IG Metall und Ver.di – erfolgreich gescheitert?


Hausarbeit, 2012

22 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Definition der zentralen Begriffe
1.2 Vorgehensweise / Methodik

2 Vorstellung der Analysekonzepte
2.1 Theorie des erfolgreichen Scheiterns
2.2 Das magische Dreieck

3 Untersuchung der Reformprozesse
3.1 IG Metall
3.1.1 Organisationsstruktur / Mitgliederentwicklung IG Metall
3.1.2 Index
3.2 Ver.di
3.2.1 Organisationsstruktur / Mitgliederentwicklung
3.2.2 Index

4 Das magische Dreieck

5 Schluss / Zusammenfassung der Ergebnisse

6 Literaturverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Index IG Metall (eigene Darstellung)

Tabelle 2: Index Ver.di (eigene Darstellung)

Tabelle 3: Zusammenfassung Indizes IG Metall/Ver.di mit Differenz (eigene Darstellung)

1 Einleitung

Die Hausarbeit beschäftigt sich mit dem Bereich der Organisationsforschung und soll, auf der Grundlage qualitativer und quantitativer Daten, im Rahmen einer vergleichenden Analyse die beiden Gewerkschaften IG Metall und Ver.di daraufhin untersuchen, ob diese sich durch die angegangenen Reformprozesse in zentralen Punkten wie Organisationsstruktur oder Mitgliederentwicklung verbessert haben bzw. alte Fehler und Probleme abgestellt werden konnten. Die für diese Arbeit konzipierte Hypothese bzw. Leitfrage lautet wie folgt: Ist es der IG Metall und/oder Ver.di gelungen, durch Reformprozesse die Organisationsstruktur zu erneuern und die Mitgliederentwicklung wieder positiv zu gestalten oder sind sie lediglich erfolgreich gescheitert? Das Untersuchungsinteresse ergibt sich aus den strategischen Neuausrichtungen, welche die Gewerkschaften in der letzten Zeit angestoßen haben. „Gewerkschaften sind – wie alle Organisationen – strategische Akteure, die sich nicht nur flexibel an ihre Umwelt anpassen, sondern diese über „strategische Wahlhandlungen“ auch prägen können. In diesem Sinne haben sie sich in den vergangenen Jahren durchaus als „lernende Organisationen“ präsentiert“ (Brinkmann/Nachtwey 2010). Die Wahl fiel auf die IG Metall und Ver.di, da diese als zwei der momentan innovativsten Gewerkschaften gelten. (vgl. ebd.). Aufgrund des begrenzten Umfangs wird sich diese Hausarbeit auf einige Variablen zur Untersuchung der Reformprozesse beschränken müssen. Im Folgenden werden nun zuerst die zentralen Begriffe definiert und dann die Vorgehensweise bzw. Methodik beschrieben.

