Affenmenschen. Von Bigfoot bis zum Yeti

Mit Zeichnungen von Shuhei Tamura


Fachbuch, 2013

402 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort

Viele Tierarten sind noch unentdeckt

Yeti
Der „Mann in den Felsen“

Bigfoot und Sasquatch
„Großfuß“ mit Schuhgröße 61

Orang Pendek
Der „kurze Mensch“ auf Sumatra

Alma
Ein „wilder Mensch“ nicht nur in der Mongolei

Chuchunaa
Sibirischer „Bandit“ mit breiten Schultern

De-Loys-Affe
Ein Menschenaffe in der „Neuen Welt“

Skunk Ape
Sanftmütiger Kryptide im Grasfluss

Nguoi Rung
Der „vietnamesische Yeti“

Yeren
Angriffslustiger Affenmensch in China

Yowie
„Böser Geist“ in Australiens Wäldern

Entdeckungen von Affenmenschen

Der Autor / Literatur / Bildquellen /

Bücher von Ernst Probst /

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Belgischer Zoologe Bernard Heuvelmans (1916–2001), Zeichnun g von Talitha Wittich

Vorwort

Viele Tierarten
sind noch unentdeckt

Nach Ansicht von Kryptozoologen, die weltweit nach verborgenen Tierarten (Kryptiden) suchen, leben auf der Erde noch zahlreiche unbekannte Spezies, die ihrer Entdeckung harren. Bisher sind auf unserem „blauen Planeten“ etwa 1,5 Millionen Tierarten bekannt. Manche Wissenschaftler vermuten, dass mehr als 15 Millionen Tierarten noch unentdeckt bzw. unbeschrieben sind.

Der verhältnismäßig junge Forschungszweig der Krypto- zoologie wurde von dem belgischen Zoologen Bernard Heuvelmans (1916–2001) um 1950 benannt und gegründet. Er sammelte Tausende von Berichten, Legenden, Sagen, Geschichten und Indizien verborgener Tiere und prägte durch seine Fleißarbeit die Kryptozoologie nachhaltig.

Als Zweige der Kryptozoologie gelten die Dracontologie, die sich mit den Wasserkryptiden befasst, die Hominologie, die sich mit Affenmenschen beschäftigt, und die Mythologische Kryptozoologie, welche die Entstehungsgeschichte von Fabelwesen erforscht. Der Begriff Hominologie wurde 1973 durch den russischen Wissenschaftler Dmitri Bayanow eingeführt. In der Folgezeit haben Kryptozoologen ver- schiedene Untergliederungen der Hominologie vorgeschlagen. Die Kryptozoologie bewegt sich teilweise zwischen seriöser Wissenschaft und Phantastik. Kryptozoologen wollen nicht glauben, dass unser Planet schon sämtliche zoologischen Ge-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1902 wissenschaftlich beschrieben: der Berggorilla (Gorilla beringei beringei)

Geheimnisse preisgegeben hat, obwohl Satelliten regelmäßig die ganze Erdoberfläche überwachen. Nach ihrer Ansicht bleibt das, was unter dem Kronendach tropischer Regenwälder oder in den Tiefen der Ozeane existiert, selbst modernster Spionage-Technik verborgen.

Kryptozoologen zufolge gibt es auf der Erde noch erstaunlich viele bisher unbekannte Tierarten zu entdecken. Auf allen fünf Erdteilen – so glauben sie – leben beispielsweise große Affenmenschen. Die bekanntesten von ihnen sind „Yeti“ im Himalaja, „Bigfoot“ in Nordamerika, „Orang Pendek“ auf Sumatra und „Alma“ in der Mongolei. Als Affenmenschen gelten auch „Chuchunaa“ in Ostsibirien, „Nguoi Rung“ in Vietnam, „De-Loys-Affe“ in Südamerika, „Skunk Ape“ in Florida, „Yeren“ in China und „Yowie“ in Australien.

