Das Mammut

Mit Zeichnungen von Shuhei Tamura


Fachbuch, 2014

519 Seiten


Leseprobe


Inhalt

Vorwort Das bekannteste Eiszeittier

Der „Erstgeborene Elefant“

Der Mammuth und der Elephant

Die Urheimat des Mammuts

Frühe Mammute in Afrika

Das Südmammut

Das Steppenmammut

Das Amerikanische Präriemammut

Die Steppenmammute von Mosbach und Süßenborn

Das Sungari-Mammut

Der „Steinheimer Steppenelefant“

Das Wollhaar-Mammut

Arten des Mammuts

Frühe Funde und Irrtümer

Das Schulterblatt von Pelops

Die Sage von einäugigen Riesen

Die Kniescheiben von Ajax

Mammutfunde in Wien

Die Riesen von Worms

Die Greifenklaue im Straßburger Münster

Der „Luzerner Riese“

Das „Einhorn bei Neubronn“

Riesenmenschen in England

Der Schwindel des Barbiers Mazurier

Die Riesen von Oppenheim

Der Backenzahn aus Salzgitter-Thiede

Das „Einhorn von Quedlinburg“

Der „Kremser Riese“

Der „Sizilianische Riese“

Der verkannte Londoner Elefant

Der Elefant von Solothurn

Ein Tier, das vor- und rückwärts geht

Der Waldelefant von Burgtonna

Riesiger Maulwurf

Unterirdisches Ungeheuer

Der erste Mammutforscher in Russland

Erste wissenschaftliche Artikel

Riesenknochen im Kloster von Jaroslawl

Das Einhorn aus Südbaden

Die Irrtümer von US-Präsident Jefferson

Der Zahn des heiligen Christophorus

Tiere mit vier Hörnern

Erkenntnisse von Georges Cuvier

Das Mammut von Vendenheim

Die Maus „Tienschu“

Elfenbein-Handel und -Schnitzerei

Zähne von „Eisratten“

Mammutreste auf dem Nordsee-Grund

Meerestier oder Riesenratte

Surikosar und Kwolikosar

Mammutfunde auf dem „Hundssteig“ von Krems

Der Mammut-Friedhof am Berelekh

Der Mammut-Friedhof bei Sevsk

Mammutskelette in Deutschland

Die Mammutfunde von Niederweningen

Das Muirkirk-Mammut

Der Mammut-Friedhof von Kostolac

Präriemammute in Rancho La Brea

Mammutdung in der Bechan Cave

Mammutkadaver im Dauerfrost-Boden

Das „Mammutland“ Jakutien

Der Dauerfrost-Boden

Mammutkadaver aus dem 17. Jahrhundert

Das Jerlow-Mammut

Das Alaseaj-Mammut

Das Adams-Mammut

Ein Mammutkadaver im Tschuktschen-Land

Das Schangin-Mammut

Das Tas-Mammut oder Trofimow-Mammut

Das Middendorf-Mammut

Das Indigirka-Mammut

Das Mammutbein des Erzbischofs Nil

Das Mammut am Nelgato-See

Das Mammut auf der Lena-Insel

Das Wiljui-Mammut

Das Mammut in der Awanskaja Tundra

Mammute am Alschigi-Chomos-Jurjach und Schandron

Das Mammut am Mesenkin

Das junge Mammut bei Maloje Simoweje

Mammutreste am Bor-Jurach

Das Antonow-Mammut

Das junge Mammut am Sanga-Jurjach

Das große Mammut am Purunado

Das Beresowka-Mammut

Ein Rüsselrest bei der Himmelfahrts-Bucht

Ein Mammut am Chatanga

Das Ljachowskij-Mammut

Das Mammut von Elephant Point

Das Starunia-Mammut

Das Sanga-Jurjach-Mammut oder Wollosowitsch-Mammut

Das Kutomanow-Mammut

Ein Mammutschädel mit Fleischresten an der Polarmeer-Küste

Das Wilkizki-Mammut

Ein Mammutkopf im „Natural History Museum“

Der Rüssel am Bolschaja Baranicha

Das Stschelkanow-Mammut

