"Bullshit" nach Harry G. Frankfurt und "Gerede" nach Heidegger. Versuch einer Annäherung der beiden Theorien


Hausarbeit (Hauptseminar), 2013

15 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der „Bullshit“
2.1 Was zeichnet den Bullshit aus und welche Eingrenzungen gibt es?
2.2 Ist Bullshit eine Lüge oder sogar noch gefährlicher für die Wahrheit?

3. Heideggers „Man“ und „Gerede“
3.1. Heideggers „Man“
3.2 Heideggers „Das Gerede“

4. Versuch einer Annäherung des Bullshits an das Gerede und das Man
4.1 Was ist der Wahrheit gefährlicher?
4.2. Sozialkritische Auseinandersetzung: Kommt eine Gesellschaft ohne „Bullshitting“ oder entpersonalisierte Meinungen aus?

5. Schlussbetrachtung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Es ist eine groteske Vorstellung, wir selbst seien fest umrissene und klar bestimmte Wesen, die sich richtig oder falsch beschreiben könnten, während es sich als unsinnig erwiesen habe, irgendwelchen anderen Dingen klare Bestimmungen zuweisen zu wollen. … Nichts in der Theorie und erst recht nichts in der Erfahrung (stützt) die abstruse These, ein Mensch vermöge am ehesten noch die Wahrheit über sich selbst zu erkennen. Die Tatsachen und Aussagen über uns selbst sind keineswegs besonders solide und resistent gegen eine Auflösung durch skeptisches Denken. In Wirklichkeit sind wir Menschen schwer zu packende Wesen. Unsere Natur ist notorisch instabiler und weniger eingewurzelt als die Natur anderer Dinge. Und angesichts dieser Tatsache ist Aufrichtigkeit selbst Bullshit“1

Dieses Zitat von Harry G. Frankfurt aus seinem Buch „Bullshit“ beschreibt seine Sicht der Menschen und deren Vermögen sich ausschließlich über Fakten und Wahrheiten mitzuteilen. Die Menschen sind vielmehr instabile und wechselhafte Wesen die letztlich durch individuelle Gefühlslagen zu subjektiven Entscheidungen neigen, die in der Regel ihr Leben selbst einfacher gestalten oder vielmehr sich selbst auszeichnen und in den Mittelpunkt rücken.

Diese Seite des „Bullshittings“2 und deren Notwendigkeit in einer Gesellschaft meint Harry G. Frankfurt herausgefunden zu haben und beschreibt eindringlich, welche Funktion das „Bullshitting“ in einer Gesellschaft erfüllt und was die Motive der einzelnen Individuen sind.

In dieser Arbeit soll sich den wesentlichen Merkmalen von Bullshit genähert werden. Darüber hinaus werden Übereinstimmungen und Gegensätze aufgezeigt die sich zu anderen Sichtweisen ergeben. Hier wird besonders der Schwerpunkt auf Heidegger und seine Sicht des „Man“ und dem „Gerede“ liegen.

Nachdem die Rahmenbedingungen der jeweiligen Ansätze erklärt und abgesteckt wurden, beschäftigt sich diese Arbeit damit, wie nah verwandt der Bullshit mit dem „Man“ oder dem „Gerede“ ist und welche Gefahren hier für die Wahrheit bestehen. Denn die direkte Lüge ist meist insofern der Wahrheit zuträglich, als dass die Lüge zumindest die Wahrheit kennen muss um eine Lüge zu sein. In wie weit dies beim Bullshit von Nöten ist oder gar unerwünscht bleibt zu untersuchen.

Letztlich werden die drei unterschiedlichen Auffassungen von Kommunikation innerhalb einer Gesellschaft gegenübergestellt und die Gemeinsamkeiten und Unterschiede aufgezeigt und versucht einen Bezug zu Wahrheit und Lüge herzustellen.

Einen aktuellen ( realitätsnahen ) Bezug lässt sich mithin sehr einfach herstellen indem man aufmerksam Interviews einiger Politiker betrachtet, die weder Lügen noch die Wahrheit sagen sondern versuchen, die gestellte Frage regelrecht „totzureden“ umso um eine konkrete Antwort herumzukommen. Dies stellt ein stetig benutztes Instrument dar in der Gesellschaft um unleidliche Antworten zu umgehen, indem man sprichwörtlich „um den heißen Brei“ herumredet und somit belanglosem, unnötigen Gerede zwar Antwortet jedoch ein Mehrwert einer Antwort regelmäßig umgeht.

