Der Rationalismus von Descartes

Eine Darstellung seiner epistemologischen Methodik


Seminararbeit, 2008

21 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

Einleitung

1. Vorwort/Intention der Arbeit

Hauptteil
2.1 Allgemeine Definition des Rationalismus
2.2 Entwicklung des Rationalismus bis Descartes
2.3 Praktische Anwendung
2.4 Der kartesische Rationalismus als erkenntnistheoretische Methode
a) Der methodische Zweifel
b) Analytisches Verfahren
c) Das Cogito
d) Ein böser Geist?
e) Das Traumargument
f) Gott
2.5 Abgrenzung zum Empirismus
a) Descartes’ Position zum Empirismus
b) Das Wachsbeispiel
c) Die „idea innatae“
d) Tabellarische Gegenüberstellung von Rationalismus und Empirismus Schluss

3. Zur Begründung einer neuzeitlichen Methode

1. Vorwort / Intention der Arbeit

Meine Absicht bei dieser Arbeit ist es, die Methode des erkenntnistheoretischen kartesianischen Rationalismus darzustellen, um diesen anschließend kritisch aus dem Blickwinkel der Gegenwart zu reflektieren. Hierzu habe ich mich vorrangig auf Descartes‘ „Discours de la methode…“ und seine „Meditationes de Prima Philosophia“ gestützt, da sich in diesen Texten die wichtigsten theoretischen Passagen zu seiner wissenschaftlichen Arbeit finden lassen. Descartes selbst stellt einen enorm hohen Anspruch an seine Methode, wenn er schreibt: „Es haben schließlich einige Leute erfahren, dass ich eine gewisse Methode ausgearbeitet habe, um jedes beliebige wissenschaftliche Problem aufzulösen - keine neue Methode freilich, denn nichts ist älter als die Wahrheit, aber doch eine Methode, deren ich mich offensichtlich in andern Fragen nicht ohne Erfolg bediente.“ (Med. S.37). Was diese Methode nun verspricht und wirklich halten kann, soll im Folgenden herausgearbeitet werden, denn selbst wenn nichts älter als die Wahrheit wäre, so ist noch lange nicht geklärt, wie man die Wahrheit erkennen kann, was ebenso stutzend macht, als wenn Descartes versichert, mittels seiner Methode jedes beliebe wissenschaftliche Problem lösen zu können. Festhalten lässt sich aber sicherlich, dass selbst wenn Descartes seine Methode nicht als neu bezeichnet, diese doch bahnbrechend für seine Zeit war und auch in den folgenden Jahrhunderten einen enormen Einfluss nicht nur auf die Philosophie, sondern aufgrund seiner methodologischen Überlegungen allgemein auf sämtliche Wissenschaften hatte. Eben weil Descartes ein klassischer Eckpfeiler der Erkenntnistheorie ist, fällt sein Name auch sicher heute noch in der Diskussion um die richtige Methode, Wissen zu erlangen und die Wahrheit zu erkennen. Was Descartes nun genau in seiner Methodologie festgelegt hatte, wird im Hauptteil dieser Arbeit dargelegt; zunächst jedoch möchte ich mit einigen grundlegenden Erläuterungen beginnen, nämlich, was der Rationalismus allgemein bedeutet, woher diese Überlegung stammt und schließlich, wie er eine praktische Anwendung in den Wissenschaften erfährt.