Das Mammut Effie

Das Taimyr-Mammut

Das Mammut vom Kap Baranow

Das Mammut am Rywejem

Das Berelekh-Mammut

Das Schandrin-Mammut

Das Mammut am Juribei

Das Chatanga-Mammut

Das Magadan-Mammut oder Mammutbaby Dima

Das Mammut von Colorado Creek

Das Mammutbaby Mascha

Das Fishhook-Mammut

Das Abyi-Mammut

Der Vorderfuß von Bolschoj Ljachowskij

Das Maksunuokha-Mammut

Das Jarkow-Mammut

Der Mammut-Experte Dick Mol

Das Jukagir-Mammut

Das Oimiakon-Mammutkalb

Das Mammutbaby Ljuba

Das Kastykhtakh-Mammut

Das Khroma-Mammut

Das Mammut Jukka

Das Mammutbaby bei Mys Kammennyi

Das Sopkarga-Mammut Zhenya

Das Ljachow-Mammut

Woher das Wollhaar-Mammut kam

Zwergmammute auf Inseln

Das Kreta-Zwergmammut

Das Sardinien-Zwergmammut

Das Kanalinseln-Zwergmammut

Wie ein Mammut aussah

Größe

Falsche Begriffe

Das Gewicht

Der Schädel

Die Ohren

Der Rüssel

Die Stoßzähne

Die Zähne

Das Skelett

Die Beine und Füße

Der Penis

Der Schwanz

Die Haut und das Fell

So lebte das Mammut

Das Höchstalter

Das Sozialverhalten

Feinde und Gefahren

Körpertemperatur

Krankheiten

Tod

Was das Mammut fraß

Die Mammutsteppe

Grasfresser

Magen- und Darminhalt

Nahrungsbedarf

Trinkwasserbedarf

Nahrungs- und Rohstofflieferant

Die Wurfspeere von Schöningen

Der Waldelefant von Lehringen

Mammutjäger in der Höhle Kiik-Koba

Ein Faustkeil aus Mammutknochen

Die Mammute von Königsaue

Der Schlachtplatz von Salzgitter-Lebenstedt

Speerspitzen aus Mammut-Elfenbein

Die Funde aus der Vogelherd-Höhle

Elfenbein-Schnitzer in der Geißenklösterle-Höhle

Mammut-Stoßzähne am Cannstatter Seelberg

Mammutjäger im Pavlovien

Wildwechsel auf dem „Hundssteig“ von Krems

1000 Mammute in Predmosti

Werkzeuge aus Elfenbein

„Schwirrholz“ aus Elfenbein

Armringe aus Elfenbein

Eine neue Erfindung: die Speerschleuder

Speerschleudern aus dem Kesslerloch

Angelhaken aus Elfenbein

Der Lagerplatz von Gönnersdorf

Mammutknochen-Hütten in der Ukraine

Das Mammut in der Kunst

Mammutmotive in der Grotte Chauvet

Frühe Kunstwerke aus Mammut-Elfenbein

Der Löwenmensch im Hohlenstein-Stadel

Venusfiguren aus Willendorf in der Wachau

Mammutfiguren aus Ton

Mammutschädel als Trommel

Landkarte auf Mammut-Elfenbein

Mammut-Schulterblätter als Grabplatten

Schmuckstücke aus Elfenbein

Perlen aus Elfenbein in Sungir

Speere aus Elfenbein

Versöhnungszeremonien für erlegte Mammute

Mammut-Heiligtümer aus dem Magdalenien

Mammutbilder in der Kapowa-Höhle

Mammutmotive auf Schieferplatten in Gönnersdorf

Opfer für die „Mutter der Tiere“

Mammutgravierung aus Florida

Warum das Mammut ausstarb

Letzte Mammute auf der Wrangel-Insel

Die Sintflut-Theorie

Die Theorie von Peter Simon Pallas

Die Theorie von Georges-Louis Leclerc de Buffon

Historische Erklärungen

Die Katastrophen-Theorie

Der Brocchismus

Vitalistische und mechanistische Theorien

Die Ausrottungs-Theorie

Die Klima-Theorie

Die Impakt-Theorie

Letzte lebende Mammute?

Wiedergeburt des Mammuts?

