Das Orchester ist tot, es lebe das Orchester! Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern

Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin


Diplomarbeit, 2014

64 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

Teil 1: Situation der deutschen Orchesterlandschaft
1. Orchesterland Deutschland - eine Bestandsaufnahme
1.1. Situation nach der deutschen Wiedervereinigung
1.2. Orchesterarten
1.2.1. Opernorchester
1.2.2. Konzertorchester
1.2.3. Rundfunkorchester
1.3. Organisationsformen
1.3.1. Wirtschaftlichkeit vs. Rechtsform
1.3.2. Regiebetrieb
1.3.3. Eigenbetrieb
1.3.4. Zweckverband
1.3.5. GmbH/ gGmbH
1.3.6. eingetragener Verein
1.3.7. Stiftung
1.3.8. Rundfunkklangkörper/ Sendeanstalt
1.4. Finanzierung

Teil 2: Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern
2. Kulturmanagement: Ansätze/ Instrumente/ Maßnahmen
2.1. Marketing/ Kulturmarketing
2.1.2. Kulturprodukt
2.1.3. Kulturmarketing für Orchester – Orchestermarketing
2.1.4. Organisationszweck
2.1.5. Erstellung eines Leitbildes
2.1.6. Branding/ Markenbildung/ Markenpflege
2.1.7. Besucherorientierung/ Besucherbindung
2.1.8. Audience Development
2.1.9. Sponsoring
2.1.10. Fundraising
2.1.11. Medienpartnerschaft
2.1.12. Social Media
2.2. Kombinierte ganzheitliche Maßnahmen
2.2.1. Konzertpädagogik/ Education
2.2.2. Innovative Konzepte
2.2.3. Neue Spielstätten

Teil 3: Strategie am Beispiel Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
3. Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin - „Das Wesentliche ist die Musik“
3.1. Einleitung
3.1.1. Geschichte und Status quo
3.1.2. Organisation/ Finanzierung
3.1.3. Rundfunk- Orchester und Chöre GmbH
3.2. Kulturmarketing
3.2.1. Markenbildung- und Pflege/ Kommunikation - „Das Wesentliche ist die Musik“
3.2.2. Besucherbindung
3.2.3. Freunde und Förderer des RSB e.V.
3.2.4. Spielstättenvielfalt
3.2.5. Preisgestaltung
3.2.6. Medienpartnerschaft mit dem Deutschlandradio
3.2.7. Nutzung neuer Medien
3.3. Education
3.3.1. Orchesterakademie/ Partnerorchester
3.3.2. Deutsche Streicherphilharmonie
3.3.3. Familienkonzerte und Educationarbeit
3.3.4. Bildungs-App „Villa Cäcilia“
3.4. Programmgestaltung und Produktplanung
3.4.1. Chefdirigent auf Lebenszeit
3.4.2. Festival Zyklus: Wagner konzertant
3.4.3. Filmmusikkonzerte
3.5. Fazit Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin

4. Fazit

Literaturverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

Die Situation der deutschen Orchester hat sich innerhalb der letzten fünfundzwanzig Jahre drastisch verändert. Einerseits wuchs die Zahl der Kulturorchester durch die politische Wiedervereinigung Deutschlands. Andererseits sind seitdem 39 Ensembles aufgelöst bzw. fusioniert worden1. Bei den Rechtsformen zeigt sich mittlerweile ein Trend hin zu mehr Eigenständigkeit und Arbeit unter wirtschaftlichen Bedingungen. Eigenbetriebe, Stiftungen und GmbHs wurden gebildet, um Kosten zu sparen und die nötige Flexibilität beim Betrieb der Orchester zu erreichen. Insgesamt ist zu beobachten, dass sich wissenschaftliche Erkenntnisse über Kulturmanagementprozesse, beispielsweise aus den USA mit ihrer vergleichsweise sehr geringen öffentlichen Finanzausstattung, hierzulande durchsetzen. Spielpläne unterliegen oft nicht mehr nur der künstlerischen Planung, sondern berücksichtigen viel mehr als früher auch Besucherbedürfnisse. Da sich das Orchesterpublikum in seiner Altersstruktur wandelt, müssen neue Wege der Besucherbindung gefunden werden, um diesem Prozess entgegen zu wirken.

Um nicht irgendwann vor leeren Konzertsälen zu spielen, ist es unabdingbar, neue Besucherschichten durch angepasste Programmatik zu gewinnen, ohne die künstlerische Identität aufzugeben. Daraus resultiert eine Gratwanderung im Spannungsfeld zwischen Besucherzahlen, Mainstream, Anspruch und Kulturauftrag.

Verfahrensweise:

Im ersten Teil der Arbeit wird ein Überblick über die Orchesterlandschaft Deutschlands gegeben. Wesen, Arten, der Rechts- und Finanzierungsformen der Klangkörper werden aufgezeigt. Im zweiten Teil liegt der Schwerpunkt auf der Herausarbeitung und Darstellung möglicher Instrumente des Kulturmanagements, die geeignet scheinen, Orchester zukunftssicher zu machen. Im dritten Teil werden die erarbeiteten strategischen Elemente am Beispiel des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin überprüft.

Teil 1: Situation der deutschen Orchesterlandschaft

1. Orchesterland Deutschland - eine Bestandsaufnahme

1.1. Situation nach der deutschen Wiedervereinigung

Die deutsche Orchesterlandschaft ist seit den 90ger Jahren von Auflösungen, Fusionen und Rechtsformänderungen geprägt. Eine erste Erhebung im Jahre 1992 zählte noch 168 öffentlich finanzierte Orchester in Deutschland. Mittlerweile gibt es 37 Orchester weniger. Viele wurden fusioniert, andere ganz aufgelöst. Die Tendenz ist bedrohlich. Die Kulturorchester befinden sich in einer schwierigen Situation. Auf der einen Seite sind sie Wirtschaftsfaktor. Auf der anderen Seite gelten sie als ewig zuwendungsbedürftig. Regelmäßige Anpassungen der Gehälter stehen stagnierenden Erlösen aus Eintrittsgeldern gegenüber. Im zweiten Teil dieser Arbeit wird diese Problematik näher untersucht.

