Der Einfluss einer Fußball-Weltmeisterschaft auf die gleichzeitige Berichterstattung über das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon

Eine Inhaltsanalyse der "Bild" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von 1989 bis 2010


Diplomarbeit, 2011

146 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Forschungsidee
1.2 Relevanz und Forschungsstand
1.2.1 Gesellschaftliche Relevanz
1.2.2 Mediale Relevanz
1.2.3 Wissenschaftliche Relevanz
1.2.4 Forschungsstand

2 Nachrichtenselektion
2.1 Theorien der Nachrichtenselektion
2.1.1 Gatekeeping
2.1.2 News Bias
2.1.3 Framing
2.2 Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie
2.2.1 Walter Lippmann
2.2.2 Einar Östgaard
2.2.3 Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge
2.2.4 Winfried Schulz
2.2.5 Joachim Friedrich Staab
2.2.6 Karl Erik Rosengren
2.3 Die Gültigkeit der Nachrichtenfaktoren
2.4 Nachrichtenfaktoren in der Sportberichterstattung
2.4.1 Peter Becker
2.4.2 Josef Hackforth
2.4.3 Wiebke Loosen

3 Die Zeitungen
3.1 Boulevard- und Qualitätszeitungen
3.1.1 Die Boulevardzeitung Bild
3.1.2 Die Qualitätszeitung FAZ
3.2 Sport in der Tageszeitung
3.2.1 Geschichte
3.2.2 Besonderheiten und Kritik
3.2.3 Tendenzen

4 The All England Lawn Tennis Championships
4.1 Der Mythos „Wimbledon“
4.2 Vom Amateurturnier zum internationalen „Tennis-Mekka“

5 Untersuchungsdesign
5.1 Begriffsbestimmungen
5.1.1 Epochen des deutschen Tennissports
5.1.1.1 Blütezeit (1985 bis 1999)
5.1.1.2 Neuzeit (2000 bis 2010)
5.1.2 Jahrestypen in der Sportberichterstattung
5.1.2.1 WM-Jahre
5.1.2.2 Zwischenjahre
5.2 Forschungsleitende Fragen
5.3 Hypothesen
5.4 Kategoriensystem
5.4.1 Umfang
5.4.2 Aufmachung
5.4.3 Platzierung
5.4.4 Bebilderung
5.4.5 Themenüberlagerung
5.4.5.1 Fußballbezug
5.4.5.2 Fußballspezifische Sprache
5.4.6 Nachrichtenfaktoren
5.4.6.1 Zeitform
5.4.6.2 Personalisierung
5.4.6.3 Personalisierung/Hintergrund
5.4.6.4 Ethnozentrismus
5.4.6.5 Persönlicher Einfluss
5.4.6.6 Kontroverse
5.4.6.7 Überraschung
5.4.6.8 Erfolg/Misserfolg
5.4.6.9 Eindeutigkeit
5.4.6.10 Faktizität
5.5 Untersuchungsobjekte
5.6 Untersuchungszeitraum
5.7 Pretest
5.7.1 Stichprobe
5.7.2 Reliabilitätstest
5.8 Methodik der Inhaltsanalyse

6 Präsentation der Ergebnisse
6.1 Basisdaten
6.2 Formale Kategorien
6.2.1 Umfang der Berichterstattung
6.2.1.1 Artikelanzahl
6.2.1.2 Fläche der Berichterstattung
6.2.2 Aufmachung der Artikel
6.2.2.1 Größe der Überschrift
6.2.2.2 Optische Hervorhebungen
6.2.3 Platzierung der Artikel
6.2.4 Bebilderung der Artikel
6.3 Inhaltliche Kategorien
6.3.1 Überlagerung der Berichterstattung
6.3.1.1 Fußballbezug
6.3.1.2 Fußballspezifische Sprache
6.3.2 Nachrichtenfaktoren
6.4 Hypothesendiskussion

7 Zusammenfassung und theoretische Verortung

Anhang

Codebuch

Literaturverzeichnis

Abbildungs- und Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

Sommer 2010: Deutschland ist im Sieges-Taumel. Gerade hat die Fußball-Nationalmannschaft bei der WM in Südafrika fulminant mit 4:0 gegen Argentinien im Viertelfinale gewonnen – der zweite klare Sieg im Turnier, nachdem bereits England im Achtelfinale 4:1 geschlagen worden war. Nun, vor dem Halbfinale gegen Spanien, ist die Euphorie in den Medien deshalb beinahe überschäumend. „UNGLAUBLICH! 3. Juli 2010. Deutschland schlägt Argentinien mit Messi & Maradona 4:0. VIER zu NULL!“ (ohne Verfasser 2010d, S. 60f.) schreibt beispielsweise die „Bild am Sonntag“[1] vom 4. Juli. Die darauffolgende Montagsausgabe der „Bild“[2] berichtet auf insgesamt vier Seiten vom deutschen Triumph und liefert sogar ein eigenes Poster zum Spiel.

Mitten in all die Fußball-Begeisterung mischt sich eine kleine Nachricht aus dem Tennissport. Der unscheinbare Titel: „1,2 Mio Euro für Sieger Nadal“. Darin ist Folgendes zu lesen: „Der Sand-König kann’s auch auf Rasen. Der Spanier Rafael Nadal (24/Foto) gewann das Finale in Wimbledon 6:3, 7:5, 6:4 gegen Tomas Berdych (Tschechien), kassiert 1,2 Millionen Euro“ (ohne Verfasser 2010a, S. 15). Zusätzlich werden in der kurzen Meldung der Vollständigkeit halber noch schnell die Siegerin der Damen sowie die Gewinner des Doppelturniers (mit Philipp Petzschner übrigens ein Deutscher) genannt, mehr nicht.

Wimbledon… Ist das nicht dieses Tennisturnier in England? Das, bei dem die Zuschauer Erdbeeren mit Schlagsahne essen und die Spieler weiße Kleidung tragen müssen? Das traditionsreichste und wichtigste Grand-Slam-Turnier der Welt? Jener „heilige Rasen“, auf dem 1985 ein gewisser Boris Becker mit gerade einmal 17 Jahren gewann und in der Folge gemeinsam mit Steffi Graf einen Tennis-Boom in Deutschland auslöste? Doch, genau dieses Turnier in dem kleinen Londoner Vorort ist gemeint. Ist es da nicht etwas verwunderlich, dass dem Sieger 2010 gerade einmal zwei Sätze in der Zeitung gewidmet werden?

Natürlich ist die große Zeit des Tennissports in Deutschland längst vorbei. Becker und Graf sind nicht mehr aktiv, und ihre Nachfolger konnten bislang nicht an ihre Erfolge anknüpfen. Dennoch ist das Turnier in Wimbledon nach wie vor ein Ereignis, das in Deutschland viele Menschen interessiert und dem auch in den Medien entsprechende Beachtung geschenkt wird. Wenn jedoch eine Fußball-WM stattfindet, so scheint es, ist diese Beachtung auf einmal nicht mehr vorhanden. Zum Vergleich: Im Jahr 2009 schaffte es der Nachbericht über das Wimbledon-Finale in derselben Zeitung immerhin mit einem ungleich größeren Artikel bis auf die erste Seite des Sportteils (vgl. ohne Verfasser 2009, S. 13). Es hat also den Anschein, als würde die Berichterstattung über Fußball in WM-Jahren andere Sportthemen in den Zeitungen zurückdrängen.

