Ein Überwachungssystem polarisiert. Nachdenken über den Sinn und Nutzen von CCTV in Großbritannien


Seminararbeit, 2012

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Die Entwicklung von CCTV in Großbritannien
2.1 Der Weg zur „weltweit führenden Überwachungsgesellschaft“
2.2 Der Ruf nach mehr Sicherheit
2.3 Funktionsweise und Wirkung von CCTV

3. Debatte um Sinn und Zweckmäßigkeit
3.1 Kritik am Sicherheitsversprechen
3.2 (In)Effizienz und ungenutzte Möglichkeiten

4. Fazit

Quellen- und Literaturverzeichnis

Anhang

1. Einleitung

Weltweit gilt Großbritannien als das Land mit dem flächendeckendsten Kameraüberwachungssystem überhaupt. ‚Closed Circuit Television‘ – oder besser bekannt unter der Abkürzung CCTV – ist in allen britischen Städten vorzufinden und stellt einen unumgänglichen Begleiter im Alltag eines jeden Bürgers dar. Dabei entstehen nicht nur Bedenken bezüglich der Privatsphäre und des Datenschutzes der Bürger, sondern auch hinsichtlich der ständigen Kontroverse um diese Thematik: Bringt CCTV tatsächlich mehr Sicherheit und dient der „präventiven Verbrechensverhinderung“ wie es die Regierung vermittelt? Rechtfertigt dies damit auch die Beschneidung der Privatsphäre? Oder steht CCTV vielmehr für eine Verschwendung von Staatsgeldern ohne jegliche Effizienz und Effektivität?

Dies sind nur einige der Fragen, mit denen ich mich in dieser Hausarbeit, die im Verlaufe des Seminars „Un/Sicherheit und soziale Dynamik“ bei Herrn Dr. Nils Zurawski im Wintersemester 2011/ 2012 entstand, auseinandersetze. Der Fokus liegt dabei auf der Frage, wie es zu dem rasanten Wachstum der Überwachungssysteme in Großbritannien kommen konnte, welche Absichten und Pläne der Regierung dahinter standen und welche Probleme und Schwierigkeiten damit einhergehen.

Zunächst erfolgt ein historischer Abriss der Videoüberwachung in Großbritannien. Daran anschließend wird erläutert, welche Anlässe zu einer explosionsartigen Zunahme der Überwachungssysteme geführt hat. Im Hauptteil dieser Arbeit wird die Kontroverse rund um das Thema CCTV dargestellt und insbesondere auf die unzureichenden Qualitäten CCTVs aufmerksam gemacht.

Um die Untersuchung abzurunden erfolgt abschließend ein Fazit, in dem die gemachten Beobachtungen nochmals zusammengefasst werden und die Auseinandersetzung mit der Frage: Gibt es bei einer derartigen Polarisierung überhaupt eine Chance auf Veränderung?

2. Die Entwicklung von CCTV in Großbritannien

Als im Jahr 1949 George Orwells Roman „1984“ erschien, ahnte noch niemand, welche zukunftsweisende Bedeutung sein Werk ein halbes Jahrhundert später haben würde. Darin wird das verstörende Bild einer Gesellschaft innerhalb eines totalitären Überwachungsstaates aufgezeigt, in der die Privatsphäre zerstört und die Wahrheit verzerrt wird (Parker 2000: 65). Durch Orwells Roman wurde deutlich, dass Überwachung nicht nur die Menschen betrifft, die etwas zu verbergen haben, sondern auch die Unschuldigen, die unter einen ständigen Generalverdacht gestellt werden.

Im Gegensatz zur Situation in Orwells Roman handelt es sich bei Großbritannien in keiner Weise um ein totalitäres Regime, sondern stellt ein Land mit einer „langen demokratischen Tradition“ dar (Leitner 2006: 30). Dennoch besitzt es über 20% der weltweiten CCTV-Kameras. Nach den neusten Studien verfügen britische Städte insgesamt über 4,2 Millionen Überwachungskameras und erfassen an einem einzigen Tag einen Menschen durch etwa 300 verschiedene Kameras (vgl. Big Brother Watch 2012: 5).

Im nachfolgenden Teil dieser Arbeit wird aufgezeigt, wie die Videoüberwachung in Großbritannien ihren Einzug fand und aus welchen Gründen sie sich derart manifestieren konnte.