1.2. Orchesterarten

Nach Angaben der Deutschen Orchestervereinigung (DOV) existieren hierzulande 131 öffentlich finanzierte Berufsorchester2. Sie unterscheiden sich in Konzertorchester, Opernorchester, Rundfunkklangkörper und Kammerorchester.3Neben den als Kulturorchester definierten Ensembles gibt es zahlreiche freiberuflich- oder teilfinanzierte Orchester. Behörden, wie Bundeswehr, Polizei und Bundespolizei unterhalten vereinzelt Blasorchester oder Big-Bands.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abbildung des Autors)

Die Ausführungen dieser Arbeit beschränken sich auf die Betrachtung der deutschen Kulturorchester.

1.2.1. Opernorchester

Die größte Gruppe unter Ihnen stellen die 84 Opernorchester. Sie befinden sich überwiegend in Landes- bzw. kommunaler Trägerschaft. Zu ihren Aufgaben gehört die Begleitung des Spielbetriebes des jeweiligen Theaters. Neben der Tätigkeit als Opernorchester werden sie üblicherweise auch als Konzertorchester verpflichtet. Die Gewichtungen dabei sind sehr unterschiedlich. Das Gewandhausorchester Leipzig, beispielsweise, teilt seine Arbeit paritätisch in Opern- und Konzertdienste. Die Hofer Sinfoniker bedienen sogar drei Sparten. Sie werden als Opernorchester verpflichtet, treten als Konzertorchester auf und betreuen den Instrumentalunterricht der eigenen Kunst- und Musikschule.4

1.2.2. Konzertorchester

Aktuell gehören 29 Konzertorchester und 7 Kammerorchester den Konzerthäusern und Philharmonien Deutschlands an.G.Mertensdefiniert Konzertorchester als Orchester, „..die ganz überwiegend oder ausschließlich im Konzertsaal tätig sind.“5Prominente Vertreter sind die Berliner und die Münchner Philharmoniker. Im Gegensatz zu Opernorchestern liegt der Schwerpunkt auf dem Konzertbetrieb. Gelegentliche Einsätze im Orchestergraben einer Operninszenierung sind jedoch nicht ausgeschlossen. Die Berliner Philharmoniker wirken jährlich im Rahmen des Osterfestivals Baden-Baden (vormals beim Osterfestival in Salzburg) an einer Operninszenierung mit. Einige Kammer- und Konzertorchester sind in den Spielplan von Sommer Open-Air Festivals mit und ohne Oper eingebunden.

1.2.3. Rundfunkorchester

Rundfunkorchester können von ihrer Struktur und Arbeitsweise her rein formal zu den Konzertorchestern gezählt werden, da sich ihr Betätigungsfeld immer mehr und fast ausschließlich auf das Konzertgeschehen verlagert. Gegründet wurden Sie von den zahlreichen Landesrundfunkanstalten für die Produktion sendefähiger Konzert- und Unterhaltungsmusik. Zu den ältesten zählen das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und das MDR-Sinfonieorchester Leipzig, die beide in den Anfangsjahren des Rundfunks in Deutschland gegründet wurden.6Außerdem gibt es die Sinfonieorchester des SWR, NDR, WDR, SR und des BR.

Rundfunkorchester produzieren klassische und innovative Musikprogramme auf höchstem künstlerischen Niveau. Ein programmatischer Schwerpunkt ist, neben dem klassisch sinfonischen Repertoire und der Wiederbelebung von wenig bekannten Werken zwischen Barock und Romantik7, die Pflege zeitgenössischer Musik durch Uraufführungen.J. Mertensbeschreibt diese Rolle als „Doppelfunktion“8.

1.3. Organisationsformen

1.3.1. Wirtschaftlichkeit vs. Rechtsform

„In der kulturellen Praxis geht es heute weniger um die Wahl der Rechtsform bei Neugründung einer Einrichtung als vielmehr um den Wechsel der Rechtsform von bestehenden Einrichtungen mit dem Ziel, dadurch den Betrieb wirtschaftlicher zu führen.“9

Orchester mit fest angestellten Musikern kosten stets mehr, als sie selbst einspielen, deshalb wird gerade in Zeiten klammer öffentlicher Kassen über die Optimierung der Finanzmittel und deren Umgang nachgedacht. Für die Ensembles bedeutet das möglicherweise eine Umstrukturierung der bestehenden Rechtsform. Ein Herauslösen aus direkter kommunaler Trägerschaft muss aber nicht negativ sein. Bringt ein derartiger Wechsel auf der einen Seite durchgehend flexiblere Gestaltungsmöglichkeiten und betriebswirtschaftliche Kostenabrechnung mit sich, so steht dem auf der anderen Seite durch eine privatwirtschaftliche Rechtsform die Gefahr der schnelleren Abwicklung, etwa durch Insolvenz entgegen.10

Der Gestaltungsspielraum des Managements ist dennoch abhängig vom Vertrauen der Träger. Bei Rechtsformen mit Satzung (e.V., Stiftung, GmbH) kann ein massiver Einfluss der Träger bis hin zu großzügiger Flexibilität festgeschrieben werden.11In den vergangenen Jahrzehnten haben sich im Orchesterbereich verschiedene Modelle durchgesetzt.

