„Gruppenarbeit? Nein Danke.“ Negativ erlebte Phänomene herkömmlicher Gruppenarbeiten erscheinen vielfältig (Renkl 2007) und erstrecken sich von allgemeiner Ablehnung, über nicht ausreichend verstandene Arbeitsaufträge bis hin zu populären Effekten, wie beispielsweise dem „sucker- oder free-rider-Effekt“ nach SALOMON & GLOBERSON (1989). Auf Lehrerseite werden solche, in der Praxis gefürchtete, dennoch bekannte, Phänomene durchaus wahrgenommen und beklagt (Götz 2005).
Eine äußerst erfolgversprechende Lernform, um diesen Effekten entgegenzuwirken, stellen die kooperativen Lernformen dar. Die vornehmlich im amerikanischen Sprachraum rezipierten Hinweise zur Wirksamkeit kooperativer Lernformen betonen soziale Fähigkeiten. Doch um einer kritischen Betrachtung standhalten und konkurrieren zu, wächst die Frage nach der Effektivität. Jüngst wurde diese Debatte im Rahmen der Hattie-Studie verschärft.
Eine beliebte und von einschlägigen Schulbuchverlagen empfohlene Methode ist die des Gruppenpuzzles. Empirische Erkenntnisse verweisen jedoch auf eine Notwendigkeit der Lehrkraft als Professional zur Einführung von Inhalten (Wellenreuther 2012). Brisanterweise wäre dementsprechend das oft als Grundprinzip des kooperativen Lernens beschriebene „Think, Pair, Share“ nach BRÜNING & SAUM (2009) empirisch gesehen wenig wirksam, insbesondere im Hinblick auf die Methode des Gruppenpuzzles. Dementsprechend stellt sich die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten, die sich aus einer stärkeren Strukturierung ergeben. So könnten klare Arbeitsanweisungen und Fragen zum Inhalt zu einem höheren Elaborationsniveau führen (Hänze 2008) und einer Überforderung der Lernenden, insbesondere einer oberflächlichen Bearbeitung (Cohen 1994), entgegenkommen. Ebenfalls dem oft geäußerten Wunsch nach mehr Anleitung und Struktur (Kraft 2001) könnte entsprochen werden.
Die Arbeit gibt einen Überblick über zentrale Bedingungen für das Gelingen kooperativer Lernformen. Dabei wird ein umfassender Überblick über den empirischen Forschungsstand gegeben, die theoretischen Grundannahmen zur Lernwirksamkeit diskutiert und die Methode des Gruppenpuzzles anhand dieser kritisch reflektiert.
Zuletzt soll anhand einer quasi-experimentellen Interventionsstudie mit Kontrollgruppe (mit Pre- und Posttest) explorativ geprüft werden, ob sich eine stärkere Strukturierung auf die Methode auswirkt.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2 Theoretischer Teil
2.1 Der Gruppenunterricht: Verbreitung und Effektivität
2.1.1 Die Theorie der subjektiven Imperative
2.2 Das kooperative Lernen
2.2.1 Theoretische Grundannahmen zur Lernwirksamkeit
2.2.1.1 Neue Ansätze zum Lernen und Lehren
2.2.1.2 Die motivationale Perspektive
2.2.1.3 Die kognitive Perspektive
2.2.2 Empirischer Forschungsstand
2.3 Das selbstorganisierte Lernen (SOL)
2.4 Das Gruppenpuzzle (Jigsaw)
2.4.1 Das Gruppenpuzzle mit unmittelbar abschließendem Test
2.4.2 Das Gruppenpuzzle mit einer Kontroll- bzw. Evaluationsphase
2.4.3 Das Gruppenpuzzle ohne eine weitere, abschließende Phase
2.4.4 Das Gruppenpuzzle unter der Prämisse des SOL
2.5 Die Bedeutung der Struktur
2.6 Der Einfluss des kognitiven Orientierungsstils
3 Fragestellung und Hypothesen
4 Methodischer Teil
4.1 Untersuchungsdesign
4.2 Die Unterrichtsreihe und das Material
4.3 Instrumentarien und Operationalisierung
4.4 Beschreibung der Stichprobe
4.5 Untersuchungsdurchführung
4.6 Auswertungsstrategie
5 Ergebnisse
5.1 Überprüfung der Hypothesen
5.2 Ergebnisse weiterer Fragestellungen
5.3 Zusammenfassung der Ergebnisse
6 Diskussion
7 Fazit und Ausblick
Literaturverzeichnis
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis
Anhang
1. Einleitung
„Gruppenarbeit? Nein Danke.“ Dieser Ausspruch könnte sowohl Schüler-als auch Lehrermeinung sein. Negativ erlebte Phänomene herkömmlicher Gruppenarbeiten erscheinen vielfältig (Renkl 2007) und erstrecken sich von allgemeiner Ablehnung, über nicht ausreichend verstandene Arbeitsaufträge bis hin zu populären Effekten, wie beispielsweise dem „sucker- oder free-rider-Effekt“ nach Salomon & Globerson (1989), bei dem die vermeidlich „Schlauen“ die Arbeit machen und infolgedessen Motivationsverluste erleiden. Auf Lehrerseite werden solche, in der Praxis gefürchtete, dennoch bekannte, Phänomene durchaus wahrgenommen und beklagt (Götz 2005).
Eine äußerst erfolgversprechende Lernform, um diesen Effekten entgegenzuwirken, stellen die kooperativen Lernformen dar. Dabei wurden die erfreulich positiven Effekte dieser Lernform erkannt und freuen sich auch im deutschen Sprachraum, seit etwa den 1990er Jahren, zunehmender Beliebtheit. Heute sind sie aus dem zweiten Teil der Lehrerausbildung nicht mehr wegzudenken und haben Einzug in aktuelle Richtlinien und Lehrpläne gehalten. Seitdem der Konstruktivismus die Schuldebatte prägt und lehrerzentrierte Unterrichtsformen im Rahmen von PISA durch wenig ermutigende Ergebnisse in Kritik gerieten, wird jeher nach neuen, schülerzentrierten, selbstständigkeitsfördernden Unterrichtsmethoden Ausschau gehalten. So versprechen kooperative Lernformen durch eine positive Abhängigkeit der SuS untereinander das Ausbleiben einer wettbewerbsorientierten Lernatmosphäre, also einer negativen Abhängigkeit, hin zu mehr Teamfähigkeit, als anzustrebende Schlüsselqualifikation im Hinblick auf ein späteres Erwerbsleben. Die vornehmlich im amerikanischen Sprachraum rezipierten Hinweise zur Wirksamkeit kooperativer Lernformen betonen vornehmlich soziale Fähigkeiten. Doch um einer kritischen Betrachtung standhalten zu können und gegen noch heute stark vertretene Lernformen, wie der des Frontalunterrichts (Götz 2005), konkurrieren zu können, wächst die Frage nach der Effektivität dieser neuen Lernform. Jüngst wurde diese Debatte im Rahmen der vor kurzem veröffentlichten Hattie-Studie verschärft, indem das kooperative Lernen in Bezug auf die Lernwirksamkeit hinter der direkten Instruktion zurückbleibt (Hattie 2014).
Eine beliebte und von einschlägigen Schulbuchverlagen empfohlene Methode ist die des Gruppenpuzzles. Sie verspricht zum einen all die angepriesenen sozialen Effekte des kooperativen Lernens und zum anderen eine herausragende Effektivität: Vier Gruppen vermitteln sich vier etwa gleichgroße Themen gegenseitig. All dies, was im herkömmlichen Unterricht einer Vermittlung in mehreren Unterrichtsstunden bedürfe, kann nun in einer einzigen Doppelstunde geschehen. Diese doch recht unreflektierte, wenn nicht schon naive Vorstellung, ist dennoch in der Schulpraxis anzutreffen. Im Falle dessen wird die Methode ohne Einbettung in den Unterrichtsverlauf in der Erarbeitungsphase einer Unterrichtsreihe durchgeführt und im späteren Unterrichtsfortgang auf den dort „vermittelten Stoff“ zurückgegriffen.
Empirische Erkenntnisse verweisen jedoch auf eine Notwendigkeit der Lehrkraft als Professional zur Einführung von Inhalten (Wellenreuther 2012). Brisanterweise wäre dementsprechend das oft als Grundprinzip des kooperativen Lernens beschriebene „Think, Pair, Share“ nach Brüning & Saum (2009) empirisch gesehen wenig wirksam, insbesondere im Hinblick auf die Methode des Gruppenpuzzles. Ebenfalls Slavin (1996) konnte zeigen, dass das Gruppenpuzzle hinsichtlich der Lernwirksamkeit herkömmlichen Unterrichtsmethoden nicht überlegen ist. Neuere Erkenntnisse weisen überdies auf eine geringe Lernfreude im Vergleich zum Frontalunterricht hin (Kronenberger 2004). Ein letztes, in der pädagogischen Psychologie schon lange bekanntes Phänomen, ist das der Gewissheits-orientierung. So kann, nicht zuletzt bei eigenen Lehrtätigkeiten, festgestellt werden, dass SuS sich bei der Arbeit in Gruppen unwohl fühlen, was sich oft durch eine generalisierende Ablehnung bemerkbar macht. Betroffene SuS können bei einer Reflexion der Methode dann oftmals nicht sagen, warum genau sie die Methode ablehnen.
Dementsprechend stellt sich die Frage nach Verbesserungsmöglichkeiten der Methode. So wurde das Gruppenpuzzle (Jigsaw) nach Aronson (1978) zwar schon weiterentwickelt und unter der Methode der Gruppenrallye (Jigsaw II) mit einem Belohnungssystem versehen, jedoch bedarf die Umsetzung dieser Methode eines erheblichen Mehraufwandes in der Vorbereitung und erweist sich in der Schulpraxis als teils wenig praktikabel.