2.1 Allgemeine Definition des Rationalismus

Unter einem erkenntnistheoretischen Rationalismus versteht man im Allgemeinen die Aussage, dass Wissen allein durch die Vernunft erschlossen werden kann. Daher auch die Ableitung des Begriffes von dem lateinischen Wort „ratio“, zu Deutsch also zu übersetzen als „Vernunftstandpunkt“. Hierbei wird davon ausgegangen, dass die Welt logisch aufgebaut ist und von daher dem menschlichen Geist als berechenbar unterworfen werden kann. Von jeglicher Erfahrung unabhängig, ist es also möglich, Erkenntnisse a priori zu gewinnen, sei es durch Berufung auf eingeborene Ideen („idea innatae“) oder durch die reine Tätigkeit des Denkens. Diese kognitive Leistung des Menschen wird zudem qualitativ höher geschätzt als ein Wissen, welches aus anderen epistemologischen Theoremen gewonnen werden kann. Eine systematische Anlehnung des Rationalismus an den exakten Wissenschaften, wie beispielsweise an die Mathematik und die Geometrie ist daher schnell skizziert. Im Folgenden aber gilt es, von der ursprünglichen Bedeutung des Begriffes „Rationalismus“ abzusehen, unter welcher eine religionsphilosophische, vernunftgemäße Auslegung theologischer Themen verstanden wird, obwohl auch hierbei der Impuls tätig wird, den Mythos durch den Logos abzulösen. Wie genau dies durch Descartes‘ Gedanken auf der Schwelle zur Neuzeit zu bewerkstelligen sei, soll nun weiter ausgeführt werden. Dazu ist es aber notwendig, einen kurzen Abriss zur Entwicklung des Rationalismus zu verstehen, um eben diese Wende zum neuzeitigen Denken klarer abgrenzen zu können.

2.2 Entwicklung des Rationalismus bis Descartes

So sehr man auch den Begriff des Rationalismus mit Descartes (1596 - 1650) in Verbindung zu bringen genötigt ist, gilt es trotzdem festzuhalten, dass es seit Anbeginn der westlichen Philosophie eine rationalistische Komponente im Denken der Philosophen gab, berücksichtigt man nur, dass es seit den Kosmologien der Vorsokratiker eine schroffe Gegenüberstellung zwischen einem blinden Götterglauben und den unterschiedlichsten Versuchen die Welt aufgrund ihrer gegebenen und wahrnehmbaren Eigenschaften zu erklären. Dass es zu gehäufter Beschuldigung der Gottlosigkeit dieser Denker kam, zeugt eben nur davon, dass diese sich ihrer Vernunft bedienten und die Philosophie vom Himmel auf die Erde tragen wollten. Die Vorstellung von den Elementen bis zu den Atomen sind klare rationalistische Versuche, die Beschaffenheit der Welt alternativ zum Mythos zu erklären. Allen voran sollte Pythagoras und seine Schule erwähnt werden, welche schon damals einen metaphysischen Wert der Zahlen im Bereiche der Erkenntnis postuliert hatten. Natürlich muss aber gerade ein solches Unternehmen eine Gegenbewegung hervorrufen, weshalb sich auch schon in der griechischen Antike Momente des Empirismus und des Sensualismus finden lassen, wie beispielsweise bei den Stoikern und mancherlei Sophisten. Was sich dann im Mittelalter zum einen unter Thomas von Aquin als starke Aufwertung des begrifflichen Denkens festhalten lässt und zum anderen den Glauben an die ewigen Wahrheiten hervorhebt, ist ebenfalls und trotz allem Aber- und Wunderglauben als rationalistisch zu betiteln.

Descartes nun, vielfach als „Vater der Philosophie der Neuzeit“ gerühmt, überholt zwar nicht all diese Überlegungen des Mittelalters, wähnt sich aber in der Begründung einer neuen Methode jenseits von Scholastik, dem endlosen Begriffs- und Foliantenwälzen oder kurz, dem „Schulrationalismus“ (vgl. Hirschb. S.88) der alten Zeit, der die Philosophie eher in eine Disziplin der Rhetorik verkehrte. Über seine Entdeckungen weiß Descartes jedoch bescheiden zu urteilen: „Auch rühme ich mich nicht, der erste Entdecker davon zu sein, obgleich ich sie von Niemand erhalten habe; nicht, weil Andere sie bereits ausgesprochen oder nicht ausgesprochen haben, sondern weil die Vernunft mich darauf geführt hat.“ (Disc. S.80-81).

Trotzdem haftet seiner Philosophie noch der alte Wille zu einer Systematisierung sämtlicher Phänomene an, welcher später in der Aufklärungszeit neu aufleben wird. Das Fundament dafür legte aber Descartes mit seinen rationalistischen methodischen Ideen, die sich weitgehend von der mittelalterlichen Metaphysik abheben und auch die neuen Ideen der Renaissance übertreffen. Es ist folglich auch sinnvoll, von einem neuzeitlichen Rationalismus zu sprechen, welcher im Hauptteil dieser Arbeit weiter behandelt werden soll.