Affenmenschen nennt man – laut Online-Lexikon „Wikipe- dia“ – „affenähnliche“, das heißt nicht mit allen Merkmalen der Art Homo sapiens ausgestattete Vertreter der „Echten Menschen“ (Hominiden). Sie gehören zu den bekanntesten Landkryptiden.

Ernst Probst, der Autor dieses Buches, ist weder Krypto- zoologe, noch glaubt er an die Existenz von Affenmenschen, die überlebende Frühmenschen oder Urmenschen wären. Aber er kann nicht ausschließen, dass in abgelegenen Gegenden der Erde noch bisher unbekannte Affen oder Menschenaffen ein verborgenes Dasein führen. Denn von 1900 bis heute sind erstaunlich viele große Tiere erstmals entdeckt und wissen- schaftlich beschrieben worden. Darunter befinden sich auch Primaten wie der Berggorilla (1902), der Kaiserschnurr- barttamarin (1907), der Bonobo (1929), der Goldene Bambuslemur (1986), der Goldkronen-Sifaka oder Tattersall- Sifaka (1988), das Schwarzkopflöwenäffchen (1990) und der Burmesische Stumpfnasenaffe (2010).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1907 wissenschaftlich beschrieben:

der Kaiserschnurrbarttamarin (Saguinus imperator)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1929 wissenschaftlich beschrieben: der Bonobo (Pan paniscus)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1986 wissenschaftlich beschrieben: der Goldene Bambuslemur (Hapalemur aureus)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1988 wissenschaftlich beschrieben: der Goldkronen-Sifaka (Propithecus tattersalli)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erstmals 1990 wissenschaftlich beschrieben:

das Schwarzkopflöwenäffchen (Leontopithecus caissara)

Das Taschenbuch „Affenmenschen. Von Bigfoot bis zum Yeti“ enthält eigens hierfür angefertigte Zeichnungen des japa- nischen Künstlers Shuhei Tamura. Dieser hat dankens- werterweise oft prähistorische Raubkatzen für Werke des deutschen Autors Ernst Probst gezeichnet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Schneemensc h „Yeti“,

Zeichnung von Philippe Semeria bei „Wikipedia“

Yeti

Der „Mann in den Felsen“

Der legendenumwobene Schneemensch „Yeti“ im Himalaja gilt zusammen mit dem schottischen Seeungeheuer „Nessie“ aus dem Bergsee Loch Ness und dem nordamerikanischen Affenmenschen „Bigfoot“ als einer der bekanntesten Kryptiden der Erde. Sichtungen dieses zweibeinigen, be- haarten Lebewesens sind aus Nepal, Tibet, Bhutan und In- dien bekannt. Angeblich existiert der „Yeti“ in zweierlei Gestalt: als Tier im Hochgebirge und als Legende in der Überlieferung der Einheimischen.

Der Begriff „Yeti“ stammt aus der Sprache der Sherpas, der Ureinwohner im Lebensraum der mysteriösen Schneemen- schen. Das Wort „yeh-teh“ der Sherpas besteht aus den Begriffen „Ye“ (Fels) und „The“ (Tier) und wird sehr unter- schiedlich mit „Mann in den Felsen“ oder „Tier in den Felsen“ übersetzt.

In Tibet bezeichnet man den „Yeti“ als „Migö“ („Wilder Mann“) oder als „Gang Mi“ („Gletschermann“). Bereits vor rund 1.000 Jahren erwähnte der Yogi Milarepa, der als Ein- siedler im Himalaja lebte, dieses Geschöpf in seinen Gesängen. Beim tibetobirmanischen Bergbauern-Volk Lepcha (auch Róng genannt) kursieren viele Sagen über jenes geheim- nisvolle Wesen. Die Lepcha nennen es „Lmung“ („Berggeist“) oder „Chumung“ („Schneegeist“). Sie übten früher eine schamanistische Religion namens Mjn aus und verehrten den

