Komik-Konzepte im interkulturellen Vergleich. Das Beispiel „The Office“ / „Stromberg“


Bachelorarbeit, 2013

104 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsbestimmung
2.1 Humor
2.2 Komik
2.3 Lachen

3. Komiktheorien
3.1 Die Inkongruenztheorie
3.2 Aggressions- bzw. Überlegenheitstheorie
3.3 Die Entspannungs- bzw. Abfuhrtheorie

4. Methodische Vorgehensweise
4.1 Eine Einführung in die multimodale Analyse
4.2 Der Analysekorpus

5. The Office
5.1 Einordnung
5.2. Entstehung und Entwicklung
5.3 Abriss von The Office

6. Stromberg
6.1. Einordnung
6.2. Entstehung und Entwicklung
6.3. Abriss von Stromberg

7. Analyse von Komik-Konzepten
7.1 The Office - Analyse
7.1.1 David Brent
7.2 Authentizität in The Office
7.3 Tragikomik in The Office
7.4. Fremdscham in The Office
7.2. Stromberg - Analyse
7.2.1. Bernd Stromberg
7.3. Authentizität in Stromberg
7.4. Tragikomik in Stromberg
7.5. Fremdscham in Stromberg

8. Interkulturelle Komik-Konzepte
8.1 Wie kulturspezifisch ist Komik?
8.2. Typisch deutsch vs. typisch englisch
8.2.1. Typisch deutsch
8.2.2.Typisch englisch
8.3 Zusammenfassung:

9. Vergleich: The Office vs. Stromberg

10. Fazit

Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Am 11. Oktober 2004 wurde die erste Folge von Stromberg auf ProSieben ausgestrahlt und das Feuilleton überschlug sich mit Lobpreisungen. Innovativ sei die im naturalistischen Dokumentarstil gedrehte Comedy- Serie, unkonventionell ihre Charaktere, erfrischend ihre Komikstrategien und herausragend die schauspielerischen Leistungen. Aber die Freude über ein Comedy-Format, welches endlich einmal nicht die bereits zu Tode belachten Strukturen der üblichen Komikprodukte des Privatfernsehens aufgriff und sich auf einem neuen, zuvor noch unberührten Terrain versuchte, wehrte nur kurz, denn: Das Terrain wurde schon betreten, drei Jahre vorher und von wem? Natürlich von den Engländern. Bereits drei Jahre zuvor produzierte ausgerechnet das, zumindest aus deutscher Sicht, Mutterland der Komik, eine Serie namens The Office. Ihre Markenzeichen: Ein naturalistische Dokumentarstil, unkonventionelle Charaktere, erfrischende Komikstrategien und herausragende schauspielerische Leistungen. Im Mittelpunkt steht ein Chef, bei dem man sich fragt, wie es überhaupt dazu kommen konnte. Allerdings ist sein Name nicht Bernd Stromberg, sondern David Brent. Und er verkauft keine Versicherungen, sondern Papier.

Trotz dieser kleinen Unterschiede drohte die BBC kurz nach der Erstausstrahlung von Stromberg mit einer Klage, da man darin ein Plagiat von The Office gesehen haben will. Kurz darauf einigten sich beide Parteien außergerichtlich auf die Zahlung einer nicht genannten Summe, sowie den Zusatz im Abspann von Stromberg: „Inspired by The Office".

Dennoch wurden die Beteiligten von Stromberg nicht müde, die Unterschiede beider Serien zu betonen. So erklärte ProSieben-Sprecherin Brigitte Bischoff gegenüber der Zeitschrift Scotsman:

„The Stromberg character had its origins in a German comedy, called Anke, which was aired some time ago, which featured a nightmare boss, and it was felt that this nightmare boss would make a good central character in his own right. I'm sure that people will see some of The Office in it, but the two are very different programmes. The British humour in The Office is very sarcastic and not really right for our audiences. Our programme is a German comedy, with German humour, and based on German culture" (http://www.scotsman.com/news/is-this- david-brent-s-doppelg-228-nger-1-1398730).

Hat sie Recht? Ist Stromberg ein dreistes Plagiat von The Office oder stehen sich die Serien nur stilistisch nahe? Ist Stromberg typisch deutsch und The Office typisch englisch? Genau diesen Fragen soll im Rahmen dieser Arbeit nachgegangen werden.

Zuvor müssen quasi als theoretische Unterfütterung, erst einmal die Grundbegriffe der Humor- und Komikforschung definiert werden: Humor, Komik und Lachen. Darauf aufbauend findet eine Betrachtung prominenter Komiktheorien statt, die zu erklären versuchen, wann und warum wir was komisch finden. An diese theoretische Basis anknüpfend, widmet sich die Arbeit in der Folge schließlich der genaueren Betrachtung von The Office und Stromberg. Nachdem beide Serien eingeordnet, deren Entwicklung skizziert und die Handlungsstränge nachgezeichnet wurden, kann dann schließlich eine Analyse der jeweiligen Komik-Konzepte[1] stattfinden. Dazu werden exemplarisch Szenen transkribiert und multimodal analysiert.

Um dem Vorwurf einer Rasterfahndung entgehen zu können, findet ein Überblick über das, was als typisch deutsche bzw. typisch englische Komik gilt, erst im Anschluss an diese Analyse statt. Dabei wird zu allererst der Frage nachgegangen, wie kulturspezifisch Humor wirklich ist und anschließend ein Blick auf den Mentalitätshintergrund des deutschen und englischen Humors geworfen, klassische Archetypen und Ausdrucksformen herausgestellt und die Komik-Entwicklung des 20. und 21. Jahrhundert nachgezeichnet. Daraufhin kann dann schließlich festgestellt werden, ob Brigitte Bischoff tatsächlich richtig lag, als sie davon sprach, dass Stromberg „German comedy, with German humour" sei.