Im Jahr 2010 passierte jedoch etwas Außergewöhnliches. Bereits in der ersten Runde des Turniers in Wimbledon erregte die Begegnung zweier bis dahin eher unbekannter Spieler die Aufmerksamkeit der Medien, und das Tennis trat für einen kurzen Moment aus dem Schatten der Fußball-Weltmeisterschaft. Der Amerikaner John Isner und der Franzose Nicolas Mahut lieferten sich das mit Abstand längste Tennisspiel der Geschichte. Ihr Duell dauerte unglaubliche elf Stunden und fünf Minuten reiner Spielzeit (vgl. AELTC 2011).

„Elf Stunden Tennis, das ist wie der verzweifelte Aufschrei eines kleinen Balles, der von dem großen Fußball erdrückt wird […]. Bumm! Bumm! Das Dröhnen muss auch in Afrika gehört werden, Bumm! Bumm! Hört uns denn keiner! Sieht uns denn keiner! Wir sind auch noch da! Am Ende stand es übrigens 6:4, 3:6, 6:7 (7:9), 7:6 (7:3), 70:68. Aber das nahm kaum einer wahr, weil der große Ball schon wieder rollte“ (Schümann 2010).

1.1 Forschungsidee

Die vorliegende Studie soll klären, ob der subjektive Eindruck, dass deutsche Tageszeitungen in WM-Jahren weniger über das Tennisturnier in Wimbledon berichten, auch objektiv messbar ist.

Wie groß sind die Unterschiede zwischen „WM-Jahren“ und „Zwischenjahren“[3] ? Verändert sich auch die Art und Weise der Berichterstattung, oder gibt es Verschiebungen der journalistischen Selektionskriterien bei der Auswahl von Nachrichten? Gibt es Unterschiede zwischen Boulevard- und Qualitätszeitungen, und wie war die Situation zu Zeiten von Boris Becker und Steffi Graf? Dies sind die Kernfragen der Studie.

Den Anstoß zu dieser Forschungsarbeit gab die beschriebene subjektive Beobachtung, dass die deutsche Bevölkerung während einer Weltmeisterschaft nur ein Thema interessiert: Fußball. Alles andere tritt in den Hintergrund. Auslöser für die Idee war dabei ein Artikel auf der Website der Bild. Dort war am 4. Juli 2010, also direkt nach dem Wimbledon-Erfolg von Rafael Nadal, folgender Text zu lesen:

„Nadal triumphiert in Wimbledon. Wetten, bei der Fußball-WM wird SO kein Spanier mehr jubeln! EINEN sportlichen Triumph gönnen wir unseren Freunden aus Spanien gerne. In Wimbledon hat Rafael Nadal (24) zum zweiten Mal nach 2008 die All England Championships gewonnen. Darüber darf er gerne jubeln, denn in der nächsten Woche werden die Spanier keinen Grund mehr haben, einen Sieg zu feiern“ (ohne Verfasser 2010c).

Mehr Fußball in einem Tennisartikel ist kaum möglich. Es schien, als würde der Fußball nicht nur die Wimbledon-Artikel aus den Zeitungen verdrängen, sondern sogar innerhalb der Tennis-Berichte überhand nehmen.

So entstand das Interesse an dieser Forschungsarbeit. Im Großen und Ganzen sollte untersucht werden, wie die Zeitungsberichterstattung über das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon von einer Fußball-Weltmeisterschaft beeinflusst wird.

1.2 Relevanz und Forschungsstand

Die Bedeutung der vorliegenden Forschungsarbeit erstreckt sich über drei Ebenen: Das Thema ist sowohl aus Sicht der Gesellschaft als auch aus Sicht der Medien und nicht zuletzt für die Wissenschaft von Interesse.

1.2.1 Gesellschaftliche Relevanz

Die Studie beschäftigt sich mit den „All England Championships“ in Wimbledon und der „FIFA Fußball-Weltmeisterschaft“ – zwei Turnieren, die weltweit zu den Großereignissen des Sports zählen.

Das Grand-Slam-Turnier im Londoner Stadtteil Wimbledon ist die traditionsreichste und prestigeträchtigste Tennisveranstaltung der Welt (vgl. Jendral 1985, S 17). Jährlich kommen hunderttausende Besucher nach England, um das Geschehen direkt in den Stadien zu verfolgen. Der bisherige Zuschauerrekord wurde nach Angaben des Veranstalters im Jahr 2009 erreicht und lag bei knapp über 500 000 Menschen während der zwei Wochen des Turniers (vgl. AELTC 2011). Im Fußball liegen die Besucherzahlen sogar noch weit darüber. Bei der WM 2006 in Deutschland beispielsweise kamen während des Turniers fast 3,5 Millionen Zuschauer in die Stadien. Pro Spiel waren das im Schnitt etwas mehr als 50 000 Menschen (vgl. FIFA 2011). Diese Zahlen verdeutlichen das große Interesse der Bevölkerung an den beiden Veranstaltungen.

Doch die Begeisterung für Tennis und Fußball beschränkt sich nicht nur auf das passive Zusehen bei Profi-Turnieren. In Deutschland gehören beide Sportarten zum Breitensport und werden von einem Großteil der Bevölkerung auch aktiv ausgeübt. Etwa 1,6 Millionen Vereinsspieler zählte der Deutsche Tennis Bund im Jahr 2011 und ist damit der mitgliederstärkste Tennisverband weltweit (vgl. DTB 2011b). Noch erheblich größer ist die Zahl bei den Fußballspielern im Verein. Laut Statistik des Deutschen Fußball Bundes gehörten dem Verband im Jahr 2011 über 6,7 Millionen Mitglieder an (vgl. DFB 2011). Daneben gibt es viele Hobbysportler, die in ihrer Freizeit regelmäßig Fußball oder Tennis spielen. Die Bedeutung der beiden Sportarten ist damit auch und gerade in Deutschland besonders hoch.

Die Wirtschaft macht sich den gesellschaftlichen Stellenwert des Sports schon seit längerem zunutze. Sie „entdeckte im Breitensportler einen Kunden mit individuellen Bedürfnissen. Für jede Sportart gibt es mittlerweile eine breite Palette an Zubehör und spezieller Kleidung“ (Wipper 2003, S. 2f.). Aufgrund des großen Breitensportsektors sind die beiden Sportarten Tennis und Fußball auch in kommerzieller Hinsicht für die Gesellschaft von Bedeutung.

Tennis und Fußball genießen in der deutschen Bevölkerung einen hohen Stellenwert. Das Thema der Studie ist daher für einen Großteil der Gesellschaft von Bedeutung.

1.2.2 Mediale Relevanz

Aufgrund der großen Begeisterung in der Bevölkerung werden die beiden Sportereignisse auch in den Medien stets umfangreich thematisiert. Am anschaulichsten lässt sich das an den Einschaltquoten der Fernsehübertragungen aufzeigen. 2010 verfolgten deutschlandweit
51,88 Millionen Menschen im Alter über drei Jahren die Begegnungen der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika live vor dem TV-Gerät. Bei der WM 2006 im eigenen Land waren es sogar insgesamt 61,48 Millionen Zuschauer (vgl. Gerhard et al. 2010, S. 382). Somit übertraf das gesellschaftliche Interesse an Fußball-Weltmeisterschaften in Deutschland zuletzt das an den Olympischen Sommerspielen. Diese kamen in den Jahren 2008 und 2004 zwar auf ähnlich hohe Zuschauerzahlen. Jedoch wurde mit 48,04 beziehungsweise 58,01 Millionen Fernsehzuschauern der Spitzenwert der Fußball-Weltmeisterschaft nicht erreicht (vgl. Zubayr et al. 2008, S. 496).