Zeitgenossen der Mammute

Das Amerikanische Mastodon

Das Stegomastodon

Der Celebes-Zwergelefant

Cuvieronius

Der Europäische Waldelefant

Der Sizilianische Zwergelefant

Der Zypern-Zwergelefant

Der Tylos-Zwergelefant

Die Radiokarbon-Datierung

African Elephant Years

DNS-Untersuchungen

Literatur

Bildquellen

Register

Der Autor

Bücher von Ernst Probst

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Lebensbild eines Wollhaar-Mammuts

eines unbekannten Künstlers aus dem Jahre 1872

Vorwort Das bekannteste Eiszeittier

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das Mammut mit dem wissenschaftlichen Artnamen Mammuthus primigenius ist das bekannteste Tier aus dem Eiszeitalter. Nach Funden zu schließen, erschienen die ersten Wollhaar-Mammute zwischen etwa 300.000 und 250.000 Jahren in Mitteleuropa. Am Ende des Eiszeitalters vor rund 10.000 Jahren starben sie in weiten Teilen ihres Verbreitungsgebietes aus. Die letzten von ihnen verschwanden erst in der Nacheiszeit vor rund 4.000 oder 3.700 Jahren. Mit diesen bis zu 3,75 Meter großen sowie 5 bis maximal 8 Tonnen schweren Rüsseltieren befasst sich das Buch „Das Mammut“ des Wiesbadener Wissenschaftsautors Ernst Probst. Geschildert werden die Herkunft des Mammuts, seine Verbreitung, sein Aussehen, sein Körperbau, seine Größe, sein Gewicht, wichtige Funde, kuriose Irrtümer, seine Rolle im Leben der eiszeitlichen Jäger und Sammler sowie sein Aussterben. Es hat lange gedauert, bis die wahre Natur des Mammuts als eiszeitlicher Elefant erkannt wurde. Man schrieb seine Reste irrtümlich Fabeltieren wie Drachen, Einhörnern, Greifen, riesigen Erdratten oder Maulwürfen, Riesen, Helden und Heiligen zu. Das Buch enthält Zeichnungen des japanischen Künstlers Shuhei Tamura. Gewidmet ist es dem niederländischen Mammut-Experten Dick Mol. Aus der Feder von Probst stammen auch die Werke „Deutschland im Eiszeitalter“, „Löwenfunde in Deutschland, Österreich und der Schweiz“, „Der Mosbacher Löwe“, „Höhlenlöwen“, „Der Amerikanische Höhlenlöwe“ , „Der Ostsibirische Höhlenlöwe“; „Säbelzahnkatzen“, „Die Säbelzahnkatze Homotherium“, „Die Dolchzahnkatze Megantereon“, „Die Dolchzahnkatze Smilodon“, „Der Europäische Jaguar“, „Eiszeitliche Leoparden in Deutschland“, „Eiszeitliche Geparde in Deutschland“ und „Der Höhlenbär“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anatom, Zoologe und Anthropologe Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840)

Der „Erstgeborene Elefant“

Wenn man hierzulande vom Mammut spricht, meint man das während der letzten Eiszeit des Eiszeitalters (Pleistozän) in Europa und Nordasien vorkommende Wollhaar-Mammut (Mammuthus primigenius), auch Wollmammut oder Fellmammut genannt. Jene Tierart wurde 1799 von dem deutschen Anatom, Zoologen und Anthropologen Johann Friedrich Blumenbach (1752-1840) aus Göttingen in der 6. Ausgabe des „Handbuch für Naturgeschichte“ erstmals wissenschaftlich beschrieben. Dabei hatten ihm fossile Funde aus Sibirien und Osterode am Harz vorgelegen, denen er den Artnamen Elephas primigenius („Erstgeborener Elefant“) gab. Er ahnte nicht, dass es sich in Wirklichkeit um einen späten Abkömmling der Rüsseltiere handelte.

Außer dem Wollhaar-Mammut beschrieb Blumenbach als Erster 1797 den heutigen „Afrikanischen Elefanten“ (Loxodonta africana) und 1799 das ausgestorbene Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis), das auch Fellnashorn heißt. Einige Monate nach der Erstbeschreibung des Mammuts durch Blumenbach schlug 1799 der Pariser Paläontologe Georges Cuvier (1769-1832) den Artnamen Elephas mammonteus vor, der sich aber nicht durchsetzte.