Es gibt jedoch keine optimale Rechtsform für den Kulturbetrieb.12

Die Wahl der Rechtsform ist keine endgültige Entscheidung und sollte regelmäßig überprüft und gegebenenfalls angepasst werden.

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(Abbildung des Autors)

1.3.2. Regiebetrieb

Die wohl ursprünglichste Rechtsform kommunaler und staatlich geführter Kultureinrichtungen - Theater, Orchester und Museen - ist der Regiebetrieb.

Die Mehrzahl aller kommunalen und staatlichen Orchester sind als Regiebetrieb einem öffentlichen Rechtsträger eingeordnet.13

Als erweiterte Form gibt es den „optimierten“ Regiebetrieb. Dieser wird so angepasst, dass er als autonomes Amt mit Wirtschaftsplan abgespalten und eigenständig innerhalb einer Kommune agieren kann. Optimiert ist hier vor allem die betriebswirtschaftliche Abwicklung der Finanzierung und Verwaltung, um o.g. Problemen der Inflexibilität entgegen zu wirken. In der Praxis findet sich diese Rechtsform bei Orchestern, die Theatern und Konzerthäusern angegliedert sind. Der Regiebetrieb als Rechtsform für Orchester ist jedoch bestimmt nicht die beste Basis für zukunftssichernde Strategien. Planungsprozesse können nur sehr zäh umgesetzt werden.

Eine erweiterte Form ist der optimierte Regiebetrieb. Er unterscheidet sich in der Anwendung betriebswirtschaftlichen Rechnungswesens. Statt unflexibler Kameralistik wird eine höhere Flexibilität im Betriebsablauf und in der Planung erreicht. Das Geschäftsjahr kann anders als beim Regiebetrieb vom Kalenderjahr abweichen. Das ist für die Budgetierung einer Spielzeit von enormem Vorteil. Dennoch ist der optimierte Regiebetrieb keine eigene Rechtsform.14

1.3.3. Eigenbetrieb

Wie auch Regiebetriebe unterstehen Eigenbetriebe unmittelbar dem öffentlichen Rechtsträger. Eigenbetriebe haben keine eigene Rechtspersönlichkeit. Sie stellen Sondervermögen der öffentlichen Hand dar.15

Hauptunterscheidungsmerkmal ist jedoch die Möglichkeit des eigenständigen Handelns inklusive kaufmännischen Rechnungswesens. Der vom Träger vorgesehene Etat geht als Zuwendung an den Eigenbetrieb. Am Ende des Geschäftsjahres werden die Anteile des Trägers am Eigenbetrieb per Gewinn- und Verlustrechnung ermittelt und verrechnet.16

Durch die Vorgabe betriebswirtschaftlich zu agieren, kann der Eigenbetrieb in sich relativ selbständig arbeiten und handeln. Dadurch erreicht man größere Flexibilität beim Betrieb einer Kultureinrichtung, bzw. eines Orchesters.

Oft lagern Kommunen die gesamte Kulturarbeit in Eigenbetriebe, z. B. auch in Kulturbetriebe als GmbH aus.17Mit dieser Art der Expansion der Kulturaufgaben wird eine Grauzone aus kommunaler Verantwortung und Handeln unter privatwirtschaftlichen Bedingungen geschaffen. Auf diese Weise wird Kulturarbeit effizienter und das Budget lässt sich besser überblicken.

1.3.4. Zweckverband

Zwei Prozent der deutschen Kulturorchester sind als Zweckverband organisiert. Zweckverbände sind Zusammenschlüsse aus mehreren Gemeinden oder Gemeindeverbänden. Sie „sind rechtsfähige Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung“.18Mitglieder eines Zweckverbandes können auch Länder, Bund, Körperschaften, Anstalten und Stiftungen sein.19

1.3.5. GmbH/ gGmbH

Die Gesellschaft mit beschränkter Haftung, kurz GmbH genannt, wird als juristische Person betrachtet. „Die GmbH ist eine Kapitalgesellschaft mit eigener Rechtspersönlichkeit, die selbst mit ihrem Vermögen unbeschränkt haftet.“20Bei Errichtung einer GmbH muss ein Stammkapital von mindestens 25.000 € eingelegt werden. Bei Liquidation der Gesellschaft können die Gesellschafter nur bis zur Höhe des jeweiligen Stammkapitals haftbar gemacht werden. Daher die Bezeichnung mit „beschränkter“ Haftung. Unter bestimmten Voraussetzungen kann eine GmbH als „gemeinnützig“ (gGmbH) eingestuft und steuerlich so behandelt werden. Gründungsvoraussetzung ist ein notariell beglaubigter Gesellschaftsvertrag, der den Namen der Gesellschaft, den Sitz, Gegenstand, die Höhe des Stammkapitals, sowie die jeweiligen Stammeinlagen der Gesellschafter beinhalten muss. Dieser Gesellschaftervertrag, oder auch Gesellschaftssatzung genannt, gibt den Zweck, die Ausrichtung und das Handeln der Gesellschaft vor. Darin wird auch das Geschäftsjahr festgelegt. Bei Kulturbetrieben kann demnach das Geschäftsjahr der Spielzeit angepasst werden. Die Gesellschaft wird vertreten durch einen bestellten Geschäftsführer, der im Sinne der Gesellschaft handelt und in seiner Wirkungsweise per Gesellschaftersatzung eingeschränkt werden kann.

In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Orchester aus kommunaler bzw. staatlicher Trägerschaft in privatrechtliche Unternehmen umgewandelt. Allein 40 der aktuell 131 deutschen in der DOV organisierten Kultur- und Kammerorchester21wurden in eine GmbH, bzw. gGmbH umfirmiert.