1.1 Definition der zentralen Begriffe

Wie oben bereits erwähnt, sollen hier nun die wichtigsten Begriffe für die Hausarbeit definiert werden. Zunächst wird sich dem Begriff der Gewerkschaften angenommen. „Gewerkschaften (sind) organisierte Zusammenschlüsse von abhängigen Erwerbspersonen mit dem Zweck die wirtschaftl., sozialen und polit. Interessen ihrer Mitglieder in den Arbeitsbeziehungen und im Politischen System zur Geltung zu bringen“ (Trampusch 2010: 328 f.). Ein weiterer zentraler Begriff ist Reform, eine „bewusst und planvoll herbeigeführte Veränderung im polit. Institutionensystem und/oder auf dem Felde der Staatstätigkeit (…) In einem eher politiktheoretischen und normativen Sprachgebrauch ist der Begriff der Reform hingegen für solche Veränderungen (…) reserviert, die zu einer Umverteilung von Macht in der Gesellschaft führen und erweiterte Freiheit bzw. Partizipation für die begünstigten gesellschaftl. Gruppen zur Folge haben“ (Glotz/Schultze 2010). Die nächsten beiden Begriffe, die hier vorgestellt werden sollen, sind IG Metall und Ver.di. Die Industriegewerkschaft Metall, kurz IG Metall, ist mit über 2,3 Millionen Mitgliedern die weltweit größte Einzelgewerkschaft. Verteilt auf die Branchen Metall, Elektro, Eisen, Stahl, Textil, Bekleidung, Informationstechnik, Holz, Kunststoff sowie die Zeit- und Leiharbeit, ist die Gewerkschaft in über 18.000 Betrieben in Deutschland tätig. Die zentralen Aufgaben bestehen in der Aushandlung von Tarifverträgen und dem Engagement für eine faire Arbeits- und Lebensgesellschaft (vgl. IG Metall 2012). Die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft, kurz Ver.di, ging im Jahr 2001 aus der Fusion der Deutschen Angestellten Gewerkschaft, Deutschen Postgewerkschaft, Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen, Industriegewerkschaft Medien – Druck und Papier, Publizistik und Kunst sowie aus der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr hervor. Für ihre ca. 2 Millionen Mitglieder kämpft die Gewerkschaft für gerechte Löhne und faire Arbeitsbedingungen (vgl. Ver.di 2012). Abschließend soll noch kurz erwähnt werden, dass auch das verwendete Analysekonzept der Theorie des erfolgreichen Scheiterns und mit Abstrichen das des Magischen Dreiecks eine zentrale Bedeutung in dieser Arbeit beanspruchen können. Diese Konzepte werden weiter unten näher vorgestellt.

1.2 Vorgehensweise / Methodik

Nach der Einleitung und der Definition der zentralen Begriffe soll nun die Vorgehensweise bzw. die Methodik dieser Hausarbeit erläutert werden. Als zentrales Analysekonzept steht die Theorie des erfolgreichen Scheiterns zur Verfügung, welche im nächsten Abschnitt vorgestellt wird. Die disziplinäre Ausrichtung ist empirisch-soziologisch und die Vorgehensweise ist, soweit möglich, deduktiver Art. Die verwendeten empirischen Daten für eine Messung der Reformprozesse der beiden Gewerkschaften können in qualitativer oder quantitativer Weise durch z.B. einen Index über die Mitgliederentwicklung erhoben worden sein. Nachdem das Analysekonzept vorgestellt wurde, wird in kurzer Ausführung auch noch das Magische Dreieck erläutert, da dieses Konzept für eine nähere Einordnung der Reformprozesse und eventueller Probleme herangezogen werden soll. Im Anschluss an die Präsentation der beiden erwähnten Konzepte, beginnt die eigentliche Untersuchung. Dabei wird bei der jeweils gewählten Gewerkschaft zunächst die Ausgangslage benannt und anschließend angestoßene Reformprozesse diskutiert bzw. deren mögliche Auswirkungen. Die Reihenfolge der Analyseschritte orientiert sich an den beiden Begriffen Organisationsstruktur und Mitgliederentwicklung. Um die beiden Begriffe eingehend zu untersuchen, werden von diesen ausgehend weitere Unterpunkte gebildet. Bei der Organisationsstruktur sind dies: Leistungsfähigkeit (A), Transparenz (B) und Reformwillen (C), bei der Mitgliederentwicklung sind es: Mitgliederzahlen- und struktur (D), Mitbestimmung (E) und Nutzen (F). Danach sollen die gesammelten Informationen zu den einzelnen Punkten für jede Gewerkschaft jeweils in einen Index übertragen werden. Dieser Index soll eine Art Bestandsaufnahme der aktuellen Situation für die einzelnen Bereiche darstellen. Jeder der sechs Punkte wird dabei auf einer Skala von 1 bis 5 bewertet. 1 bedeutet dabei eine deutlich negative Einschätzung und 5 eine deutlich Positive. Wenn jeder der Punkte seinen Wert zugeordnet bekommen hat, wird noch ein Mittelwert gebildet. So soll ein direkter Vergleich der angestoßenen Reformen der Gewerkschaften IG Metall und Ver.di ermöglicht werden. Anschließend wird mit Hilfe des magischen Dreiecks nochmals ein Blick auf die Reformprozesse geworfen, bevor alle Ergebnisse im letzten Abschnitt final zusammengefasst werden.