Ein anderes Bild zeigte sich in der jüngeren Vergangenheit bei den „All England Championships“ in Wimbledon. Das Finale der Herren im Jahr 2009 war einem Bericht der Online-Ausgabe des „Economist“ zufolge mit etwa 29 Millionen Zuschauern zwar weltweit auf Rang fünf der meistgesehenen TV-Sportsendungen in diesem Zeitraum (vgl. ohne Verfasser 2010b), in Deutschland waren die Werte allerdings enttäuschend. Das Wimbledon-Finale 2010 sahen in der Bundesrepublik rund 570 000 Menschen (vgl. Weis 2010). Ein solider Wert, und dennoch ist er weit entfernt von Spitzenergebnissen wie etwa bei Fußball-WM-Spielen, die teilweise 30 Millionen Deutsche und mehr vor die Bildschirme locken.

Aus einem anderen Blickwinkel betrachtet, erscheint die Wimbledon-Einschaltquote von 2010 wiederum bemerkenswert hoch. Dann nämlich, wenn man bedenkt, dass es derzeit keine deutschen Tennisspieler gab, die ernsthafte Titelambitionen hegen konnten. Gerade das ist es jedoch in der Regel, was das Interesse ausmacht. Nach Wernecken (vgl. 2000, S. 61) steigt und fällt der Stellenwert einer Sportart mit den nationalen Ergebnissen.

Was geschieht, wenn Deutschland Tenniserfolge zu feiern hat, war in den
90er Jahren des 20. Jahrhunderts zu sehen. Damals führten Boris Becker und Steffi Graf die Tenniselite der Welt an. Das bundesweite Medieninteresse zu dieser Zeit war enorm. Einem Artikel des Internetportals Quotenmeter.de über die größten Fernsehereignisse der Geschichte ist Folgendes zu entnehmen:

„Das finale Wimbledon-Match im Jahre 1985, mit dem alles anfing, sahen in Deutschland elf Millionen Zuschauer. Als Becker, Graf und Co. in der Tennis-Weltspitze etabliert waren, versammelten sich oft über 15 Millionen Menschen vor den Bildschirmen“ (Schlüter 2010).

Das seither gesunkene Tennisinteresse jedoch einzig und allein auf den Mangel an nationalen Erfolgen zurückzuführen, wäre nicht ausreichend. Vielmehr ist außerdem ein zweiter Aspekt von besonderer Bedeutung: Als Becker und Graf in Deutschland Ende der Achtziger Jahre einen „Tennisboom“ auslösten (vgl. Schaffrath 2005, S. 191ff.), nahm die Berichterstattung in den Medien so sehr zu, dass die Menschen mit der Sportart regelrecht „überfüttert“ wurden – auch als das öffentliche Interesse eigentlich schon wieder nachließ (vgl. Götting 1999, S. 21). Im Jahr 1993 war im deutschen Fernsehen sogar erstmals und bisher einmalig mehr Tennis als Fußball zu sehen (vgl. Schauerte 2002, S. 85). So zitierte der „Spiegel“ in seiner Ausgabe vom 31. August 1992 den damaligen ZDF-Sportchef Karl Senne: „Wir haben Tennis totgesendet“ (ohne Verfasser 1992, S. 188).

Aus diesen Gründen wendete sich das Publikum nach und nach vom Tennis ab. Mit dem parallel ablaufenden Rückgang der Erfolge geriet die Sportart schließlich bald zunehmend in den Hintergrund.

Alles in allem weisen sowohl die Fußball-Weltmeisterschaft als auch die Wimbledon Championships eine hohe mediale Relevanz auf. Allerdings muss beachtet werden, dass sich die Bedeutung des Tennisturniers in England vorrangig aus früheren Zeiten begründet und seitdem stark abgenommen hat.

1.2.3 Wissenschaftliche Relevanz

Was steht in der Zeitung? Diese Frage ist ein bedeutender Untersuchungsgegenstand der Medieninhaltsforschung, einer Teildisziplin der Kommunikationswissenschaft. Sie legt ihren Schwerpunkt auf die Analyse von Massenmedien wie zum Beispiel der Tageszeitung. In der Regel kommt dabei das Instrument der Inhaltsanalyse zur Anwendung, das sich auch in der vorliegenden Studie wiederfindet (vgl. Bonfadelli 2002, S. 14).

Laut Maurer und Reinemann hat die Medieninhaltsforschung im Wesentlichen zwei Ziele: Entweder sollen Aussagen über die Entstehungsbedingungen von Medieninhalten getroffen oder deren mögliche Wirkungen analysiert werden (vgl. 2006, S. 12). In dieser Arbeit geht es darum, wie die Inhalte von Tageszeitungen entstehen. Derartige Studien gewannen zuletzt immer mehr an Bedeutung. Maurer und Reinemann konstatieren:

„In den letzten 25 Jahren hat die Zahl der wissenschaftlichen Untersuchungen, die sich mit der Analyse von Medieninhalten beschäftigen, erheblich zugenommen. […] In den meisten kommunikationswissenschaftlichen Studiengängen bildet sie [die Inhaltsanalyse, Anm. des Autors] einen Schwerpunkt in der Methodenausbildung“ (vgl. 2006, S. 7).

Doch nicht nur die angewandte Methode, sondern vor allem das Thema der vorliegenden Studie ist aus Sicht der Wissenschaft von Bedeutung, da es bisher noch wenig erforscht wurde. Die Inhalte der Medien sind zwar bereits in zahlreichen wissenschaftlichen Arbeiten dokumentiert worden[4], doch der wechselseitige Einfluss verschiedener Themen aufeinander blieb dabei bislang weitgehend unbeachtet. Dem Autor sind trotz gründlicher Recherche jedenfalls keine derartigen Studien bekannt.

Ebenfalls neu ist die Untersuchung von Nachrichtenfaktoren in medialen Ausnahmesituationen, wie sie in dieser Arbeit anhand von Fußball-Weltmeisterschaften unternommen wurde[5]. Kunczik und Zipfel weisen darauf hin, dass eine solche Analyse bisher noch nicht stattgefunden habe, „obwohl hierbei offensichtlich nicht die selben Selektionskriterien gelten“ (2001, S. 259).

Aus den genannten Gründen ist die vorliegende Arbeit sowohl hinsichtlich des Forschungsgebiets, der verwendeten Methode als auch der behandelten Thematik wissenschaftlich relevant.

1.2.4 Forschungsstand

Lange nahm die Sportberichterstattung in der Forschung lediglich eine Nebenrolle ein. Sportjournalisten galten noch bis Ende der 70er Jahre als „Außenseiter der Redaktion“ (Görner 1995, S. 63) und wurden von der Kommunikationswissenschaft wenig beachtet. „Erst in den letzten zehn Jahren hat die Sportberichterstattung auch in der Kommunikationswissenschaft an Bedeutung gewonnen“, (Maurer 2006, S. 210). Maurer und Reinemann führen diesen Zuwachs seit 1996 einerseits auf das allgemein gestiegene Interesse der Kommunikationswissenschaft an unterhaltenden Medieninhalten zurück. Andererseits verweisen sie auf neue Studien, die der Sportberichterstattung unerwartet weitreichende Wirkungen attestieren (vgl. 2006, S. 210).