Hintergrund ist die Schaffung einer flexibleren, nach marktwirtschaftlichen Gesichtspunkten geordneten Rechtsform. Ein weiterer Vorteil der GmbH als Rechtsform ist die Beteiligung unterschiedlicher Gesellschafter. Das können Privatpersonen, juristische Personen oder Körperschaften, Kommunen, Bund und Länder sein. Jedoch birgt die Flucht in die privatrechtliche Wirtschaft auch die Gefahr einer schnelleren Insolvenz, sollten die öffentlichen Kulturhaushalte der Kommunen und der Länder nicht gedeckt sein. Der starre Handlungsspielraum eines direkt abhängigen Regiebetriebes steht dem gegenüber.

Das Beispiel der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH Berlin, kurz ROC Berlin, zeigt, wie vielfältig der Gesellschaftermix sein kann. Gesellschafter der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH Berlin sind mit einem Anteil von 40 Prozent das Deutschlandradio, 35 Prozent der Bund, 20 Prozent das Land Berlin und mit 5 Prozent der Rundfunk Berlin-Brandenburg. Das Beispiel ROC Berlin wird im dritten Teil der Arbeit detailliert dargestellt.

1.3.6. eingetragener Verein

Der Verein ist die einfachste Form einer Körperschaft.Scheyttdefiniert: „Der Verein ist eine auf Dauer angelegte körperschaftliche Vereinigung von Personen, die einen eigenen Namen führt und in ihrem Bestand vom Wechsel der Mitglieder unabhängig ist.“22

Unterschieden wird in nicht-rechtsfähigen und rechtsfähigen Verein. Rechtsfähig wird ein Verein mit Eintragung in das Vereinsregister. Vereine sind juristische Personen, d.h. sie können nach außen hin Rechtsgeschäfte wahrnehmen.23Mindestens sieben Gesellschafter und eine Vereinssatzung mit angegebenem Vereinszweck sind Voraussetzung für die Vereinsgründung.

15 der öffentlich finanzierten Orchester in Deutschland sind als eingetragene Vereine organisiert.24Orchestermitglieder können Vereinsmitglieder sein und dem Vereinszweck entsprechend als Musiker arbeiten. In seinem Wesen entspricht das dem „Idealverein“. Es „..besteht die Möglichkeit, dass es sich um einenidealen Vereinhandelt, nämlich dann, wenn der wirtschaftliche Geschäftsbetrieb dem Hauptzweck des Vereins untergeordnet ist und nur dazu dient, diesen ideellen Zweck zu ermöglichen, indem die dafür notwendigen finanziellen Mittel beschafft werden.“25Eine andere mögliche Form der Ausgestaltung des Vereins im Orchesterbereich ist der Trägerverein. Dieser beschäftigt für die Umsetzung seines Satzungszweckes Orchestermusiker, Dirigent, Management und Büromitarbeiter in Form eines ausgegliederten Wirtschaftsbetriebes. Weiterhin kann die Anerkennung der Gemeinnützigkeit von Vorteil sein. In diesem Fall ist eine Trennung in Idealverein und wirtschaftlichen Verein vorzunehmen.

1.3.7. Stiftung

Der bundesweite Stiftungsboom hat auch im Orchestersektor Einzug gehalten. Bekannte Beispiele für öffentlich-rechtliche Stiftungen sind die Stiftung Berliner Philharmoniker und die Stiftung Bamberger Symphoniker – Bayerische Staatsphilharmonie. Deutschlandweit wurden in den letzten 25 Jahren insgesamt 10 Orchester in Stiftungen überführt.26

Bei Gründung einer Stiftung ist der Stiftungszweck zu benennen. Hierbei wird unterschieden in privat- und gemeinnützig. Das Stiftungsvermögen (Immobilien, Guthaben, Wertpapiere usw.) und die Stiftungsorganisation werden bei Errichtung der Stiftung geregelt.27

Die Dauer des Betriebes einer Stiftung ist grundsätzlich längerfristig und ohne fixiertes Ende angelegt.28Man unterscheidet in privatrechtliche und öffentlich-rechtliche Stiftungen.

Der Stiftungszweck wird aus dem durch das Stiftungsvermögen erwirtschafteten Ertrag realisiert. Öffentlich-rechtliche Stiftungen werden durch einen „staatlichen Hoheitsakt“29errichtet. Im Zuge dessen kann eine regelmäßige finanzielle Ausstattung gemäß Haushaltsrecht der jeweiligen Träger geregelt werden. Diese Form der Stiftung ohne Kapitalausstattung wird in der Literatur auch als Trägerstiftung30bezeichnet. Die Stiftung Berliner Philharmoniker sorgt durch ihren Stiftungszweck für die „...Förderung der Musikkultur, verwirklicht durch Konzerte und Veranstaltungen des Orchesters sowie den Betrieb der Philharmonie und des Kammermusiksaals mit eigenen und Fremdveranstaltungen.“31

Der Hauptvorteil einer öffentlich-rechtlichen Stiftung gegenüber einer GmbH mit öffentlichen Trägern ist der auf Langlebigkeit (wenn das Thema Haftungsbeschränkung eine untergeordnete Rolle spielt) ausgerichtete Stiftungszweck bei adäquater Verwaltung.

1.3.8. Rundfunkklangkörper/ Sendeanstalt

Die Landesrundfunkanstalten der ARD unterhalten ihre Klangkörper als besondere Eigenbetriebe aus eigenen Finanzmitteln. Eine Ausnahme bilden hier das Deutsche Sinfonie-Orchester Berlin (vormals Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin beim RIAS) und das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin (vormals Rundfunk-Sinfonieorchester des Rundfunks der DDR). Sie sind in der Rundfunkorchester- und Chöre GmbH Berlin organisiert und werden durch den Gesellschaftermix neben Bund, Land Berlin, aus dem überregional tätigen Sender Deutschlandradio, sowie dem Rundfunk Berlin-Brandenburg finanziert.