Man kann also erahnen welch wichtige Rolle, sowohl der Bullshit als auch das Gerede in einer modernen Gesellschaft einnehmen und für ein Kollektivgefühl ist auch das „Man“ unersetzlich.

2. Der „Bullshit“

Der Begriff Bullshit ist in erster Linie ein Ausruf eines Gesprächspartners über einen dargelegten Sachverhalt, welcher in seiner Sinnhaftigkeit oder auch seinem Wahrheitsgehalt stark angezweifelt wird. Harry G. Frankfurt führt in seinem Buch eine wichtige Quelle zum bestimmen des Begriffes auf. Max Black’s Aufsatzband „The Prevalence of Humbug“3 kommt demnach dem Begriff Bullshit am ehesten nahe.

Black nennt in seinem Aufsatz einige Synonyme für Humbug, so sind hier beispielsweise das Gewäsch, die Phrasendrescherei, Theatermätzchen, das Gefasel, das Geschwätz, der Schwindel ja sogar die Hochstaplerei aufgeführt.

Man kann also erkennen, dass der Begriff schwer einzugrenzen ist und wahrscheinlich jeweils für das gleiche Phänomen verwendet wird, jedoch mit feinen Nuancierungen je nach gesellschaftlichen Stand oder aber auch der jeweiligen Situation.

So sind für Gaukler oder Kartenlegern auf Jahrmärkten die Begriffe „Hochstaplerei und Schwindel“ wohl besser anzuwenden als „Gefasel“.

Eins haben jedoch alle Begrifflichkeiten gemeinsam, sie decken einen Zustand ab, welcher eine an eine Lüge grenzende Darstellung eigener Gedanken beschreibt.

Black versucht sich in einer Definition über den Humbug: „[…] insbesondere durch hochtrabendes Gehabe in Wort und Tat irreführende und verfälschende, an Lüge grenzende Darstellung eigener Gedanken, Gefühle oder Einstellungen.“4

Man kann also davon ausgehen, dass der Bullshit ein Sammelausdruck für verschiedene Äquivalente ist, der jedoch im Wesen und im Kerngehalt das Gleiche ausdrückt.

Doch wie ist die Herkunft des Begriffes, der Stamm zu werten?

2.1 Was zeichnet den Bullshit aus und welche Eingrenzungen gibt es?

Der Bullshit setzt sich jeweils aus den Begriffen Bull und Shit zusammen. Harry G. Frankfurt sieht bei dem Bull („Bullsession“) eine Art intensives Gespräch bzw. eine Gesprächsform unter Menschen, die „[…] zwar intensiv und durchaus bedeutungsvoll sein mag, in gewisser Hinsicht jedoch nicht ganz >>echt<< ist.“5 Für Harry G. Frankfurt ist ein charakterliches Merkmal eines solchen Gespräches, „dass die dort gemachten Äußerungen nicht unbedingt auch die tatsächlichen Vorstellungen oder Gefühle ihres Urhebers zum Ausdruck bringen.“6

Ein Teil des Bullshits besteht also aus einer Konversation, einem Gespräch, welches unter Menschen geführt wird. Es werden Aussagen getroffen und an den Gesprächspartner herangetragen. Während bei geplanten „Bull-Sessions“ jedoch allen Gesprächspartnern klar ist, dass es sich um eine ebensolche handelt, ist die Problematik unter „unwissenden“ Gesprächspartnern, dass einer der Gesprächspartner getäuscht wird über den Inhalt der Aussagen.

In diesem Punkt kommt der 2. Teil des Wortes Bullshit zum Tragen. Unter Shit versteht man mithin Exkremente die abgesondert werden. Harry G. Frankfurt sieht hier „[...] Exkremente sind Stoffe denen jeglicher Nährstoffgehalt entzogen worden ist.“7 Es liegt also nahe, folgt man dieser Terminologie, dass Bullshit letztlich eine Art der Kommunikation ist, in welcher Wörter und Anschauungen benutzt werden, die keinerlei Gehalt für die Kommunikation haben. Es ist demnach lediglich unnütze Information, welche transportiert wird.