Christina Holtz-Bacha schreibt diesbezüglich von einem Zusammenhang zwischen dem Erfolg der Fußball-Nationalmannschaft und der politischen Stimmung im Land. Sportliches Abschneiden der deutschen Elf und die Berichterstattung darüber in den Medien könnten gar den Ausgang von Wahlen beeinflussen (vgl. Holtz-Bacha 2006, S. 5). Somit entwickelte sich aus der zunächst weitgehend unbeachteten Sportberichterstattung ein interessantes Forschungsfeld.

Die Verflechtung von Sport und Medien wurde bisher in zahlreichen Studien – teils auch schon vor der beschriebenen Interessenszunahme innerhalb der Forschung seit 1996 – umfassend analysiert. Harald Binnewies beispielsweise beschrieb in „Sport und Sportberichterstattung“ schon im Jahr 1974 die Aufbereitung des Sports in deutschen Tageszeitungen. Neuere Tendenzen schilderte im Jahr 2003 Herdin Wipper. Sie untersuchte in ihrer Dissertation „Sportpresse unter Druck“ die Veränderungen in den Tageszeitungen seit 1990, die infolge einer vermehrten Sportberichterstattung im Fernsehen auftraten. Einen anderen Aspekt beleuchtete Michael Schaffrath in seiner Studie „Spitzensport und Sportjournalismus“ von 2006. Er führte eine Befragung unter deutschen Spitzenathleten verschiedener Sportarten durch und analysierte so das Verhältnis von Sportlern und Journalisten. Den Versuch einer Zusammenfassung vielfältigster Erkenntnisse zur Beziehung von Sport und Massenmedien lieferten schließlich Jürgen Schwier und Thorsten Schauerte in ihrem 2008 veröffentlichten Werk „Soziologie des Mediensports“. Sie beschrieben darin, wie Sport und Medien gegenseitig aufeinander einwirken, und stellten sogar eine Verschmelzung des Sports mit den Medien fest, wenn es darum geht, Sportereignisse für das Publikum aufzubereiten.

Anlass für Untersuchungen der Sportberichterstattung sind oftmals Großereignisse wie eine Fußball-Weltmeisterschaft (so auch in der vorliegenden Arbeit) oder die Olympischen Sommer- und Winterspiele. Diese beiden Themen dominieren regelrecht die Forschung, wenn es um die Berichterstattung über Sport geht. Allein zur WM 2006 in Deutschland finden sich mehrere Printanalysen. Als Beispiele seien hier „Sommermärchen im Blätterwald. Die Fußball-WM 2006 im Spiegel der Presse“ (Schediwy 2008), „Die Fußball-Weltmeisterschaft 2006: Analysen zum Mediensport“ (Horky 2007) sowie „Hat die Fußball-WM 2006 den Stahlhelm verbannt? Das Deutschlandbild in der Sportberichterstattung britischer Tageszeitungen“ (Och 2008) genannt.

Die Berichterstattung über Fußball-Weltmeisterschaften ist also in der Wissenschaft bereits in zahlreichen Studien erforscht worden. Untersuchungen zum Thema Wimbledon aus medialer Sicht gibt es in Deutschland allerdings nach Kenntnis des Autors bisher keine. Für den englischsprachigen Raum gilt das hingegen nicht. Die Studie „Analysing the print media coverage of professional tennis players“ schildert zum Beispiel die Darstellung weiblicher Tennisspielerinnen während des Turniers in Wimbledon in den nationalen Zeitungen (Vincent 2007)[6]. In anderen Werken, wie in „Sport, Media and Society“, wird die allgemeine Darstellung der Wimbledon Championships in den Medien erörtert (Kennedy 2009).

Eine Untersuchung der Berichterstattung über Wimbledon in Zeiten einer Fußball-WM wurde jedoch bisher weder im deutsch- noch im englischsprachigen Raum unternommen. Auch der „All England Lawn Tennis Club“ (Veranstalter des Turniers in Wimbledon) gab auf Anfrage des Autors an, bisher keine derartigen Studien durchgeführt zu haben.

Diese Arbeit widmet sich somit einer noch unerforschten Thematik in der Sportberichterstattung. Der Einfluss einer Fußball-WM auf die Berichterstattung über Wimbledon wurde bis jetzt in keiner anderen Arbeit untersucht.

2 Nachrichtenselektion

Die Untersuchung des Einflusses von Fußball-Weltmeisterschaften auf die Berichterstattung über Wimbledon ist im Kern eine Frage nach der Auswahl von Nachrichten: Was bewegt Journalisten dazu, mehr oder auch weniger über ein bestimmtes Ereignis zu berichten? Deshalb ist es zum Verständnis der Studie notwendig zu wissen, wie die Nachrichtenselektion im Detail abläuft und von welchen Faktoren sie abhängig ist.

Tag für Tag laufen in den Redaktionen von Tageszeitungen und anderen Medien unzählige Agenturmeldungen aus aller Welt ein, doch nur ein Bruchteil davon wird auch publiziert. Der Rest bleibt der Öffentlichkeit verborgen. Der Produktion von Nachrichten liegt also ein Auswahlprozess zugrunde, sodass nur bestimmte Ereignisse zu den Rezipienten gelangen. Andere wiederum werden aussortiert (vgl. Kunczik 2001, S. 241).

Die norwegischen Friedensforscher Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge fanden dafür eine ebenso anschauliche wie plausible Metapher: Sie verglichen die Selektion von Nachrichten mit der Rezeptionssituation vor einem Radiogerät (vgl. 1965, S. 64). Fasst man demnach das Gesamtprogramm im Radio als Weltgeschehen auf, so ist ein gleichzeitiges Wahrnehmen aller Sendeinhalte nicht möglich. Dreht man den Senderknopf zu schnell hin und her, hört man nur ein Rauschen. Erst wenn man eine Station genau einstellt und längere Zeit zuhört, ergibt das Programm einen Sinn. Das ist nach Einschätzung der beiden Autoren im Wesentlichen dasselbe wie das, was bei der Selektion von Nachrichten durch Journalisten geschieht.

Interessant ist nun die Frage, welche Faktoren bei diesem schnellen Hin- und Herschalten dazu führen, dass ein bestimmter Sender wahrgenommen und schließlich ausgewählt wird. Verlässt man das Bild des Radiogeräts, geht es also konkret darum, was Journalisten dazu veranlasst, ein Ereignis für eine Veröffentlichung als Nachricht auszuwählen. Dazu gibt es verschiedene theoretische Ansätze.

2.1 Theorien der Nachrichtenselektion

Die Entscheidung darüber, was publiziert wird und was nicht, ist eine zentrale Aufgabe der Medien (vgl. Kunczik 2001, S. 241). Nach welchen Kriterien diese Auswahl stattfindet und welche Einflussfaktoren dabei eine Rolle spielen, ist ein Gegenstand der Nachrichtenforschung.

Derzeit gibt es auf diesem Gebiet vier theoretische Modelle (vgl. Ruhrmann 2005, S. 317), die zwar prinzipiell verschiedene Standpunkte vertreten, sich aber nach Staab dennoch nicht komplett gegenseitig ausschließen, sondern zumindest teilweise ergänzen (vgl. 1990, S. 202). Drei davon – das „Gatekeeping“, die „News-Bias“-Forschung und das „Framing“-Konzept – sind jeweils kommunikatorzentrierte Ansätze (vgl. Weischenberg 1995, S. 173). Das bedeutet, dass sie bei der Suche nach Einflussfaktoren auf die Nachrichtenauswahl den Journalisten mit seinen individuellen Eigenschaften und seinem gesellschaftlichen Umfeld in den Mittelpunkt stellen.