1.4. Finanzierung

Betrachtet man die geschichtliche Entwicklung der Orchester in Deutschland, wird schnell klar, worauf die hohe Zahl und dichte Verbreitung beruht. Erste institutionell geförderte Kapellen wurden bereits vor rund 500 Jahren u.a. in Hessen und Sachsen gegründet. Deutschland war bis zur Entstehung des Kaiserreiches Ende des 19. Jahrhunderts in mehrere hundert Fürstentümer zersplittert. Durch die bestehende Kleinstaaterei leistete man sich allerorten am jeweiligen Hofe Kapellen oder Orchester für die Aufführung von Opern, Ballett und Konzertmusiken. Dafür wurden Musiker in Dienst gestellt. Auch damals kosteten Musiker mehr, als sie einbrachten. Jedoch ist hier schon der Ursprung der historisch bedingten Zuschussfinanzierung zu beobachten. Anfangs leistete sich die Aristokratie anspruchsvolle Unterhaltung, später übernahm das Bürgertum die Aufgabe der Beschäftigung der Orchester durch die Obhut des Staates. Im Amerika von der Unabhängigkeitserklärung bis zur Gegenwart ist der Staat durch bürgerschaftliches Engagement im Bereich Kultur geprägt. Orchester werden dort heutzutage überwiegend nur mit einem Anteil im einstelligen Prozent-Bereich ihres Gesamtbudgets staatlich finanziert. In Deutschland wird Kultur überwiegend öffentlich finanziert. Private Förderung spielt hierzulande eine eher untergeordnete Rolle. Starkes bürgerschaftliches Engagement in Form privater Förderung findet man bspw. in Hamburg, einer Stadt, in der das Bürgertum von Beginn an eine bedeutende Rolle spielte.

Kulturfinanzierung wird unterschieden in öffentliche und privatwirtschaftliche Finanzierung. Die öffentliche Kulturförderung und -finanzierung wird in Deutschland zu sehr unterschiedlichen Teilen von Bund, Ländern und Kommunen übernommen. Um die jeweilige Kostenbeteiligung beschreiben zu können, soll zunächst die Form der staatlichen Kulturförderung dargestellt werden. Es gibt drei Arten der Förderung.32

Diedirekte Förderungsteht für den unmittelbaren Geldzufluss an den Kulturbetrieb.Indirekte Förderungbedeutet eine Umwegfinanzierung über Steuererleichterungen bei der Unterstützung von Kultureinrichtungen. Diese machen sich bei der steuerlichen Anrechnung von Spenden oder Sponsoringbeträgen bemerkbar, vor allem aber im Wegfall der Körperschaftssteuer und der Gewerbesteuer bei als gemeinnützig eingestuften Kultureinrichtungen.

Dieöffentliche Kulturförderung über eine Mittlerinstitutionsteht für eine Förderung, bei der staatliche Gelder indirekt, z.B. über Stiftungen an Kultureinrichtungen verteilt werden. Die Förderung soll aus dem Kapitalstock der Stiftungen erwachsen. Allerdings sei dies nicht der übliche Fall, soGerlach:„...weil das Stiftungsgeschäft i.d.R. eben doch keine gesicherte Kapitalausstattung in Form eines unantastbaren Kapitalstocks ist, der genügend Erträge zur Verfolgung des Stiftungszweckes generiert, beinhaltet.“33

Kulturförderung beinhaltet zwei Finanzierungsarten. Die komfortabelste ist dieVollfinanzierung, bei der - wie der Name schon sagt - die finanzielle Ausstattung vollumfänglich gefördert wird. Bei der zweiten Art handelt es sich um dieTeilfinanzierung, die sich wiederum aufgliedert inAnteilsfinanzierung,FehlbedarfsfinanzierungundFestbetragsfinanzierung. Bei Anteilsfinanzierung wird ein prozentualer Satz der Finanzierung eines Projektes oder einer Institution festgelegt. Festbetragsfinanzierung bedeutet die Finanzierung eines fixen Betrages am Gesamtbudget. Möglich ist auch die Finanzierung eines entstehenden Fehlbetrages, bspw. aus der Differenz der tatsächlichen Abrechnungssumme und der Anteilsfinanzierung in Kombination mit einer Festbetragsfinanzierung. Die Arten der Teilfinanzierung werden i.d.R. miteinander kombiniert. Private Kulturförderung, hier speziell betrachtet für die institutionelle Förderung, erscheint als Sponsoring, Fundraising, Public-private-Partnership sowie durch Zuwendungen privater Stiftungen. Sie kann sehr unterschiedlich wirken. Im Augenblick spielt private Kulturförderung bei der institutionellen Förderung von Orchestern in Deutschland noch keine nennenswerte Rolle. Es werden lediglich Inselprojekte (Engagement der Stiftung Deutsche Bank beim Educationprojekt und der Digital Concert Hall der Berliner Philharmoniker) im nennenswerten Rahmen gefördert. Attraktiver für privatwirtschaftliche Förderung sind projektmäßig durchgeführte Veranstaltungen, wie z.B. Festivals. Von diesen profitieren Orchester wiederum indirekt durch Festivalhonorare.

Ein wichtiger Teil der Finanzierung von Orchestern ist das Eigeneinspielergebnis. Es kann sich aus sehr unterschiedlichen Einnahmearten zusammensetzen. Die wichtigsten Einnahmequellen sind die Erlöse aus Eintrittsgeldern. Aus diesem Grund sind auch heute noch die Abonnentenzahlen der jeweiligen Orchester wichtige Faktoren für eine zuverlässige Einnahmenplanung bei der Durchführung von Konzertreihen und Programmen.