2 Vorstellung der Analysekonzepte

2.1 Theorie des erfolgreichen Scheiterns

Die Theorie von erfolgreich scheiternden Organisationen ist auf den Verwaltungswissenschaftler Wolfgang Seibel zurückzuführen. Nach seiner Meinung liegt der Erfolg solcher Organisationen „in der Bereitstellung symbolischer Problemlösungen, die die Unlösbarkeit verschleiern und auf diese Weise von weiterem politischen Handlungsdruck befreien“ (Seibel 1991). Bezogen auf die Reformen von Gewerkschaften, könnten sich durch Debatten über selbige ähnliche Stabilisierungseffekte sowie „eine Aura der Modernität“ ergeben, welche jedoch nur theoretisch und nicht in der realen Struktur besteht (vgl. ebd.). Der Grundgedanke hinter dem Ansatz zu einer erfolgreich gescheiterten Gewerkschaftsreform liegt in der Verknüpfung der Existenz mit der Effizienz. So müssten die Maßnahmen der Organisationen eigentlich effizient sein, um existieren zu können. In Bezug auf die Gewerkschaften wären hier die Mitglieder ein entscheidendes Kriterium. So wie es manchen Unternehmen an Effizienz mangelt, verhält es sich auch mit Reformen, die existieren, obwohl sie nicht effizient sind (vgl. Alemann/Schmid 1998). Diese Fähigkeit zur Existenz von ineffizienten Organisationen bzw. Reformen kann damit erklärt werden, dass bedeutende gesellschaftliche Organisationen oft als politisch abgesichert gelten. Dann werden sie nicht mehr nach ihrer Effizienz beurteilt, sondern anderen Kriterien wie Legitimität, moralische Angemessenheit oder Routine (vgl. Meyer/Zucker 1989). Sucht man nach einem Grund für die Unfähigkeit zu effizientem Handeln bzw. Reformen landet man auch hier bei der Politik, so stehen Veränderungen immer vorhandenen Interessen/Strukturen gegenüber. Diese Widerstände bzw. gegensätzlichen Interessen lassen sich auch mit Zufuhr/Zentralisierung von Macht nicht lösen. So bleibt häufig nur die Aufrechterhaltung der Existenz als realistisches Ziel (vgl. Alemann/Schmid 1998). Als Ersatz für die fehlenden Reformen, „fungiert (…) Ideologie, also ein fixiertes – freilich falsches Weltbild, welches als Stabilisator der Organisation und als Rationalitätsbasis für individuelles Handeln dient“ (ebd.).

2.2 Das magische Dreieck

Das magische Dreieck entstammt einer Untersuchung von Ulrich von Alemann und Josef Schmid. Es ergibt sich aus einer Synthese dreier theoretischer Stränge (Demokratie-, Organisations-, Gewerkschaftstheorie) und umfasst die Kriterien Partizipation, Offenheit und Effizienz. Diese dienen „als operative Ziele einer Reform der Gewerkschaften, als Basis für eine Evaluation der Organisationsstrukturen und als normative Grundlage des Modernisierungsprozesses“. Weiter heißt es: „Komplexe Gesellschaften brauchen komplexe Organisationen, die einen Sachzwang zu mehr Demokratie produzieren (…). Dazu bedarf es der Offenheit und der Transparenz; denn nur wenn Einblick in die Strukturen der Organisation möglich ist, die Wirkungen in und auf demokratische Entscheidungsprozesse sichtbar sind und eine (…) Bereitschaft zur Diskussion herrscht, funktionieren moderne Organisationen effizient und demokratisch“ (Alemann/Schmid 1998). Partizipation steht hierbei für eine Teilhabe der Mitglieder an einer demokratischen Willensbildung, Offenheit einer Organisation steht für einen flexiblen Umgang mit der Hierarchienstruktur, einer innen wie außen transparenten Darstellung der Organisation sowie Offenheit für gesellschaftlichen Wandel und Effizienz meint, dass sich die Organisation stärker über ihre Leistungen definieren und diese an den Interessen der Mitglieder ausrichten soll (vgl. ebd.: 32 f.).