„Berggeist“ oder „Schneegeist“ als Gott der Jagd und Herrn allen Rotwilds. Weitere lokale Namen für den „Yeti“ sind

„Chemo“ oder „Kangchendzönga-Dämon“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lepcha in Singlik 1938,

Foto des deutschen Zoologen Ernst Schäfer (1910–1992)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Sherp a mit erlegtem Geier,

Foto von Ernst Krause aus dem Jahre 1938

Das seltsame Wesen mit den vielen Namen erreicht angeb- lich eine Körpergröße bis zu zwei oder drei Meter, ein Gewicht von mehr als 200 Kilogramm und hinterlässt Fußabdrücke bis zu 43 Zentimeter Länge. Tibeter und Lepcha beschreiben den „Yeti“ als Affentier mit eiförmigem und spitz zulaufendem Schädel sowie kärglicher, rötlicher Behaarung. Von den Sherpas werden zwei Typen des „Yeti“ unterschieden: Die größere Variante wird als Mischung aus Mensch und Affe mit einer Körpergröße von mehr als zwei Metern und dunkelbrauner Farbe beschrieben. Die kleinere Variante soll kleiner als ein durchschnittlicher Mann sein und ein rötlich-braunes Fell tragen. Beide Formen gehen angeblich aufrecht.

Entgegen landläufiger Meinung sind die Sherpas allerdings keine guten Kenner ihrer heimischen Tierwelt. Der britische Zoologe John Napier (1917–1987), der frühere Leiter der Primatenabteilung des „Smithsonian-Instituts“, erklärte in der Zeitschrift „Bigfoot“, weshalb Berichte der Sherpas zweifelhafter Natur seien. „Die Sherpas können nicht unterscheiden zwischen der Realität der wirklichen Welt und der Realität ihres mythologischen religiösen Glaubens“, schrieb er. Mehrfach hätten sie Fußabdrücke dem „Yeti“ zugeschrieben, die nach Erkenntnissen europäischer Forscher einwandfrei Abdrücke normaler Tiere gewesen seien. Die humorvolle Bemerkung, ein Sherpa könne einen Bären oder einen Affen nicht von einem Schneemenschen unterscheiden, könne durchaus richtig sein. Für Sherpas ist das Töten von Tieren tabu. Deswegen jagen sie niemals Leoparden, Ziegen oder Antilopen.

Nach Ansicht der Kryptozoologen Ivan T. Sanderson (1911– 1973), Bernard Heuvelmans (1916–2001) und Loren Coleman existierten drei Arten des „Yeti“: der etwa ein Meter große „Pygmäen-Yeti“ („Teh-Ima“), der bis zu 1,80 Meter große „echte Yeti“ („Meh-Teh“) und der bis zu 2,70 Meter große „Riesen-Yeti“ („Dzu-Teh“ oder „Rimk“) mit bis zu 50 Zentimeter langen Füßen.

In der Literatur ist manchmal auch von einer besonders großen „Yeti“-Art namens „Nyalmo“ die Rede. Diese soll sage und schreibe bis vier bis fünf Meter Körperhöhe erreichen und im „ewigen Schnee“ in mehr als 4.000 Meter Höhe leben. Jener „Nyalmo“ wird als Fleisch- und eventuell sogar Men- schenfresser geschildert.

Heuvelmans beschrieb in seinem Buch „On The Track of Unknown Amimals“ (1958) den „Nyalmo“ als „großes Wesen, halb Mensch, halb Bestie“. Er hause in Höhlen, die hoch und schwer zugänglich in den Bergen lägen. Sein Gesicht sei ziemlich menschenähnlich, seine Gesichtshaut weiß und sein Körper von einem dicken Haarpelz besetzt. Die Arme reichten bis an die Knie. Die dicken Beine seien gebeugt und die Zehen nach innen, vielleicht sogar nach hinten gerichtet. Dieses muskulöse Lebewesen könne Bäume entwurzeln und große Felsbrocken aufheben.

