 PFISTER, Manfred: Das Drama. München: Wilhelm Fink Verlag. S. 122.

7 Ebd. S 122 ff.

10 GENETTE, Gérard: Die Erzählung. München: Wilhelm Fink Verlag. S. 21

12 CHATMAN, Seymour: Story and Discourse. Narrative Structure in Fiction and Film. Cornell: Cornell University Press.

13 Ebd. S. 7 ff.

14 WOLF, Werner: Das Problem der Narrativität in Literatur, bildender Kunst und Musik. Ein Beitrag zu einer intermedialen Erzältheorie. In: NÜNNING,Vera/ NÜNNING, Ansagar (Hrsg.) : Erzähltheorie transgenerisch, intermedial, interdisziplinär. Trier: WVT Wissenschaftlicher Vergal. S. 47.

15 Ebd. S.47.

16 PFISTER, Manfred: Das Drama. München: Wilhelm Fink Verlag. S 112.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Anachronieerscheinungen in "Eternal Sunshine of the Spotless mind"
Hochschule
Ludwig-Maximilians-Universität München
Veranstaltung
Reichsverächter oder „Onkel Deutschlands“? Friedrich der Große und die Reichspolitik
Note
2,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V214345
ISBN (eBook)
9783656426837
ISBN (Buch)
9783656433552
Dateigröße
475 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
anachronieerscheinungen, eternal, sunshine, spotless
Arbeit zitieren
Greta Schmidt (Autor:in), 2010, Anachronieerscheinungen in "Eternal Sunshine of the Spotless mind", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/214345

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