Die Nachrichtenwert-Theorie als viertes Konzept setzt im Gegensatz dazu „bei den Medieninhalten an, von denen auf die Selektionskriterien der Journalisten geschlossen wird“ (Kunczik 2001, S. 245). Das wird auch in der vorliegenden Arbeit versucht. Da lediglich eine Inhaltsanalyse und keine weitere empirische Methode (zum Beispiel eine Befragung von Journalisten) durchgeführt wurde, können keine direkten Aussagen über Kommunikatoren getroffen werden. Das Ermitteln kausaler Zusammenhänge ist also nicht möglich (vgl. Früh 2007,
S. 45).

Aus den genannten Gründen soll das Konzept der Nachrichtenwert-Theorie später ausführlich dargestellt werden, während die übrigen Ansätze in den nun folgenden Kapiteln lediglich in ihren Kernaussagen beschrieben werden.

2.1.1 Gatekeeping

Die „Gatekeeper“-Forschung betrachtet den einzelnen Journalisten als „Schleusenwärter“ oder „Torhüter“ im Kommunikationsprozess. „Die ‚Pförtner‘ entscheiden, welche Ereignisse zu öffentlichen Ereignissen werden und welche nicht“ (Kunczik 2001, S. 242) und werden dabei von mehreren Faktoren beeinflusst.

Schulz fasst diese wie folgt zusammen:

- Die Nachrichtenselektion ist teilweise abhängig von subjektiven Erfahrungen, Einstellungen und Erwartungen des Journalisten.
- Sie wird bestimmt durch organisatorische und technische Zwänge von Redaktion und Verlag (zum Beispiel Zeitdruck, verfügbarer Platz).
- Die Auswahl orientiert sich oft an der Bezugsgruppe der Kollegen und Vorgesetzten; die Vorstellungen von den Bedürfnissen des Publikums sind eher diffus und unzutreffend.
- Die redaktionelle Linie ist ein wichtiges Selektionskriterium.
- Die Berichterstattung wird weitgehend vom Agenturmaterial vorgeformt, dem gegenüber sich die Redakteure meist passiv verhalten (vgl. Schulz 1990, S. 11f.).

Die Gatekeeper-Forschung beschäftigt sich im Unterschied zu den anderen hier vorgestellten Konzepten ausschließlich mit der Frage, ob eine Nachricht von den „Schleusenwärtern“ durchgelassen oder zurückgehalten wird. Die unterschiedliche Gewichtung von Nachrichten sowie der Inhalt der Berichterstattung bleiben dabei unberücksichtigt. „In den Untersuchungen zur Nachrichtenwert-Theorie dagegen stehen die inhaltlichen Aspekte im Mittelpunkt“ (Kunczik 2001, S. 245).

Das Gatekeeping-Konzept ist somit als eine Kritik der Mediendynamik zu verstehen. Einige wenige (die Journalisten) kommunizieren an viele (das Publikum) das, was sie für die berichtenswerte Wirklichkeit halten. Hierbei kommt es aufgrund vielfältiger Einflüsse auf den Journalisten bei seiner Nachrichtenselektion zu nicht unerheblichen Verzerrungen.

2.1.2 News Bias

Die „News-Bias“-Forschung hat ihre Wurzeln in den 30er und 40er Jahren des zwanzigsten Jahrhunderts in den Vereinigten Staaten von Amerika. Dieser Ansatz spricht den Journalisten bei ihrer Nachrichtenselektion im Unterschied zum Gatekeeping-Konzept eine absichtlich aktive Rolle zu (vgl. Kunczik 2001, S. 266).

Es wird versucht, „Unausgewogenheiten, Einseitigkeiten und politische Tendenzen in der Medienberichterstattung zu messen sowie Aufschluß [sic!] über deren Ursachen zu erlangen“ (Staab 1990, S. 27). Man geht davon aus, dass der einzelne Journalist aufgrund von persönlichen Vorlieben oder Abneigungen Nachrichten subjektiv selektiert und dadurch Verzerrungseffekte in den Medien verursacht. Hierbei geht es also um den Zusammenhang zwischen den persönlichen Einstellungen von Redakteuren und ihrer Nachrichtenauswahl.

2.1.3 Framing

Das „Framing“-Konzept stellt das neueste der hier vorgestellten Forschungsbereiche zur Auswahl von Nachrichten dar und ist deshalb noch nicht hinreichend empirisch überprüft (vgl. Kunczik 2001, S. 271). Damit lassen sich sowohl die Stabilität als auch Veränderungen des Nachrichtenbildes in den Medien erklären.

Um die Idee des Konzepts zu verstehen, ist es zunächst wichtig, den Begriff „Frame“ näher zu klären. Einen solchen kann man als

„Interpretationsrahmen, als kognitive Strukturen im Bewusstsein der Journalisten betrachten, die die Selektion und Verarbeitung von Informationen erleichtern. Frühere Erfahrungen werden gespeichert und als Rahmen benutzt, durch den spätere Erfahrungen interpretiert werden“ (Kunczik 2001, S. 271f.).

Das führt dazu, dass bei der Selektion von Nachrichten bestimmte Ereignisse bevorzugt, andere wiederum heruntergespielt oder gar nicht wahrgenommen werden. Man nimmt an, dass diese journalistischen Bezugsrahmen über eine bestimmte Zeit hinweg relativ stabil sind. „Allerdings kann ein Frame anlässlich von Schlüsselereignissen modifiziert oder durch einen ganz neuen Bezugsrahmen abgelöst werden“ (Ruhrmann 2005, S. 318).

Durch „Framing“ nehmen Journalisten also bestimmte Aspekte der Realität verstärkt wahr, während andere Gesichtspunkte abgeschwächt oder sogar ganz ignoriert werden. So kommt es beispielsweise dazu, dass im Anschluss an ein schweres Unglück vermehrt über ähnliche Unglücke geringeren Ausmaßes berichtet wird, die ohne ihren Vorgänger nicht in den Medien thematisiert würden (vgl. Kunczik 2001, S. 274).

Nach Brosius und Eps gibt es vier Stellen, an denen „Frames“ in den Prozess der Nachrichtenauswahl eingreifen. Sie bestimmen

- welche Geschehnisse ein Journalist als Ereignis begreift,
- welche Aspekte eines Ereignisses für die Berichterstattung ausgewählt werden,
- in welchen thematischen Kontext ein Ereignis gestellt wird und
- wie der Nachrichtenwert eines Ereignisses bestimmt wird (vgl. Brosius 1995, S. 169).

Der „Framing“-Ansatz stellt nach Ruhrmann eine Verbindung zwischen Theorien der Nachrichtenauswahl und der Wirkung von Nachrichten dar. Auch auf Seite der Rezipienten werden bestehende Interpretationsrahmen verwendet (vgl. 2005, S. 318).