Eine der frühesten Erwähnungen des „Yeti“ dürfte aus der Feder von Plinius dem Älteren (23 bis 79 v. Chr.), des römischen Schriftstellers und Befehlshabers der kaiserlichen Flotte in Miseum, stammen. Er beschrieb zeitweise auf vier oder zwei Beinen laufende „schnelle Geschöpfe“ mit menschlicher Gestalt, die in den „nach Osten hin liegenden Bergen Indiens“ ihr Unwesen trieben. Wegen ihrer Ge- schwindigkeit könnten sie nur, wenn sie alt oder krank seien, erhascht werden. Plinius starb beim Ausbruch des Vesuvs, der Pompeji zerstörte. Erhalten von ihm ist sein Sammelwerk

„Naturalis historia“ in 37 Bänden, das wichtige kultur- und kunsthistorische Angaben enthält.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Römischer Schriftsteller

Pliniu s der Ältere (23 bis 79 v. Chr.)

Womöglich schrieb auch Aelianus (um 170–222), der Oberpriester des römischen Kaisers Septimius (146–211), in seinen „Tiergeschichten“ über den „Yeti“. Darin erwähnte er ein den Satyrn ähnliches Tier auf den „Indischen Bergen“.

„Wenn man über die den Indern benachbarten Berge nach der innern Seite geht, so zeigen sich, wie man sagt, dicht bewachsene Talengen; und diese Gegend wird von den Indern Koruda genannt“, brachte Aelianus zu Papier. In diesen Tälern irrten Tiere, die zottig am ganzen Leibe und an den Lenden seien sowie einen Pferdeschweif trügen. Sie verweilten in Wäldern und ernährten sich von Holzwerk. Wenn sie das Getöse der Jäger und das Bellen der Hunde hörten, liefen sie unglaublich schnell auf Berghöhen. Denn sie seien im Bergsteigen geübt. Gegen die Anrückenden kämpften sie, indem sie Steine auf sie herabwälzten. Diese Satyrn waren laut Aelianus eine Mischung aus Yak und „Yeti“. Nach Ansicht von Reinhold Messner besaßen sie Eigenschaften, wie sie dem

„Yeti“ heute noch zugeschrieben werden und dem „Dremo“ bzw. „Chemo“ in der Realität entsprächen.

Zu den Ritualen der alten schamanistischen Bön-Religion (auch Bon- oder Bonpo genannt), die in Tibet die vor- herrschende Religion war, bevor im achten Jahrhundert der Buddhismus ins Land gelangte, gehörten zu bestimmten Opferzeremonien auch „Yeti“-Blut und „Yeti“-Skalp. Dabei hat man das Blut eines „Mirgod“ oder „Wildmenschen“ mit demjenigen eines Pferdes, eines Hundes, einer Ziege, eines Schweins, eines Raben, eines Menschen, eines Kragenbären vermischt und so eine magische Medizin hergestellt. Wichtig bei diesem Ritual war, dass es sich um ein Exemplar handelte, das mit Pfeilen getötet worden war.

Ein Lebewesen, das dem „Yeti“ entspricht, kommt auch im

26. Gesang des Yogi und Dichters Jetsün Milarepa (1040–

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Statu e von Jetsün Milarepa (1040–1123) in Tibet

1123) vor. Dieser fromme und geistreiche Mann lebte vor rund 900 Jahren. In Baltistan (Klein-Tibet), heute eine Region im pakistanisch verwalteten Teil des Kaschmirgebietes, verschwand der Lamaismus vor sieben Jahrhunderten. Dort hatten Muslime die Menschen missioniert und alles, was an die frühere Kultur erinnerte, ausgelöscht. Unvergessen ist in Baltistan aber das Gesar-Epos, in dem der Schneemensch kurz erwähnt wird. Der Held Gesar verwandelte sich zeitweise in einen „Dremo“, um die Menschen zu narren.