2. Begriffsbestimmung

Über Humor und Komik zu schreiben erweist sich nach einem ersten Blick in anerkannte Forschungsliteratur als entweder schier unmögliches oder zumindest tunlichst zu unterlassendes Unterfangen. Von verzweifeltpessimistischen Passagen, bis hin zu resignierenden Erkenntnissen aus den Bereichen der Philosophie, Physiologie, Anthropologie, Psychologie und Soziologie, wie auch Religions- und Kunstwissenschaften, die vor „terminologischen Fallstricken" (Wirag 2011, ) warnen oder von vorne herein davon abraten, sich überhaupt mit der Thematik auf wissenschaftlichanalytische Art und Weise auseinanderzusetzen, denn: „Komisch ist also etwas oder muß es sein, mit dem man - grausamer- und angenehmerweise - nicht fertig wird, schon gar nicht durch eine Theorie." (Marquard 1976, 143)

E.B. White geht sogar noch ein Stück weiter und proklamiert den Tod des Humors als Folge einer analytischen Annäherung: „Humor kann viviseziert werden wie ein Frosch, doch wie dieser stirbt auch jener während der Prozedur." (zit. nach Gernhardt 1988, 253) Warnungen wie diese sind nur bedingt ernst zu nehmen, schließlich haben sich nur die wenigsten Warnenden selbst daran gehalten und ihren Aufsatz nach nur einem Satz, der Komik und Humor als unmöglich zu beschreiben erklärt, beendet. Und so wird auch hier nicht davor zurückgeschreckt, den Versuch zu wagen, eine begriffliche Differenzierung vorzunehmen und die verschiedenen, oft synonym verwendeten Termini voneinander abzugrenzen. Zwar erschwert die vorhandene Definitionspluralität eine allgemeine Begriffsfestlegung durchaus, dennoch ist es zum Zwecke der Übersicht und Vollständigkeit ein unerlässliches Unterfangen. (vgl. Knop 2007, 71) Im folgenden Kapitel werden nun also die für diese Arbeit thematisch relevanten Begriffe erläutert und voneinander abgegrenzt.

2.1 Humor

Wie bereits erwähnt, ist eine allgemeingültige Begriffsbestimmung, eine konsensfähige Definition des Begriffs Humor nahezu unmöglich. Trotz unzähliger Definitionen, die sich teilweise grundlegend, teilweise nur in Nuancen unterscheiden, herrscht noch immer kein wissenschaftlicher Konsens. Das Fehlen einer umfassenden Theorie ist den zahlreichen situativen, sozialen und kommunikativen Variablen, in Bezug auf seine Entstehung, seine Wirkung und seine Rezeption, geschuldet, die bisher noch nicht in Einklang gebracht werden konnten.

Hier soll es im Übrigen noch nicht zu einer Darlegung verschiedener Humor- bzw. Komiktheorien kommen - dies ist in Kapitel 3 der Fall - sondern um eine etymologische Betrachtung und eine für den Rahmen dieser Arbeit notwendige Begriffsdefinition, die allerdings keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt. Dennoch muss sie erfolgen, um eine konsistente Nutzung des Begriffs gewährleisten zu können.

Der Begriff Humor bedeutet in seiner ursprünglich lateinischen Form so viel wie Flüssigkeit, wird aber in seiner modernen, alltagssprachlichen Gebrauchsform als „Begabung eines Menschen, der Unzulänglichkeit der Welt und der Menschen, den alltäglichen Schwierigkeiten und Missgeschicken mit heiterer Gelassenheit zu begegnen" (Das Herkunftswörterbuch 2007, Lemma Humor) verstanden. In diesem Zusammenhang ist es ein recht junger Begriff. Bevor er diese grundlegende Bedeutungsänderung erfahren hat und 1682 in England erstmals in dem heutigen Kontext gebraucht wurde (vgl. Bremmer / Roodenburg 1999, 9), ging seine Verwendung auf die mittelalterliche Temperamentenlehre zurück. Laut Hippokrates und Galen wirken verschiedene Säfte im Körper des Menschen, die in ihrer Gesamtheit das seelische Befinden des Menschen bedingen. Diese medizinische Theorie wird auch als Humoralpathologie bezeichnet. (vgl. Knop 2007, 72)

Im England des 16. Jahrhunderts war mit Humor ein negativ konnotiertes, exzentrisches Verhalten, verwandt mit Melancholie und Hypochondrie, gemeint (vgl. ebd.). Generell kann Humor als ein ursprünglich englischer Begriff bezeichnet werden. In seinem Roman Les Miserables aus dem Jahr 1862 sprach Victor Hugo beispielsweise noch „jene englische Sache, die man Humor nennt" an (zit. nach: Dimova 2008, 8). Auch in der niederländischen Republik wurde Humor noch im Jahre 1765 als etwas bezeichnet, dass man praktisch nur auf dieser Insel findet, und Gotthold Ephraim Lessing bezeichnete Humor stets als englischen Import (vgl. Bremmer / Roodenburg 1999, 10).

Seit dem 18. Jahrhundert ist der Begriff positiv besetzt. So galt er in seinem Mutterland England zwischenzeitlich als Kardinaltugend und wurde zu einem Schlüsselwort der Humanität (vgl. Schmidt-Hidding 1963, 159). Seit dem 19. Jahrhundert beschreibt Humor die Grundhaltung, menschliche Unzulänglichkeiten mit Gelassenheit und Heiterkeit zu ertragen und ist seitdem unserem heutigen Humorverständnis sehr nahe (vgl. ebd.). Auch heute wird Humor in der Regel als kommunikative Fähigkeit betrachtet, die Realität durch eine heitere Grundstimmung positiv einzufärben und, trotz aller Unzulänglichkeiten des Lebens, diese heitere Grundstimmung fortzuführen (vgl. Marhenke 2003, 25). Kotthoff beschreibt Humor als „eine Haltung oder Gefühlslage, in der man [...] Komik würdigen kann und sich in einer Stimmung der Heiterkeit befindet" (Kotthof 1998, 46). So wird der Begriff Humor auch in dieser Arbeit verwendet. Humor also einerseits als „rezipientenseitige Verstehensleistung eines Humorangebots" (Diekmannshenke / Reif 2010, 134) bzw. als theoretische Beobachtungsund Interpretationsperspektive, „die wirksam wird, wenn wir bestimmte Phänomene als komisch wahrnehmen und bewerten" (Schmidt 2008, 282). Andererseits als kognitive Fähigkeit und als Haltung, bezogen auf die individuellen Lebenseinstellung und Charaktereigenschaft[2] eines Menschen. Zudem dient Humor sowie als Voraussetzung, intendierte Komik überhaupt erst generieren zu können (vgl. Knop 2007, 73).

Humor wird hier also als die Verbindung zwischen (Komik- )Produktion und (Komik-)Rezeption verstanden (vgl. Kotthof 1998, 46). Oder, um es mit dem Satiriker Robert Gernhardt zusammenzufassen: „Humor ist eine Haltung, Komik das Resultat einer Handlung. Humor hat man, Komik macht oder entdeckt man" (zit. nach: Zehrer 2001, 29).