Eine Möglichkeit der Verbesserung ergibt sich aus einer stärkeren Strukturierung der Methode. So könnten klare Arbeitsanweisungen und Fragen zum Inhalt zu einem höheren Elaborationsniveau führen (Hänze 2008) und einer Überforderung der Lernenden, aber vor allem einer oberflächlichen Bearbeitung (Cohen 1994), entgegenkommen. Ebenfalls dem oft geäußerten Wunsch nach mehr Anleitung und Struktur (Kraft 2001) könnte somit entsprochen werden.
Eine andere Möglichkeit zur Verbesserung der Methode besteht in der bereits erwähnten Einbettung in den Unterrichtsverlauf. Ein äußerst vielversprechendes Prinzip ist das so genannte Sandwichmodell nach Diethelm Wahl (2005). Dies ist dem selbstorganisierten Lernen zuzuordnen und erlaubt eine Berücksichtigung empirischer Kenntnisse, indem zwischen individuellen und kollektiven Lernphasen unterschieden wird und dem Lehrer die Möglichkeit zur Einführung in Inhalte zugestanden wird.
Die vorliegende Arbeit gibt im theoretischen Teil einen Überblick über zentrale Bedingungen für das Gelingen von sowohl Gruppenarbeiten, als auch kooperativer Lernformen. Dabei wird ein umfassender Überblick über den empirischen Forschungsstand zum kooperativen Lernen gegeben, die theoretischen Grundannahmen zur Lernwirksamkeit dieser diskutiert und die Methode des Gruppenpuzzles anhand dieser kritisch reflektiert.
Zur kritischen Prüfung der Eignung der beschriebenen Möglichkeiten zur Verbesserung der Methode, wird ebenfalls in Kürze in das selbstorganisierte Lernen (SOL) eingeführt.
Darüber hinaus werden verschiedene Durchführungsformen der Methode des Gruppenpuzzles erläutert und die Notwendigkeit einer Testung am Ende der Methode diskutiert. Ebenfalls wird die Möglichkeit der Durchführung der Methode unter der Prämisse des selbst-organisierten Lernens vorgestellt.
Zuletzt soll im empirischen Teil dieser Arbeit anhand einer quasi-experimentellen Interventionsstudie mit Kontrollgruppe (mit Pre- und Posttest) explorativ geprüft werden, ob sich eine stärkere Strukturierung auf die Methode auswirkt. Darüber hinaus sollen zentrale Bedingungen für das Gelingen der Methode herausgearbeitet werden, um weitere Ansatz-punkte etwaiger Forschungsfragen zu generieren. Dabei soll ebenfalls das psychologische Konstrukt der Gewissheitsorientierung einer Prüfung vollzogen werden. Zuletzt sollen die Erkenntnisse der Frage bzw. einer Empfehlung dienen, ob die Struktur eine geeignete Möglichkeit zur Verbesserung der Methode darstellt, oder ob auf andere Möglichkeiten, wie beispielsweise die Einbettung in den Unterrichtsverlauf nach Wahl, zurückgegriffen werden sollte.
2 Theoretischer Teil
2.1 Der Gruppenunterricht: Verbreitung und Effektivität
Obgleich der Begriff des Gruppenunterrichts partiell in eine Vielfalt des Begriffsgebrauches der Unterrichtsmethode fällt, soll dieser in der vorliegenden Arbeit in Anlehnung an Wiater (1997) als Sozialform verstanden sein. Demnach handelt es sich um eine „Organisationsform der Lehrer-Schüler- und der Schüler-Schüler-Beziehung beim Lernen“ (ebd.: 229). Neben dem Frontalunterricht, der Partnerarbeit und der Einzelarbeit kann vom Gruppenunterricht gesprochen werden, wenn der Klassenverband zu Gunsten einer Arbeit in Kleingruppen auf Zeit aufgelöst wird und dabei, nach definierter Aufgabenstellung, Lösungen erarbeitet und als Gesamtergebnis in den Unterricht eingebracht werden (Meyer 1997: 242).
Wohingegen die sozialerzieherischen Ziele und Hoffnungen der 1950er Jahre überzogene Erwartungen an den Gruppenunterricht stellten, entsprechen die in den siebziger Jahren auf empirischen Befunden stützenden Erkenntnisse weitgehend der schulischen Wirklichkeit, wenngleich dieser in der Institution Schule teils als systemwidrig angesehen wird. So passe dieser mit seinen Intentionen und Anforderungen nicht in die „Lernkultur“ der sich heute darstellenden Institution Schule (Fuhr 2003: 54) und stelle, ausgelöst durch Ineffektivität und Disziplinprobleme, für die Lehrkraft eine Gratwanderung zwischen Kontrolle und Ohnmacht dar (Gudjons 2003: 13f.).
In Anlehnung an umfangreiche Untersuchungen von Dann (1999) lassen sich hingegen folgende Vorteile des Gruppenunterrichts zusammenfassen (Gudjons 2003: 36):
1. Eine hohe Interaktionsdichte und eine Steigerung kommunikativer Kompetenzen
2. Eine Angewiesenheit der Gruppenmitglieder auf eine Selbststeuerung und damit auf eine Eigenverantwortung und Konfliktregulierung
3. Die Ermöglichung initiativen Handelns durch den „privaten Schonraum“ der Gruppe
4. Ein überschaubares Beziehungsgefüge
5. Die Förderung von Berufsqualifikationen
Trotz zahlreicher Postulate und empirischer Untersuchungen sowie zu den Vorteilen als auch zu den negativen Wirkungen des Gruppenunterrichts stellt sich die Frage nach dessen Verbreitung eigens in Konkurrenz zum vielseits diskutierten Frontalunterricht.
Eine breit angelegte, wenn auch methodisch kritisierte (Gudjons 2003b: 39), Studie zum Gruppenunterricht bzw. zu dessen Verbreitung ist die von Hage (1985). Demnach lag die Gruppenarbeit schulformübergreifend weit hinter der Sozialform des Frontalunterrichts (76,86%), aber auch im Vergleich zur Einzelarbeit (10,24 %), zurück. An Gymnasien machte der Anteil des nicht in Gruppen durchgeführten Unterrichts sogar weit über 90 % aus. Die Gruppenarbeit hingegen machte im Allgemeinen 7,43 % und an Gymnasien 3,44 % des Unterrichts aus (Götz 2005: 345-354). Diese Tendenzen können durch andere Studien bestätigt werden, wie beispielsweise durch Kanders 2000, Bohl 2001 oder Fichten 1993 (Gudjons 2003b).
Vielleicht gerade wegen des, insbesondere in den letzten Jahren, in Kritik geratenen Frontalunterrichts (Gudjons 2006 : 12) und der daraus resultierenden negativen Konnotation dessen unterliegt die Sozialform der Gruppenarbeit einem bedeutungsvollen Wandel. So gaben in einer Studie von Rotering-Steinberg & von Kügelgen (1984) nur 7 % der Lehrkräfte an, regelmäßig einen Gruppenunterricht durchzuführen. In einer wiederholten Durchführung an einer neuen Stichprobe im Jahre 1999 gaben hingegen schon 30 % der Lehrkräfte an, einen Gruppenunterricht regelmäßig umzusetzen. Ebenfalls die lehrerzentrierten Anteile sind demgegenüber von 68 % auf 43 % zurückgegangen (Götz 2005: 346).
Bei einem Vergleich der Studie von Hage (1985) und Götz (2005) bestätigt sich diese Tendenz. Demnach ist der Anteil des Frontalunterrichts von 76,86 % auf 47,11 % zurückgegangen. Der Anteil der Gruppenarbeit hingegen ist von 7,43 % auf 13,42 % gestiegen. Dennoch lassen sich starke Unterschiede hinsichtlich der Schularten erkennen. So findet an Gymnasien, nach wie vor, der größte Anteil des Frontalunterrichts statt (ebd.: 354f.).
Diese Befunde zeigen auf, dass der oft kritisierte Methodenmonismus zugunsten einer Steigerung der Methodenvielfalt abgenommen hat. Daraus ließe sich in Anlehnung an empirische Forschungen (Helmke) eine Steigerung der Unterrichtsqualität vermuten, jedoch nur unter der Prämisse, dass diese nicht zu umfangreich ist (ebd. 2007: 10).
Dennoch erscheint der Frontalunterricht die seitens der Lehrkräfte bevorzugte Sozialform zu sein. Ferner stellt sich die Frage nach den Gründen für eine noch heute schwache Ausprägung des Gruppenunterrichts im Unterrichtsgeschehen.
Diesbezüglich nannten Lehrkräfte im Jahre 2005 folgende Argumente gegen eine Gruppenarbeit (ebd. 353):
1. Nichtstun einzelner Schüler
2. zu große Klassen (Im Vergleich zu 1984 um 9 % gestiegen.)
3. zu hoher Geräuschpegel
4. ungünstige Sitzverteilung (Im Vergleich zu 1984 um 10 % gestiegen.)
5. zu großer Lehrplandruck (Im Vergleich zu 1984 um 11 % gestiegen.)
6. Mangel an geeignetem Material
Bei augenscheinlicher Betrachtung der aufgeführten Argumente wird zum einen deutlich, dass diese sich, neben zunehmend ungünstigen organisatorischen Gegebenheiten, auf eine mangelnde Steuerung und Kontrolle seitens der Lehrkraft beziehen. Zum anderen impliziert der Verweis auf die Fülle des Lehrplans die Vermutung, dass Lehrkräfte vornehmlich auf Gruppenarbeit verzichten, wenn sie die Notwendigkeit eines schnellen Voranschreitens des Unterrichts sehen. An dieser Stelle scheinen die Lehrkräfte, in ihrer Effektivität begründet, was empirisch als gesichert gilt (Helme & Weinert 1997: 136), eine direkte Instruktion, sofern korrekt durchgeführt, zu bevorzugen.