Blumenbach kam am 11. Mai 1752 als Sohn des Gymnasialprofessors Heinrich Blumenbach (1707-1787) und dessen Ehefrau Charlotte Eleonore Hedwig Buddeus (1727-1794), einer Tochter des gothaischen Vizekanzlers Karl Franz Buddeus (1695-1753), in Gotha zur Welt. 1775 promovierte er mit der Arbeit „De generis humani varietate nativa“ (deutsch: „Über die natürlichen Verschiedenheiten im Menschengeschlecht“). Ab 1776 war er außerordentlicher Professor der Medizin in Göttingen, seit 1778 ordentlicher Professor und Unter-Aufseher (später Ober-Aufseher) des „Königlich Academischen Museums“ in Göttingen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

„Afrikanischer Elefant“ (Loxodonta africana) in Tansania

Günstig für die Forschungen von Blumenbach über Elefanten wirkte sich aus, dass bei seinem Amtsantritt in Göttingen bereits reichlich Sammlungsmaterial vorhanden war. Weitere Mammutreste konnte er dank eigener Aufsammlungen und durch sein großes wissenschaftliches Netzwerk zusammentragen. Zur Göttinger Sammlung gehörten Mammutknochen des bekannten „Riesen von Reiden“ aus der Schweiz von 1577 sowie ein Mammut-Milchbackenzahn von Quedlinburg in Sachsen-Anhalt von 1663, der zu den Resten zählte, aus denen das berühmte „Einhorn von Quedlinburg“ rekonstruiert wurde. Außerdem befanden sich in dieser Sammlung ein Mammutzahn aus Thiede bei Salzgitter und Mammutreste aus Sibirien. Der Zahn von Thiede hatte zum Naturalienkabinett des Universalgelehrten Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) gehört und war 1777 durch eine Sammlungsübernahme aus der „Königlichen Bibliothek“ in Hannover in die Göttinger Sammlung gelangt. Die Mammutreste aus Sibirien waren ein Geschenk des russischen Barons Georg Thomas von Asch (1729-1807). Darunter befand sich ein Backenzahn, den Blumenbach 1797 fälschlicherweise einem „Asiatischen Elefanten“ zuordnete. Asch war Generalstabsarzt der russischen Armee und ab 1777 Staatsraat unter Zarin Katharina II. die Große (1729-1796). Aus Dank für seine von 1748 bis 1750 in Göttingen absolvierte medizinische Ausbildung unter Albrecht von Haller (1708-1777) schenkte er mehr als 30 Jahre lang der „Universität Göttingen“ zahlreiche Materialien zur Geschichte, Geologie und Kultur aus Russland.

Anfang des 19. Jahrhunderts galt Blumenbach bereits als einer der führenden Elefanten-Experten in Europa. Nachdem man 1799 im Lena-Delta in Sibirien das „Adams-Mammut“ (auch „Lena-Mammut“ genannt) entdeckt und 1806 geborgen hatte, schickte man Blumenbach eine der ersten Rekonstruktionszeichnungen dieses Tieres sowie Proben von Haut und Haaren für seine Sammlung. Weitere Reste fossiler Elefanten bekam er von zahlreichen anderen Fundstellen, vor allem aus Deutschland.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Russischer Arzt und Politiker,

Baron Georg Thomas von Asch (1729-1807),

Porträt des russischen Malers

Kirill Golowatschewski (1735-1823) von 1780.

Zusätzliches Material des Wollhaar-Mammuts erhielt Blumenbach, nachdem man im Frühjahr 1808 zwischen Osterode und Dorste am Harz zahlreiche Knochen eiszeitlicher Säugetiere entdeckt hatte. Darunter waren auch Fossilien vom Wollnashorn (Coelodonta antiquitatis) und von der Höhlenhyäne (Crocuta crocuta spelaea). Über die Funde zwischen Osterode und Dorste am Harz informierte Blumenbach im November 1808 brieflich Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832).

Blumenbach gilt als wesentlicher Begründer der Zoologie und der Anthropologie als wissenschaftliche Disziplinen. 1835 trat er in den Ruhestand. Am 21. Januar 1840 starb er im Alter von 87 Jahren in Göttingen und wurde auf dem „Alten Friedhof“ begraben.