Neben diesem (produktions-)ästhetischen Verständnis von Humor als unernsten Modus der Kommunikation, der Komik verursacht, integriert und versteht, wird Humor oft auch synonym zu dem Begriff Komik verwendet (vgl. Preisedanz 1972, 100). Dieser, der Beliebigkeit nahestehenden Verwendung von Humor als Sammelbegriff alles Komischen, schließen wir uns, ganz im Sinne Schopenhauers[3], hier nicht an.[4]

2.2 Komik

Ähnlich wie bei Humor, erweist sich auch bei dem Begriff der Komik ein definitorischer Eingrenzungsversuch als sehr schwierig. Laut Siegfrid J. Schmidt zeige sich bei dem Definitionsversuch des Komischen „deutlich, daß es sich hier um ein prinzipiell zum Scheitern verurteiltes Unterfangen handelt. Ein kontextdeterminierter pragmatischer qualitativer Begriff wie ,Komik' ist aus logischen Gründen nicht ahistorisch definierbar" (Schmidt 1976, 169). Dennoch ist auch hier für den weiteren Verlauf der Arbeit eine begriffliche Eingrenzung notwendig. Dabei soll es aber nicht um spezifische Kommunikationsformen gehen, die Komik generieren bzw. um die Frage, was oder warum etwas komisch ist - die Antwort auf diese Frage versucht Kapital 3 im Hinblick auf verschiedene, ausgewählte Komiktheorien zu leisten - sondern um eine allgemeine Begriffsbestimmung und Betrachtung der etymologischen Wortherkunft.

Es lässt sich problemlos sagen, dass Komik vom griechischen Wort komikos, was übersetzt scherzhaft bedeutet, abgeleitet wurde (vgl. Duden 2007, Lemma Komik). Daraus entwickelte sich der französische Begriff comique, welcher schließlich zu der allgemeinen Bedeutung im deutschen Sprachgebrauch geführt hat (vgl. Kablitz 2000, 289). Komisch sind nach Kablitz „Gegenstände, Ereignisse, Sachverhalte und Äußerungen, die Lachen verursachen, bzw. die Eigenschaft, die diese Wirkung erzeugt" (ebd.). Auf die Funktion des Lachens wird in Kapitel 2.3 nochmal gesondert eingegangen, dennoch sei bereits hier erwähnt, dass Komik weder zwangsläufig das Lachen zur Folge haben muss, noch, dass der Vorgang des Lachens immer eine Reaktion auf etwas Komisches ist (vgl. Zehrer 2001, 26). Die Form der Komik kann dabei sowohl eine konkrete sprachliche Äußerung sein, allerdings auch ein abstrakter Vorgang, wie eine Bewegung, eine Situation oder eine Idee (vgl. Knop 2007, 75). Dabei ist Komik immer die „reale Erscheinungsform" (Lopez 2005, 91) einer „ästhetische Kategorie, die den Widerspruch von Ideal und Wirklichkeit sowie den von Schein und Sein wertet und sinnfällig macht" (zit. nach Lopez 2012, 85).

Es wird sich hier primär einer Kombination aus pragmatisch orientiertem und sozio-anthropologischem bzw. psychologischem Definitionsansatz angeschlossen. Der pragmatische Ansatz besagt: „Komisch ist, worüber gelacht wird" (Zehrer 2001, 20). Erneut mit der Einschränkung, dass Komik und Lachen nicht zwangsläufig Hand in Hand gehen müssen.

Darüber hinaus ist Komik keine absolute, am Objekt orientierte Kategorie, sondern stets abhängig von der subjektiven Rezeption. Denn laut Janetzky „gibt [es] nur das von einem Subjekt aus Komisierte, das komisch Gefundene, Gesehene, Gestaltete, in die komische Perspektive Gerückte" (zit. nach Müller-Kampel 2011, 22). Intendierte, aber nicht als solche dekodierte Komik ist demnach im Prinzip nicht existent. Ob eine intendiert komische Handlung auch als komisch erkannt wird oder ob eine nicht- intendiert komische Handlung dennoch eine komische Wirkung hat, hängt darüber hinaus von kulturellen, situativen und individuellen Faktoren ab. Während Alexander Brock in „Blackadder, Monty Python und Red Dwarf - eine linguistische Untersuchung britischer Fernsehkomödien" prägnant zusammenfasst, was das Komische ist[5], kann auch dieser Abschnitt über Komik mit dem bereits erwähnten Zitat Robert Gernhardts abgeschlossen werden, dem wir uns auch hier erneut nur anschließen können: „Humor ist eine Haltung, Komik das Resultat einer Handlung. Humor hat man, Komik macht oder entdeckt man" (zit. nach: Zehrer 2001, 29).

2.3 Lachen

Auch wenn wir den Vorgang des Lachens, bestehend aus krampfhaften Kontraktionen der Gesichtsmuskulatur und einer ruckartigen Entspannung des Zwerchfells, meist intuitiv als eine Reaktion auf ein komisches Kommunikat verstehen, ist es wichtig, dieses physiologische, reflexartige Phänomen nicht ausschließlich mit Komik in Verbindung bringen. Robert R. Provine kam nach verschiedenen Studien sogar zu dem Ergebnis, dass nur etwa 20 Prozent des konversationellen Lachens als Reaktion auf etwas Komisches zurückzuführen ist (zit. nach Marhenke 2003, 27). Generell kann Lachen während einer sozialen Interaktion verschiedene Aufgaben erfüllen. Aus der Tatsache, dass der aktive Sprecher in einer Konversation um fast 46 Prozent häufiger lacht als der durchschnittliche Zuhörer, zeigt sich, dass Lachen darüber hinaus nicht nur eine Reaktion auf etwas Komisches sein kann, sondern viel mehr als Stimuli für weiteres Lachen bzw. Markierungen eines komischen Wortbeitrags zu verstehen ist (vgl. ebd.). Exemplarisch für die Richtigkeit dieser Beobachtung ist Lachreaktion eines Studiopublikums bzw. die Verwendung von Lachkonserven, wie sie bei verschiedenen Sitcoms zum Einsatz kommen, welche nicht nur eine komische Passage signalisiert, „sondern auch daran beteiligt ist, beim Fernsehrezipienten eine Stimmung der Heiterkeit zu erzeugen" (Brock 2004, 41). Auf Komik zurückzuführendes Lachen ist also als spezifische Leistung zu sehen, an deren „Konstitution sowohl Produzent als auch Rezipient [...] Anteil haben" (ebd.).