Bezüglich der unterrichtlichen Umsetzung und der Wünsche seitens der Lehrkräfte und der SuS ergibt sich ein widersprüchliches Bild, denn nach einer Untersuchung Kanders zufolge wünschen sich diese übereinstimmend weniger fragend-entwickelnden Unterricht und Lehrervorträge, mehr Klassendiskussionen und mehr Gruppenarbeit (ebd. 2000: 16ff.). Eine andere Schülerbefragung von Aschersleben hingegen zeigte, dass die SuS das gebundene Unterrichtsgespräch, mit 80 % positiver Nennungen, und den Lehrervortrag mit 63 % Positivnennungen, schätzen. Die Gruppenarbeit liegt hingegen mit 48 % Positivnennungen dahinter (ebd. 1986: 36). Unter Berücksichtigung der Jahreszahlen der Veröffentlichungen angegebener Untersuchungen könnte man zu dem Schluss kommen, dass diesen Widersprüchen ein institutioneller Wandel zugrunde läge. Hingegen verweist Gudjons in Anlehnung an Kanders Veröffentlichung zu Schüleräußerungen aus dem Jahre 1999 auf ein ähnliches sich abzeichnendes Bild. Dies erklärt er mit typischen Formen der Leistungsüberprüfung und führt aus: „Im Frontalunterricht lernt man das, was später in der Klausur oder Klassenarbeit abgefragt wird“ (ebd.:43).
Die Begründung für die Diskrepanz von Wünschen und Wirklichkeit könnte folglich in einem systemimmanenten Verhalten liegen, welches in einer Wechselwirkung zwischen Schülern und Lehrern und unter einer gewissen „beidseitigen Zweckmäßigkeit“ steht. Eine fundierte Einschätzung ist an dieser Stelle durch die Komplexität, verschiedenster zu berück-sichtigender Variablen bedingt, jedoch nicht möglich. So steht außer Frage, dass es die beste Lehrmethode und den effektivsten Unterricht per se nicht gibt (Terhart 2000: 85). Gleichsam stellt sich an dieser Stelle aber auch die Frage, wann oder vielmehr unter welchen Umständen die entsprechende Sozialform angezeigt erscheint und sie seitens der SuS erwünscht ist.
Die Gruppenarbeit scheint insbesondere dann angezeigt, wenn es um soziale Kompetenzen, Schlüsselqualifikationen oder Strategien des Lernen-Lernens geht. Hinsichtlich der Effektivität zeigt sich ein Gruppenunterricht dann überlegen zu sein, wenn grundlegende Bedingungen, wie zum Beispiel eine individuelle Verantwortlichkeit und eine Gruppenbelohnung, erfüllt sind (Gudjons 2003: 16). Letzteres scheint insbesondere durch kooperative Lernformen gesichert.
Eine Untersuchung von Langer und Schoof-Tams mit Hauptschülern, veröffentlicht 1976, verweist auf die geringe Bedeutung der Sozialformen (im Original als Unterrichtsmethode bezeichnet) für die Behaltensleistung der SuS. Das Schülerniveau machte dabei 16 %, das Textverständnis 6 % und die Sozialformen nur 4 % der Gesamtvarianz aus und erklärt damit einen nur sehr geringen Teil individueller Leistungsunterschiede. Die Einzelarbeit erwies sich dabei am wenigsten effektiv (Aschersleben 1999: 79f.).
Ebenfalls liefert die Untersuchung interessante Befunde in Anlehnung an die Frage nach zu berücksichtigenden Bedingungen effektiver Gruppenarbeit. Einen erheblichen Einflussfaktor stellt, neben des erwähnten Schülerniveaus, auch die Textverständlichkeit dar. Unter der Sozialform der Gruppenarbeit wiesen leistungsschwache SuS bei leicht verständlichen Texten die größten Lernfortschritte auf. Dieser Sachverhalt kehrt sich hingegen um, wenn die SuS schwer verständliche Texte bekamen, jedoch nur unter der Prämisse der Leistungs-homogenität der SuS in der Gruppe. Leistungsstarke SuS profitierten hingegen bei schwer verständlichen Texten eher vom Frontalunterricht als von der Gruppenarbeit. Bei leistungsstarken SuS hatte die Sozialform (außer der Einzelarbeit) bei leichten Texten keinen Einfluss (ebd.: 80). Hier sei jedoch noch einmal darauf hingewiesen, dass die vorgestellte Untersuchung nicht verallgemeinerbar ist.
Hinsichtlich der Effektivität von Gruppenarbeit sei auf eine Metaanalyse von Lou et al. (1996) verwiesen, bei der es sich um eine Zusammenschau von über 70 unabhängigen Veröffentlichungen zum Gruppenunterricht handelt und die zu folgenden Ergebnissen kommt (Hänze 2008: 24):
- hinsichtlich des fachlichen Lernens ist ein Gruppenunterricht wirksamer als ein Klassenunterricht, insbesondere bei großen Klassen von mehr als 30 Schülern
- Gruppen von 3-4 Schülern, aber auch Lerntandems aus 2 Schülern, scheinen hinsichtlich der Effektivität am geeignetsten
- die besten Effekte wurden in den Naturwissenschaften erzielt
- insbesondere Schüler der oberen und unteren Leistungsskala lernen besser in heterogenen Gruppen, wohingegen sich für durchschnittliche Schüler eine homogene Zusammensetzung der Gruppe als effektiver erweist
2.1.1 Die Theorie der subjektiven Imperative
Die Theorie der subjektiven Imperative geht auf Wagner zurück und umfasst Grundkonflikte von Lehrkräften in verschiedensten Formen. Die Imperative werden dabei als Befehle des Bewusstseins an sich selbst verstanden und sind darüber hinaus eine Form von Kognitionen, die im aktuellen Handlungsvollzug im Arbeitsspeicher aufgerufen werden. Mit dem Aufkommen dieser Kognition wird gleichzeitig und zwangsläufig mit Ihnen die Vorstellung ihres Gegenteils aufgerufen. Sie stellen also eine psychologische Paradoxie dar. Vom Imperativverletzungskonflikt wird dann gesprochen, wenn ein Imperativ mit der Realitätswahrnehmung kollidiert (z.B. wenn die SuS nicht laut sein sollten, es jedoch sind) oder wenn ein zweiter Imperativ hinzutritt und beide Imperative nicht gleichzeitig befolgt werden können (z.B. wenn nur noch wenig Zeit für eine Gruppenarbeit zur Verfügung steht, ein Eingriff mit sofortiger Beendigung jedoch dazu führt, dass Gruppen nicht fertig werden). Dieser kognitive Konflikt, der beim Individuum einen Moment des Gefühls der Ausweg-losigkeit darstellt, führt in den meisten Fällen zu Stress. Der Imperativkonflikt tritt verstärkt dann auf, wenn sehr idealistische Anforderungen an eine Situation gestellt wurden. Somit ist die Situation der Gruppenarbeit geradezu prädestiniert dafür, Konflikte solche Art hervor-zurufen (Hage et al. 2001: 131f.).
Vermutlich durch den Konflikt der Imperative hervorgerufen konnte beobachtet werden, dass Lehrkräfte während der Gruppenarbeit fast pausenlos intervenieren. So konnte gezeigt werden, dass durchschnittlich nur zwei von 40 Schülergruppen bei einer Gruppenarbeit unter sich blieben und im Höchstfall bis zu zehn Eingriffe in ein und derselben Gruppe während dessen stattfanden (Dann o.J.: 2).
Unter einer Lehrerintervention versteht ist eine Unterbrechung der Intragruppen-kommunikation während der Gruppenarbeit durch die Lehrkraft zu verstehen (Nürnberger Projektgruppe 2001: 47). Dabei wird die invasive Lehrerintervention, bei der die Lehrkraft ohne Aufforderung seitens der SuS in das Geschehen eingreift, von der responsiven Lehrer-intervention, bei der der Eingriff durch die Lehrkraft erst nach Aufforderung durch die Gruppe, erfolgt. Zu einer responiven Lehrerintervention kommt es vorwiegend dann, wenn zuvor ein mangelhafter Arbeitsauftrag gegeben wurde und mündet in einer Desorientierung seitens der SuS. Die invasiven Lehrerinterventionen sind zum Teil auf ein hohes Kontroll- und Lenkbedürfnis der Lehrkräfte zurückzuführen. Dementsprechend versuchen diese ihre eigenen Vorstellungen über die Aufgabenbearbeitung durchzusetzen und bringen darüber hinaus eigene und häufig neue Gesichtspunkte, in Bezug auf den Inhalt, mit ein (ebd.: 48f.).
Daraus abgeleitete Handlungsempfehlungen betonen zum einen den, in seiner Wichtigkeit meist unterschätzten, präzisen und verständlichen Arbeitsauftrag (ebd.: 30f.) und zum anderen die Implementation eines bewussten Zurückziehens der Lehrkraft bei Gruppenarbeiten und den Grundkonflikt bzw. Imperativkonflikt zwischen Eingreifen oder Nicht-Eingreifen so selten wie möglich im Sinne des Eingreifens zu lösen (ebd.: 50).
2.2 Das kooperative Lernen
Da es im Diskurs der empirischen Unterrichtsforschung bisher noch nicht gelungen ist den Gegenstand des kooperativen Lernens abzugrenzen und trennscharf zu bestimmen (Rabenstein & Reh 2007: 26), fehlt bislang eine einheitliche Definition.
