Der Umbau des Sozialstaats in den Niederlanden und Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

14 Seiten, Note: 2,1


Leseprobe


Inhalt

1. Globalisierung und Sozialpolitik

2. Das Poldermodell der Niederlande
2.1 Historischer Abriss
2.2 Die Niederlande heute

3. Ist das niederländische Modell auf Deutschland übertragbar ?
3.1 Vergleich der beiden Staaten

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis:

1. Globalisierung und Sozialpolitik

Unter dem Einfluss der Globalisierung gerät der Wohlfahrtsstaat, bedingt durch seine traditionell nationalstaatlich ausgerichtete Funktionsweise, zunehmend unter Druck. Die wachsende Flexibilisierung des internationalen Kapitals verschärft die Konkurrenz der Nationalstaaten auf dem Weltmarkt. Der Nationalstaat kommt heute einem Wirt gleich, der versucht, das internationale Kapital über seine Schwelle zu locken, um die eigene wirtschaftliche Prosperität zu gewährleisten.[1]Gewisse Steuerungsmechanismen keynesianischer Ausprägung greifen nicht mehr und die steuerliche Einnahme wird in Zeiten „zunehmender Kapitalströme und Verschiebungen“ schwer kalkulierbar.[2]Zudem kommt, dass als eine der gravierendsten Folgen der Internationalisierung der Wirtschaft, die Standortfrage eine immer größer werdende Rolle spielt. Unternehmen müssen verstärkt mit „Billiglohnländern“ konkurrieren und im internationalen Vergleich immer effizienter produzieren.[3]Dies hat zur Folge, dass der Staat in vielerlei Hinsicht Souveränität und Handlungsfreiheit einbüßt. Diese geschmälerte Handlungspolitik spiegelt sich nicht zuletzt in staatlichen Gestaltungsräumen von Sozialpolitik wieder. In den Nationalstaaten erhöht sich durch die dem Markt eigene Logik und der internationalen Arbeitsteilung der Druck zu einer wettbewerbskonformen Standortpolitik, denn, so schreibt Jürgen Habermas:“ ein Kapital, das auf der Suche nach Investitionsmöglichkeiten und spekulativem Gewinn sozusagen aus der nationalen Anwesenheitspflicht entlassen ist und frei vagabundiert, kann mit seinen Exit-Optionen drohen, sobald eine Regierung mit Rücksicht auf Nachfragespielraum, soziale Standards oder Beschäftigungssicherung den nationalen Standort zu stark belastet.“[4]Standortpolitik steht somit unter dem ständig ansteigenden Druck des globalen Wettbewerbs, unter dem die Sozialstandards eines Nationalstaates oder einer Wirtschaftsunion in eine Abwertungsspirale geraten können.[5]

Dies bedeutet, dass für Systeme sozialer Sicherung Globalisierung eine weitere Öffnung nach außen und damit verbunden auch größere Verletzbarkeit und einen höheren Sicherheitsbedarf darstellt. Um im internationalen Vergleich nicht an Rentabilität zu verlieren, muss versucht werden, „teure“[6]Arbeit zu verhindern, da dies sonst zu einem Stellenabbau führen kann. Dies wiederum hätte zur Folge, dass diese aus dem Arbeitsprozess herausgefallenen Arbeitnehmer, vom Staat mit Sozialleistungen finanziert werden müssten.

Das Hauptproblem der Sozialpolitik im Zeitalter der Globalisierung ist nicht nur die Sicherung sozialer Standards, sondern das System sozialer Sicherheit wettbewerbskonform umzugestalten, um eine anhaltende wirtschaftliche Prosperität zu gewährleisten, die die Basis für die Finanzierung der Sozialleistungen an sich darstellt.

2. Das Poldermodell der Niederlande

2.1 Historischer Abriss

Bis Anfang der 70er Jahre verfügten die Niederlande über eine zum größten Teil prosperierende Wirtschaft. Mit der Ölkrise von 1973 zeigten sich allerdings die ersten Probleme. Das Wirtschaftswachstum stagnierte, die Arbeitslosenquote stieg an. Die höheren Energiepreise beschleunigten die Inflation des Landes und das Haushaltsdefizit des Staates weitete sich aus. Da Gewerkschaften sowie Politiker davon ausgingen, dass die Rezession nur von kurzer Dauer sein würde, wurden zwar Lohnmäßigungen und Sparprogramme beschlossen, allerdings hatten diese einen eher behelfsmäßigen Charakter. Erst die zweite Ölkrise 1981 brachte das Fass zum Überlaufen. Die Zahlungsbilanz des Staates geriet ins Ungleichgewicht, die Inflation stieg auf über 10 Prozent und die Wirtschaft kam nahezu zum Stillstand.[7]