Darüber hinaus gibt es, wie erwähnt, zahlreiche Gründe zu lachen, die ohne komischen Anlass auskommen. Dazu zählen laut David H. Monro u.a. „Lachgas, Nervosität, der Triumph des Siegers, Freude und Hochstimmung, sowie der Kitzel" (zit. nach ebd., 40). Brock stellt ergänzend fest, dass Lachen empirisch nur schwer zu erfassen ist, da es sich „nicht monokausal auf eine objektive Quelle" zurückführen lässt (ebd.). Lachen ist sowohl multifunktional, als auch multikausal, kann Komik (mit- )erzeugen und von Komik erzeugt werden; beides ist aber nicht zwangsläufig der Fall (ebd., 41f.). Zusammenfassend konstatiert Brock: „Es gibt amüsiertes Lachen, Lachen ohne Amüsement und Amüsement ohne Lachen" (ebd.).

Die Einschätzung Kants, der dem Lachen ausschließlich positivvergnügliche Eigenschaften zuschrieb (vgl. Marhenke 2003, 27), teilen wir hier nicht. In der sozialen Interaktion kann Lachen zwar eine positive Kommunikationsbasis signalisieren, aber auch im „Zusammenhang mit Dominanz und Submission bzw. Akzeptanz und Ablehnung" (ebd.) stehen. Es sollte zwischen dem natürlichen, dem ehrlichen Lachen, und dem affektierten, unehrlichen Lachen unterschieden werden. Neben dem Lachen, das als Resultat der oben aufgeführten Stimuli fungiert, gibt es u.a. das ironisch-arrogante Lachen, z.B. als Reaktion auf eine zwar komisch intendierte, aber nicht als komisch empfundene Äußerung oder Situation, sowie das aggressive Auslachen, oft verbunden mit den Komikformen Spott, Sarkasmus oder Zynismus (vgl. Zgoll 2005, 468f.).

3. Komiktheorien

Nachdem besprochen wurde wie bestimmte komische Spielarten in dieser Arbeit zu verstehen sind, wie sich Humor und Komik unterschieden und was sie überhaupt bedeuten, muss ebenso ein Abriss von Komiktheorien erfolgen. Bezogen auf die bereits vorgenommenen Definitionen von Humor und Komik, wird hier Abstand von der ebenfalls gebräuchlichen Bezeichnung Humortheorien genommen, und stattdessen die Bezeichnung Komiktheorien verwendet. Diese Komiktheorien werden mitunter auch als Theorien des Lächerlichen oder Theorien des Lachens bezeichnet, beschreiben aber tatsächlich das Komische (vgl. Knop 2007, 45).

Auch wenn Komiktheorien aufgrund ihrer Vielfalt begrifflich und theoretisch als eher schwer zu erfassen gelten, herrscht im Großen und Ganzen doch Einigkeit über die drei großen Komiktheorien, die auch im folgenden erklärt werden sollen: Die Inkongruenztheorie, die Aggressionsbzw. Überlegenheitstheorie und die Entspannungs- bzw. Abfuhrtheorie (vgl. Diekmannshenke / Reif 2010, 134). Die Auswahl dieser Theorien erfolgt aber nicht einzig und allein aufgrund ihrer allgemeinen Prominenz, sondern auch aufgrund Attardos vorgenommener Kategorisierung von Komiktheorien. Er schlägt drei übergeordnete Kategorien vor, aus denen hier jeweils eine zugehörige Theorie genauer erklärt wird:

1. Die kognitiven Theorien, wozu die Inkongruenztheorie gezählt wird.
2. Die sozialen Theorien, wozu die Aggressions- bzw. Überlegenheitstheorie gezählt wird.
3. Die psychoanalytischen Theorien, wozu die Entspannungs- bzw. Abfuhrtheorie gezählt wird. (vgl. Attardo 1994, 47)

Eine vollständige Erklärung, was nun als komisch empfunden wird, warum wir über bestimmte Dinge lachen, kann hier natürlich nicht erfolgen. Denn, nach Peter Berger würde so das größte Mysterium der Menschheitsgeschichte gelöst werden[6], was bei allem wissenschaftlichen Ehrgeiz nicht der Anspruch dieser Arbeit sein kann.

3.1 Die Inkongruenztheorie

Die Inkongruenztheorie gilt gemeinhin als die am stärksten akzeptierte Theorie des Komischen (vgl. Gruner 1997, 24), weswegen es kaum überrascht, dass die Forschungsliteratur zu dieser Thematik nicht nur überaus umfangreich ist, sondern sich ebenso über einen langen Zeitraum erstreckt (vgl. Brock 2004, S. 28). So gilt zwar Schopenhauer als derjenige, der den Terminus der Inkongruenz erstmalig im Hinblick auf einen komischen Erwartungsbruch benutzte[7], dennoch tauchen schon vor ihm bei Kant[8]und sogar bei Cicero[9], sowie Aristoteles[10] die Grundindee der Inkongruenztheorie auf (vgl. Brock 2004, 27). Allerdings wird dort der Voraussetzung des Lachens noch eine große Bedeutung zugemessen, die, wie bereits erklärt wurde, aber nicht zwangsläufig im Bezug auf Komik gültig ist.

Die Inkongruenztheorie geht davon aus, dass eine Bedingung für die Entstehung von Komik „die Einführung eines kommunikativen Elements ist, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Erwartung als inkongruent wahrgenommen wird" (Brock 2004, S. 28). Inkongruenz ist die Diskrepanz zwischen einer spezifischen Erwartung und dem, was tatsächlich eintritt. Paul McGhee fasst das Prinzip der Inkongruenz folgendermaßen zusammen:

„The notion of congruity and incongruity refer to the relationships between components of an object, event, idea, social expectation, and so forth. When the arrangement of the constituent elements of an event is incompatible with the normal or expected pattern, the event is perceived as incongruous (zit. nach Attardo 1994, 48)".