3 Untersuchung der Reformprozesse

3.1 IG Metall

3.1.1 Organisationsstruktur / Mitgliederentwicklung IG Metall

Die IG Metall hat in den vergangenen Jahren einen tiefgreifenden Reformprozess eingeleitet, der unter dem Motto: „Projekt IG Metall 2009 – Sich ändern um erfolgreich zu bleiben“ firmiert. Damit soll auf die neuen gesellschaftlichen Gegebenheiten reagiert werden, denn „auch auf der IG Metall lastete in den vergangenen Jahren der doppelte Druck von Mitgliederverlusten und tariflicher Erosion“ (Brinkmann/Nachtwey 2010). Diese Entwicklungen waren eine Folge aus einer schwerwiegenden Gewerkschaftskrise, welche mit einem Verlust von struktureller, organisationaler und institutioneller Macht für die Gewerkschaften einherging (vgl. ebd.). Die für die Analyse in dieser Hausarbeit zentralen Begriffe der Organisationsstruktur und der Mitgliederentwicklung bilden auch die zentralen Punkte im „Projekt IG Metall 2009“. Eine der grundlegenden Reformmaßnahmen ist demnach die Dezentralisierung der Organisationsstruktur, denn „im Vergleich zu Ver.di ist die IG Metall wesentlich zentralistischer strukturiert. Dies hat zur Folge, dass Organisationslernen in vielen Fällen nur begrenzt stattfinden kann“ (ebd.). Um nicht nur leistungsfähiger, sondern auch transparenter zu werden, wurden die Strukturen der IG Metall verschlankt. So schrumpfte die Belegschaft in der Frankfurter Zentrale um rund 100 Stellen und auch der Bundesvorstand sollte kleiner werden (vgl. o.A. 2011a). Die Verkleinerung des Bundesvorstandes von sieben auf fünf Mitglieder ist jedoch an der Zustimmung der Delegierten gescheitert (vgl. Völpel 2011). Weitere zentrale Projekte im Bereich der Organisation sind die Verwandlung der „IG Metall (…) von einer „Betreuungsgewerkschaft“ in eine „Erschließungsgewerkschaft“ und die Stärkung der 163 Verwaltungsstellen und Bezirke (o.A. 2011a). So soll insbesondere die betriebsnahe Tarifpolitik zur ständigen Aufgabe von Bezirken und Verwaltungsstellen werden (vgl. Wetzel 2010: 5). An dem Punkt der Verwaltungsstellen und Bezirke lässt sich auch eine weitere, durch das Projekt angeregte, neue Form der Organisation aber auch Transparenz erkennen. Die Organisation der Gewerkschaft soll „von unten nach oben gedacht werden. Nur Aufgaben, die sachlich notwendig oder nicht effektiv auf der „unteren“ Ebene bearbeitet werden können, werden von der jeweils nächst höheren Ebene bearbeitet“. Bei seinen Entscheidungen nimmt der Vorstand „Impulse“ aus den angesprochenen Bereichen auf (sog. Gegenstromverfahren). Für die grundsätzlichen „strategischen Entscheidungen auf nationaler und internationaler Ebene“ ist jedoch immer noch ausschließlich der Vorstand zuständig ist, womit sich an der Hierarchieverteilung nur wenig ändern dürfte. (ebd.: 9-10). An dem Reformwillen aller Beteiligten ist aufgrund der tiefgreifenden Reformvorschläge nicht zu zweifeln. Anzumerken ist allerdings, dass dieses Reformprojekt lediglich entstehen konnte, da der Vorstand auf dem Gewerkschaftstag 2007 von der Basis dazu aufgefordert wurde (vgl. Huber 2007: 151-184).