Aus dem 18. Jahrhundert ist eine Medizinschrift bekannt, in der Kranken „Yeti“-Fleisch als Heilmittel gegen böse Geister empfohlen wird. Darin sollen ausdrücklich verschiedene Namen für Affen, Bären und „Yetis“ verwendet worden sein. Für den Bergsteiger Bruno Baumann ist dies ein Indiz, dass im Himalaja eine „noch unbekannte Primatenart“ existiert. Dabei handle es sich um einen allesfressenden Hominiden, der nachtaktiv und deswegen selten gesichtet worden sei.

Über eine Sichtung des „Yeti“ informierte 1832 das „Journal of the Asiatic society of Bengal“. In jenem Bericht ging es um die Aussage von Brian H. Hodgson (um 1800–1894), des ersten britischen Regierungsvertreters in Nepal, bei einer Wanderung im nördlichen Nepal hätten seine einheimischen Führer eine große zweibeinige Kreatur, die mit langen, dunklen Haaren bedeckt gewesen sei und keinen Schwanz hatte, erblickt. Aus Angst seien seine Führer geflohen. Hodgson selbst hat diese Kreatur nicht gesehen, die er für einen Orang- Utan hielt.

Fußabdrücke eines „Yeti“ wurden erstmals 1889 bekannt. Der britische Militärarzt Major Laurence Austin Waddell (1854– 1938) berichtete damals, seine einheimischen Führer hätten eine große affenähnliche Kreatur beschrieben, die Fußab- drücke hinterlassen habe. Aus der Beschreibung schloss er,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Indischer Tibetologe Sarat Chandra Das (1849–1917)

es würde sich um einen Bären handeln. Waddell versuchte, mehr über dieses Lebewesen zu erfahren, erhielt aber stets nur Informationen aus zweiter Hand von Leuten, die von etwas erzählten, was sie einmal gehört hatten.

Der indische Tibetologe Sarat Chandra Das (1849–1917) beschrieb 1902 den „Dremo“ sowohl als eine im Amdo- und Koku-Nor-Gebiet vorkommende Bärenart als auch als Fabelwesen. „Obwohl als Mensch geboren, wächst er zum ungezügelten Wilden heran“, meinte er.

Während einer Expedition in den Himalaja erblickte 1906 der britische Botaniker Henry John Elwes (1846–1922) angeblich ein haariges Geschöpf, das über ein unter ihm liegendes Schneefeld lief. Sein 1915 in einer Londoner wissenschaftlichen Zeitschrift veröffentlichter Artikel über einen unbekannten Affen stieß auf kein Interesse. Der britische Bibliothekar und Autor Stanley Snaith (1903–1976) erwähnte in seinem Buch „At Grips with Everest“ (1920), der britische Entdecker William Hugh Knight, ein Mitglied des „Royal Society Club“, habe im selben Jahr mit eigenen Augen einen Schneemenschen gesehen.

„Von unheimlichen haarigen Wilden mit langen, wirren Locken“ berichtete der amerikanische Diplomat und Autor William Woodville Rockhill (1854–1914) in seinem Buch

„The Land of the Lamas“ (1890). Ein alter Lama aus Revangomba hatte Rockhill über diese Geschöpfe erzählt, sie hätten sogar Steine auf Reisende geschleudert. Dieser Lama habe aufrecht gehende Bären, deren Hintertatzenabdrücke einer menschlichen Fußspur ähnelten, für Menschen gehalten. Dunkle Schatten, die über Schneehänge huschten, sah 1921 Oberst Charles Kenneth Howard-Bury (1881–1963) auf der tibetischen Nordwand des Mount Everest in mehr als 6.000 Meter Höhe. Howard-Bury führte eine Expedition von sechs

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Amerikanischer Diplomat und Autor W illia m Woodville Rockhill (1854–1914)