Brock ermittelt bei der Rezeption von Inkongruenzen eine vorläufige Phasenstruktur, die mit dem Aufbau und der Entwicklung einer Erwartung bzw. Disjunktion beginnt, d.h. mit dem Einsatz der Inkongruenz und - unter Vorbehalten - mit der Auflösung der Inkongruenz endet (vgl. Brock 2004, 61). Desweiteren stellt Brock eine sehr detaillierte Modellierung der Rezeption von Inkongruenzen auf, die sie als komplexe, phasenweise ablaufende, ebenensensible Kommunikationsvorgänge erklärt (vgl. ebd., 161-303). Sein ausführlicher Weg, von der „Etablierung eines komischen Modus über die Einführung der Inkongruenz bis hin zur Entwicklung von Inkongruenzen und Kombination von Inkongruenzen" (ebd., 303) kann hier aufgrund seiner Komplexität allerdings nicht nachgezeichnet werden.

3.2 Aggressions- bzw. Überlegenheitstheorie

Die Aggressions- bzw. Überlegenheitstheorie steht in einer jahrtausendealten Tradition und gilt als die älteste Theorie des Komischen (vgl. ebd., 29). Der Ursprung dieser Theorie geht auf Platon und Aristoteles zurück. Letzterer versteht die Komödie als nachahmende Darstellung niedriger Charaktere. Dabei wird eine Form von Hässlichkeit, die in das Gebiet der Lächerlichkeit gehört und niemandem weh tut bzw. Keinen Schaden anrichtet, in den Vordergrund gerückt (vgl. ebd., 30). Platon hingegen bezeichnete die Komödie als etwas Verwerfliches (vgl. Knop 2007, 46). Während in der Tragödie die Tugenden präsentiert werden, steht die Komödie im Zeichen des Gegensätzlichen, im Zeichen der „Nachahmung von hässlichen Leibern und hässlichen Gedanken" (ebd.). Die damals negativ konnotierte Bedeutung von Komik bzw. des Lachens als herabwertenden, moralisch fragwürdigen, verächtlichen Vorgang des Ver- bzw. Auslachens, der sowohl Platon als auch Aristoteles folgten, wird durch diese Definitionen sehr deutlich[11].

Generell geht die Aggressions- bzw. Überlegenheitstheorie von der These aus, dass Komik dadurch entstünde, dass „wir Menschen uns über die Schwächen anderer - und dabei insbesondere unserer Feinde - freuen" (Knop 2007, 46). Die Unterlegenheit einer anderen Person führt also zum eigenen Vergnügen, welches auf der dann eintretenden, eigenen Überlegenheit beruht. Laut Thomas Hobbes basiert die Überlegenheitstheorie darauf, dass die Menschen in einem ständigen Machtkampf miteinander stehen. So wird das Scheitern des Anderen zum eigenen Erfolg, was wiederum als komisch wahrgenommen wird (vgl. Hobbes 1959, 33f).[12]

Das Verhältnis zwischen Aggression und Überlegenheit besteht darin, dass als Überlegenheit die Wirkung bzw. Funktion der Aggression des Aggressors benannt wird, während die Herabsetzung das Ziel der Aggression bezüglich des Opfers markiert (vgl. Brock 2007, 54). Die Aggressionstheorie erfasst alle Fälle aggressiven Verhaltens, unabhängig davon, ob der Mächtige sie gegen den weniger Mächtigen ausübt oder „wer gestärkt oder geschwächt aus dem aggressive Akt hervorgeht" (Brock 2004, 370). Die Überlegenheitstheorie hingegen sucht im Wesentlichen nach Fällen, bei denen die Aggression als Resultat auch tatsächlich ein Gefühl der Überlegenheit hinterlässt (vgl. ebd.). Diese Differenzierung ist vor allem deshalb bedeutsam, um aufzeigen zu können, dass eine Aggression nicht zwangsläufig auch eine Überlegenheit des Aggressors zur Folge hat.

Alexander Brock hält fest, dass aggressiver Komik „eine gesichtsbedrohende Handlung zugrunde liegt, die zudem Züge des Inkongruenten aufweist" (Brock 2007, 54). Das Konzept der gesichtsbedrohenden Handlung wurde von Brown/Levinson eingeführt, die es als Handlungen definieren, die das positive oder negative face des Kommuniktationsteilnehmers angreifen (vgl. ebd). Als positives face wird die Persönlichkeit des Kommunikationsteilnehmers bezeichnet, mit dem Wunsch nach Akzeptanz und Bestätigung des jeweiligen Selbstbildes (vgl. ebd.). Das negative face entspricht dem Anspruch auf persönliche Freiräume und Ungestörtheit in diesen d.h. „Freiheit des Handelns und Freiheit von äußeren Zwängen" (ebd.).

An dieser Stelle muss angemerkt werden, dass Aggressor und Opfer nicht zwangsläufig unterschiedliche Personen, sondern, auch wenn es eher die Ausnahme ist, identisch sein können. Es sollte also die fremdinitiierte Herabsetzung von der selbstinitiierten Herabsetzung unterschieden werden (vgl. ebd., 55). Ebenso gilt es, bewusst intendierte Gesichtsverletzungen und unabsichtliche Gesichtsverletzungen zu unterscheiden (vgl. ebd., 56). Brock entwickelt folgende Kategorien, die bei Erfassung komischer Aggressionen zu beachten sind: „Wer ist Träger der Aggression? Wer hat die Initiative? Ist sich das Opfer der Aggression bewusst? Welche face-Dimension des Opfers ist bedroht? Auf welcher Kommunikationsebene befindet sich das Opfer?" (ebd., 60).

3.3 Die Entspannungs- bzw. Abfuhrtheorie

Als Hauptvertreter der Entspannungs- bzw. Abfuhrtheorie, die ihren Ursprung im 19. Jahrhundert durch den Philosophen Herbert Spencer hatte, kann Sigmund Freud genannt werden (vgl. Kotthof 1996, 12). Die Entspannungstheorie erklärt, dass das Lachen die plötzliche Befreiung von aufgestauten Energien im Nervensystem sei (vgl. Markhenke 2003, 48).Diese Energien entstehen aufgrund einer starken intellektuellen oder physischen Anregung und werden in Form zahlreicher Muskelbewegungen wieder ausgelassen: Man lacht. Das durch Komik induzierte Lachen gilt also als Abbau von aufgestauter Energie und Angespanntheit und mindert so innere Belastungen (vgl. ebd.). Freud schreibt dem Witz das Potential zu, „die Spannung zwischen Trieb- und Kulturerfordernissen zu regulieren" (Kotthof 1996, 12). Die Energie, die aufgewandt wird um bestimmte Triebe zu hemmen, kann im Witz freigesetzt werden und entlädt sich als Lachen (vgl. Freud 1986, 34f.). Er fungiert sozusagen als ein Ventil, um die im gesellschaftlichen Leben eigentlich tabuisierten feindseligen oder obszönen Tendenzen dennoch ausleben zu können. Der feindselige Witz erlaubt es uns zum Beispiel, das Lächerliche „am Feind zu verwerten, das wir entgegenstehender Hindernisse wegen nicht laut oder nicht bewusst vorbringen durften" (Freud 1986, S. 83), während der obszöne Witz uns gestattet, unverhüllt über eigentlich sexuelle Tabus zu sprechen (Freud 1986, 83).