Als kooperatives Lernen werden verschiedene Unterrichtstrategien bezeichnet, deren Gemein-samkeit die Gruppenarbeit ist (Hild 2009: 85). Unterschiede zum Gruppenunterricht ergeben sich durch die unterschiedliche Beimessung notwendiger sozialer Kompetenzen zur Befähigung dessen (Wieder 2009: 28). Dementsprechend bedarf es beim kooperativen Lernen neben einer Berücksichtigung von sozialen Interaktionen in der Gruppe auch der des Sachaspektes. So weist Gudjons darauf hin, dass die sozial-emotionalen Prozesse als zentrales Lernfeld anerkannt, und Erfahrungen mit der Dynamik einer Gruppe genauso ernst genommen werden müssen wie die Arbeitsergebnisse (ebd. 2003: 22). Demnach wird das Lernen als ein natürliches soziales Geschehen verstanden, im Rahmen dessen sich die Teilnehmer anregen und miteinander kommunizieren sollen (Gerlach 1994 zit. n. Konrad & Traub 2008: 5). Gruehn warnt jedoch, den Widerspruch betonend, vor der Unmöglichkeit der gleichsamen Realisierung von nicht-fachlichen, fachlichen und motivationalen Zielen (ebd. 2000: 52).
Noujok verweist auf eine Interaktion zwischen Lernenden in Bezug auf eine vorgegebene Aufgabenstellung (ebd. 2000: 12).
Zusammenfassend kann somit das kooperative Lernen als eine Interaktionsform verstanden werden, „bei der die beteiligten Personen gemeinsam und in wechselseitigem Austausch [unter vorgegebener Aufgabenstellung] Kenntnisse und Fähigkeiten erwerben. Im Idealfall sind alle Gruppenmitglieder gleichberechtigt am Lerngeschehen beteiligt und tragen gemeinsam Verantwortung“ (Konrad & Traub 2008: 5). Im Besonderen sind kooperative Lernformen dadurch gekennzeichnet, dass
1. mindestens zwei Personen zusammenarbeiten
2. die Gruppengröße eine Interaktion ermöglicht
3. keine direkte Anleitung seitens der Lehrperson stattfindet
4. die Lernenden gleichberechtigt miteinander interagieren
(Huber 2007: 6)
Dillenbourg, Baker, Blaye und O‘Malley (1995) betonen dabei noch die Notwendigkeit einer klaren und vorgegebenen Arbeitsteilung, um das kooperative Lernen vom kollaborativem abzugrenzen (Huber 1999: 3).
Trotz unterschiedlicher theoretischer Akzentuierungen und praktischer Schwerpunkt-setzungen besteht Einigkeit über folgende grundlegende Qualitätsmerkmale des kooperativen Lernens, die auf Johnson & Johnson zurückzuführen sind (Konrad & Traub 2008: 6).
1. Die positive Abhängigkeit (positive interdependence):
Die positive Abhängigkeit ergibt sich aus der gegenseitigen Verantwortung für ein erfolgreiches Lernen aller Gruppenmitglieder, leitet sich aus der Theorie der sozialen Interdependenz ab, und geht ursprünglich auf Koffka (1935) und Lewin (1935) zurück. So wird die Gruppe zu einem „dynamischen Ganzen“, sodass Veränderungen bei einem Gruppenmitglied zur Beeinflussung der anderen Mitglieder führen. In einem erweiterten Ansatz von Morton Deutsch (1949) gibt es zwei Formen der gegenseitigen sozialen Abhängigkeit, nämlich die positive, die zur Kooperation führt, und die negative, die zum Wettkampf führt. Eine positive Abhängigkeit besteht, wenn die Gruppenmitglieder ihr Ziel nur mit anderen erreichen können und sich infolgedessen unterstützen. Eine negative Abhängigkeit besteht, wenn die Mitglieder erkennen, dass sie ihre Ziele selbst nur durch das Nichterreichen der anderen erreichen. Eine fehlende Abhängigkeit ergibt sich, wenn das Ziel unabhängig voneinander erreicht werden kann. Eine positive Abhängigkeit ergibt sich vor allem bei gemeinsamer Belohnung.
2. Die individuelle Verantwortlichkeit:
Die positive Abhängigkeit fördert ein Verantwortungsgefühl, im Rahmen dessen die Teilnehmer eine Motivationssteigerung erfahren, indem sie Rechenschaft über ihr Handeln ablegen und den Lernerfolg anderer Gruppenmitglieder sicherstellen müssen. Diese Verantwortlichkeit kann beispielsweise durch Tests, Beobachtungen oder durch einen Arbeitsauftrag, das Gelernte anderen beizubringen, sichergestellt werden.
3. Die gegenseitige Unterstützung:
Die positive Abhängigkeit führt zu einer gegenseitigen Unterstützung, Ermutigung, und Anregung, sodass die einzelnen Mitglieder eine Produktivitätssteigerung erfahren.
4. Der angemessene Einsatz sozialer Kompetenzen:
Für einen Zusammenschluss zu kleinen Gruppen ist ein Mindestmaß an Fähigkeiten und Kenntnissen im zwischenmenschlichen Umgang, zusammengefasst unter dem Begriff der sozialen Kompetenz, erforderlich. Je größer diese Kompetenzen der Gruppenmitglieder ausfallen, desto höher wird die Qualität und Quantität des Gelernten sein.
5. Die Reflexion der Gruppenprozesse:
Die Reflexion bietet die Möglichkeit hilfreiche Handlungen der Mitglieder zu identifizieren und zu prüfen, wie weit individuelle Beiträge zum Erreichen des Gruppenzieles beigetragen haben. Daraus verspricht man sich unter anderem eine gesteigerte Leistung, positive Beziehungen, eine Steigerung der sozialen Kom-petenzen und ein gesteigertes Selbstwertgefühl.
(Johnson & Johnson 2008: 16ff.)
Einige Autoren legen dem kooperativen Lernen das Prinzip des so genannten „think-pair-share“, im deutschen Sprachraum auch teilweise als „denken, austauschen, besprechen“ (DAB) bezeichnet (IQSH 2012: 16), zugrunde.
Ursprünglich geht das Prinzip auf Lyman (1981) zurück, der dieses als umstandslose und nahezu jederzeit einzusetzende Struktur vorschlägt und sich ein hohes Maß an Schüleraktivitäten verspricht (Heckt 2008: 32).
Die einzelnen Schritte des Konzeptes umfassen (Brüning & Saum 2009: 16f.):
1. Think: die individuelle Bearbeitung einer Aufgabe
2. Pair: Das wechselseitige Ergänzen und Bearbeiten einer Aufgabe mit einem Partner
3. Share: Die Präsentation in der Gesamtgruppe
2.2.1 Theoretische Grundannahmen zur Lernwirksamkeit
Theoretische Ansätze zur Erklärung der Lernwirksamkeit kooperativen Lernens sind zum einen durch neuere psychologische Perspektiven, die allesamt unter einem neuen Verständnis des Lernens zusammengefasst werden können, und zum anderen nach Slavin (1996) sowohl einer motivationalen, als auch einer kognitiven Perspektive zuzuordnen.
2.2.1.1 Neue Ansätze zum Lernen und Lehren
In den vergangenen Jahren unterlag das Lehren und Lernen in allen Lebensbereichen einer gravierenden Veränderung. Diese Entwicklungen gehen mit neuen Anforderungen an Lehrende und Lernende einher. Dabei ist die Konstruktion von Wissen unter dem neuen Lernverständnis von entscheidender Bedeutung (Konrad & Traub 2008: 14-17).
Diese neue, einen Gegensatz zur kognitiven Auffassung darstellende, Sichtweise geht davon aus, dass die Lernenden ihr Wissen in einem aktiven und selbstgesteuerten Prozess konstruieren. Der Ursprung dieser Position ist der sogenannte radikale Konstruktivismus (z.B. nach Glasersfeld 1997), der davon ausgeht, dass die direkte Erfassung einer äußeren Wirklichkeit unmöglich sei. Es handelt sich nach Siebert (2003) jedoch um keine eigene Wissenschaftsdisziplin, sondern um ein Inter- und transdisziplinäres Paradigma. Aus dieser ursprünglichen erkenntnistheoretischen Position des radikalen Konstruktivismus und Einflüssen sowie der Systemtheorie als auch des sozialen Konstruktivismus, aber auch neurobiologischen Befunden, abgeleitet, geht schließlich eine neue Auffassung über das Lernen hervor, nämlich die des moderaten Konstruktivismus (Riemeier 2007: 69f.).
Diese neue Perspektive des Konstruktivismus, die auf einen fundamentalistischen Geltungs-anspruch verzichtet und sich stärker mit dem denkenden und handelnden Subjekt beschäftigt, liefert neue Grundannahmen zum Lernen und Lehren in sozialen Kontexten (Konrad & Traub 2008: 18). Dabei werden die Konstruktionsprozesse als individuell verschieden angesehen und neues Wissen als Umstrukturierung bereits vorhandenen Wissens verstanden. So gewinnt zunehmend das Vorwissen, als wichtigster Prädiktor für den Lernerfolg, an Bedeutung. Weiter ist das Prinzip der Selbstorganisation von großer Bedeutung, da sich im Konstruktivismus der Mensch als geschlossenes, autopoietisches System versteht, welches selbstreferenziell ist bzw. sich selbst organisiert (Wolff 1997: 107).
Aus konstruktivistischen Überlegungen erwächst die Notwendigkeit eines Lernangebots für die Lernenden, in denen kontextgebunden gelernt werden kann und eigene Konstruktions-leistungen möglich werden. Denn Lernen erfolgt in „sozialen Kontexten, in biographischen Lebenssituationen, in spezifischen Lernumgebungen, mit Blick auf lebensweltliche Verwendungssituationen“ (Siebert 1999: 20). Auf diesen „blinden Fleck“ im traditionellen kognitiven Paradigma wird mit einer keineswegs einheitlichen Theorie des situierten Lernens reagiert (Konrad & Traub 2008: 21).