Für Orchesterinstitutionen, die außerdem Konzerträume verwalten, kommen Erlöse aus der Vermietung der Veranstaltungsräume an Fremdveranstalter hinzu.

Teil 2: Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern

2. Kulturmanagement: Ansätze/ Instrumente/ Maßnahmen

„Paradoxerweise ist es gerade das subventionierte Kulturschaffen, das dem Publikum mithilfe von Werbung und Public Relations etwas beliebt machen muss, was dieses (noch) nicht versteht und nicht sehen oder hören will: zum Beispiel zeitgenössische Werke der Bildenden Kunst, der E-Musik oder des Tanztheaters.“34

Kommerzielle Kulturbetriebe nutzen schon immer Marketinginstrumente für die Umsetzung ihrer Projekte unter wirtschaftlicher Prämisse. Bei Non-Profit Kulturunternehmen, also vorrangig bei öffentlich finanzierten Kulturbetrieben, ist bisher eher „Marketing aus dem Bauch“ anzutreffen.35Aber auch bei den öffentlich geförderten Kulturunternehmen hat in den letzten Jahrzehnten ein Umdenken begonnen. Mit dem Einspardruck im Bereich der Kulturhaushalte der Kommunen und Länder kam es - wie beschrieben - vermehrt zu veränderten und angepassten Rechtsformen bei den öffentlichen Kulturbetrieben. Waren bis zur Wiedervereinigung beider deutschen Staaten Begriffe wie „Marketing“ und „Einnahmensteigerung“ eher bedeutungslos, wurden sie in den letzten Jahren immer wichtiger für das Überleben von Kultureinrichtungen. Permanente Kostensteigerungen durch Inflation, erhöhte Betriebskosten und Lohnanpassungen werden nicht mehr automatisch durch Haushaltsaufstockungen finanziert. Kulturinstitutionen und Medien haben längst mit knapperen Haushalten und wachsender Konkurrenz zu kämpfen. Das „klassische“ Publikum ist heute ein anderes. Die Abonnentenzahlen scheinen allerorten zurück zu gehen und junges Publikum wächst nicht selbstverständlich nach.36Die Konkurrenz auf dem Gebiet des Live-Erlebens wächst von Jahr zu Jahr. Frei finanzierte, klassiknahe Events und Festivals verzeichnen immense Zuwächse. In diesem Umfeld müssen sich öffentliche Kulturbetriebe neuer Strategien bedienen, wie das in der freien Wirtschaft üblich ist. Diese Entwicklung ist eine Herausforderung, die als Chance und Möglichkeit begriffen werden sollte.

Um das Kulturmarketing in seiner Bedeutung für die Zukunftssicherung von Orchestern herauszustellen, soll der Begriff Marketing und dessen Anwendung in der Kultur im Folgenden schrittweise erläutert werden.

2.1. Marketing/ Kulturmarketing

Kleinstellt heraus: es gibt Bedürfnisse und deren Zufriedenstellung. Der Ort, an dem dieser Prozess zwischen Anbieter und Nachfrager stattfindet, ist der Markt.Kleindefiniert Marketing zunächst grob als Austausch von Dingen oder Leistungen von Wert und die Beeinflussung dieses Prozesses.37Günter und Hausmanndefinieren Marketing als marktorientierte Unternehmensführung.38Marketing ist also ein Prozess, bei dem bestimmte Gegebenheiten und Abläufe miteinander in Beziehung treten, um mit dem vorhandenen Markt erfolgreich in Interaktion zu treten.

Bekannt ist der klassische Marketingmix, der sich unterteilt in Produkt, Kommunikation, Distribution und Preis, den vier Säulen des Marketings. Das Zusammenwirken aller vier Merkmale kennzeichnet das Marketing. Aus der klassischen Situation des Marktes wurde die Begrifflichkeit des Marketings auf die Kultur übertragen. Der Hauptunterschied hierbei ist die Definition und Stellung des Produktes.Fischerentwickelt Kulturmarketing aus zwei Marketingmerkmalen, dem wirtschaftlichen Ansatz und dem kulturellen Ansatz. Während beim wirtschaftlichen Ansatz der Markt den Ausgangspunkt bildet, wird das Produkt beim kulturellen Ansatz oben angesiedelt und mündet letztlich in dem Markt. Gerade das Produkt ist entscheidend für eine Definition des Kulturmarketings.

Da Kulturmarketing am Beispiel von Kulturorchestern gezeigt werden soll, ist das Hauptaugenmerk hier auf Non-Profit Unternehmen in öffentlicher Trägerschaft gelegt.

In Anlehnung anLendersist festzustellen, dass dabei lediglich im Ziel unterschieden wird.39Der Weg zum Erreichen des Grundsatzes ist in Teilen identisch. Das Produkt ist im privatwirtschaftlichen Bereich Teil der variablen Beziehungen des klassischen Marketingmix.