Briten und 26 einheimischen Trägern an, die erstmals den Mount Everest besteigen wollte, was aber letztlich nicht gelang. Dort, wo die unbekannten Lebewesen aufgetaucht und verschwunden waren, stieß er später neben kleinen auch auf große Fußabdrücke. Howard-Bury glaubte, die kleinen Fuß- abdrücke würden von Hase und Fuchs und die großen Fußabdrücke von einem streunenden Wolf stammen. Ein Sherpa-Führer dagegen schrieb die Fußspur, die so wirkte, als sei sie von einem barfüßigen Mann erzeugt worden, einem „Yeti“ oder „Mehteh Kangmi“ zu. Dies sei eine menschen- ähnliche Bestie, die auf Bergen im Schnee lebe.

Nach Rückkehr der „Everest Reconnaissance Expedition“ von Howard-Bury interviewte der für die Zeitung „The Statesman“ in Kalkutta arbeitende Reporter Henry Newman einige Träger. Newman übersetzte irrtümlich oder bewusst den einhei- mischen Begriff für „schmutzig“ als „abscheulich“. Deswegen verwendete er in seinen Artikeln, die er an Zeitungen ver- schickte, die Worte „schrecklicher Schneemann“ oder

„abscheulicher Schneemann“. Es kursiert aber auch eine andere Version dieser Geschichte, die besagt, in einem Büro in Kalkutta habe der Reporter Newman diese Story zufällig aufgeschnappt. Wie dem auch sei: Newman schrieb, die erste Mount-Everest-Expedition habe eine „schreckliche Kreatur“, einen „Abominable Snowman“ („abscheulicher Schnee- mensch“), entdeckt. Auf diese Weise kamen die haarigen, wilden Männer im Himalaja zu ihrem englischen Namen

„Abominable Snowman“, der heute noch üblich ist und als

„ABSM“ abgekürzt wird.

Der mit 8.848 Metern höchste Berg der Erde hieß in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts zunächst „Peak b“ und später

„Peak XV“ („Gipfel 15“). Der britische Geodät Andrew Scott Waugh (1810–1878) benannte diesen Berg 1856 nach seinem

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Britischer Geodät

Sir George Everest (1790–1866)

Kollegen und Landsmann Sir George Everest (1790–1866) als Mount Everest. Everest war Leiter der „Großen Trigo- nometrischen Vermessung Indiens und Surveyor General of India“ und Waugh sein Nachfolger gewesen.

In Nepal wird der höchste Berg der Erde als Sagarmata („Stirn des Himmels“), in Tibet als Qomolangma („Mutter des Universums“) und in China als „Zhumùlangma Fend“ (phonetische Wiedergabe des tibetischen Namens) bezeichnet. In Deutschland ist die Schreibweise „Tschomolangma“ und in England „Chomolungma“ üblich.

Die Londoner Zeitung „The Times“ berichtete am 2. No- vember 1921, der Engländer William Hugh Knight habe unweit von Gangtok in Sikkim einen Schneemenschen erblickt. Dieses Lebewesen sei trotz der großen Kälte völlig nackt gewesen. In Wirklichkeit hatte Knight, wie sich später herausstellte, nur einen asketischen Hindu-Einsiedler namens Sadhu gesehen, der in einer Höhe bis zu 5.000 Meter lebte.

„Die Yetis sind Kinder Gottes so gut wie wir, nur haben sie so lange in Haß und in der Furcht vor ihren Mitmenschen gelebt; sie haben die Eigenschaft, zu hassen und zu fürchten, in einem solchen Grade entwickelt, daß sie heute ganz von ihren Mitmenschen abgesondert sind, ja sogar vollständig vergessen haben, daß sie von der menschlichen Rasse abstammen, und sich tatsächlich für die wilden Geschöpfe halten, als die sie sich heute präsentieren. Sie sind auf diesem Weg immer weiter gegangen, bis sie sogar den Instinkt der wilden Tiere verloren haben, denn diese spüren ganz genau, welches menschliche Wesen ihnen Liebe entgegenbringt, und sie erwidern diese Liebe. Wir können nichts weiter sagen, als daß der Mensch immer das erschafft, auf das sich seine Vorstellungskraft richtet, und wenn er sich von Gott und den Menschen absondert, kann er tiefer sinken als das Tier.“ Dies schrieb der