Unter der Prämisse des situierten Lernens verstehen sich Denken, Lernen und kognitives Wachstum, als stabile potentielle Fähigkeiten jedes Individuums, als Aktivitäten mit denen Menschen ihr Wissen und ihre Verstehensprozesse fortlaufend neuorganisieren. Denken, Wissen und Lernen ist in sozialen Kontexten situiert, d.h. das Handeln ist in Situationen oder Kontexten von Überzeugungen und Bedeutungen, insbesondere zwischen Individuen oder Gruppen, eingebettet (Greeno 1992 zit. n. Mandl et al. 2004: 13f.). Überdies wird durch Anwendung in verschiedenen Situationen das Erlernte „dekontextionalisiert und damit transferierbar gemacht“ (Guldimann 1996: 22).
2.2.1.2 Die motivationale Perspektive
Die motivationale Perspektive zielt primär auf die Belohnungs- bzw. Zielstruktur beim Lernen. Diese begründet sich darin, dass die Gruppe nur dann erfolgreich ist, wenn die einzelnen Gruppenmitglieder ihre persönlichen Ziele erreichen (Traub 2004: 27). Dies führt zur Entwicklung leistungsfördernder Normen und zur Verstärkung zielbezogener Anstrengungen (Huber 1999: 11f.). Eine Belohnung und Anerkennung sollte deshalb auf Grundlage der Gruppenleistung vergeben werden (Konrad & Traub 2008: 51). Ein Beispiel für die Verwirklichung dieser Perspektive stellt die kooperative Lernmethode der Gruppenrallye (STAD) dar, bei der die einzelnen Mitglieder mit dem Ziel zusammen arbeiten, später einen Test zu bewältigen, aus dem letztendlich aus den individuellen Steigerungs-leistungen resultierend ein Gruppenwert hervorgeht, der Aufschluss über die zu belohnende bzw. anzuerkennende Leistungsverbesserung gibt (Huber 1999: 12f.).
Eine weitere motivationale Perspektive ist die der sozialen Kohäsion, bei der die Effektivität von Lerngruppen von ihrem sozialen Zusammenhalt abhängt. Dementsprechend wirkt ein hoher Grad an Kohäsion zwischen den Lernenden, im Hinblick auf eine Zusammenarbeit und eine gegenseitige Unterstützung, motivierend (ebd.: 13f.). Dem folgend spielen extrinsische Anreize eine eher untergeordnete Rolle, wohingegen die durch das kooperative Lernen geschaffene Lernumgebung zu positiven Beziehungen zwischen den Mitgliedern in der Gruppe führt. Vertreter der Perspektive der sozialen Kohäsion befürchten langfristig einen Motivationsverlust (Damon 1984). Slavin steht dieser Perspektive entgegen. Weiter zeigt Pauli (1998), dass die Lernergebnisse unter befreundeten Mitgliedern in einer Gruppe besser sind als jene von nicht befreundeten, da diese sich anscheinend voll und ganz der Aufgabe widmen können und nicht Zeit in das Aushandeln von Beziehungen und in die Regelung der Zusammenarbeit investieren müssen (Huber 2007a: 95). Untersuchungen von Sader (2002) deuten hingegen an, dass sich eine Kohärenz mittleren Grades am effektivsten erweist. Eine sehr hohe Kohärenz könne wiederum zu einem Absinken der Leistung führen, da die Gruppe sich verstärkt auf Privatgespräche konzentriere, als sich der gestellten Aufgabe zu widmen (Gudjons 2003: 22). Beispiele für die motivationale Perspektive der sozialen Kohäsion sind folgende kooperative Lernmethoden: das Gruppenpuzzle (Jigsaw), das Kleinprojekt in Gruppen, die Methode des gemeinsamen Lernens, sowie die komplexe Instruktion (Huber 1999: 14).
Letztlich kann die motivationale Perspektive zur Erklärung einer Erhöhung der Lernfreude durch das Erleben sozialer Eingebundenheit in Gruppen (Deci & Ryan 1993) herangezogen werden und zu einer Minimierung ungünstiger, motivations- und leistungsmindernder Gruppenphänomene, wie beispielsweise der Verantwortungsdiffusion, dem sozialen Faulenzen oder dem Effekt des Trittbrettfahrens (Huber 1999: 12), beitragen (Krause 2007: 82). Die Betrachtung dieser Effekte sollte jedoch mit Vorsicht geschehen, da entsprechende empirische Untersuchungen nicht zuletzt z.B. beim „Trittbrettfahrereffekt“ zeigen konnten, dass dieser in der Wahrscheinlichkeit des Auftretens überschätzt wird (Nürnberger Projektgruppe 2001: 28).
2.2.1.3 Die kognitive Perspektive
Die Perspektive der kognitiven Entwicklung, im Wesentlichen auf Ansätzen von Piaget und Vygotsky basierend, unterliegt der Annahme, dass soziale Wechselwirkungen die kognitive Entwicklung des Einzelnen beeinflussen (Konrad & Traub 2008: 102).
In Anlehnung an Piaget wird bei der kognitiven Entwicklungsperspektive die Meta-verarbeitung von Informationen betont und die Interaktion der Lernenden als Ursache für die Effektivität kooperativer Lernformen interpretiert. Demnach löst eine solche Interaktion in heterogenen Gruppen bei den Beteiligten kognitive Konflikte aus, die zu einer besseren Aufgabenbearbeitung und zu einem besseren Lernen beitragen (Traub 2004: 29f.). Durch die Auflösung der Konflikte kann dann ein höheres Niveau des Verstehens erreicht werden (Huber 1999: 15). Hingegen betonen O’Donnell und O’Kelly (1994), dass im schulischen Kontext das Problem vor allem darin bestehe, dass nicht alle Lernenden, bedingt durch beispielsweise den unterschiedlichen sozialen Status, in gleichem Ausmaß an der Interaktion beteiligt sind und deshalb externe Hilfen benötigt würden (zit. n. Huber 1999: 15). Eine kooperative Lernform, die dem Ansatz Piagets folgt, ist die strukturierte akademische Kontroverse (ebd.).
Die kognitive Entwicklungstheorie nach Vygotsky betont hingegen die soziale Interaktion als Ursache für kognitive Veränderungen bei den Lernenden (Konrad & Traub 2008: 102). Dementsprechend agieren die Lernenden wechselseitig, an einer Zone der proximalen Entwicklung orientiert, am aktuellen Entwicklungsniveau, durch selbstständiges Problemlösen, und dem Niveau potentieller Entwicklung, durch das Problemlösen unter Anleitung oder in Zusammenarbeit mit Altersgenossen (Vygotsky 1978: 86 zit. n. Huber 1999: 56f.). Dabei wird der Prozess der Transformation sozialer Phänomene in psychische Phänomene als Internalisierung bezeichnet (Huber 1999: 15).
Innerhalb der kognitiven Perspektive ist letztlich die kognitiv-elaborierende zu nennen. Diese auf die aktive Verarbeitung des Lerngegenstandes abzielende Perspektive verweist auf die Notwendigkeit bereits bestehenden Wissens für eine Behaltensleistung unter der Prämisse, dass es zu einer kognitiven Umstrukturierung und Elaboration des Lernmaterials kommt. Dabei hilft das wechselseitige Lehren, welches nach Slavin eine der effektivsten Möglich-keiten zur Elaboration ist. Dies verlangt jedoch auch eine Vermittlung geeigneter Lern-strategien und zielt neben der Gruppengröße und -zusammensetzung zu wesentlichen Bedingungsfaktoren des kooperativen Lernens unter eben dieser kognitiven Perspektive. Zu dieser Perspektive zählende kooperative Lernmethoden sind beispielsweise das reziproke Lehren und die kooperativen Lernskripte nach Danserau (ebd.: 18f.).
2.2.2 Empirischer Forschungsstand
Die sich aus der Fülle von Empfehlungen und positiver Wirkungen zum kooperativen Lernen, insbesondere aus dem amerikanischen Sprachraum kommende Literatur, ergebenden Kom-plexität, scheint es notwendig, vorwiegend empirisch gesicherte Befunde zu rezipieren.
Bezüglich der Verbreitung kooperativer Lernformen lässt sich feststellen, dass 26,2 % der Lehrer diese öfter organisieren, bei zwei Drittel der Befragten hingegen selten oder nie kooperative Lernformen Verwendung finden (Huber 1985 zit. n. Wellenreuther 2012: 204).
In den meisten Studien zum kooperativen Lernen wurden traditionelle Unterrichtsformen denen kooperativer gegenübergestellt (Krause 2007: 83). Ein theoretisches Modell zur Effektivität des kooperativen Lernens fehlt jedoch (Huber 1999: 11).
Slavin (1996) betont, dass es zwar einen Konsens hinsichtlich der Effektivität des kooperativen Lernens gäbe, jedoch die Gründe und die Bedingungen erfolgreichen kooperativen Lernens umstritten seien. Hattie konnte dem kooperativen eine Effektstärke von d=0.42 zuordnen (Hattie 2014: 279). In Anlehnung an seine Studie kommt dem kooperativen Lernen damit eine nur durchschnittliche Lernwirkung zu (ebd.: 3). Dementsprechend wäre eine direkte Instruktion (d=0.59) dem kooperativen Lernen überlegen (ebd.: 277).
Schon recht frühe empirische Untersuchungsergebnisse von Huber (1985) deuten, für den deutschen Sprachraum, zahlreiche positive Effekte an. Demnach waren kooperativ lernende Schüler hinsichtlich ihrer Schulleistung in 26 von 41 Untersuchungen (63 %) signifikant besser als die Kontrollklassen. Obwohl die Ergebnisse eine Steigerung der Motivation tendenziell andeuten, konnte diese nicht ausreichend belegt werden. Hingegen berichten 11 von 14 einschlägigen Untersuchungen von einer signifikanten Steigerung des Selbstwertgefühls durch eine positive Beeinflussung des Selbstkonzeptes. Darüber hinaus werden die individuellen und sozialen Kompetenzen, wie auch im Allgemeinen die sozialen Beziehungen der Schulklasse, gefördert (Gudjons 2003: 34).