2.2 Entwicklung der Nachrichtenwert-Theorie

Wie bereits beschrieben, beschäftigen sich Forschungen im Bereich der Nachrichtenwert-Theorie damit, gemeinsame Merkmale von solchen Ereignissen zu finden, die in den Medien publiziert wurden. Diese sogenannten „Nachrichtenfaktoren“ werden dabei als Ursache dafür angesehen, warum Journalisten bestimmte Ereignisse zur Veröffentlichung auswählen und andere nicht. Nach Ruhrmann beobachten und beschreiben Journalisten die Wirklichkeit, „indem sie bestimmte Merkmale oder Kriterien definieren, die ein Ereignis aufweisen muss, um zur Nachricht zu werden“ (1994, S. 238). Die Annahme ist, dass ein Ereignis umso wahrscheinlicher zur Nachricht wird, je mehr solcher Faktoren es beinhaltet und je stärker diese ausgeprägt sind. Man spricht dabei vom „Nachrichtenwert“, der von den Nachrichtenfaktoren abhängt (vgl. Beck 2010, S. 174).

Bei der Nachrichtenwert-Theorie werden Ereignisse als „genuin“ angesehen, also als eigenständige „Vorfälle, die unabhängig von der Berichterstattung der Massenmedien geschehen“ (Kepplinger 1992, S. 52)[7]. Dem Journalisten wird nach dieser Auffassung die Rolle eines weitgehend passiven Vermittlers innerhalb des Selektionsprozesses zuteil. Er ist darum bemüht, die Realität möglichst wahrheitsgetreu darzustellen und orientiert sich dazu an objektiven Kriterien – den Nachrichtenfaktoren (vgl. Staab 1990, S. 94).

Die absichtliche oder unabsichtliche Einflussnahme von Journalisten und anderen Personen oder auch Institutionen auf den Entstehungsprozess von Nachrichten bleibt in der Theorie dagegen unberücksichtigt. Die eben präsentierte Vorstellung des journalistischen Selektionsprozesses wird gemeinhin auch als Kausalmodell bezeichnet und lässt sich in Anlehnung an Kepplinger folgendermaßen visualisieren:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung1: Kausalmodell der Nachrichtenselektion (Quelle: vgl. Kepplinger 1992, S. 47f.)

Kepplinger beschreibt in seinem Selektionsmodell Ereignisse als Ursache, die Auswahlentscheidungen von Kommunikatoren (Journalisten) auf der Grundlage der Nachrichtenfaktoren als Variablen und die Publikation im Sinne der Berichterstattung als Resultat des Selektionsprozesses (vgl. 1992, S. 47f.).

In der Nachrichtenwert-Theorie wird aus der Variable „Kommunikator“ jedoch quasi eine Konstante. Schließlich wird impliziert, dass Journalisten bei ihrer Nachrichtenselektion in mehr oder weniger konsistenter Weise auf objektiv wahrzunehmende Nachrichtenfaktoren reagieren. Der (zweifelsohne vorhandene) Einfluss des Individuums wird hier außer Acht gelassen.

2.2.1 Walter Lippmann

Der Ursprung des Konzepts der Nachrichtenwert-Theorie geht auf den amerikanischen Medienkritiker Walter Lippmann zurück. Er erkannte bereits im Jahr 1922, dass die Medien unmöglich die komplexe Realität als Ganzes angemessen beschreiben können. Stattdessen müssten sie versuchen, ein vereinfachtes Modell der Wirklichkeit wiederzugeben.

„Jede Meldung erfordert ein rasches, aber komplexes Urteil. […]. Ohne Standardisierung, ohne Stereotypen, ohne Routineurteile, ohne eine ziemlich rücksichtslose Vernachlässigung der Feinheiten stürbe der Redakteur bald an Aufregungen“ (Lippmann 1964, S. 240).

Das bedeutet nichts anderes, als dass die systematische Auswahl von Nachrichten im Journalismus unbedingt notwendig ist.

In diesem Zusammenhang fragte Lippmann unter anderem nach den Kriterien der journalistischen Selektion und verwendete dabei in seinem Kapitel „The Pictures in our Heads“ auch erstmals den Begriff des „News value“. Darin beschreibt er die bei Journalisten verbreiteten Vorstellungen vom Interesse des Publikums. Für den Wert einer Nachricht formulierte er insgesamt sechs Merkmale, die Kunczik und Zipfel zusammenfassen:

- Ungewöhnlichkeit des Geschehens
- Bezug zu bereits eingeführten Themen
- Zeitliche Begrenzung
- Einfachheit
- Konsequenzen (Relevanz, Schaden, Nutzen)
- Beteiligung bekannter Personen
- Entfernung vom Ereignisort zum Verbreitungsgebiet des Mediums (vgl. Kunczik 2001, S. 246)

Lippmann ging davon aus, dass Journalisten anhand dieser Merkmale Nachrichten auswählten, um damit eine möglichst große Aufmerksamkeit beim Publikum zu erreichen.

Eine derartige Motivation gilt allerdings nur für Medienorganisationen westlicher Staaten, in denen das Publikumsinteresse die Geschäftsgrundlage ist und damit auch die Selektion von Nachrichten bestimmt.

„In den Ländern der sogenannten Dritten Welt wird die Nachrichtenauswahl durch Ziele nationaler Entwicklung und gesellschaftlicher Erziehung mitbestimmt; und in sozialistischen Ländern gibt (oder: gab) es für das, was interessant ist, Vorgaben des Marxismus-Leninismus“ (Weischenberg 1995, S. 155).

Walter Lippmann gilt als Pionier der Nachrichtenwert-Forschung. Er war der erste, der den Begriff „News value“ verwendete und formulierte zugleich auch eine erste Variante der Nachrichtenfaktoren.

2.2.2 Einar Östgaard

In Europa wurde die Nachrichtenwert-Theorie erst Mitte der 60er Jahre des
20. Jahrhunderts zum Forschungsgegenstand. Der Wissenschaftler Einar Östgaard aus Norwegen beschäftigte sich 1965 in seinem Aufsatz „Factors Influencing the Flow of News“ mit den Gründen sowie mit den Auswirkungen von Verzerrungen im internationalen Nachrichtenfluss.

In seinem Aufsatz beschreibt Östgaard (abseits von der Nachrichtenwert-Theorie) zunächst die verschiedenen Stationen im Nachrichtenfluss, die einen Einfluss auf die Selektion und damit auf das Bild in den Medien haben. Der Bericht über ein Ereignis gelangt demzufolge von der Quelle der Nachricht (dem Ereignisort) über verschiedene Übertragungswege (zum Beispiel durch Bearbeitung von Nachrichtenagenturen oder PR-Abteilungen) zu den Medien und wird schließlich veröffentlicht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung2: Stationen im Nachrichtenfluss (Quelle: vgl. Östgaard 1965, S. 40-45)

Im weiteren Verlauf des Aufsatzes geht Östgaard explizit auf die Faktoren von Ereignissen ein, die eine Veröffentlichung in den Medien begünstigen. Ebenso wie Lippmann nimmt er an, dass sich die Auswahl von Nachrichten ausschließlich am Publikum orientiere: „It is clear that the public´s interest in and quest for information (as well as for entertainment) can easily be seen as the sine qua non of all the news media“ (1965, S. 46). Ereignisse müssen in diesem Sinne für das Publikum interessant und „schmackhaft“ sein, um zur Nachricht zu werden (vgl. Östgaard 1965, S. 45).