Damit wären wir beim Begriff der Mitgliederentwicklung. Alle oben beschriebenen Maßnahmen zur Reformierung der Organisationsstruktur haben im Grunde nur ein Ziel: Neue Mitglieder zu gewinnen. Nur mit einer großen Mitgliederbasis lässt sich Organisationsmacht zurückgewinnen bzw. „die kollektive Durchsetzungsmacht (…) stärken und das Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit zugunsten der Beschäftigten (…) beeinflussen“ (Wetzel 2010: 7). Die Probleme bei der Mitgliederentwicklung drücken sich wie folgt aus: Alleine in den Krisenjahren 1992 bis 1995 hat die IG Metall ca. 25 % ihrer Mitglieder verloren, zudem sank der Organisationsgrad stetig auf 26,8 % in 2008. Im Metall und Elektro Bereich werden nur noch 52 % aller Betriebe mit mehr als 50 Beschäftigten von der IG Metall betreut, was eine weitere Abnahme der Tarifbindung zur Folge hat. Zudem gibt es das Problem des demografischen Wandels, welcher der IG Metall bis 2012 zusätzlich 300.000 Mitglieder kosten dürfte (vgl. ebd.: 4 ff.) Weitere Probleme bei der Mitgliederstruktur bestehen in dem eher dürftigen Organisationsgrad bei den Angestellten (15 %), der Überalterung (nur 10 % der Mitglieder sind jünger als 27 Jahre), und bei der Verteilung die Geschlechter (nur 18 % Frauen). Auch im Bereich der erneuerbaren Energien, hat die IG Metall noch reichlich Nachholbedarf (vgl. o.A. 2011a). Um die beschriebenen Mitgliederverluste und die angesprochenen sogenannten „weißen Flecken“ zu beseitigen, wurden einige Reformmaßnahmen eingeleitet. So soll die IG Metall wie oben bereits beschrieben, in eine Erschließungsgewerkschaft gewandelt werden, um „die kontinuierlichen Verluste in (…) Kernbereichen (zu) kompensieren und Zuwächse im Bestand sowie in den weißen Flecken (…) (zu) erzielen“ (vgl. Wetzel 2010: 7). Darüber hinaus sind auch im Bereich der Mitbestimmung Neuerungen geplant. Die IG Metall soll zu einer Mitmach- und Beteiligungsgewerkschaft weiterentwickelt werden. Für die Ehrenamtlichen seien spezifische Beteiligungsangebote angedacht, die Hauptamtlichen richten ihre Aktivitäten stärker an Punkten der Mitgliedentwicklung und Mitgliederaktivierung aus. Ingesamt ist es das Ziel mehr Ressourcen für die Mitgliedergewinnung zur Verfügung zu stellen (vgl. ebd.: 8-9). Die neuen Ressourcen ergeben sich, wie oben bereits angedeutet, durch Steigerungen der Leistungsfähigkeit sowie eine Dezentralisierung bzw. Verschlankung der Strukturen, was mit Einsparungen einhergeht: „70 Prozent der jährlich eingesparten 20 Millionen Euro wandern in einen Investitionsfonds, den die Verwaltungsstellen anzapfen können, wenn sie neue Projekte zur Mitgliedergewinnung starten“ (o.A. 2011a). Ein wichtiges Instrument bei der Gewinnung neuer Mitglieder sind die Betriebsräte. Da in Deutschland gerade einmal 11 % der Unternehmen einen Betriebsrat besitzen, besteht hier noch großes Mitgliederpotenzial. So hat die IG Metall dann auch seit dem Jahr 2009 die Gründung von ungefähr 1600 Betriebsräten angeschoben (vgl. ebd.). Im Bereich der Leiharbeit ist die IG Metall mit der Kampagne „Leiharbeit fair gestalten – gleiche Arbeit, gleiches Geld“ ein Vorreiter, diese gilt „als wichtige interessenpolitische Innovation“ und „Gemessen an der Schwierigkeit prekär Beschäftigte zu organisieren, konnte man sogar erste Erfolge verzeichnen“. Eine weitere innovative Idee der Gewerkschaften findet man im sogenannten „Organizing“, womit eine stärker an die Bedürfnisse der Mitglieder gerichtete Politik gemeint ist. „Die IG Metall hat seit dem Jahr 2008 eine zentrale Abteilung für Organizing-Projekte geschaffen