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Deutscher Forschungsreisender Wilhelm Filchner (1877–1957)

amerikanische Autor Baird T. Spalding (1872–1953) im ersten Band seiner Buchreihe „Life and Teaching of the Masters of the Far East“, der 1924 erschien. Spalding hatte von 1894 bis 1898 eine Forschungsreise im Himalaja unternommen.

Der griechische Fotograf und Geologe Nikolaos A. Tombazis (1894–1986) sah 1925 in etwa 5.000 Meter Höhe nahe des Zemu-Gletschers in Sikkim (Indien) eine wie ein Mensch gebaute Kreatur, die dunkler als der Schnee und unbekleidet war. Tombazis (in der Literatur oft als Tombazi erwähnt) beobachtete dieses Wesen aus einer Entfernung von ungefähr 180 bis 280 Metern. Diese Kreatur ging aufrecht und blieb manchmal stehen, um an einem Zwergrhododendron zu ziehen oder ihn auszureißen. Beim Abstieg entdeckten Tombazis und seine Begleiter kleine Fußabdrücke, die 15 bis 17 Zentimeter lang und fünf Zentimeter breit waren und von einem Zweibeiner zu stammen schienen. Nach den Beschreibungen könnte ein Bär diese Fußabdrücke erzeugt haben.

Ein früher Hinweis, dass die Fußabdrücke von Bären und Menschen einander ähneln, war in Zedlers „Universal- Lexicon“ von 1733 nachzulesen: „Die Spur vom Bär und von der Bärin ist nicht anders, als wenn ein grosser Mensch mit blossen Füssen gegangen wäre, und ist nicht wie bey anderen Thieren die vordere Spur bey ihnen grösser, sondern die hintere wegen des Sitzen und Stehens.“

„Der Bär ist bei den Chinesen und Tibetern ein sehr gefürchteter Geselle“, hieß es in dem Buch „Tschung-Kul“ (1925) des deutschen Geophysikers und Forschungsreisenden Wilhelm Filchner (1877–1957), der sich wiederholt im Osten von Tibet aufgehalten hatte. Und er fügte hinzu, in der Volkssprache heiße Meister Petz kurzweg „der starke Mann“ oder „der wildhaarige Bergmensch“. Sein Erscheinen erfülle die Eingeborenen mit unbeschreiblicher Angst. Vor seiner Reise nach Tibet sei er nachdrücklich gewarnt worden, dort würde er Bären treffen, die tellergroße Feueraugen hätten. Ein Bär überträfe an Größe und Stärke drei Männer.

Der britische Zoologe Leonard Harrison Matthews (1901– 1986) wies in der „Encyclopaedia Britannica“ unter dem Stichwort „Abominable Snowman“ darauf hin, an Men- schenfährten erinnernde Bärenspuren könnten auch dann entstehen, wenn der Abdruck des Hinterfußes den des Vorderfußes teilweise überdeckt. Matthews meinte auch, fährtenähnliche Eindrücke im Neuschnee könnten von talwärts rollenden Schneeklumpen oder Felsblöcken herrühren.

Der in Kalkutta lebende Autor Desmond Doig (1920–1983) machte darauf aufmerksam, harmlose Fährten kleiner Vier- füßler könnten durch das außergewöhnliche Zusammenwirken von Sonnenbestrahlung in großer Höhe und schmelzendem Schnee zu sonderbaren, verzerrten Pseudo-Fährten werden. Doig war zusammen mit dem Bergsteiger Sir Edmund Hillary einer der Autoren des Buches „Schneemensch und Gip- felstürmer. Die Hillary-Expedition 1960/1961" (1963).

