Die Föderalismusreform I und der Bundesrat. Ende der Reformblockaden?


Hausarbeit, 2012

24 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Tabellenverzeichnis

1 Der Bundesrat als Verfassungsorgan der Bundesrepublik

2 Kritik an Blockadepolitik – Die Strukturbruchthese
2.1 Lehmbruchs Strukturbruchthese
2.2 Kritik an der Strukturbruchthese

3 Ziele und Änderungen der Föderalismusreform I

4 Erfolg oder Misserfolg – was hat die Reform gebracht?
4.1 16. WP (2006-2009)
4.2 17. WP (2009-2011)

5 Kleine Erfolge sind sichtbar

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Stimmenverteilung im Bundesrat 2009-2012.

Tabelle 2: Zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Gesetzesvorlagen in der 17. WP, nach Stand im Gesetzgebungsprozess.

Tabelle 3: Zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Gesetzesvorlagen in der 17. WP, Gesetze insgesamt.

Tabelle 4: Zustimmungsbedürftige und zustimmungsfreie Gesetzesvorlagen in der 17. WP, nach Politikfeld.

1 Der Bundesrat als Verfassungsorgan der Bundesrepublik

Deutschland gehört zu den 23 Staaten der Welt, die über eine föderale Verfassung verfügen. Das heutige Deutschland besitzt eine lange Geschichte von Bundesstaatlichkeit und damit auch vom Bundesrat, die lange vor der Gründung der Bundesrepublik Deutschland 1949 begann. Schon in der Bismarckschen Reichsverfassung von 1871, die im Wesentlichen auf der Verfassung des Norddeutschen Bundes von 1867 beruhte, ist als Vertretung der Gliedstaaten des Kaiserreichs ein Bundesrat installiert worden. Dabei wurde das bereits in der Paulskirchenverfassung vorgedachte Prinzip des Exekutivföderalismus, das bis heute überlebt hat, übernommen.[1] Die Geschichte setzte sich mit dem Reichsrat der Weimarer Reichsverfassung fort und wurde nur durch die nationalsozialistische Hitlerdiktatur sowie im Osten Deutschlands durch die Gründung der DDR unterbrochen. Im Parlamentarischen Rat entschied man sich nach kontroversen Debatten gegen das Senatsmodell und (wieder) für das Bundesratsmodell, wobei damals noch nicht erwartet wurde, dass der Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze jemals jenseits der 50-Prozent-Marke liegen würde.[2]

Nach dem Grundgesetz (GG) der Bundesrepublik ist der Bundesrat für die Mitwirkung der Länder an der Gesetzgebung und der Verwaltung des Bundes sowie in Angelegenheiten der EU verantwortlich (Art. 50). Der Bundesrat wird dabei zum einen als das „Gegengewicht zum Bundestag“, zum anderen als „machthemmend“ gegenüber der Bundesregierung verstanden.[3] Bei der Gesetzgebung hat der Bundesrat nach Art. 76 GG neben Bundesregierung und Bundestag ebenfalls das Initiativrecht und kann nach Art. 77 GG zu den vom Bundestag beschlossenen Gesetzesvorlagen entweder Einspruch einlegen oder, sofern das GG es für den jeweiligen Gesetzesbereich vorsieht, die Zustimmung verweigern. Weitere Funktionen des Bundesrates, die hier nicht weiter vertieft werden sollen, sind die Kreationsfunktion (bspw. bei der Bestellung der Richter des BVerfG) und die Reservefunktion im Falle eines Gesetzgebungsnotstandes.[4]