Brock nennt darüber hinaus einen weiteren Aspekt der Entspannungstheorie, denn „das Komische gibt seinem Rezipienten nicht nur die Möglichkeit, aggressive und sexuelle Triebe, sondern auch eigene Schwächen, Probleme und Ängste auszuleben" (Brock 2004, 37), womit eine Abfuhr psychischer Probleme begünstigt wird.

4. Methodische Vorgehensweise

Komik ist stets als Teil eines komplexen kommunikativen Vorgangs zu betrachten. Die Essenz dieses Vorgangs in Gänze einzufangen und zu erklären ist trotz jahrhunderterlanger Forschung noch nicht gelungen. Demnach wurde bisher noch kein Modell zur Komikanalyse entwickelt, das Zugriff auf sämtliche Dimensionen komischer Kommunikation erlangen konnte. So plädiert Alexander Brock, dem selbst in seiner umfangreichen linguistischen Untersuchung britischer Fernsehkomödien keine ganzheitliche Modellierung von Komik und Humor gelingt, für eine holistische Herangehensweise (vgl. Brock 2004, 395). Anstatt sich auf nur eine Theorie zu beschränken, sollten nach Möglichkeit verschiedene Beschreibungsansätze kombiniert und je nach Forschungsgegenstand variiert bzw. unterschiedlich gewichtet und eingebracht werden. So erscheint es unsinnig, dieselbe Herangehensweise bei vergleichsweise simpel strukturierten Witzen, deren Komik vor allem über primär linguistisch orientierte Analysemethoden erfasst werden kann [13], wie bei der interpersonellen Scherkommunikation[14] oder multimodal dargebotener Fernsehkomik anzuwenden.

Fernsehkomik kann immer nur multimodal funktionieren und da in dieser Arbeit die Analyse von kulturspezifischen Komikkonzepten im Vordergrund steht, bietet sich hier eine multimodale Analyse an. Im Falle von The Office und Stromberg, entsteht Komik primär durch das Zusammenspiel konzeptuell-stilistischer Faktoren, sowie figurenbezogener Mimik, Gestik und Sprache. So erscheint es plausibel, die komischen Passagen stets im Hinblick auf das Zusammenspiel von Modes zu betrachten und, darauf aufbauend, die jeweiligen Komikstrategien zu identifizieren, um anschließend ergründen zu können, ob sie typisch deutsch, typisch englisch, beides oder gar nichts von alle dem sind. Natürlich erhebt auch die multimodale Analyse keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Für die Intention dieser Arbeit ist sie aber nicht nur geeignet, die Entstehung der Komik an sich nachzuvollziehen, sondern auch, um mögliche interkulturelle Unterschiede in ihrer Ausdrucksform und Darbietungsweise zu erkennen.

Da natürlich kein vollständiges Transkript der Serien bzw. sämtlicher komischer Sequenzen möglich ist, werde ich aus den inhaltsanalytisch ermittelten Mustern der Komikkonzepte, exemplarisch jeweils multimodale Transkripte ausgewählter Szenen erstellen, die als Grundlage der multimodalen Analyse fungieren.

4.1 Eine Einführung in die multimodale Analyse

Da man in der Bildlinguistik davon ausgeht, dass Kommunikation immer über mehrere Zeichensysteme verläuft, wurde in der jüngeren Vergangenheit für einen verbal turn in den Bildwissenschaften plädiert, der dazu führen soll, Sprache nicht mehr von allen potentiellen Störfaktoren isoliert zu betrachten, sondern mit anderen Zeichentypen verknüpft (vgl. Klemm / Stöckl 2011, 12).

Dazu dient die multimodale Analysemethodik „für multimodale Kommunikate, d.h. integrative Verbindungen von Sprache, Bild, Ton und paraverbalen Zeichensystemen" (Schneider / Stöckl 2011, 7). Dabei muss zwischen der Produktions-, Rezeptions- und Produktanalyse unterschieden werden, die alle an jeweils anderen Stellen ansetzen (vgl. Klemm / Michel 2013, S.16). Für unsere Zwecke wird die Produktanalyse, der eine multimodale Transkription zu Grunde liegt, bevorzugt.

Diese bietet die Möglichkeit eben jede Zeichentypen sowohl getrennt voneinander als auch in ihrem Zusammenspiel zu betrachten. „Dazu werden alle Zeichentypen [...] - also Sprache, Bild und Ton mit ihren diversen Subcodes - in einer multimodalen Verschriftung (Transkription) getrennt nach Zeichentypen dokumentiert und dann in ausführlichen Datensitzungen sozusagen in Zeitlupe in ihrem Zusammenwirken interpretiert" (ebd., 17).

Das Format der Transkription hängt von der jeweiligen Natur des Textes, sowie dem Ziel der Untersuchung ab (vgl. Schneider / Stöckl 2011, 29). Für unsere Zwecke teilt sich die multimodale Textur in die potentiell komikgenerierenden Zeichenmodalitäten Bildinhalt, Kamera (Einstellungsgröße, Perspektive, Kameraoption), Sprache/Ton/Schrift, Gestik, Mimik und Prosodie auf, mit der Absicht, die Komik in den jeweiligen Sequenzen erfassen und sie anschließend auf ihre potentielle Kulturspezifik hin untersuchen zu können. Komik entsteht nicht nur über das gesprochene Wort, sondern setzt sich, speziell im Fall von The Office und Stromberg, aus diversen Zeichenmodalitäten zusammen. Was rein sprachlich vielleicht noch nicht komisch wirkt, kann durch eine bestimmte Gestik, Kameraeinstellung oder Mimik pointiert und plötzlich doch als komisch rezipiert werden.

Zudem variiert die Reichweite der modes von Kultur zu Kultur, so kann bspw. einer bestimmten Gestik keine allgemeine Bedeutung zugeschrieben werden, sodass sie aus dem Gesamtkontext heraus und in Beziehung zu den restlichen modes betrachtet werden muss (vgl. Kress / van Leeuwen 2001, 112f.).