Noch zu Lebzeiten von Blumenbach hat 1828 der englische Biologe und Anatom Joshua Brookes (1761-1833) in seinem Werk „A catalogue of the anatomical & zoological museum of Joshua Brookes“ den heute für das Wollhaar-Mammut gebräuchlichen Gattungsnamen Mammuthus eingeführt. Brookes lehrte Anatomie, Physiologie und Chirurgie in London und bildete innerhalb von 40 Jahren etwa 7.000 Studenten aus. Außer Humanmedizin interessierte er sich auch für die Naturgeschichte und die Anatomie der Tiere. In seinem Haus in Blenheim Street errichtete er das „Brookesian Museum“, dessen Sammlung später unter den Hammer eines Auktionators kam. Gute Beziehungen pflegte Brookes zu Edward Cross, dem Inhaber einer Londoner Menagerie in dem vierstöckigen Haus „Exeter Change“. Dies führte dazu, dass Brookes 1826 an der Obduktion des Elefanten „Chunee“ beteiligt war. Jener männliche „Indische Elefant“ trat zunächst auf der Bühne auf und wurde später im 1. Stock des „Exeter Change“ zu einer Zooattraktion. Man erschoss ihn in seinem Käfig, als er nicht mehr zu kontrollieren war.

Als Johann Friedrich Blumenbach 1799 erstmals das Wollhaar- Mammut wissenschaftlich beschrieb, existierten die „Internationalen Regeln für die Zoologische Nomenklatur“ („ICZN“) noch nicht. Deswegen hat er keinen der ihm vorliegenden Mammutreste als namentragenden Holotypus bestimmt und abgebildet. Unter einem Holotypus versteht man das Exemplar, das vom ursprünglichen Autor in der ursprünglichen Veröffentlichung zum namentragenden Typus einer Art bestimmt worden ist. 1942 wurden in der großen Monographie über Proboscidea (Rüsseltiere) des amerikanischen Wirbeltier-Paläontologen Henry Fairfield Osborn (1857-1935), die erst nach seinem Tod erschien, zwei Backenzähne aus Deutschland und Sibirien als Lectotpyen für die Art Mammuthus primigenius bestimmt und abgebildet. Ein Lectotypus wird nachträglich als namentragender Typus ausgewählt. Bei den von Osborn bestimmten Lectotypen für das Wollhaar-Mammut handelte es sich um einen im Frühjahr 1808 zwischen Osterode und Dorste am Harz geborgenen linken oberen Backenzahn und um einen Backenzahn aus Sibirien. Von diesen Originalfunden hatte Osborn naturgetreue Gipskopien erhalten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Englischer Biologe und Anatom Joshua Brookes (1761–1833),Gemälde von Thomas Phillips (1770–1845) aus dem Jahre 1821,

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Erschießung des Elefanten „Chunee“ 1826in einer Londoner Menagerie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Amerikanischer Wirbeltier-PaläontologeHenry Fairfield Osborn (1857–1935)

In den 1980-er Jahren waren die beiden Originalfunde, die als Lectotypen für das Wollhaar-Mammut galten, nicht mehr auffindbar. Man glaubte, sie seien während des „Zweiten Weltkrieges“ (19391945) verloren gegangen oder zerstört worden. Deswegen haben 1990 der russische Paläontologe Vadim Evgenievic Garutt (1917-2002) und andere Autoren das im Herbst 1948 auf der Halbinsel Taimyr in Sibrien entdeckte „Taimyr-Mammut“ als namentragenden Neotypus vorgeschlagen. Ein Neotypus wird nach Verlust des Holotypus oder Lectotypus in einer späteren Veröffentlichung als dessen Ersatz bestimmt.

Im Herbst 2005 hat man bei der Aufarbeitung der Göttinger Sammlungsbestände zahlreiche unettikettierte Mammutfossilien entdeckt. Darunter befand sich der verschollene Backenzahn, der im Frühjahr 1808 zwischen Osterode und Dorste am Harz geborgen und 1942 von Henry Fairfield Osborn gezeichnet worden war. Eine Radiokarbon-Datierung für dieses Fossil an der „Universität Groningen“ ergab ein geologisches Alter von 34.340 Jahren.