Wenngleich die Befundlage recht uneinheitlich ist, konnten folgende positive Effekte nach-gewiesen werden (Krause 2007:83):
- eine Steigerung der Lernleistung (Fantazz et. al. 1992; Palincsar et al. 1993; Shachar & Sharan 1994)
- eine anspruchsvollere Elaboration der Inhalte (Krol et al. 2004)
- eine höhere Aktivität im Lernprozess (Jürgen-Lohmann et al. 2001)
- eine effektivere Aufgabenbearbeitung (Lou et al. 2001)
- sowie ein erhöhtes kritisches Denken (Johnson & Johnson 1989; Lou et al. 2001; Jürgen-Lohmann et al. 2001)
Speziell die Elaboration unter der kognitiven Perspektive betreffend, bilden sich jedoch widersprüchliche Ergebnisse ab, denn vergangene Untersuchungen offenbarten ein insgesamt eher niedriges Elaborations- und Frageniveau. Erklärungen, die gegeben werden, seien oben-drein teils unvollständig (van Boxtel et. al 2000).
Da zum Thema, insbesondere im amerikanischen und kanadischen Raum, sehr umfangreiche Untersuchungen vorliegen, Johnson et al. (2000) benennen über 900 Studien, empfiehlt es sich, Metaanalysen heranzuziehen.
Eine auch im deutschen Sprachraum immer wieder rezipierte Metaanalyse ist die von Slavin (1996). Sie ist in ihrer Aussagekraft besonders hervorzuheben, da sie scharfe Anforderungen an die berücksichtigten empirischen Untersuchungen stellt. So mussten die Untersuchungen hinsichtlich der Kriterien stets Kontrollgruppen verwenden, sowohl Experimental- als auch Kontrollgruppen zu Beginn der Untersuchung gleiche Leistungen aufweisen und sich mindestens über vier Wochen bzw. 20 Unterrichtsstunden erstrecken (Wellenreuther 2007: 387).
Slavin (1996), nach Bedingungsfaktoren für eine gelingende Gruppenarbeit und damit nach Möglichkeiten der Unterrichtsverbesserung suchend (Rabenstein & Reh 2007: 28), führt zur Erklärung der Effektivität kooperativer Lernformen zum einen die motivationale Perspektive, einschließlich der sozialen Kohäsion, als auch kognitive Aspekte, die sich auf Entwicklungs- und Elaborationstheorien beziehen, an. Dabei zeigt er auf, dass eine Gruppenbelohnung eine entscheidende Erfolgsvariable darstellte und am effektivsten sei, wenn die Lernzuwächse aller Gruppenmitglieder Berücksichtigung fänden.
Er konnte bei einem Vergleich von verschiedenen kooperativen Methoden zum herkömm-lichen Unterricht zeigen, dass fast zwei Drittel der kooperativ unterrichteten Klassen signifikant bessere Lernleistungen aufwiesen. Fast ein Drittel zeigte keine Unterschiede beim Vergleich der Bedingungen und in 5 % der Vergleiche unterlag die kooperative Lernform der des herkömmlichen Unterrichts. Insgesamt ist eine mittlere, noch gerade bedeutsame, Effektgröße von ES=0.26 festzustellen. Allerdings scheinen die unterschiedlichen Methoden sich in ihrer Effektstärke stark zu unterscheiden. Insgesamt überwogen Methoden, die externe Anreize enthielten, wie beispielsweise die Gruppenrallye, ES=0,32 bei Berücksichtigung aller Effektstärken und 0,21 in standardisierten Tests, oder das Gruppenturnier (0,38/0,40). Methoden hingegen, wie das Gruppenpuzzle (ES=0,12) oder die Gruppenrecherche, die die Perspektive der sozialen Kohäsion erfüllen, blieben unter der bedeutsamen Effektgröße von ES=0.25 zurück. Einen entscheidenden Einfluss auf die Effektstärke scheint auch die Kombination von Gruppenbelohnungen und individueller Verantwortlichkeit zu haben. So zeigte sich, dass Methoden, die nur eine der beiden Variablen realisierten, nur eine recht geringe Effektstärke von ES=0.07 aufwiesen, wohingegen sich unter Berücksichtigung beider Variablen mittlere Effektstärken von ES=0.32 ergaben (Borsch 2010: 84f.). Damit werden einschlägige Empfehlungen zum kooperativen Lernen empirisch belegt. Kritisch anzumerken ist jedoch, dass Slavin in seinen Untersuchungen von einer „absoluten“ Planbarkeit von Unterricht ausgeht (Rabenstein &Reh 2007: 28).
Johnson et al. (2000) stützen ihre Aussagen auf insgesamt 164 Studien, deren Effektgrößen zwischen ES=0.18 und ES=1.04 variieren.
Rohrbeck et al. (2003) führten eine Metaanalyse zum Peer Assistent Learning (kurz PAL), vornehmlich im Grundschulbereich, durch. Unter diesem Sammelbegriff wird, ähnlich wie beim kooperativen Lernen, ein dyadisches Lernen bzw. ein Lernen in Kleingruppen thematisch zusammengefasst (Haselhorn & Gold 2006: 285). In 81 untersuchten Studien variieren die Effektgrößen zwischen ES=-0.61 und ES=2.38. Die mittlere Effektgröße lag bei ES=0.33. Wegen dieser ausgesprochen hohen Variabilität der Ergebnisse erfolgte eine zweite Auswertungsphase, in der gezeigt werden konnte, dass untere Jahrgangsstufen in stärkerem Maße vom kooperativen Lernen profitieren, die Effekte im naturwissenschaftlichen Bereich höher sind und Kinder aus stadtnahen Schulen und Familien mit niedrigem sozial-ökonomischen Status Vorteile erfuhren. Darüber hinaus konnten sie einen Zugewinn an sozialen Fähigkeiten (ES=0.52), ein besseres Selbstkonzept (ES=0.40) und eine Verbesserung kooperativer Verhaltensweisen (ES=0.65) aufzeigen und betonen, ebenso wie Slavin, die Effektivität interdependenter Belohnungssysteme (Borsch 2010: 87-99).
Zusammenfassend lässt sich also feststellen, dass insbesondere kooperative Lernformen sich dann als wirksam erweisen, wenn die Gruppe, im Rahmen eines Belohnungssystems, durch individuelle Tests zur Verantwortung gezogen wird. Wird hingegen auf die Rechenschafts-ablegung verzichtet, vermindert sich die Lernwirksamkeit auf das Niveau des normalen Unterrichts. Aufgrund dieser Befundlage kann bei dem in neueren Büchern (vgl. Brüning/ Saum 2007) zum kooperativen Lernen vorgeschlagenen Grundprinzip des „think-pair-share“, bei dem die Präsentation der Gruppenergebnisse durch ein Gruppenmitglied als Alternative zu Tests vorgeschlagen wird, keine empirisch-nachweisbare, lernförderliche bzw. signifikante Wirkung angenommen werden (Wellenreuther 2012: 218).
Durch die empirisch nachgewiesene Effektivität der Gruppenrallye und des Gruppenturniers des Gruppenpuzzles gegenüber, lässt sich darüber hinaus vermuten, dass Methoden des kooperativen Lernens, die der Lehrperson die Einführung und Erklärung der Inhalte überlassen, sich als effektiver erweisen, als die bei denen eine Erarbeitung und Einführung den Schülern selbst überlassen wird, wie es beispielsweise beim Gruppenpuzzles der Fall ist. Somit scheint es offensichtlich, dass „der Lehrer als Professional im Einführen und Erklären von Inhalten fast unverzichtbar“ (ebd.:217) ist.
2.3 Das selbstorganisierte Lernen (SOL)
Selbstorganisiertes Lernen lässt sich als neuer Unterrichtsansatz verstehen und stellt keine Methode dar. Vielmehr ist es ein ganzheitliches und zielorientiertes Lehr- und Lernsystem, welches individuelles und kooperatives Lernen in den Mittelpunkt stellt und auf einem systemisch-konstruktiven Verständnis vom Lehren und Lernen aufbaut (Winkel 2012: 41).
Der Begriff des selbstorganisierten Lernens wird von den Begriffen des selbstgesteuerten und selbstbestimmten Lernens überlagert. Dabei werden die Begriffe seitens verschiedenster Autoren und in der pädagogischen Praxis vermischt und oft synonym verwendet (Herold & Herold 2011: 30). Nicht zuletzt über 200 gezählte Definitionen (Lins 1999: 51) führen zu einer praktischen Verwirrung und theoretischen Verunklarung der Begrifflichkeit (Faulstich 1999: 28).
Beim selbstbestimmten Lernen weisen die Lernenden sich selbst, aufgrund eigener Handlungsprobleme, eine Bedeutsamkeit für einen Lerngegenstand zu und gestalten dementsprechend ihren Lernprozess (Faulstich 2002: 2). Radikal gesehen hätten die Lernenden dann eine maximale Entscheidungsfreiheit hinsichtlich der Lernaufgaben, Verfahrensweisen, des Lernortes, und der zeitlichen Organisation usw. (Sittner 2006: 18). Weniger radikal gesehen lässt sich festhalten, dass der Grad der Selbstbestimmung des Lernens mit einer Vergrößerung der Reichweite an Entscheidungsmöglichkeiten über Ziele und Aktionsprogramme zunimmt (Faulstich 2001: 42).