2.3 Praktische Anwendung

Die praktische Anwendung des Rationalismus ist die Deduktion (v. lat.: deducere = herabführen) oder die deduktive Methode. Darunter versteht man in der Philosophie, und speziell in der Logik, eine Schlussfolgerungsweise vom Allgemeinen auf das Besondere. Genauer gesagt werden mithilfe der Deduktion spezielle Einzelerkenntnisse aus allgemeinen Theorien gewonnen. Dies ist wichtig zu wissen, da sich auch Descartes auf seiner Suche nach einer sicheren Methode zur Erkenntnis auf diese Vorgehensweise stützt. Um nun auf eine solche sichere und allgemeine Theorie zu kommen, dient die Analyse in Verbindung mit dem methodischen Zweifel, was nun im Folgenden erläutert werden soll.

2.4 Der kartesische Rationalismus als erkenntnistheoretische Methode

a) Wohl lebenslang beschäftigte sich Descartes umfangreich mit den Disziplinen der Mathematik und der Geometrie, wodurch sein Denken sicherlich einen generell analytischen Ansatz bekam. Später schreibt er in seinem „Discours de la méthode pour bien conduire sa raison et chercher la vérité dans les sciences“ (1637), welcher im folgenden nur „Discours“ gennant werden soll: „Sobald ich jedoch die Studien vollendet hatte, nach deren Abschluss man unter die Klasse der Gelehrten aufgenommen zu werden pflegt, änderte sich meine Ansicht gänzlich. Denn ich sah mich von so viel Zweifeln und Irrthümern bedrängt, dass ich von meinen Studien nur den einen Vortheil hatte, meine Unwissenheit mehr und mehr einzusehen.“ (Disc. S.22) und betreffs der Mathematik schreibt er: „Ich erfreute mich vorzüglich an der Mathematik wegen der Gewissheit und Sicherheit ihrer Beweise; allein ich erkannte ihren Nutzen noch nicht. Ich meinte, sie diene nur den mechanischen Künsten, und wunderte mich, dass man auf ihren festen und dauerhaften Grundlagen nichts Höheres aufgebaut hatte.“ (Disc. S.24). Auf eben diese Konstruktion eines Höheren auf dem Fundament der Mathematik zielt Descartes nach eben dieser Erfahrung in seiner Philosophie ab und es geht ihm nun vorwiegend darum, sein System von einem absolut sicheren Punkt aus zu konstruieren, wozu er sich einem methodischem Zweifel bedient, der wohl aus seiner eigenen eingesehenen Unwissenheit entsprang, wie er es im Discours beschrieb.

Er teilt seinem Leser hierzu mit, dass er schon seit frühester Kindheit irritiert war von angeblichen Wahrheiten, die sich in der Realität nicht ohne weiteres bestätigen ließen. In einer metaphorischen Analogie erklärt er, dass er, hätte er in einem Korb voll Äpfeln einen faulen darunter gefunden, so würde er bestimmt diesen Korb umstürzen und jeden einzelnen Apfel genauestens auf Schädigung prüfen, bevor er ihn in sein Behältnis zurücklegen würde. Ebenso möchte er mit seinen Wahrheiten und Erkenntnissen verfahren, die er sein Leben lang ungeprüft mitgeschleppt hatte. Dem Ausleeren des Korbes entspricht hierbei der methodische Zweifel, bei welchem er zunächst alles anzweifeln möchte, was überhaupt nur angezweifelt werden kann, um zu einem sicheren Fundament für ausgehende Erkenntnisse, einem „archimedischem Punkt“ (vgl. Med. S.77/1) zu gelangen. Dieser Zweifel darf aber nicht mit einem Skeptizismus oder einem existenziellen Zweifel verwechselt werden, da Descartes immerzu an ewige Wahrheiten glaubte, seien diese eingeboren oder platonisch ideenhaft. Sein Zweifel soll der Wahrheit dienlich sein und nicht deren Wert oder gar Existenz in Frage stellen. Den Sinn dieses Zweifels macht Descartes schon in der Übersicht seiner Schrift, den „Meditationes de Prima Philosophia“ (1641) deutlich, welche im Folgenden nur „Meditationen“ genannt werden sollen, um einem etwaigen Missverständnis vorzubeugen: „Allerdings dürfte wohl der Wert eines so umfassenden Zweifels nicht auf den ersten Blick klar sein. Er ist gleichwohl sehr groß, insofern er uns nämlich von allen Vorurtheilen befreit und uns den Weg ebnet, um ganz leicht den Verstand von den Sinnen abzuziehen. Schließlich bewirkt er, dass wir an dem, was wir hernach für wahr befinden, nie wieder zweifeln können.“ (Med. S.53).