In Sibirien heimische Völker haben dem Mammut unterschiedliche Namen gegeben. Die Ewenken (Tungusen) sagen „cheli“, die Tschuktschen „kamagrita“, die „Mansen“ (Wogulen) „wetkes“, die Ostjaken (Chentych) „wesj“, die Jakuten „uuklyla“ und die Nenzen „jachora“ (ja = Erde, chora = Tier, also „Erdtier“).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Amsterdamer Bürgermeister und Regent Nicolaas Witsen

(1641-1717),

Porträt von Peter Schenk der Ältere (1660-1711)

Die Herkunft der Begriffe Mammut, Mamantu oder Maimanto ist noch nicht abschließend geklärt. Vielfach vermutet man einen Ursprung im nenzischen oder estnischen Sprachraum. Der estnische Begriff „maa“ beispielsweise bedeutet zu deutsch „Erde“ und das Wort „mutt“ zu deutsch „Maulwurf“. Wenn dies zuträfe, könnte man Mammute als riesige „Erdmaulwürfe“ fehlgedeutet haben. Allerdings wird gelegentlich auch eine Verbindung zum arabischen Ausdruck „Behemot“ für ein gewaltiges Ungeheuer mit gekrümmten Hörnern und Stoßzähnen in Erwägung gezogen und mit dem seit dem 9. Jahrhundert nachgewiesenen Handel von sibirischem Elfenbein durch Araber erklärt.

Den Begriff Mammut kennt man seit dem 17. Jahrhundert in Europa. Dieser Name wurde hier vermutlich durch den Amsterdamer Bürgermeister und Regenten Nicolaas Witsen (1641-1717) eingeführt, der 1666 mit einer niederländischen Gesandtschaft nach Moskau gekommen war. Er veröffentlichte 1692 einen Bericht mit dem Titel „Noord een Oost Tartarije“ über seine Reise nach Nord-Sibirien und erwähnte bereits in der ersten Auflage das „Mammout“ oder „Mammut“.

Vom „Mammotovoi kost“ sprach 1696 der deutsche Gelehrte und Diplomat Heinrich Wilhelm Ludolf (1655-1712) in seinem Werk „Grammatica Russica“ (1696) in lateinischer Sprache. Diesen Begriff verwendete er auch in der deutschsprachigen Ausgabe mit dem Titel „Curieuse Beschreibung der natürlichen Dinge Russlands“ (1698). Darin liest man: „Gar curieuse aber ist das Mammotovoi kost, welches man in Siberien aus der Erden gräbet“. Ludolf hatte von 1692 bis 1694 eine Reise in Russland mit einem Geheimauftrag unternommen. Oft wird er fälschlicherweise als „Russe Ludloff“ bezeichnet.

Ein früher Bericht über sibirische Mammutfunde ist in der ab 1704 in verschiedenen Sprachen veröffentlichten Reisebeschreibung des dänischen Diplomaten Eberhard Isbrand Ides (1657-1708), nach anderer Schreibweise auch Evert Ysbrants Ides, enthalten. Dieser hatte als Gesandter des russischen Zaren Peter I. der Große (1672-1725) vom 14. März 1692 bis zum 1. Januar 1695 eine Reise von Moskau durch Sibirien an den chinesischen Kaiserhof in Peking und wieder zurück unternommen. Einer der Begleiter von Ides war der deutsche Kaufmann und Forschungsreisende Adam Brand (vor 1692-1746). Dessen „Beschreibung der Chinesischen Reise“ erschien 1697 zuerst in Frankfurt am Main, erlebte mehrere Auflagen und wurde ins Niederländische, Französische und Englische übersetzt. 1704 folgte die erste Ausgabe der Reisebeschreibung von Ides in Amsterdam in niederländischer Sprache mit dem Titel „Driejaarige Reize naar China te Lande gedaan door den Moskowischen Afgezant E. Ysbrants Ides von Moskou af over Groot Ustiga, Siriana, Permia, Sibirien, Daour, Groot Tartaryen tot in China.“ Die erste deutsche Ausgabe kam 1707 in Frankfurt am Main heraus und war dem russischen Zaren gewidmet. Im 6. Kapitel erwähnte Ides im Eis steckende und durch die Kälte erhaltene „Mammuths“. Der in seinem Reisetagebuch verwen dete Name „Mammuth“ bürgerte sich bald in der wissenschaftlichen Literatur ein. In Russland ist heute vom „Mamont“, in englischsprachigen Ländern vom „Mammoth“, in Frankreich vom „Mammouth“ und in Deutschland vom „Mammut“ die Rede.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Titel der Reisebeschreibung des dänischen Diplomaten EberhardIsbrandIdes (1657-1708)