Auf die Transkription muss eine multimodale Textanalyse folgen, welche „die intra- und intermodalen Beziehungen der beteiligten Zeichenmodalitäten" (Schneider / Stöckl 2011, 32) deutet und mit Sinn anreichert. Die immanenten Potentiale der einzelnen Zeichensysteme müssen miteinander in Bezug gesetzt und als komplementäres Ineinandergreifen, welches Holly metaphorisch als „Reißverschluss" (zit. nach: ebd., 33) formuliert, verstanden werden. Da Kommunikate keine feste Bedeutung haben und „das Verstehen [.] vom Rezeptionskontext und auch von der Häufigkeit des Sehens" (ebd. 21) abhängt, steht und fällt die Analyse mit der Interpretationsleistung des Autors. Zwar ist individuelle Rezeption immer subjektiv und da es somit ein richtiges Verständnis eines Kommunikats nicht geben kann, trotzdem gilt es „zwischen >naiver< und >elaborierter< Rezeption zu unterschieden" (ebd. 20).

Da es im Rahmen dieser Arbeit weder möglich war, noch sinnvoll erschien, die komplette Staffel bzw. ganze Folgen zu transkribieren, musste eine Vorauswahl an zu transkribierenden Szenen getroffen werden. Dabei wurden speziell die Szenen ausgesucht, die beim wiederholten Sehen andeuteten, besonders ergiebig für eine Analyse der Komik bzw. deren Kulturspezifik zu sein. Eine weitere Schwierigkeit ergab sich aus der fehlenden Markierung von Komik. Im Gegensatz zu vielen Sitcoms, die mit einem Laughter-Track arbeiten, wodurch die Stellen bei denen Komik generiert werden soll, nochmal durch das Einspielen von Gelächter kenntlich gemacht wurden, fehlt diese Markierung bei The Office und Stromberg gänzlich. Das die ausgewählten Stellen aber tatsächlich auch als komisch intendiert waren, wird im Folgenden die Analyse selbst zeigen, die sie nicht nur als komisch interpretiert, sondern auch erklärt, warum diese Interpretation erfolgt ist.

4.2 Der Analysekorpus

Als Material für den Vergleich wurden die jeweils ersten Staffeln beider Serien ausgewählt. Bei The Office umfasst diese sechs Episoden, bei Stromberg sind es acht. Zwar existiert eine weitere Staffel von The Office, sowie zwei Extra-Episoden und Stromberg befindet sich inzwischen bereits in Staffel fünf, die im November 2011 ihre Premiere feierte. Dennoch wird sich hier ausschließlich auf die ersten Staffeln konzentriert. Nicht nur, weil eine Einbeziehung der restlichen Episoden den Rahmen endgültig sprengen würde, sondern vor allem da davon ausgegangen wird, dass sich eine Serie zu Beginn im größtmöglichen Naturzustand befindet und nicht durch interne Entwicklungen, institutionelle Vorgaben oder sonstige dynamische Prozesse, die bei der Produktion fortlaufender Serien unausweichlich stattfinden, beeinflusst werden. Die Charaktere werden vorgestellt und den Zuschauern wird möglichst schnell das noch unverfälschte Wesen der Serie präsentiert. Aus diesem Grund bietet sich der Vergleich der ersten Staffeln besonders an. Auch deswegen, weil Stromberg The Office in der ersten Staffel konzeptuell noch am nächsten steht, während man sich in späteren Staffeln weitestgehend vom englischen Format zu emanzipieren versucht.

5. The Office

5.1 Einordnung

The Office ist, wie sich zeigen wird, nicht eindeutig einem TV-Genre zuzuordnen. Tatsächlich weist die Serie ästhetische Spiel- und Erzählformen unterschiedlicher Genres auf und kann, dank ihrer Eigenschaft verschiedene Formen zu kombinieren, als innermediale Hybridform bezeichnet werden (vgl. Schneider 1997, 14). So verbindet The Office nicht nur inhaltlichdramaturgische Merkmale einer Comedy-Serie und eines Dramas, sondern ist in seiner stilistischen Präsentation eindeutig der pseudo-naturalistischen Mockumentary[15] zuzuordnen, welche zwar regelmäßig komische Züge aufweist, aber nicht grundsätzlich als Spielart eines komischen Genres bezeichnet werden kann (vgl. Sextro 2009, 8).

Die Mockumentary orientiert sich an bzw. parodiert die formalästhetischen Eigenschaften einer Dokumentation, ist dabei aber völlig fiktiv und täuscht Wirklichkeit nur vor[16]. Das Genre der Mockumentary wird gerne als subversiv beschrieben, da es die nicht-fiktionale Objektivität und den Wahrheitsgehalt einer Dokumentation imitiert, und sich dabei konsequent an ihren Charakteristika orientiert, um sie entweder zu parodieren [17]oder auf satirische Weise ein kritischeres Medienbewusstsein zu fördern. Sie plädiert für ein intensiveres Hinterfragen medial bereitgestellter Informationen, da es den Status einer Dokumentation als ehrliche, journalistische Darstellungsform infrage stellt (vgl. Sextro 2009, 818). Sie zeichnet sich durch langsame Schnitte, eine wackelige Kameraführung, semi-professionelles Ausleuchten, teilweise verstecktes Filmen, bei denen die Protagonisten durch Fenster o.ä. beobachtet werden, sowie eine mögliche direkte Interaktion zwischen den Figuren und dem Kamerateam und somit ein potentielles Durchbrechen der vierten Wand aus (vgl. Sextro 2009, 49f). Mockumentaries sind einerseits bestrebt, eine dokumentarische Lesart durch die Imitation verschiedener dokumentarfilmtypischer Modi zu etablieren, andererseits findet häufig ein „Wechsel sich widersprechender dokumentarischer und fiktionaler Signale" statt, der es „dem Zuschauer unmöglich [macht], in die filmische Wirklichkeit einzutauchen" (ebd., 54).