Selbstgesteuertes Lernen wird hingegen als Idealvorstellung verstanden, die eine verstärkte Selbstbestimmung hinsichtlich der oben genannten Bereiche sowie eine vermehrte Selbst-bewertung des Lernerfolgs beinhaltet (Deitering 1996: 155). Es handelt sich somit um ein bewusstes, planmäßiges und intendiertes Lernen, bei dem der Lernende sowohl innere, als auch äußere Lernaktivitäten selbst regelt (ebd.). Der Lernende kann also „die wesentlichen Entscheidungen, ob, was, wann, wie und woraufhin er lernt, gravierend und folgenreich beeinflussen“ (Weinert 1982: 102). Diese Auffassung des Lernens erinnert stark an die amerikanische Debatte um den Begriff des „self-directed-learning“, insbesondere der 1971 erschienenen empirischen Untersuchungen von Allen Tough „The Adult’s Learning Projects“. In diesem Zusammenhang kann selbstgesteuertes Lernen dann vor allem dem Zweck des Lösens einer aktuellen Lebensaufgabe dienen und weniger dem institutionellen Lernen mit vorgegebenen Inhalten. Eine weniger radikale Auffassung des „self-directed-learning“ vertritt hingegen Melcolm Knowles, der auf die sich schnell verändernden Lebensbedingungen und der Halbwertszeit des Wissens begründend, diesem ein Element der Fremdsteuerung zuwies.
Solch ein Element der Fremdsteuerung und ebenso Teile einer Fremdbestimmung dürften letztlich auch Institutionen aufweisen. Daraus ergibt sich die Frage danach, wie hoch der Grad an Selbststeuerung und Selbstbestimmung in der Schule überhaupt sein kann. Oder provokanter gefragt: Kann es in der Schule überhaupt Selbstbestimmung und Selbststeuerung geben?
So erkennen Greif & Kurtz, dass der Begriff des selbstgesteuerten Lernens eine Freiheit in Bezug auf die Wahl der Lernziele suggeriere (zit. nach Sittner 2006: 19). Demnach bietet sich der Begriff des selbstorganisierten Lernens für das Lernen in Gruppen, wie es in der Institution Schule stattfindet, an (ebd.: 22).
Eine bemerkenswerte Begriffsbestimmung ist die von Jörg Knoll. Er stellt den Begriff des selbstorganisierten Lernens dem des selbstgesteuerten Lernens gegenüber, indem er diesen als Ausgangspunkt unterschiedliche Bedeutungsgehalte zuweist. „Organisieren“ meine einen Vorgang zu konstituieren (bezogen auf das was, wie und wozu). „Steuern“ meine, einen konstituierten Vorgang zu gestalten (Knoll 2001: 202-206). Beide Dimensionen können Ausprägungen in einer Abstufung von „selbst“ bis „fremd“ einnehmen (siehe Abb. 1). Dem zugrunde liegt die Annahme, dass Lernsituationen nicht entweder vollkommen selbstgesteuert oder fremdgesteuert sind, sondern auf einem Kontinuum anzusiedeln sind (Dietrich 2001: 15).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 1: Selbstorganisation und Selbststeuerung nach Knoll 2001: 206
Bezüglich des selbstgesteuerten bzw. selbstorganisierten Lernens in der Schule kommt Knoll letztlich zu dem Schluss, dass dieses in der aktuellen Diskussion vornehmlich fremd-organisiert und selbstgesteuert sei (ebd.).
Auch an dieser Stelle wird die unzureichende Begrifflichkeit zum Problem, da Knoll etwas anderes unter Steuerung versteht als beispielsweise Greif & Kurtz.
Unter der Annahme des Modells von Knoll gäbe es jedoch kein selbstorganisiertes Lernen in der Schule. Unter Berücksichtigung der Bedeutung des Wortes „Organisieren“, dann verstanden als „sorgfältige und systematische Vorbereitung“, erscheint an dieser Stelle Knolls Begriffsverwendung unschlüssig. So ließe sich das Konstituieren eines Vorgangs treffender als Bestimmung definieren. Dementsprechend würde die Selbstbestimmung das eigenständige Konstituieren eines Vorganges darstellen, was der Definition des selbstbestimmten Lernens in der aktuellen Diskussion am nahesten käme (siehe oben). Lehrpläne stellten unter dieser Prämisse eine, für die Institution Schule unumgängliche, „Anordnung, Vorschrift, Verfügung, [oder] Regelung“ (Duden) dar.
Die hier zu erkennenden Widersprüche in der Diskussion ergeben sich unter anderem aus dem Problem, dass, teils politisch intendiert (Faulstich 1999: 26), das selbstorganisierte Lernen zur „Chiffre für Innovation“ (Fuchs-Brüninghoff 1999: 10) wird und als „Königsweg“ im Bildungsprozess dargestellt wird (Dietrich 1999: 17), kritisch betrachtet, jedoch, ähnlich wie in der amerikanischen Diskussion, der Betrachtungsfokus verengt wird.
Besonders in Verbindung zum kooperativen Lernen, wird eine hochstrukturierte Lernform mit dem Begriff des selbstorganisierten Lernens zusammengebracht. Dieser Zusammenhang löst Pararadoxien aus, die nicht zuletzt auf der Ebene der Schulwirklichkeit zu verheerenden Missverständnissen führen können.
Unter motivationalen Gesichtspunkten müsste sich das selbstorganisierte Lernen mit der Ermöglichung von Wahlmöglichkeiten und der angepriesenen Möglichkeit zur Selbst-bestimmung autonomiefördernd und somit motivationssteigernd auswirken (Deci & Ryan 1993: 230). Wesentliche Problembereiche des selbstorganisierten Lernens liegen jedoch bei der Motivation und der Bewahrung des Überblicks über das Lerngeschehen (Dietrich 1999: 20). Vielmehr erscheint eine Bereitschaft seitens der Lernenden vonnöten. Deshalb stelle auch die Lernmotivation als Bindung zum selbstorganisierten Lernen einen etwaigen Faktor dar (Deitering 1996: 155). Auch löse das selbstorganisierte Lernen zunächst Frustrations-erlebnisse aus (Dietrich 1999: 19). Ebenso paradox erscheint, dass das selbstorganisierte Lernen den Lernenden die vermeintliche Befreiung von den Fesseln der Fremdsteuerung versprechen mag, diese jedoch keineswegs positiv reagieren (Dietrich 2001b: 11). So konstatiert Fuchs-Brünninghoff, dass der kritische Punkt in der Einbindung in die Institution liege (ebd. 1999: 10). So erwächst bei der Einbindung des selbstorganisierten Lernens in die Institution Schule, bedingt durch die hemmenden Rahmenbedingungen, die von dieser ausgehen, wie beispielsweise der Orientierung an Anforderungen von außen, einer zielorientierten Lehre und der Selektion leistungswilliger Individuen, die Notwendigkeit einer Strukturierung des Lernens (Lehner 2001: 15f.). In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll auf strukturbringende kooperative Lernformen zurückzugreifen.
Das zentrale Problem im wissenschaftlichen Diskurs, welches letztendlich zur weiteren Verengung der Sichtweise beiträgt, ist die mangelnde Forschungslage zur Sicht der Lernenden. Anhaltspunkte kann eine Befragung im Rahmen des so genannten SeGeL Projektes zum selbstgesteuerten Lernen in der Weiterbildungspraxis geben.
Aus der Befragung lässt sich ein klarer Widerspruch seitens der Lernenden erkennen. So wurde die Gruppensituation für viele Lernende als wichtiges Element für einen erfolgreichen Lernprozess gesehen, jedoch von anderen, teilweise sogar der gleichen Lerngruppe an-gehörend, als explizit hemmend für das Lernen wahrgenommen. Als nachteilig angesehen wurden dabei „zu viele Diskussionen“, die ungleiche Arbeitsverteilung in der Gruppe und das Fehlen einer klaren Struktur. Darüber hinaus ergaben sich Unsicherheiten, durch die Frage bedingt, ob das „Richtige“ gelernt wurde (Kraft 2001: 233). Weitere Kritikpunkte ergaben sich aus einer Orientierungslosigkeit und der Angst vor einer Projektentgleisung. Der Wunsch nach mehr Strukturierung seitens der Lernenden ging sogar soweit, dass mehrheitlich der Wunsch geäußert wurde, die Lernbegleitung solle sich aktiv an Gruppenprozessen beteiligen, um durch mehr Steuerung gruppendynamische Reibungsverluste reduzieren zu können (ebd.:233ff.).
Ein strukturversprechendes Prinzip, unter der Prämisse des selbstorganisierten Lernens, ist das als didaktische Grundidee zu verstehende „Sandwichprinzip“ von Diethelm Wahl. Dieses umfasst einen systematischen Wechsel von individuellen und kollektiven Lernphasen (Kühne 2012: 2). Dabei werden den Lernenden thematische und lernstrategische Orientierungen angeboten. Somit setzt die Realisierung eine klare Strukturierung der ablaufenden Prozesse voraus (Wahl 2006: 103).
Die Strukturierung der einzelnen Phasen zeichnet sich durch einen Einstieg, einen Wechsel von Gelenkstellen und Phasen kollektiver Vermittlung bzw. subjektiver Auseinandersetzung und letztlich durch einen Ausstieg aus. Dabei sind die Gelenkstellen als Übergangsstellen oder Schnittstellen im Sandwich von besonderer Bedeutung.
Die Gelenkstelle A kennzeichnet sich durch die Begrüßung der Teilnehmer. Darüber hinaus ist es möglich in Kürze eine Agenda vorzustellen (ebd.: 103f.).
Da das Sandwichmodell sowohl in einer einzelnen Unterrichtsstunde, als auch in einer ganzen Unterrichtsreihe, sich über mehrere Unterrichtsstunden erstreckend, Anwendung finden kann, versteht sich der Einstieg insofern als variabel, als dass die Dauer sich von wenigen Minuten bis 45 Minuten erstrecken kann. Der Einstieg soll den kommenden Lernprozess transparent machen. Dies ist zum einen möglich mit einer Agenda, die den geplanten Ablauf durchsichtig macht und eine zentrale lineare Anordnung ermöglicht, und zum anderen durch einen Advance Organizer, der eine vielfältige Vernetzung ermöglicht. Letzterer geht auf Ausubel (1974) zurück und versteht sich als eine im Voraus gegebene Lernhilfe. Eine weitere Funktion des Einstiegs ist das Anliegen, durch verschiedene Methoden, die Redeschwelle zu überwinden, um damit der anfänglichen Zurückhaltung in der Kommunikation und einer vorherrschenden Angst sich im Plenum zu äußern, zu begegnen. Mögliche Methoden sind an dieser Stelle beispielsweise das Partnergespräch oder das Kugellager. Auch das neue Zusammensetzen von Paaren oder Kleingruppen, auch als „mischen“ bezeichnet, kann durch eine resultierende Verminderung von Misstrauen und Distanz die Kommunikation erleichtern. Die letzte Komponente des Einstiegs betrifft die Ermöglichung einer Mitgestaltung, in dem zum einen, beispielsweise Interessen der Lernenden erhoben werden, oder zum anderen bereichsspezifische Vorkenntnisse erfasst werden.