Das Produkt im kulturellen Sinne ist jedoch die einzig feste Größe.40

Kleingibt für den Non-Profit-Bereich zu bedenken, dass durch das feststehende Produkt, keine Anpassungsmöglichkeit bestehe, somit das Instrument Produktanpassung rein numerisch im dynamischen Prozess der Marketinginstrumente fehle.41

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Zieltrias im Kulturmarketing nach Klein42(Abbildung des Autors)

Zwei Ziele sollten im öffentlichen Kulturbetrieb bestmöglich umgesetzt werden, um die inhaltlichen Zielsetzungen so gut wie möglich zu realisieren und dabei den beabsichtigten, möglichen Besucherkreis optimal zu erreichen.43

Das Produkt habe gerade durch die öffentliche Förderung die Aufgabe, gesellschaftspolitische Vorgaben zu erfüllen und sei damit feststehend definiert. Andernorts führtKleinaus, sei es öffentlich geförderten Kultureinrichtungen nicht möglich, sich mit ihren Produkten beliebig an den Publikumsgeschmack anzupassen, denn es gehe vorrangig um „...die möglichst optimale Realisierung ihrer jeweiligen künstlerischen, kulturellen, ästhetischen, bildungspolitischen usw. Zielsetzung.“44

Diese Aussage ist in Frage zu stellen, versteht man unter Produkt nicht nur das Orchester mit seinem „kulturellen Archiv“45, sondern bezieht auch die Bereitschaft, sich inhaltlich auf Besucherbedürfnisse einzulassen mit ein. Im Unterpunkt Audience Development wird dieser Ansatz weiter ausgeführt. Das Produkt ist nicht starr zu betrachten, es kann flexibel sein, ohne sich in seiner Grundstruktur (Identität und kulturpolitischer Auftrag) zu verschieben, oder sich dem Nutzer „anzubiedern“. Es geht darum, jederzeit eine „gesunde“ Balance im Mix der generellen Aktivitäten des jeweiligen Kulturbetriebes zu finden. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sein Publikum zu kennen, mögliche neue Publikumsschichten zu erforschen und deren Bedürfnisse mit programmatischen Ansätzen anzusprechen. Die Art, in der eine Besucherorientierung stattfinden kann, ist ein diffiziles Feld. Eine völlige Neuausrichtung auf den Publikumsgeschmack würde die Identität und damit auch die Authentizität der Institution verleugnen und ist somit ausgeschlossen. Gute Ansätze findet man imAudience Developmentund imAudiencing.Es geht generell um die richtige Mischung, die sich in der Praxis ergeben wird.

Gerade an der Betrachtung des Produktes scheiden sich die Fälle von möglichem und unmöglichem Kulturmarketing. Während eine Mehrheit der deutschen Kulturorchester immer noch auf „Bauchmarketing“46vertraut, könnte das Anwenden von Kulturmarketing-Prozessen mit seinen jeweiligen Instrumenten ein wichtiger und zukunftsweisender Lösungsansatz sein.

Der Kern ist die Frage nach der Stellung des Produktes in der Vermarktungskette.

Legt man denDemand PullAnsatz zugrunde, so sind die Besucherbedürfnisse aufzuspüren und mit der Entwicklung entsprechender Produkte zu befriedigen.47BeimSupply PushAnsatz steht das Produkt bereits fest und wird durch „...geeignete Marketingstrategien und –instrumente den Zielgruppen nähergebracht...“48.

Auch wenn es auf den ersten Blick absurd erscheint, können beide genannten Ansätze auf das Kulturmarketing öffentlich geförderter Kultureinrichtungen übertragen werden. Speziell für die Arbeit von Orchestern ist die Mischung aus dem Erforschen der Besucherbedürfnisse einerseits und dem Etablieren der Kunst als Kernprodukt andererseits sehr gut vorstellbar. Sie erschließt neue Möglichkeiten für optimal angepasste und gut ausbalancierte Programme (Produkte).

2.1.2. Kulturprodukt

„Die meisten Kulturprodukte können als komplex bezeichnet werden, besonders wenn sie spezifische Kenntnisse oder den Umgang mit abstrakten Begriffen erfordern, um vom Konsumenten als schätzenswert empfunden zu werden. Die Komplexität ist noch größer, wenn ein Konsument mit einem bestimmten Produkttypus nicht vertraut ist.“49

„Marketing bedeutet strategisches Vermarkten. Und das ist nicht anrüchig?“50 Nimmt man die Theorie vonLendersauf, so ist festzustellen, dass sich privatwirtschaftliche und Non-Profit-Unternehmen im folgenden Merkmal grundsätzlich unterscheiden. Während bei privatwirtschaftlichen Unternehmen monetäre Ziele (Gewinn, Umsatz und Wachstum) im Vordergrund stehen, verfolgen Non-Profit-Unternehmen vorrangig nichtmonetäre Ziele (Erfüllung sozialer und gesellschaftspolitischer Prinzipien).51Kleinstellt fest, dass öffentlich unterstützte Kultureinrichtungen „...Nachfrager kulturell bilden oder deren ästhetisches Bewusstsein fördern oder einen kulturpolitisch vorgegebenen Auftrag erfüllen ...“52

Das Fehlen des Grundmerkmals der Privatwirtschaft bedeute jedoch nicht, dass bei Kultureinrichtungen in öffentlicher Trägerschaft ein betriebswirtschaftliches Handeln außer Kraft gesetzt ist.53Es gilt vielmehr eine Gratwanderung zwischen Wirtschaftlichkeit, besucherorientiertem Angebot und Wahrung der eigenen künstlerischen Identität zu beschreiten.

2.1.3. Kulturmarketing für Orchester – Orchestermarketing

Will man nun Kulturmarketing auf die Vermarktung von Orchestern übertragen, muss spezifiziert werden.