Darüber hinaus wird The Office oft als Sitcom bezeichnet, was allerdings weniger auf eine fundierte Betrachtung der jeweiligen gattungstypischen Merkmale der Serie zurückzuführen ist, sondern auf den institutionellen- marketingtechnischen Gebrauch der Bezeichnung Sitcom, bezogen auf TV- Serien mit realen Darstellern, deren primäres Ziel die Unterhaltung durch Komik ist . Zwar sind situationskomische Elemente in The Office vorhanden, dennoch lassen sich einige typische Sitcom-Eigenarten nicht vorfinden. So ist die Handlung einer klassischen Sitcom episodengebunden, d.h. am Ende einer Episode ist in der Regel das zuvor aufgekommene Problem gelöst und der Ausgangszustand wiederhergestellt[18] . Sie zeichnet sich ebenfalls durch eine offensichtlich kulissenhafte Umgebung aus, wodurch die insgesamt wenigen Ortswechsel bedingt sind. Dies ist auch dem häufigen Aufzeichnen mit mehreren Kameras vor einem LivePublikum geschuldet. All diese Merkmale weist The Office nicht auf. Die Handlungsstränge sind auf unterschiedliche Arten zusammengesetzt, d.h. es kommt vor, dass eine Handlung innerhalb einer Folge abgeschlossen wird, allerdings gibt es auch Handlungen, die sich über mehrere Episoden oder sogar die ganze Staffel ziehen. Darüber hinaus finden zahlreiche Ortswechsel statt und es wird nicht vor einem Live-Publikum aufgezeichnet.

Somit erweist es sich als sinnvoll, The Office nicht als Sitcom zu bezeichnen. Denn obwohl Merchant und Gervais darauf abzielten, dass die Zuschauer die Serie nicht anders anschauen als eine Sitcom oder ein Drama[19], verteidigten sie sich doch von Beginn an dagegen, lediglich eine Serie im klassischen Stile einer Sitcom zu drehen: „We weren't trying to be too innovative but what we didn't want to do was just churn out another sitcom" (zit. nach: Walters 2005, 33). Das haben die Macher von The Office auch nicht getan, denn es greifen hier zahlreiche Sitcom-Formeln nicht. Dennoch sind die hybriden Eigenschaften von The Office deutlich zu erkennen und so lässt sich keine eindeutige Genre-Bezeichnung bestimmen. Da im Vordergrund der Rezeption dieser Serie aber die formal-ästhetischen Züge einer Mockumentary zu stehen scheinen, deckt diese Bezeichnung zwar noch nicht sämtliche Aspekte von The Office ab, ist aber sicherlich eine, die trotz fehlender Vollständigkeit der Sache gerecht wird. Vor allem wenn man die zunehmende Annäherung der verschiedenen Fernsehgenres untereinander bedenkt, besonders im Falle von Dokumentation/Sitcom: „In fact, over the past decade both documentary and sitcom have been changing in ways that make it harder to tell them apart, documentary seeking to ape the hermetic milieu, simplistic characterisation and easily digestible plotting of sitcom, sitcom trying to co-opt the seriality, associability and 'authencity' of docusoap" (ebd. 62).

5.2. Entstehung und Entwicklung

The Office feierte am 09. Juli 2001 auf BBC II Premiere. Ricky Gervais und Stephen Merchant, die beiden Schöpfer der Serie, arbeiteten erstmals für den Londoner Radiosender XFM zusammen. Nachdem XFM allerdings von Capitol Radio übernommen wurde, versuchte sich Gervais zeitweise als Entertainer, während Merchant einen Platz in BBCs Trainee Assistant Producer Scheme bekam. Als Teil dieses Programms musste Merchant ein Feature drehen und entschied sich dazu Gervais als fiesen Chef zu besetzen - ein Charakter, den Gervais schon einige Zeit zuvor entwickelt hatte.

Dieses 20minütige Feature sollte die Geburtsstunde von David Brent werden, denn Gervais spielte bereits in diesem Pre-Pilot zum späteren The Office, aufgezeichnet in einem Büro der University of London, wo Gervais tatsächlich für acht Jahre als Entertainment Officer arbeitete, die Hauptfigur unter diesem Namen. Aber nicht nur der Name war identisch mit dem späteren David Brent, den er in The Office verkörpern sollte, auch der Mockumentary-Stil wurde bereits angewandt. Weniger als gewolltes Konzept, viel mehr als notwendiges Übel aufgrund zeitlicher und finanzieller Engpässe, wie sich Stephen Merchant erinnert: „We shot in the documentary style because that was the quickest way to do to it" (zit. nach: Walters 2005, 7). Neben einzelnen Charakteren, dem Mockumentary-Stil, inklusive bewussten Spiel mit der Kamera, fanden sich auch verschiedene Szenen aus dem Pre-Pilot in der späteren Serie wieder.

Der Grundstein für The Office war gelegt. Dank seiner guten Kontakte, brachte Merchant das 20minütige Feature innerhalb der BBC in Umlauf, wo es schließlich dem dortigen Comedy Producer Anil Gupta vorgelegt wurde, welcher, zusammen mit dem Junior TV Comedy Producer Ash Atalla, dafür sorgen wollten, dass eine darauf aufbauende Serie produziert wird. Dieses Unterfangen erwies sich als nicht gerade unkompliziert, denn auf dem Papier klang eine Serie über den banalen Büroalltag in einer englischen Kleinstadt, mit dem vergleichsweise unbekannten Ricky Gervais in der Hauptrolle, nicht allzu schmackhaft. Nachdem Gervais und Merchant, mit Hilfe von Atalla und Gupta, die Verantwortlichen von BBC überzeugen konnten es nicht nur mit Gervais, der als Schauspieler vergleichsweise unerfahren war, in der Hauptrolle zu versuchen, sondern ihm und Merchant auch volle kreative Kontrolle im Bezug auf das Script, die Regie und sonstige produktionstechnische Bereiche zu geben, entschied BBC II- Controller Jane Root schließlich, dass eine offizielle Pilot-Folge, mit einem Budget über 90.000 Pfund, gedreht werden sollte. Diese überzeugte und so wurde eine Staffel, mit insgesamt sechs Folgen in Auftrag gegeben.

[...]

Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Komik-Konzepte im interkulturellen Vergleich. Das Beispiel „The Office“ / „Stromberg“
Hochschule
Universität Koblenz-Landau
Note
1,7
Autor
Jahr
2013
Seiten
104
Katalognummer
V276326
ISBN (eBook)
9783656692065
ISBN (Buch)
9783656692096
Dateigröße
1618 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
komik-konzepte, vergleich, beispiel, office, stromberg
Arbeit zitieren
Lukas Lohmer (Autor:in), 2013, Komik-Konzepte im interkulturellen Vergleich. Das Beispiel „The Office“ / „Stromberg“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/276326

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