Der Forscher behauptete, dass die Zeitungsberichterstattung vor allem von vier Faktoren geprägt sei:

- Vereinfachung: Einfache Sachverhalte werden bevorzugt ausgewählt, während komplexe Themen oftmals unberücksichtigt bleiben.
- Identifikation: Zeitungen schreiben bevorzugt über Ereignisse, die aus dem engeren kulturellen oder geografischen Umfeld stammen oder an denen bekannte Personen beteiligt sind.
- Sensationalismus: Unser Nachrichtenbild in der Zeitung ist geprägt von Sensationen in Form von Unglücken, Konflikten und Klatsch. Eine Nachricht muss ausreichend aufregend sein, damit sie veröffentlicht wird.
- Nachrichtenschwelle: Wurde ein Ereignis einmal zur Nachricht, wird oftmals auch im Anschluss weiter darüber berichtet, obwohl keine neuen Veränderungen eine Veröffentlichung rechtfertigen (vgl. Östgaard 1965, S. 45-51).

Außerdem vermutete er, dass die genannten Faktoren nicht nur die Auswahl, sondern auch die Darstellung der Nachrichten in der Zeitung beeinflussen.

Neben diesen vier Kernhypothesen formulierte Östgaard noch drei weitere Behauptungen, die er selbst „Vorschläge für Hypothesen“ nennt, da sie noch weniger als die übrigen, wirklichen Hypothesen überprüft seien:

- Die Nachrichtenmedien tendieren dazu, den Status quo zu verfestigen und die Bedeutung individueller Handlungen großer Machthaber zu übertreiben
- Die Nachrichtenmedien stellen die Welt tendenziell konfliktgeladener dar, als sie es wirklich ist. Sie betonen eher den Einsatz von Gewalt als friedlichere Mittel zur Lösung solcher Konflikte, und sie vermitteln weniger direkt auch den Eindruck, dass Konflikte leichter durch die Vorbereitung auf den Einsatz von Gewalt vermieden werden können als durch eine Verringerung der Spannungen durch undramatische Mittel
- Die Nachrichtenmedien tendieren dazu, die Aufteilung der Welt in Länder mit hohem Status und Länder mit niedrigem Status zu verfestigen oder zumindest aufrechtzuerhalten (vgl. Östgaard 1965, S. 55).

Östgaard stellte in seinem Aufsatz also fest, dass die Nachrichten in Tageszeitungen ein verzerrtes Bild von der Wirklichkeit geben. Die Darstellung in den Medien und das wirkliche Geschehen stimmten nach seiner Auffassung nicht überein.

2.2.3 Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge

Die norwegischen Friedensforscher Galtung und Ruge griffen den Ansatz ihres Landsmannes Östgaard noch im selben Jahr auf und führten seine Gedanken in ihrer Studie „The Structure of Foreign News“ weiter.

Sie fassten den Nachrichtenfluss schematisch als Kette nacheinander ablaufender Prozesse auf:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung3: Kette der Nachrichtenkommunikation (Quelle: vgl. Galtung 1965, S. 65)

Demzufolge geschieht ein Ereignis in der Realität, wird von den Medien wahrgenommen und gelangt über die Veröffentlichung der Nachricht zum Rezipienten[8].

Die Forscher interessierten sich in ihrer Studie nur für den ersten Teil dieser Kette (vom Ereignis in der Wirklichkeit bis zum Bild in den Medien). „How do events become news?“ (Galtung 1965, S. 65), lautete ihre zentrale Forschungsfrage. Galtung und Ruge ermittelten zu ihrer Klärung axiomatisch zwölf Merkmale, die sie als „Nachrichtenfaktoren“ von Ereignissen bezeichneten. Diese waren nach Auffassung der Wissenschaftler für den Nachrichtenwert eines Geschehens ausschlaggebend (vgl. Galtung 1965, S. 70).

Ihre Liste unterteilten die beiden Forscher noch einmal in zwei Dimensionen. Die ersten acht Faktoren bezeichneten sie als „kulturunabhängig“ oder „anthropologisch“ (also für die Mediensysteme aller Nationen gültig), die letzten vier im Gegensatz dazu als „kulturabhängig“. Kunczik und Zipfel übersetzen die Nachrichtenfaktoren wie folgt ins Deutsche:

Tabelle1: Nachrichtenfaktoren nach Galtung und Ruge

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Kunczik 2001, S. 248

Als Kennzeichen für die Nachrichtenauswahl von Medien westlicher Nationen charakterisierten Galtung und Ruge zusätzlich die Negativität in der Berichterstattung, ganz im Sinne des weit verbreiteten journalistischen Leitsatzes „Only bad news is good news“.

Zur Beschreibung ihrer Nachrichtenfaktoren formulierten Galtung und Ruge zusätzlich fünf Hypothesen:

1. Selektivitätshypothese: Je mehr ein Ereignis den Nachrichtenfaktoren entspricht, desto wahrscheinlicher wird es zur Nachricht.
2. Verzerrungshypothese: Ist ein Ereignis einmal ausgewählt, wird das, was es berichtenswert macht (also die Nachrichtenfaktoren), akzentuiert.
3. Replikationshypothese: Sowohl der Prozess der Selektivität als auch der Prozess der Verzerrung findet auf allen Stufen des Nachrichtenflusses (von der ersten Beobachtung bis zur Veröffentlichung) statt. Die Autoren schreiben in ihrer Studie: „The journalist scans the phenomena […] and selects and distorts, and so does the reader when he gets the finished product, the news pages, and so do all the middle-men“ (Galtung 1965, S. 71). Die Selektion und Verzerrung einer Nachricht ist demzufolge umso stärker, je mehr Personen am Kommunikationsprozess beteiligt sind.
4. Additivitäts-Hypothese: Je mehr Nachrichtenfaktoren ein Ereignis aufweist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zur Nachricht wird und sogar Schlagzeilen verursacht. Galtung und Ruge vertreten dabei eine sehr mathematische Auffassung vom Wert einer Nachricht. Man könnte die Additivitäts-Hypothese demnach auch so beschreiben: Der Nachrichtenwert eines Ereignisses ist die Summe der Nachrichtenfaktoren, die darauf zutreffen. Als Ergebnis würde man dann den Wert der Nachricht auf einer Skala zwischen null (kein Faktor ist enthalten) und zwölf (alle Faktoren sind enthalten) einordnen. Für Galtung und Ruge stellen Nachrichtenfaktoren jedoch keine absoluten, sondern vielmehr kontinuierliche Größen dar, die unterschiedlich stark ausgeprägt sein können. Das wird in der Komplementaritäts-Hypothese deutlich.
5. Komplementaritäts-Hypothese: Verfügt ein Ereignis bei einem Nachrichtenfaktor nur über eine geringe Intensität, so muss es andere Merkmale umso stärker aufweisen, um zur Nachricht zu werden. Der Nachrichtenwert eines Ereignisses bemisst sich also zusätzlich zur Summe seiner Nachrichtenfaktoren auch nach deren unterschiedlich starker Ausprägung (vgl. Galtung 1965, S. 71f.).

Zur Überprüfung ihrer ausführlichen Theorie untersuchten Galtung und Ruge die Berichterstattung über die Kongo-, die Kuba- und die Zypern-Krise in vier norwegischen Tageszeitungen. Sie überprüften ihre Komplementaritäts-Hypothese in Bezug auf die Nachrichtenfaktoren Bedeutsamkeit, Bezug zu Elite-Nationen, Bezug zu Elite-Personen und Negativismus. Ihre Hypothesen lauteten:

1. Je entfernter eine Nation ist, umso größer ist die Tendenz, über die Handlungen der Elite zu berichten.
2. Je niedriger der soziale Status einer Person, desto negativer ist das Ereignis.
3. Je entfernter eine Nation ist, umso negativer ist das Ereignis.
4. Je entfernter der Schauplatz in kultureller Hinsicht ist, desto bedeutsamer muss das Ereignis erscheinen (vgl. Galtung 1965, S. 71).