Orchester befinden sich in Konkurrenz zu anderen Live-Musikveranstaltern. Der Bereich der klassischen Musik befindet sich zudem scheinbar in einer Krise.54Musik ist reproduzierbar und praktisch immer und überall auf „Knopfdruck“ verfügbar. Radio, Fernsehen, CDs, SACDs, Internetstreaming und Musik-DVDs machen auch klassische Musik stets verfügbar und bieten eine starke Konkurrenz zu Live-Konzert Besuchen. Es gilt also den Klassik-Besuchern und (noch)Nicht-Besuchern die Einzigartigkeit der Orchesterkultur deutlich zu machen.J. Mertensstellt fest: Orchester müssen sich wieder auf ihre einzigartige musikalische Qualität und die Qualität der „lebendigen Aufführung“ besinnen und diese kommunizieren. Dies „...ist Aufgabe eines zeitgemäßen Orchestermarketings“.55Auch Klein sieht den Kern in der Qualität der Orchester: „... damit eine Marketingstrategie überhaupt Erfolg haben kann, muss die Qualität stimmen, der Kernnutzen also optimal erfüllt werden!“56J. Mertensmerkt hierzu an: „Gerade die besondere, lebendige Qualität, die ein Orchester hervorzubringen vermag, bietet die Möglichkeit, auf unerhörte Weise Marketing zu betreiben.“57Vorausgesetzt, die beschriebene Qualität des Kernproduktes stimmt, muss das Orchester seine eigene Individualität und Stellung im Umfeld der Konkurrenz finden und sich einordnen. „Qualität allein und die wiederkehrende Betonung dessen reicht nicht aus, stattdessen muss mit einer Imagestrategie gearbeitet werden“.58

[...]


1vgl. das Orchester, Februar 2014, S. I-IV

2vgl. das Orchester, Februar 2014, S. I-IV

3Mertens G., 2010, S.14

4vgl. ebd., S. 22

5vgl. ebd., S. 14

6Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und das MDR-Sinfonieorchester (ehemals Leipziger Sinfonieorchester, später Rundfunk-Sinfonieorchester Leipzig) wurden im Jahre 1923 ge-gründet.

7vgl. Schneidewind, 2008

8vgl. Mertens J. bei Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 167

9Schneidewind, 2008, S. 226

10vgl. Döpfner, 2004, S. 251

11vgl. Schneidewind, 2008, S. 226

12vgl. Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 206

13Bastuck 2009, bei Mertens G., 2010, S. 18

14vgl. Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 209

15ebd., S. 210

16Unverzagt und Röckrath, 2005, 1.4, S. 6

17Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 210

18ebd., S. 211

19ebd.

20GmbH Gesetz, Heinrichs und Klein, 2001, S. 129

21vgl. das Orchester, Februar 2014, S. I-IV

22Scheytt bei Unverzagt und Röckrath, 2005, C 1.2, S. 24

23vgl. Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 216

24vgl. das Orchester, Februar 2014, S. I-IV

25Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 216

26vgl. das Orchester, Februar 2014, S. I-IV

27Unverzagt und Röckrath, 2005, C1.2, S. 28

28Schneidewind, Die Rechtsform, 2008, S. 224

29Unverzagt und Röckrath, 2005, C1.2, S. 29

30Gerlach-March, 2010, S. 19

31§§ 1, 2. Abs., 1 Stiftungsgesetz

32vgl. Gerlach-March, 2010, S. 18ff

33ebd., S. 24

34Fischer, 2001, S. 46

35Heinrichs und Klein, 2001, S. 197

36vgl. http://www.miz.org/intern/uploads/statistik106.pdf (abgerufen am 4.1.2014)

37vgl. Klein A., 2008, S. 535

38vgl. Günter und Hausmann, 2009, S. 11

39vgl. Lenders bei Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 23

40vgl. Klein A. , Kultur- Marketing: Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, 2005, S. 38

41vgl. ebd.

42vgl. Klein A., Besucherbindung im Kulturbetrieb, 2008, S. 26

43vgl. ebd., S. 40

44Klein A., Besucherbindung im Kulturbetrieb, 2008, S. 22

45vgl. Mertens J. bei Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 167

46vgl. Mertens G., 2010, S. 64

47vgl. Günter und Hausmann, 2009, S. 11

48vgl. ebd.

49Colbert, 1999, S. 35

50Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 20

51vgl. Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 21

52Klein A. , Besucherbindung im Kulturbetrieb, 2008, S. 22

53vgl. Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 21

54diese Aussage ist pauschal wiederlegt, denn Klassikstars und die Nachfrage von klassischer Musik und CDs ist tendenziell steigend, die Produktionsfirma Deutsche Grammophon legt spezielle mainstreamartige Programme mit von ihnen aufgebauten Stars auf, die sie sehr erfolgreich mit hohem Aufwand vermarktet (vgl. Kellersmann, Tröndle, 2011, S. 222)

55 Mertens J., bei Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 164

56Klein A. , Kultur- Marketing: Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, 2005, S. 23

57Mertens J. , bei Benkert, Lenders, Vermeulen, 1995, S. 164

58Klein A. , Kultur-Marketing: Das Marketingkonzept für Kulturbetriebe, 2005, S. 24

Ende der Leseprobe aus 64 Seiten

Details

Titel
Das Orchester ist tot, es lebe das Orchester! Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern
Untertitel
Das Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Hochschule
Hochschule für Musik und Theater Hamburg  (KMM Institut für Kultur- und Medienmanagement)
Veranstaltung
Kulturmanagement
Note
1,7
Autor
Jahr
2014
Seiten
64
Katalognummer
V309708
ISBN (eBook)
9783668080041
ISBN (Buch)
9783668080058
Dateigröße
1155 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Orchester, Orchestermanagement, Kulturmanagement, Eigenbetrieb, Regierbetrieb, Kulturförderung, Kulturfinanzierung, rundfunkchkommission, Mainstream, Rundfunk, Besucherzahlen, Anspruch, Kulturauftrag, Bildung, gGmbH, Kulturmanagementprozess, Orchesterpublikum, Altersstruktur, Besucherbindung, Corporate design, Corporate identity
Arbeit zitieren
Sören von Billerbeck (Autor:in), 2014, Das Orchester ist tot, es lebe das Orchester! Erfolgsfaktoren für die Zukunftssicherung von Orchestern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/309708

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