2.1 Der Weg zur „weltweit führenden Überwachungsgesellschaft“

Im Jahr 1967 begann die Firma Photoscan damit, kommerzielle Videoüberwachungsanlagen zu vermarkten, die in erster Linie zur Abschreckung von Ladendieben gedacht waren (vgl. Leitner 2006: 39). Die Möglichkeit mithilfe der Videotechnik bewegte Bilder darzustellen und diese auch zum Zweck der Überwachung zu benutzen war erst Mitte der 1950er Jahre in Gang gekommen. Allerdings fand zu diesem Zeitpunkt durch die Polizei noch keine Kameraüberwachung in der Öffentlichkeit statt. Lediglich um Personen beim Überfahren von roten Ampeln zu erwischen, setzte die Polizei ab 1956 einzelne Beamte mit einer Kamera ein (vgl. O’Neill 2006). Einen weiteren Einsatz fanden die Kameras im Jahr 1960 bei einem Besuch der Queen am Trafalgar Square, um die Zuschauermenge besser überschauen zu können. 1969 wurde CCTV von 14 Polizeistationen im Land genutzt und die Gesamtzahl der Kameras lag dabei lediglich bei 67 Stück (vgl. ebd.). Auch in den darauffolgenden zwei Jahrzehnten, den 1970er und 80er Jahren, blieb der Einsatz von CCTV in Großbritannien überschaubar. Dies könnte zum einen daran gelegen haben, dass es „zwischen Labour-Regierung und der Polizei Streitigkeiten über deren Zuständigkeiten gab: In Büchern aus dieser Zeit wurde massiv über die aggressive und technologisch fortgeschrittene Vorgehensweise gegen DemonstrantInnen unterschiedlichster Art berichtet, und manch eine/r in der Bevölkerung befürchtete den totalen Überwachungsstaat“ (Leitner 2006: 39). Ein anderer Grund war, dass die Regierung in den 80er Jahren einen strikten Sparkurs führte, der die Gelder und Ausgaben der Gemeinden stark beschnitt und somit keine Gelder für CCTV-Systeme zur Verfügung standen (vgl. Norris/ Armstrong 1999: 35).

Schließlich, Anfang der 1990er Jahre, geriet die regierende ‚Conservative Party‘ und deren Premierminister John Major in eine Regierungskrise mit schlechten Umfragewerten (vgl. Leitner 2006: 40). Hinzukam eine hohe Kriminalitätsrate der erfassten Straftaten in den Jahren von 1979 bis 1992, die zu dieser Zeit massiv zugenommen hatten (vgl. Leitner 2006: 39 zit. n. Everson 2006: 68), sowie zweier Bombenanschläge der IRA (Irish Republican Army) 1993 und 1994 im Finanzzentrum von London (vgl. Leitner 2006:39 zit. n. Abbas 2004: 131). Aus diesen Umständen heraus war John Major gezwungen, die Vertrauensfrage zu stellen. Als Gegenleistung für die Loyalität seiner Partei wurden einige Posten neu besetzt, u.a. wurde Michael Howard neuer Innenminister. Durch Howard fand CCTV seinen Eingang in die britische Öffentlichkeit und somit seinen Weg in die Gesellschaft, da CCTV in seiner Politik eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielen sollte, „eine härtere Gangart gegen Kriminelle zu gehen“ (Leitner 2006: 40).

2.2 Der Ruf nach mehr Sicherheit

Während dieser Umbrüche Anfang der 1990er Jahre ereignete sich ein Verbrechen, das die aufkeimenden Sicherheitsbedenken und Angst vor Kriminalität noch weiter befeuern sollte.

Am 12. Februar 1993 wurde der zweijährige James Bulger in einem Einkaufscenter in Bootle, Merseyside nahe Liverpool, von zwei zehnjährigen Schulschwänzern zunächst entführt und später brutal ermordet (vgl. Weaver 2001). Das Einkaufscenter verfügte über Überwachungskameras, die die jungen Täter erfasste, als sie mit dem Kleinkind an der Hand das Gebäude verließen. Diese Bilder, die später in den Medien immer wieder gezeigt wurden und somit durch das ganze Land gingen, lösten einen Schrei des Entsetzen aus und waren mitunter ein Auslöser dafür, dass CCTV und damit verbunden die flächendeckende Videoüberwachung ihren Einzug in die britischen Städte fanden (vgl. Norris/ Armstrong 1999: 37).

Waren vorher noch Zweifel in der Bevölkerung vorhanden gewesen, so wichen diese – auch durch gezielte Steuerung der Medien – dem Ruf nach mehr Sicherheit in der Gesellschaft. Innenminister Michael Howard nutzte die Stimmung, um sein vorher angekündigtes Bestreben CCTV Kameras zur präventiven Verbrechensverhinderung zu nutzen, durchzusetzen (vgl. Leitner 2006: 46). In der Folge wurden 1994 von Premierminister Major „erste Förderungsgelder für CCTV“ angekündigt:

„Einspruch dagegen gab es kaum, auch nicht von der Opposition, weil die öffentliche Meinung und die Medien zu der Zeit alle, die Kritik an der Videoüberwachung übten, als Verbrecher-SympathisantInnen oder schlichtweg gefühlskalt abstempelten. (vgl. Leitner 2006: 46 zit. n. Norris/Armstrong 1999: 37)

Die Regierung hatte auf die latenten Ängste der Bürger reagiert und etwas für die Sicherheit getan, um der „moral panic“ in der Bevölkerung entgegenzugehen (vgl. O’Neill 2006).

[...]

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Ein Überwachungssystem polarisiert. Nachdenken über den Sinn und Nutzen von CCTV in Großbritannien
Hochschule
Universität Hamburg  (Institut für Soziologie)
Veranstaltung
Un-/Sicherheit und soziale Dynamik
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V233609
ISBN (eBook)
9783656502319
ISBN (Buch)
9783656503743
Dateigröße
636 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
CCTV, Überwachung
Arbeit zitieren
Katharina Jakob (Autor:in), 2012, Ein Überwachungssystem polarisiert. Nachdenken über den Sinn und Nutzen von CCTV in Großbritannien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/233609

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