Als Geburtsstunde des „Poldermodells“[8]gilt der „Akkord von Wassenaar“[9]. Dort legten die Vertreter von Gewerkschaften, Arbeitgeberverbänden und der Regierung drei Grundlinien fest, die wieder zu mehr Arbeitsplätzen führen sollten. Alle beteiligten Akteure machten Zugeständnisse, um das gemeinsame Ziel der Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und der Schaffung neuer Arbeitsplätze zu erreichen. Gleichzeitig sollten die öffentlichen Ausgaben sinken.[10]Durch die verstärkte Schaffung von Teilzeitarbeitsplätzen und Arbeitszeitverkürzung wurden neue Arbeitsplätze geschaffen.[11]Gleichzeitig führte die Regierung weitgreifende Reformen durch. Sozialleistungen und Subventionen im öffentlichen Dienst wurden gekürzt und die Kündigungsvorschriften gelockert. Die Gewerkschaften handelten neue Tarifverträge aus, in denen die Einfrierung der Löhne und die Lohnzurückhaltung beschlossen wurden. Die Gewerkschaften erklärten sich bereit, langfristig mäßige Lohnsteigerungen und eine Flexibilisierung des Arbeitsmarktes zu akzeptieren. Umgekehrt verpflichteten sich die Arbeitgeber zur Schaffung von Teilzeitstellen und zur Arbeitszeitverkürzung: Ein politischer Tausch der Gewerkschaften mit den Unternehmerverbänden.[12]Im Zuge dieser Absprachen kam es auch zu einer neuen Geldpolitik in den Niederlanden. Es wurde beschlossen, den Gulden an die Deutsche Mark zu koppeln.[13]

Allerdings hatte der große Umfang der Teilzeitarbeit in den Niederlanden weniger mit dem Verzicht der Männer, weniger Stunden pro Tag zu arbeiten, zu tun, sondern vielmehr damit, dass sich immer mehr Frauen auf dem Arbeitsmarkt partizipierten. Hier handelte es sich quasi um brachliegendes Kapital, das nun auf dem Arbeitsmarkt Fuß fasste. Weil es an Kinderkrippen und Aufenthaltsmöglichkeiten in der Schule fehlte, war es für Frauen nahezu unmöglich, eine Vollzeitstelle anzunehmen. Heute ist die überwiegende Anzahl der Teilzeitstellen mit Frauen besetzt.[14]

[...]


[1]Gleichzeitig kommt dem Nationalstaat die Rolle des sozialen Schlichters zu. Er muss von staatlicher Seite soziale Sicherheit und Absicherung garantieren. Dazu greift der Staat in die auf seinem Territorium stattfindenden Wirtschaftsabläufe ein. Mindestlöhne, Kündigungsschutz, steuerliche Umverteilung, Versorgung im Alter und im Krankheitsfall sind nur einige Beispiele dafür.

[2]Heinze/Schmidt/Strünck, S.39ff.

[3]Dadurch steigt auch der „Flexibilisierungsdruck“ in den Unternehmen, welcher wiederum eine Anpassung der Sozialleistungen erfordert.

[4]Habermas, S.428.

[5]Arbeit und Kapital treten somit nicht mehr nur in einen binnenstaatlichen, sondern auch in einen globalen Wettbewerb.

[6]Mit hohen Abgaben verbundene Arbeit.

[7]vgl. van Paridon, S. 102f.

[8]Geprägt wurde der Begriff von französischen Journalisten. („ Le modèle Poldèr“). Sie verweisen damit auf die traditionelle Stärke der Niederlande im gemeinsamen Kampf gegen das Wasser, dem immer wieder neues Land abgerungen wurde ( die sogenannten Eindeichungen oder Polder).

[9]Auch als das Abkommen von Wassenaar bekannt.

[10]vgl. Voss-Dahm, S.77.

[11]vgl. Kleinfeld, S.117.

[12]vgl. Kleinfeld, S.117.

[13]ebd. S.118.

[14]siehe dazu: Lewe.

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Der Umbau des Sozialstaats in den Niederlanden und Deutschland
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Veranstaltung
Oberseminar: Globalisierung
Note
2,1
Autor
Jahr
2001
Seiten
14
Katalognummer
V31019
ISBN (eBook)
9783638321501
ISBN (Buch)
9783638772105
Dateigröße
403 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Umbau, Sozialstaats, Niederlanden, Deutschland, Oberseminar, Globalisierung
Arbeit zitieren
Kay Rentsch (Autor:in), 2001, Der Umbau des Sozialstaats in den Niederlanden und Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/31019

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