Nach dem Einstieg kann auf zwei verschiedene Weisen fortgefahren werden. Zum einen kann eine Phase der kollektiven Vermittlung erfolgen, zum Beispiel durch eine Präsentation, einen Lehrervortrag, ein Referat oder eine Demonstration. Zum anderen kann eine Phase der subjektiven Auseinandersetzung folgen, indem die Lernenden beispielsweise ihre bereichsspezifischen Vorkenntnisse mittels der Methode der Struktur-Lege-Technik ordnen. Insgesamt geht es in der Phase nach Gelenkstelle A darum, in einer begrenzten Zeit, Expertenwissen oder auch wissenschaftliche Theorien prägnant, inhaltsvoll und anspruchsvoll zu präsentieren.
Die Gelenkstelle B zielt darauf ab, den nächsten Schritt einer subjektiven Auseinandersetzung zu organisieren. Die Organisation betrifft vornehmlich die Wahl der Sozialform. Dabei ist die Gruppengröße von entscheidender Bedeutung. An dieser Stelle kann der Grad an Autonomie, der den Lernenden zur Verfügung gestellt wird, durch die Lehrperson, entscheidend beeinflusst werden. So ist es möglich die Sozialformen vorzugeben oder in Kommunikation mit der Lerngruppe auszuhandeln. Daneben ist es jedoch auch möglich eine völlige Frei-stellung über Vorgehensweise und Sozialform zu gewähren.
Die auf die Gelenkstelle B folgende subjektive Auseinandersetzung ist dadurch gekennzeichnet, dass die Lehrperson sich zurückzieht und nicht mehr den Mittelpunkt des Geschehens darstellt. Hier betont Wahl, in Anlehnung an die Nürnberger Projektgruppe, dass die Lehrperson so wenig eingreifen solle wie möglich. Die Phase ist insbesondere dadurch gekennzeichnet, dass die Lernenden sehr unterschiedliche Bearbeitungszeit benötigen. Dennoch muss auf eine verbindliche Terminierung dieser Phase geachtet werden.
Eine besondere Bedeutung kommt deshalb der Gelenkstelle C zu, indem auf die verbindliche Einhaltung der zuvor festgelegten Bearbeitungszeit der vorangegangenen Phase geachtet werden sollte. Ein Ziel dieser Gelenkstelle ist den Lernenden die Möglichkeit der Überprüfung zu geben, ob das zuvor präsentierte Expertenwissen bzw. die Theorien für sie anwendbar sind oder ihnen bei einer kompetenten Bewältigung ihrer Anforderungen hilft. So besteht keine Notwendigkeit sämtliche Ergebnisse berichten zu lassen und zu diskutieren, sondern vielmehr sollten zum Beispiel exemplarisch wenige Probleme bzw. Lösungen erläutert werden, um sie dann miteinander zu vergleichen. Insofern kann der zeitliche Umfang der Gelenkstellen C sehr verschieden sein und u.U. eine Verarbeitungsphase in Mischgruppen vonnöten werden.
Der Ausstieg bahnt die Vertiefung des Verständnisses an und ermöglicht den Einbezug von transfersichernden Maßnahmen, um den Lernprozess nachhaltig zu gestalten. Darüber hinaus kann er zur Reflexion dienen oder Feedbackrituale einschließen.
Die letzte Gelenkstellen D kann genutzt werden, um verabschiedende Worte zu sprechen, Aufgaben zu verteilen, Hinweise zu geben oder diverse Dinge einzusammeln (ebd.: 103-113).
Um schlussendlich noch einmal auf das Problem der Definition zurückzukommen erscheint der Begriff der Selbstorganisation fehlplatziert. Dies begrünet sich wie folgt:
Unter der Prämisse, dass im Rahmen des Sandwichmodells, selbstorganisiertes Lernen in der Schule ein Konzept darstellt, welches einen methodischen Grundrhythmus vorsieht, handelt es sich um eine Vorgabe, die sorgfältig und systematisch seitens der Lehrperson geplant wird. Dementsprechend wäre der Lernprozess fremdorganisiert. Der einzig verbleibende Vorgang, der den Lernenden bleibt, ist in Teilen die Steuerung eines konstituierten und fremd-organisierten Vorgangs. Demnach müsste in der Diskussion von einem dem Lerner ein-geräumten höheren Grad an Selbststeuerung in Teilen des Lernprozesses gesprochen werden und nicht vom selbstorganisierten Lernen.
Folglich ist an dieser Stelle festzustellen, dass es sich in der aktuellen Diskussion um das selbstorganisierte Lernen und den damit intendierten didaktischen Veränderungen vor-nehmlich die x-Achse des Modells von Knoll und somit schlussendlich nur der Grad der Selbst- bzw. Fremdsteuerung variiert wird, woraus sich folgende, in Abb. 2 ersichtliche, Modifizierung ergibt.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
2.4 Das Gruppenpuzzle (Jigsaw)
Zunächst einmal ist festzustellen, dass die Befundlage zum Gruppenpuzzle nicht eindeutig ist. Dies liegt mitunter daran, dass die Methode im Laufe der Zeit durch eine Vielzahl von Autoren, teils gestützt durch empirische Untersuchungen, abgeändert wurde.
Der Ursprung der Methode fällt auf Aronson zurück und ist unter dem Namen „Jigsaw I“ bekannt. Die durch Slavin veränderte Methode namens „Jigsaw II“ beruht zwar auf den Mechanismen des Vorgängers, sie sieht jedoch durch die Etablierung des so genannten „Student-Team-Achievement-Divisions“ (STAD)-Systems eine Testung der individuellen- und der Gruppenleistung vor (Slavin et al. 2003: 272). Folglich handelt es sich um eine gänzlich andere Methode, was noch deutlicher in der deutschen Namensgebung, der „Gruppenrallye“, zu erkennen ist.
Unter den Gesichtspunkten dieser Differenzierung fallen auch die empirisch nachgewiesenen Effektstärken in der Metaanalyse Slavins unterschiedlich hoch aus. So lag der Median der in acht Studien ermittelten Effektstärke bei ES=0,12 für das Gruppenpuzzle (Jigsaw I) und bei ES=0,32, gemessen an 26 Untersuchungen, für die Gruppenrallye (Jigsaw II). Bezüglich der Effektstärken letzterer Methode variieren die Effektstärken, je nach Standardisierung (Wellenreuther 2007:388). So zeigte Slavin (1996), dass bei einem Vergleich des Gruppenpuzzles mit einem lehrerzentrierten Unterricht ersteres nur in 27% (3) der angeführten Studien überlegen war.
Die Modifizierung der Methode durch verschiedenste Autoren (z.B. durch Klippert 1998, Lindemann 2000, Mathes 2002, Herold & Landherr 2003) bei identischer Namensgebung lässt es nicht zu, eine pauschale Aussage zur Effektivität zu treffen.
Aronson (1978) zur Folge verbessern sich die Lernergebnisse beim Gruppenpuzzle um 17 % (Aronson et al. 1978: 117). Diese Tendenz konnte von Newmann & Thompson (1987) bestätigt werden, wobei auch sie betonen, dass Jigsaw II bessere Ergebnisse erziele (Mattingly & VanSickle 1991: 394). Darüber hinaus konnte Aronson et al. (1978) eine Verbesserung der Selbstständigkeit, der Verantwortungsbereitschaft und der Empathie-fähigkeit feststellen (Aronson et al. 1978: 116-120).
Untersuchungen im deutschsprachigen Raum gehen insbesondere auf Hänze & Berger zurück. Neben dem Lernerfolg untersuchten sie den Einfluss des Gruppenpuzzles auf die Motivation anhand der Selbstbestimmungstheorie von Deci & Ryan Hinsichtlich der Leistungen der Schüler in einem durchlaufenen Wissenstest unterschieden sich diese nicht im Vergleich des Gruppenpuzzles zum Frontalunterricht. Ihre Untersuchungen deuten zwar an, dass sich die Methode günstig auf die grundlegenden Bedürfnisse der sozialen Eingebundenheit, der Autonomie und des Kompetenzerlebens auswirkt, jedoch hängt dies stark vom Thema ab (Berger & Hänze 2004). Methodisch zu bemängeln ist allerdings, dass in der beschriebenen Studie die Auswertung nicht über Residuen erfolgte und in den Wissenstests unterschiedliche Aufgaben gestellt wurden. Eine methodisch vielversprechende Studie ist hingegen die von Tepner et al. (2009). Sie zeigt, dass das Gruppenpuzzle zu einem signifikant höheren Wissenszuwachs im Vergleich zum Frontalunterricht führt. Auch hier wird die in der Literatur weitläufig verbreitete These, dass insbesondere das Lernen in Expertengruppen den Lerner-folg des Gruppenpuzzles maßgeblich bestimme, bestätigt. So schnitten die Experten bei ihrem eigenen Thema hochsignifikant besser ab.
Neben dem erwähnten Problem, dass die Methode des Gruppenpuzzles in der Vergangenheit starker Modifizierung unterlag, ergibt sich jedoch die Frage nach weiteren Gründen für die, nun auch im deutschen Sprachraum, auffällig unterschiedlichen Ergebnisse hin-sichtlich der
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