und auf bundesweiter Ebene mehr Ressourcen zur Verfügung gestellt. (…) Ein wichtiger Teil der Erneuerung der deutschen Gewerkschaften geschieht nicht als übergreifendes Organisationslernen, sondern auf lokaler Ebene (…)“ (Brinkmann/Nachtwey 2010). Bereits 2004 wurde in NRW ein entsprechender Ansatz entwickelt. Neben der Mitgliedergewinnung standen die Kampagnen „Besser statt billiger“ und „Tarifaktiv“ im Mittelpunkt. (vgl. Nettelstroth/Schilling/Vanselow 2011: 113-135). Mit dem Wechsel des damaligen Bezirksleiters in NRW, Detlef Wetzel, in die Führungsspitze der IG Metall im November 2007 wurden die auf lokaler Ebene gesammelten Erkenntnisse in die Gesamtorganisation getragen (vgl. Brinkmann/Nachtwey 2010). Eben dieser Wetzel äußerte sich dann auch auf dem Gewerkschaftstag 2011 zu den Ergebnissen des „Projekt IG Metall 2009“. Das aus seiner Sicht zentrale Ergebnis ist die Tatsache, dass die Ressourcen nun verstärkt dahin gehen, wo sie am ehesten benötigt werden. Damit sind die Verwaltungsstellen gemeint, wo die Betreuung vorhandener und Erschließung neuer Mitglieder geschieht. In diesen Bereich fließen laut Wetzel nun jährlich 20 Millionen Euro. Neben besseren Voraussetzungen zur Erschließung neuer Branchen, sieht er nun auch bessere Chancen zur Gewinnung von Mitgliedern in vielen verschiedenen Strukturen (u.a. Jugendliche, Frauen, Studenten, Ingenieure, Migrant(inn)en). Auch hier sind Vorschritte zu verzeichnen, denn mittlerweile ist jedes zweite neue Mitglied unter 27 Jahren, was gleichbedeutend mit dem größten politischen Jugendverband in Deutschland ist. Die absoluten Mitgliederzahlen haben sich ebenfalls positiv entwickelt, nach mehr als 22 Jahren gab es 2011 das erste Plus auf 2,246 Millionen. (vgl. Wetzel 2011: 10-11). Im Bereich der Studierenden gibt es seitens der IG Metall seit Anfang 2012 ein bundesweites Studierendenprojekt, was ebenfalls als Innovation im Bereich der Mitgliedergewinnung gewertet werden kann (vgl. Heumer 2012: 2). Schließlich sei noch erwähnt, dass die Gewerkschaft ihre Einnahmen auf 459 Millionen Euro in 2011 gesteigert hat, das ist ein Plus von 17 Millionen Euro im Vergleich zum Vorjahr. Neben dem „turn-around“ bei den Mitgliederzahlen, gelang selbiger 2011 auch in wirtschaftlicher Hinsicht, erstmals wurde ein Überschuss erzielt, welcher 5 Millionen Euro betrug. Zusammenfassend lässt sich also festhalten, dass die IG Metall mit den in den vergangenen Jahren angestoßenen Reformen sowohl im Bereich der Organisationsstruktur als auch bei der Mitgliederentwicklung Verbesserungen erzielt hat und diese in Form einer effizienteren Verwendung der Ressourcen die Schlagkraft der Gewerkschaft erhöht haben (vgl. Lesch 2012: 1). Aus dieser erhöhten Schlagkräftigkeit ergibt sich auch ein größerer Nutzen für die bestehenden Mitglieder und ein größerer Anreiz zum Beitritt für potentielle Mitglieder. Lediglich die gescheiterte Vorstands-Reduzierung muss als Niederlage bei den Reformmaßnahmen angesehen werden.

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Ende der Leseprobe aus 22 Seiten

Details

Titel
IG Metall und Ver.di – erfolgreich gescheitert?
Hochschule
FernUniversität Hagen
Note
2,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
22
Katalognummer
V286881
ISBN (eBook)
9783656872498
ISBN (Buch)
9783656872504
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
metall
Arbeit zitieren
Patrick Preidt (Autor:in), 2012, IG Metall und Ver.di – erfolgreich gescheitert?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/286881

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