Um nun seine Erkenntnisse auf Fäulnis zu prüfen und schließlich zu jenen zu gelangen, an denen man nie wieder zweifeln kann, benötigt Descartes zunächst ein Wahrheitskriterium. Dazu greift er das „perceptio clara et distincta“ (vgl. Hirschb. S.94) auf, unter welchem er versteht, dass nur jenes als wahr betrachtet werden kann, was er zu Deutsch als „klar und deutlich“ erkennen kann, was also durch das „natürliche Licht“, die reine Vernunft, erkannt wird, nachdem man alles anzweifelbare daran abgezogen hat oder was unmittelbar als evident begriffen wird. Descartes teilt hierzu mit: „Ich nahm davon als allgemeine Regel ab, dass alle von uns ganz klar und deutlich eingesehenen Dinge wahr sind, und dass die Schwierigkeit nur darin besteht, die zu erkennen, welche wir deutlich einsehen.“ (Disc. S.47).

Nur solcherlei geprüfte Erkenntnisse, die dem Geist unmittelbar zugänglich sind, dürfen schließlich zurück in den Korb gelegt werden, um die Analogie mit den Äpfeln zu schließen. Wie konsequent und ausschließlich er damit methodisch vorgehen wollte, beschreibt Descartes wie folgt: „Ich untersuchte bei jeder Sache ihre verdächtige Seite und den Anlass zu Missverständnissen, und entwurzelte so in meinem Geiste alle Irrthümer, die sich früher in ihn eingeschlichen hatten. Ich wollte damit nicht etwa den Skeptikern nachahmen, welche nur zweifeln, um zu zweifeln, und eine stete Unentschlossenheit vorspiegeln; vielmehr ging mein Streben nur auf die Gewissheit, und ich verwarf den Triebsand und den unsicheren Boden nur, um den Felsen oder Schiefer zu erreichen.“ (Disc. S.42).

Wiederum lässt sich festhalten, inwiefern sich der kartesische Zweifel von anderen Denkweisen, wie z.B. dem pyrrhonischen Skeptizismus oder einem radikalen Zweifel abgrenzt, dass er sich nämlich mit einen progressiven Erkenntnisprozess vereinbaren lässt und eher als eine systematisierte Vorsicht vor etwaigen Vorurteilen zu verstehen ist. Gerade dies kann als Merkmal eines modernen Rationalismus aufgefasst werden, da sich diese Methode als Abgrenzung zu einem vormodernen, also voreiligen und nicht rational begründbaren Aberglauben darstellen lässt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Der Rationalismus von Descartes
Untertitel
Eine Darstellung seiner epistemologischen Methodik
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg  (Lehrstuhl für Philosophie II)
Veranstaltung
Ich zweifle, also bin ich - Descartes’ Meditationen
Note
2,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
21
Katalognummer
V281987
ISBN (eBook)
9783656759317
ISBN (Buch)
9783656759324
Dateigröße
427 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rationalismus, Empirismus, Descartes, Cogito, Meditationen, Methodischer Zweifel, idea innatae
Arbeit zitieren
Markus Uehleke (Autor:in), 2008, Der Rationalismus von Descartes, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/281987

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