Geht man hierbei von einem „Sender“ – „Empfänger“ Prinzip aus, gibt es demnach sogar verschiedene Formen Bullshit zu verwenden.

Zum einen gibt es den „Bullshitter“ also den aktiven Part der unter dem Mantel eigener Ansichten oder Erfahrungen und Meinungen Informationen verteilt, welche absolut belanglos oder aber schlichtweg falsch sind (aber auch durchaus wahr sein können). Es geht also einzig und allein um seine Selbstdarstellung und das Erreichen eines Zieles ( seiner Ansichten ) und hierzu wird Kommunikation verwendet, welche sich sämtlicher Möglichkeiten bedienen kann.

2.2 Ist Bullshit eine Lüge oder sogar noch gefährlicher für die Wahrheit?

Um diese Frage zu klären bedarf es zunächst einer genaueren Betrachtung, welche Merkmale in Bezug auf Lüge und Wahrheit der Bullshit letztlich erfüllt.

Wie in 2.1 erläutert ist dem Bullshit egal wie der Zustand einer Aussage ist (wahr oder falsch). Das höherrangiges Ziel stellt eine+ Absicht dar, die der Bullshitter versucht zu erreichen. Hierzu ist jedes Mittel der Kommunikation recht.

Genau diese Ignoranz macht das Bullshitting potentiell schwierig einzuschätzen und vor allem einzukatogerisieren in bekannte „wahr-falsch Muster“.

Dem Sprecher ist es also herzlich egal ob er die Wahrheit sagt oder eine Lüge ausspricht. Vielmehr weiß er es mitunter gar nicht. Der Sprecher hat ein Ziel welches zu erreichen ist und dafür bedient er sich der Mittel von Aussagen, welche sowohl falsch als auch richtig sein können. Genau dieser Fakt ist es, der das Bullshitting zu einem großen Bluff macht. Der Sprecher versucht sein Gegenüber mit Aussagen die sowohl wahr als auch falsch sein können zu einem Ergebnis zu bringen.

Das bluffen und lügen sind beides Formen von verfälschender Darstellung oder Täuschung.8

Ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal ist jedoch Wahrheitswidrigkeit. Eine Lüge ist eine falsche Darstellung eines Sachverhaltes und weiter benötigt der Lügner Kenntnis über den richtigen Sachverhalt. Er begeht also bewusst und vorsätzlich eine Falschdarstellung.

Für einen Bluff hingegen steht zwar im Ergebnis auch eine Falschdarstellung, diese wird jedoch vielmehr durch Fälschung hergestellt als durch eine vorsätzlich falsche Aussage.9

Harry G. Frankfurt sieht hier das Hauptmerkmal des Bullshits. „Obwohl er ohne Rücksicht auf die Wahrheit produziert wird, muss er durchaus nicht unwahr sein. Der Bullshitter fälscht Dinge. Aber das heißt nicht, dass sie zwangsläufig falsch sind.“10

[...]


1 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 73f

2 Begriff aus Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013

3 Black, Max(1985): The Prevalence of Humbug and Other Essays, Ithaca 1985

4 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 14

5 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 42

6 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 43

7 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 50

8 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 54

9 Vgl. Ebd.

10 Frankfurt, Harry G.(2005): Bullshit, 5. Auflage, Frankfurt am Main 2013, Seite 55

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
"Bullshit" nach Harry G. Frankfurt und "Gerede" nach Heidegger. Versuch einer Annäherung der beiden Theorien
Hochschule
Hochschule für Politik München
Note
1,3
Autor
Jahr
2013
Seiten
15
Katalognummer
V298937
ISBN (eBook)
9783656956730
ISBN (Buch)
9783656956747
Dateigröße
635 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Harry, Frankfurt, Heidegger, Gerede, MAN, Bullshit, Bullshitting, Bingo
Arbeit zitieren
Patrick Schmitt (Autor:in), 2013, "Bullshit" nach Harry G. Frankfurt und "Gerede" nach Heidegger. Versuch einer Annäherung der beiden Theorien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/298937

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