Während in der Studie die Hypothesen eins, zwei und vier bestätigt werden konnten, ließ sich die dritte Hypothese nicht befürworten. Die Forscher weisen allerdings ausdrücklich darauf hin, dass sie auch nicht eindeutig widerlegt worden sei.

Johan Galtung und Mari Holmboe Ruge stellten in ihrer Arbeit ein sehr umfangreiches theoretisches Konzept vor, das vor allem aufgrund seiner Plausibilität die weitere Forschung auf diesem Gebiet grundlegend beeinflusste und antrieb. Der empirische Ertrag ihrer Untersuchung war jedoch eher gering (vgl. Kunczik 2001, S. 249).

2.2.4 Winfried Schulz

Im Jahr 1975 erweiterte der deutsche Kommunikationswissenschaftler Winfried Schulz das Modell von Galtung und Ruge dahingehend, dass er den Nachrichtenwert detaillierter bestimmte. Als Indikatoren zog er dafür in seiner ein Jahr später veröffentlichten Studie „Die Konstruktion von Realität in den Nachrichtenmedien“ nicht nur die Tatsache heran, dass ein Ereignis publiziert wurde, sondern auch die Art und Weise seiner Aufbereitung in der Zeitung. Konkret ermittelte er dazu den Umfang, die Aufmachung und die Platzierung von Meldungen. Außerdem bestimmte er nicht nur die Existenz, sondern auch die Intensität von Nachrichtenfaktoren anhand einer vierstufigen Skala (vgl. Schulz 1976).

Ging es in den bisher vorgestellten Studien lediglich um die internationale Politikberichterstattung, so erweiterte Schulz das Forschungsfeld auf die nationale Ebene und bezog nicht-politische Themen in die Untersuchung mit ein. Im Zuge dessen ergänzte er den Katalog von Galtung und Ruge und machte die einzelnen Merkmale operationalisierbar. Insgesamt unterschied er folgende 18 Nachrichtenfaktoren die er in sechs Dimensionen unterteilte:

Tabelle2: Nachrichtenfaktoren nach Schulz

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: vgl. Schulz 1976, S. 32ff.

Schulz analysierte in seiner Studie die Nachrichtenbeiträge aus unterschiedlichen Medien sowie zusätzlich aus einer Nachrichtenagentur. Im Einzelnen wurden

- der Basisdienst der „Deutschen Presse-Agentur“[9],
- die Fernsehprogramme der ARD und des ZDF,
- je ein Hörfunkprogramm aller Landesrundfunkanstalten und der „Deutschlandfunk“
- sowie zehn Tageszeitungen unterschiedlichen Typs untersucht[10].

Schulz konstatierte als Ergebnis seiner Studie, dass Nachrichtenfaktoren im Allgemeinen die Selektionsentscheidungen von Journalisten stark beeinflussen. Er konnte seine Vermutung bestätigen, dass

„nicht alle Faktoren in gleicher Intensität wirksam sind (wie es die Additivitäts- und Komplementaritäts-Hypothese von Galtung/Ruge implizieren), sondern daß [sic!] es Rangabstufungen und Differenzierungen gibt: einige Faktoren werden den Nachrichtenwert von Ereignissen stärker bestimmen, andere weniger stark“ (Schulz 1976, S. 95).

Als wichtigste Determinanten für den Wert von Nachrichten stellten sich die Faktoren Struktur(hoher Komplexitätsgrad), Thematisierung, Persönlicher Einfluss, Ethnozentrismus, Konflikt, Schaden und Erfolg heraus.

[...]


[1] Im Folgenden mit „BamS“ (ohne Anführungszeichen) abgekürzt

[2] Im Folgenden ohne Anführungszeichen geschrieben

[3] Siehe zu den beiden Jahrestypen Kapitel 5.1.2

[4] Siehe hierzu Kapitel 1.2.4

[5] Siehe hierzu Kapitel 2.2

[6] Die Studie aus England lag dem Autor lediglich auszugsweise als Abstract aus dem Internet vor.

[7] Neben den genuinen Ereignissen existieren noch zwei weitere Arten: „Inszenierte Ereignisse sind Vorfälle, die eigens zum Zwecke der Berichterstattung herbeigeführt werden (Pseudo-Ereignisse). Beispiele liefern die verschiedenen Formen von Pressekonferenzen. Mediatisierte Ereignisse sind Vorfälle, die zwar (vermutlich) auch ohne die zu erwartende Berichterstattung geschehen wären, aufgrund der erwarteten Berichterstattung aber einen spezifischen, mediengerechten Charakter erhalten, wie Parteitage, Produktvorstellungen, Olympiaden, Buchmessen usf.“ (Kepplinger 1992, S. 52).

[8] Innerhalb dieser Kette kommt es laut Galtung und Ruge an zwei Stellen zu Verzerrungen aufgrund von Selektion: Sowohl bei der Wahrnehmung der Ereignisse durch die Medien als auch bei der Wahrnehmung des Medienbildes durch die Rezipienten seien subjektive Einflüsse vorhanden (vgl. Galtung 1965, S. 65). Das Medienbild unterscheidet sich also vom originären Ereignis und das Rezipientenbild ist noch einmal ein anderes. Es findet somit eine Verzerrung auf zwei Ebenen statt: einmal bei den Journalisten und einmal bei den Rezipienten.

[9] Im Folgenden mit „DPA“ (ohne Anführungszeichen) abgekürzt

[10] Bei der Präsentation seiner Ergebnisse ging Schulz nicht auf alle untersuchten Medien ein. Er begründet das damit, dass „die Gesamtheit aller ermittelten Befunde einfach zu umfangreich ist, um in einer lesbaren Form dargestellt zu werden“ (Schulz 1976, S. 46). Deshalb beschränkte er sich auf zehn ausgewählte Medien (Fernsehen: ARD und ZDF; Hörfunk: Bayerischer Rundfunk, Hessischer Rundfunk und Westdeutscher Rundfunk; Tageszeitungen: FAZ, Westdeutsche Allgemeine, Braunschweiger Zeitung, Kissinger Saale-Zeitung und Bild-Zeitung) und führte zusätzlich einen Vergleich mit der DPA durch.

Ende der Leseprobe aus 146 Seiten

Details

Titel
Der Einfluss einer Fußball-Weltmeisterschaft auf die gleichzeitige Berichterstattung über das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon
Untertitel
Eine Inhaltsanalyse der "Bild" und der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" von 1989 bis 2010
Hochschule
Technische Universität München  (Lehrstuhl für Sport, Medien und Kommunikation)
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
146
Katalognummer
V231893
ISBN (eBook)
9783656477235
ISBN (Buch)
9783656477280
Dateigröße
1150 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wimbledon, Berichterstattung, Zeitungsanalyse, Sport, Fußball, Weltmeisterschaft, WM, Selektion, Steffi Graf, Boris Becker, Boulevardzeitung, Qualitätszeitung
Arbeit zitieren
Andreas Hackel (Autor:in), 2011, Der Einfluss einer Fußball-Weltmeisterschaft auf die gleichzeitige Berichterstattung über das Grand-Slam-Tennisturnier in Wimbledon, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/231893

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