Die starke Mitwirkung des Bundesrates an der Gesetzgebung hat relativ bald zu Klagen über die Politikverflechtung, Reformstaus oder Blockadepolitik geführt. Wie diese Kritik konkret formuliert wurde und wo die Ursachen der Politikverflechtung liegen, soll mit Hilfe von Lehmbruchs Strukturbruchsthese in Kap. 2 geklärt werden. In Folge der Kritik an den Reformblockaden im Bundesstaat wurde Anfang des neuen Jahrtausends eine Kommission (Kommission zur Modernisierung der bundesstaatlichen Ordnung) eingerichtet, in der Vertreter des Bundes, der Länder und beratende Experten aus der Wissenschaft und den kommunalen Spitzenverbänden gemeinsam nach Lösungen für die Probleme der bundesstaatlichen Ordnung suchten.[5] Welche Ziele dabei verfolgt wurden und welche Veränderungen es durch die 2006 in kraft getretene Föderalismusreform dann gab, ist Thema des Kap. 3.

Das zentrale Thema der folgenden Arbeit ist aber die Frage, wie sich die 2006 in Kraft getretene Föderalismusreform I auf den Anteil der zustimmungsbedürftigen Gesetze ausgewirkt hat und ob nun ein Ende der Klagen über einen durch den Bundesrat und die Politikverflechtung verursachten Reformstau zu erwarten ist. Zur Beantwortung dieser Frage werde ich empirisch vorgehen, um in Kap. 4 die veränderten Anteile von zustimmungs-bedürftigen Gesetzen nach dem Inkrafttreten der Reform im September 2006 nachzuvollziehen. Für die Zeit der 16. Wahlperiode (2005-09) stütze ich mich auf bereits durchgeführte Studien, für die derzeitige 17. Wahlperiode habe ich eine eigene Erhebung mit Hilfe des DIP[6] des Deutschen Bundestages durchgeführt. Dabei werden auch qualitative Kriterien, z. B. die Quoten von Zustimmungsgesetzen innerhalb verschiedener, kontroverser Politikfelder, anwenden, um zu einer gerechten und möglichst validen Bewertung der Föderalismusreform I zu gelangen.

2 Kritik an Blockadepolitik – Die Strukturbruchthese

Wie bereits erwähnt, gingen die Mitglieder des Parlamentarischen Rates bei der Entscheidung für das Bundesratsmodell nicht davon aus, dass es bei so vielen Gesetzen auf die Zustimmung des Bundesrates ankommt, wie es dann in der Wirklichkeit war. Die Befürworter des Bundesrates, vor allem der „Ellwanger Kreis“ in der CDU, begründeten ihre Entscheidung pro Bundesrat damit, dass die Erfahrung aus der Vergangenheit zeige, dass in einem Bundesstaat der Wille des Volkes nicht alleine durch die Parteien und wechselnde, zufällige Mehrheiten im Parlament abhängen sollten. Daher brauche es einen an der Sache orientierten Bundesrat als Gegengewicht zum von parteipolitischen Streitereien geprägten Bundestag. In dieser Argumentation schwang noch die abwertende Haltung vieler Staatsrechtler und Regierungsvertreter des Kaiserreiches und der Weimarer Republik mit, die im Parteienstreit das Übel aller politischen Probleme und in der sachlichen, unabhängigen Exekutivgewalt bzw. Verwaltung das Ideal von Regierungspolitik sahen.[7]

Die Verfassungspraxis sah dann so aus, dass der Bundesrat durch eine sehr extensive Auslegung des Art. 84 Abs. 1 GG, wonach alle Gesetze, die die Ausführung der Bundesgesetze in den Länderverwaltungen regelten, der Zustimmung des Bundesrates bedurften, erhebliche Mitwirkungsmöglichkeiten gewann: 1950 lag das Verhältnis der Einspruchsgesetze zu den Zustimmungsgesetzen noch bei 69:19, 1973 betrug es schon 76:94. Der Verhandlungszwang nahm also kontinuierlich zu, auch durch die Ausgestaltung der Finanzverfassung[8] und die stärkere Homogenität der Gliedstaaten (früher: Dominanz von Preußen).[9] Die Verflechtung der Bundesrepublik spiegelt sich weiterhin durch eine immer unübersichtlicher werdende vertikale Bund-Länder-Koordination und die hohe Bedeutung der horizontalen Selbstkoordinierung der Länder wider.[10] Mit dem Scheitern der großen Steuerreform 1997/98, deren Wichtigkeit von keinem der beteiligten Akteure bestritten wurde, offenbarte sich der von Lehmbruch beschriebene Strukturbruch auf markante Weise. Nicht zuletzt deswegen spricht man seit den 1990er Jahren in der Wissenschaft von „Reformblockaden“[11] und in Unternehmerverbänden sowie konservativen Kreisen von „Reformstau“, der dazu führe, dass Deutschland den Herausforderungen der Globalisierung und der sich wandelnden Umwelt nicht gerecht wird.[12] Nach Lehmbruch sind für das erfolgreiche Umsetzen von Reformen Prozesse der Konsensbildung, und zwar sowohl innerhalb einer Regierungskoalition als auch innerhalb des Bund-Länder-Systems, unerlässlich. Letzteres, die Schwierigkeit der Konsensbildung im Bundesrat bei gegenläufigen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat, wurde von der sozialliberalen Koalition der 1970er Jahre scheinbar unterschätzt.[13]

2.1 Lehmbruchs Strukturbruchthese

Wo liegen die Ursachen für die entstandene Politikverflechtung, die zu massiver Kritik am Reformstau in Deutschland führten? Gerhard Lehmbruch hat dazu in einer wegweisenden Studie die Strukturbruchthese entwickelt. Er konstatiert zu Beginn der 1970er und in den 1990er Jahren eine Krise der bundesstaatlichen Institutionen und stellt die These auf, dass diese Krisen ein Ausdruck eines Strukturbruches im politischen System Deutschlands seien, „der durch eigentümliche entwicklungsgeschichtliche Verwerfungen bedingt ist: [Parteiensystem] und das föderative System […] sind von tendenziell gegenläufigen Handlungslogiken und Entscheidungsregeln bestimmt und können sich unter bestimmten Bedingungen wechselseitig lahmlegen.“[14] Diese These, die mit der abstrakteren Frage der Vereinbarkeit eines parlamentarischen Regierungssystems einerseits und einer starken Länderstruktur mit föderativ orientierten Parteien anderseits verbunden ist [15], untermauert Lehmbruch mit Hilfe einer entwicklungsgeschichtlichen Perspektive, indem er die besondere institutionelle Konstruktion des deutschen Bundesstaates auf die in der Bismarckschen Reichsverfassung gestalteten Rahmenbedingungen zurückführt. Das spezifisch deutsche Problem ist, dass beide Arenen – Parteiensystem und föderatives System – sich nicht in gleicher Kontinuität entwickelten: Der Bundesstaat weist seit der Bismarckschen Reichsverfassung Konstruktionsprinzipien auf, die alle nachfolgenden Systemumbrüche (1918 und 1933/1945) fast unbeschadet überstanden haben; das Parteiensystem war in der gleichen Zeitspanne einem viel stärkeren Wandlungsprozess unterworfen.[16] Daraus ergab sich eine „eigentümliche Asymmetrie von Kontinuität und Diskontinuität“.[17]

Zu Beginn der Herausbildung eines deutschen Nationalstaates (und eines Parteiensystems) existierte eine solche Asymmetrie noch nicht, denn die Handlungslogiken von Parteiensystem und Bundesstaat waren einander sehr ähnlich geworden. Diese informellen Handlungslogiken weisen beträchtliche Variationsbreiten auf. Die drei wichtigsten Regelsysteme, auf denen die Handlungslogiken beruhten, waren: 1. die hierarchische, autoritäre Konfliktentscheidung; 2. das Regelsystem des Parteienwettbewerbs mit der Mehrheitsregel als Grundregel der Konfliktentscheidung und 3. das konsensuale Verhandlungssystem. Die Spielregeln der Konfliktaustragung hängen laut Lehmbruch nicht unwesentlich von den Verfassungsvorgaben ab, also z. B. davon, ob die Verfassung ein parlamentarisches oder ein präsidiales System bei der Ernennung der Regierung vorsieht.[18] Das wilhelminische Kaiserreich nimmt eine eigenartige Zwischenstellung ein: Während es in der liberalen Öffentlichkeit als autoritäres Regelsystem galt, gewann zum Ende des Reiches „hinter der hierarchisch-autoritären Fassade [die] Konfliktregelung durch Aushandeln zunehmend an Bedeutung“.[19] Deshalb gäbe es hier noch eine Kongruenz der Handlungslogiken beider politischen Arenen, die sich in der Bundesrepublik dann zu einer Inkongruenz wandelt, weil sich im Parteiensystem allmählich das Modell der Konkurrenzdemokratie (Wettbewerb, Mehrheitsregel) durchsetzte und in der Arena des Bundesstaates die gewohnten Regeln der verhandlungsdemokratischen Konfliktaustragung beibehalten wurde.[20]

In der Bundesrepublik hat sich der Parteienwettbewerb im Vergleich zur Weimarer Republik dahingehend verändert, dass das Vielparteiensystem sich in einer zeitlich relativ kurzen Konzentrationsbewegung bis in die 1970er Jahre zu einem Zweieinhalbparteiensystem entwickelte, in dem nur die beiden Großparteien CDU/CSU und SPD sowie als Mehrheitsbeschaffer die FDP übrig blieben. Die zweite Entwicklungstendenz war nach Lehmbruch die Polarisierung, womit er ausdrücken möchte, „daß jede der beiden Großparteien die Machtausübung unter Ausschluß der anderen anstrebt.“[21] Das grundlegende Unterscheidungsmerkmal zum früheren Parteiensystem ist also, dass Große Koalitionen (wie in der Weimarer Zeit von SPD, Zentrum, DDP und DVP) so gut wie ausgeschlossen sind, weil jede Großpartei nun die Hegemonie und Führung über die andere beanspruchen will. Daran habe auch der Aufstieg der Grünen nicht viel geändert, wohl aber der der PDS, die sich entgegen so mancher Erwartung bis heute (unter anderem Namen und anderer Organisation) als fünfte Partei halten konnte. Durch die Schwäche der FDP in den 1990er Jahren, vor allem im polarisierten Parteiensystem der ostdeutschen Bundesländer, drohte die Gefahr einer Isolierung der CDU, sodass Lehmbruch die vorsichtige Prognose wagte, dass es zu einer Wiederbelebung Großer Koalitionen kommen könnte.[22] Wie heute in Sachsen-Anhalt, Thüringen, Berlin oder Mecklenburg-Vorpommern – um nur die gegenwärtigen Großen Koalitionen zu nennen – beobachtbar ist, hat sich dies durchaus bewahrheitet.

2.2 Kritik an der Strukturbruchthese

Diese Strukturbruchthese blieb in der Literatur nicht unkritisch kommentiert. Werner Reutter hielt ihr entgegen, dass in der Zeit von 1949 bis 2009 der Bundesrat nur in 184 Fällen seine Zustimmung verweigert hat, also bei gerade einmal 2,6 Prozent aller vom Bundestag beschlossen Gesetze. Von diesen 184 Gesetzen konnten dann 100 Gesetze nach einem erfolgreichen Vermittlungsverfahren noch verkündet werden. Endgültig gescheitert an der Blockade des Bundesrates sind nur 72 Gesetzesvorlagen, ziemlich genau ein Prozent aller Vorlagen.[23] Auch wenn dann qualitativ die sog. Schlüsselentscheidungen betrachtet werden, kann nicht gesagt werden, dass in den häufigen Phasen gegensätzlicher Mehrheiten („divided government“) Schlüsselentscheidungen öfter als in den selteneren Phasen gleichläufiger Mehrheiten am Bundesrat gescheitert sind.[24]

Aus Sicht von Reutter sind damit weniger die vorgeblichen, real gar nicht so häufigen Blockaden erklärungsbedürftig, sondern die Frage, wie trotz der langen Phasen des „divided governments“ immer wieder Kompromisse gefunden werden konnten. Die Antwort läge im Parteiensystem und bipolaren Parteienwettbewerb, der neben einem Blockadeeffekt auch einen anderen Effekt haben könne: Unter bestimmten Bedingungen, die bis etwa Ende der 1980er Jahre vorhanden waren, kann der Parteienwettbewerb die Kompromissfindung fördern und „über die Ebenen hinweg Koordinations- und Abstimmungsleistungen“[25] erbringen. Die Gefahr von Blockaden erhöhe sich aber seit den 1990er Jahren erheblich, weil sich die Länderparteiensysteme (hier stärkere Polarisierung) nicht mehr im Gleichklang mit dem Bundesparteiensystem entwickeln, es dadurch weniger Einparteienregierungen und kleine Koalitionen auf Länderebene gibt und daher die Integrationsfähigkeit der (Volks-)Parteien, die früher die Kompromisse ermöglichten, nachlässt.[26] Mit diesem Argument ist Reutter doch wieder relativ nahe bei Lehmbruch und auch sein Vorwurf, dass Lehmbruch fälschlicherweise eine prinzipielle Unvereinbarkeit von Bundesstaatlichkeit und Parteienwettbewerb annimmt, muss als haltlos kritisiert werden, da Lehmbruch ausdrücklich eine solche generelle Unvereinbarkeit zurückweist und stattdessen von „Inkongruenz“ spricht.[27] Dem Einwand, es seien nur wenige Gesetze am Bundesrat gescheitert, hält Scharpf entgegen, dass dies allein wenig aussagt und auch die Statistik bezüglich der Vermittlungsverfahren betrachtet werden müsse: „Zwischen 1972 und 1980 und zwischen 1990 und 2005 [Phasen des divided governments, S. D.] schwankte die Gesamtzahl von Fällen, in denen der Vermittlungsausschuss angerufen wurde, zwischen 71 und 100 pro Legislaturperiode. […] In den Legislaturperioden zwischen 1982 und 1990 dagegen, als die Regierung Kohl sich auf eine gleichgerichtete Mehrheit im Bundesrat stützen konnte, wurde der Vermittlungsausschuss nur insgesamt sechsmal […] beziehungsweise dreizehnmal angerufen […].“ [28]

Wolfgang Renzsch widerspricht Lehmbruch insofern, dass auch er im deutschen Parteien-wettbewerb einen entscheidenden Beitrag zur Lösung von politischen Problemen im Föderalismus und keine Inkongruenz der Handlungslogiken von Bundesstaat und Parteiensystem sieht. Die Parteien seien „politische Scharniere zwischen Bund und Ländern“.[29] Jesenitschnig weist dagegen daraufhin, dass diese Kritik ins Leere läuft, da Lehmbruchs Strukturbruchthese diesem Argument gar nicht widerspreche und ihm einen eigenen Abschnitt gewidmet habe.[30] Er weist außerdem nach, dass Renzsch seinem eigenen Einwand, wonach vor allem innerparteiliche, ebenenübergreifende Verhandlungsprozesse die Entscheidungsfindung im verflochtenen Bundesstaat erleichtern, widerspricht, wenn er den parteiübergreifenden Prozessen der Konsensbildung bei ungleichen Mehrheiten in Bundestag und Bundesrat eine die politische Konfrontation im Parteienwettbewerb entschärfende Wirkung zuspricht.[31]

Von Roland Sturm stammt die Kritik, dass Lehmbruch den Parteienwettbewerb in den Bundesländern ignoriert und statt zunehmender Bund-Länder-Kooperation eher eine Tendenz zu stärkerem Wettbewerb zu beobachten sei. Außerdem stimme es nicht, dass der Parteienwettbewerb auf Bundesebene starke Einflüsse auf die Landtagswahlen habe, da durch die zeitliche Versetztheit eine sachliche Trennung beider Wahlebenen betont werde und die Wähler auf Landesebene eher zur Wahl neuer, nicht etablierter Parteien neigten.[32] Empirische Analysen von Burkhart und Völkl deuten aber auf das Gegenteil hin: Die (sinkende) Beliebtheit einer Bundesregierung im Verlauf einer Wahlperiode hat einen signifikanten (negativen) Einfluss auf ihren Erfolg bei den Landtagswahlen während der Wahlperiode.[33] Dies hat auch Lehmbruch in seiner Studie bereits erwähnt, genau so wie die von Sturm referierte stärkere ökonomische Heterogenität der Bundesländer und die buntere Koalitionsvielfalt auf Länderebene, die der Bundesregierung einen etwas größeren Spielraum bei Finanzreformen ermöglicht (Zustimmung einzelner Länder erkaufen) – wenn es die Haushaltslage zulässt, was beim derzeitigen Schuldenstand aber nicht möglich erscheint.[34]

[...]


[1] Vgl. Lehmbruch (2002): 76 und 83f.

[2] Vgl. ebd.: 101f.

[3] Vgl. Münch (2008): 30.

[4] Zu Letzterer vgl. Lehmbruch (2000): 81f.

[5] Vgl. Andersen (2008): 31f.

[6] Dokumentations- und Informationssystem für Parlamentarische Vorgänge, vgl. Deutscher Bundestag (Hg.).

[7] Vgl. Lehmbruch (2000): 77f.

[8] Vgl. Scharpf (2009): 23-26.

[9] Vgl. Lehmbruch (2000): 90-92.

[10] Vgl. ebd: 94-98 und 98-101.

[11] Ebd.: 179 bzw. Mayntz (1990).

[12] Vgl. Lehmbruch (2000): 9 und Langguth (2000): 4f.

[13] Vgl. ebd.: 10.

[14] Lehmbruch (2000): 9.

[15] Vgl. ebd.: 11 und Hennis (1974): Anm. 29.

[16] Vgl. Lehmbruch (2000): 11f.

[17] Ebd.: 12.

[18] Vgl. ebd.: 14-17.

[19] Ebd.: 18.

[20] Vgl. ebd.: 19

[21] Ebd.: 37.

[22] Vgl. ebd.: 49 und 52-54.

[23] Vgl. Reutter (2010): 128.

[24] Vgl. Burkhart (2008): 119-127 und Reutter (2007).

[25] Reutter (2010): 129.

[26] Vgl. ebd.: 129-136.

[27] Lehmbruch (2000): 11.

[28] Scharpf (2009): 48f.

[29] Renzsch (1998): 94.

[30] Vgl. Jesenitschnig (2010): 128 und Lehmbruch (2000): 82-88.

[31] Vgl. Jesenitschnig (2010): 130f.

[32] Vgl. Kropp/ Sturm (1999): 38-41 und Jesenitschnig (2010): 134.

[33] Vgl Burkhart (2005): 35 und Völkl (2009): 264.

[34] Vgl. Jesenitschnig (2010): 136-138.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Die Föderalismusreform I und der Bundesrat. Ende der Reformblockaden?
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg  (Institut für Politikwissenschaften)
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
24
Katalognummer
V294045
ISBN (eBook)
9783656917991
ISBN (Buch)
9783656918004
Dateigröße
431 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bundesrat, Föderalismus, Parlamentarismus, Föderalismusreform, Blockadepolitik
Arbeit zitieren
Bachelor of Arts Stefan Dorl (Autor:in), 2012, Die Föderalismusreform I und der Bundesrat. Ende der Reformblockaden?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/294045

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