In der zoologischen Systematik gehört das Wollhaar-Mammut zur Unterklasse der Höheren Säugetiere (Eutheria), zur Überordnung der Afrotheria, zur Ordnung der Rüsseltiere (Proboscidea), zur Familie der Eigentlichen Elefanten (Elephantidae), zur Gattung Mammuts (Mammuthus) und zur Art Wollhaar-Mammut (Mammuthus primigenius). Da alle Pflanzen und Tiere einen wissenschaftlichen lateinischen Namen haben, der die Gattung großgeschrieben und die Art kleingeschrieben bezeichnet, sowie den Namen des Erstbeschreibers und das Jahr der Erstbeschreibung erwähnt, heißt das Wollhaar- Mammut in der Fachliteratur korrekt „Mammuthus primigenius (Blumenbach, 1799)“.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Größenvergleich zwischen einem Steppenmammut (Mammuthus trogontherii) und einem Menschen, Zeichnung des russischen Künstlers Dmitry Bogdanov und des Users „Kurzon“ bei „ Wikipedia “

Angeblich ist das Mammut das erste ausgestorbene Tier, das einen wissenschaftlichen Namen und eine wissenschaftliche Beschreibung in lateinischer Sprache erhielt. Der Elsässer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer Gottlieb Conrad Pfeffel (1736-1809), der viele Fabeln über Tiere schrieb, widmete diesem Eiszeittier 1806 das Gedicht „Der Mammuth und der Elephant“.

Im ukrainischen Dorf Kuleschowka (Kuleshovke) im Bezirk Sumy ehrte man das Mammut 1841 mit einem 3 Meter hohen Denkmal. Auf einer Seite jenes Denkmals ist zu lesen: „An dieser Stelle wurde 1839 das Skelett eines vorsintflutlichen Mammuts Elephas mammonteus entdeckt.“ Die erwähnte Ausgrabung stand unter der Leitung des Professors I. O. Kalinitschenko an der „Universität Charkow“. Das Denkmal wurde auf Anregung des Ausgräbers und des Grafen Golovkinyo, auf dessen Grundstück die Mammutreste entdeckt worden waren, errichtet.

Der Begriff Mammut wird heute in der Politik, in der Wirtschaft und in den Medien oft fälschlicherweise für etwas besonders Großes oder kaum zu Bewältigendes verwendet. So spricht man beispielsweise von einer Mammutaufgabe oder von einem Mammutprojekt, obwohl es merklich größere Rüsseltiere als das bis zu 3,75 Meter hohe Wollhaar-Mammut gab. Letzteres wurde beispielsweise vom Steppenmammut (Mammuthus trogontherii) merklich übertroffen. Ein weibliches Tier dieser Art erreichte eine Schulterhöhe von 4,70 Meter. Männliche Tiere könnten noch imposanter gewesen sein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Elsässer Schriftsteller, Dichter und Übersetzer

Gottlieb ConradPfeffel (1736-1809),

Porträt von Georg Friedrich Adolph Schöner (1774-1841)

[...]

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Details

Titel
Das Mammut
Untertitel
Mit Zeichnungen von Shuhei Tamura
Autor
Jahr
2014
Seiten
519
Katalognummer
V267615
ISBN (eBook)
9783656576198
ISBN (Buch)
9783656576150
Dateigröße
74375 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Autor ist Ernst Probst
Schlagworte
Mammut, Wollhaar-Mammut, Wollhaarmammut, Elefanten, Rüsseltiere, Ernst Probst, Mammoth, Mammuthus
Arbeit zitieren
Ernst Probst (Autor:in), 2014, Das Mammut, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/267615

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