1936 entdeckte der britische Botaniker und Geograph Ronald Kaulback (1909–1995) nahe Bumthang Gompa (Nepal) in etwa 4.800 Meter Höhe große Fußabdrücke eines

„Schneemenschen“. Im selben Jahr stieß auch der britische Bergsteiger Eric Eale Shipton (1907–1977) bei seinem Rückmarsch vom Mount Everest nach Katmandu auf Fußabdrücke des „Yeti“.

Ein britischer Reisender namens Bald fand 1937 merkwürdige Fußabdrücke auf dem Biafua Gletscher im Karakorum- Gebirge zwischen Himalaja und Hindukusch. Der britische Botaniker und Bergsteiger Frank Smythe (1900–1949) berichtete 1937 über Fußspuren im Schnee, die er auf etwa 4.200 Meter Höhe im Bhyundar Valley in Garwhal (Indien) gesehen hatte. Diese Fußabdrücke waren mit 13 Zentimeter Länge und fünf Zentimeter Breite nicht besonders groß. Smythe rechnete die Fußabdrücke einem Bären zu. Der in Indien geborene britische Offizier Baron John Hunt (1910– 1998) fand 1937 Fußabdrücke auf dem Zemu Gap bei Menl- ung in Bengalen. Er leitete 1953 eine britische Expedition auf den Mount Everest.

Mancherlei Spekulationen, in denen „Schneemenschen“ eine Rolle spielten, rankten sich um verwüstete Steinhaufen auf dem Gipfel eines heiligen Berges über dem Mönchskloster Rongbuk in Tibet. Obwohl solche von Bergsteigern auf- geschichteten Steinhaufen für Einheimische tabu sind, fand man sie 1938 zerstört vor. Ein Teil der Steine, die man dort aufgetürmt hatte, war fortbewegt worden.

Ebenfalls 1938 entdeckte der britische Bergsteiger und Segler Harold William Bill Tilman (1898–1977) in etwa 5.800 Meter Höhe auf dem Zemu Gap bei Menlung in Bengalen rätselhafte Fußabdrücke. Über merkwürdige Schreie und fallende Felsen berichtete 1938 die erste amerikanische Expedition ins Karakorum-Gebirge zwischen Himalaja und dem Hindukusch. Prinz Peter von Griechenland erzählte 1939 eine Geschichte, die er in Sikkim gehört hatte. Eingeborene hätten beobachtet, wie sich ein „Yeti“ auf einen mit Gerstenbier gefüllten Trog gestürzt und sich mit diesem alkoholischen Getränk bis zur Bewusstlosigkeit berauscht habe. Man habe den betrunkenen

„Yeti“ gefesselt. doch dieser hätte nach dem Erwachen die Stricke zerrissen und sei geflohen. Gewährsmann dieser hei- teren Begebenheit soll Nyima, der Beauftragte des Ministers Kabschopa, gewesen sein.

Bereits Anfang der 1940-er Jahre beschrieb der deutsche Zoologe und Tibetforscher Ernst Schäfer (1910–1992)

[...]

Ende der Leseprobe aus 402 Seiten

Details

Titel
Affenmenschen. Von Bigfoot bis zum Yeti
Untertitel
Mit Zeichnungen von Shuhei Tamura
Autor
Jahr
2013
Seiten
402
Katalognummer
V215529
ISBN (eBook)
9783656439325
ISBN (Buch)
9783656439561
Dateigröße
31802 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Schlagworte
Affenmenschen, Bigfoot, Yeti, Alma, Chuchunaa, Yeren, Yowie, Nguoi Rung, De-Loys-Affe, Skunk Ape, Kryptozoologie, Shuhei Tamura, Ernst Probst. Orang Pendek
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2013, Affenmenschen. Von Bigfoot bis zum Yeti, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/215529

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Affenmenschen. Von Bigfoot bis zum Yeti



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden