Friedrich II. und der Islam. Über seinen Umgang mit den Sarazenen


Hausarbeit, 2012

12 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Friedrich II. und sein Königreich Sizilien

3 Die Stadt Lucera
3.1 (Neu-)Gründung der Stadt
3.2 (Un-)Abhängigkeiten und Dienste der Sarazenen

4 Reaktionen auf die Umsiedlung der Sarazenen
4.1 Reaktionen der Christenheit
4.2 Reaktionen der Muslime

5 Friedrich und der Islam

6 Fazit

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Zu kaum einem anderen Herrscher gehen die Meinungen der Zeitgenossen und gleichsam die der Historiker weiter auseinander als bei dem staufischen Kaiser Friedrich II. (1194-1250), der gleichzeitig wohl einen der bekanntesten Herrscher des Mittelalters darstellt. So formulierte beispielsweise der Historiker Johannes Haller (1865-1947), dass Friedrich II. „der erste Ausländer auf dem deutschen Throne“ gewesen sei. Die Kontroverse über den Staufer setzte bereits in dessen Wirkungszeit ein und hält bis zum heutigen Tag bei Historikern an. Doch warum gehen die Meinungen über diesen Herrscher so weit auseinander? Was machte ihn als Persönlichkeit und seine Herrschaft so einzigartig und wodurch unterschied er sich zu seinen Zeitgenossen? Warum pflegte er solch enge Kontakte zu muslimischen Wissenschaftlern, Gelehrten und Politikern? Wieso siedelte er die aus Sizilien vertriebenen Sarazenen mitten in Italien an und dies in einer Zeit, in der die Mehrheit der Herrscher Europas versuchten, die „Ungläubigen“ im Heiligen Land zu besiegen?

In meiner hier vorliegenden Arbeit möchte ich diesen Fragen nachgehen und mich dabei insbesondere auf sein Königreich Sizilien und die Sarazenenstadt Lucera konzentrieren, die in dieser Thematik wohl eine herausragende Rolle spielt. Dabei halte ich es für unabdingbar, zuerst die Vorgeschichte in Sizilien und die Umstände der Gründung der Stadt zu erläutern. Weiterhin möchte ich darstellen, in welchem Abhängikeitsverhältnis die Stadt zu verankern ist und welche Rechte und Pflichten sie hatte.

Im weiteren Verlauf meiner Arbeit gehe ich der Frage nach, wie der Umgang Friedrichs mit den Sarazenen von dessen Zeitgenossen aufgenommen wurde und welche Konflikte sich daraus ergaben. Zudem werde ich thematisieren, welche Beziehung Friedrich zum Islam hatte. Den Konflikt Friedrichs II. mit dem Papsttum werde ich in meiner Arbeit zwar anschneiden, allerdings nicht weiter vertiefen, da dies für diesen Rahmen zu komplex und umfassend ist.

2 Friedrich II. und sein Königreich Sizilien

Für etwa zwei Jahrhunderte, von 827/902 bis 1061/91, nachdem es die Zugehörigkeit zum byzantinischen Reich verloren hatte, handelte es sich bei der Insel Sizilien um ein arabisches Emirat. Die Eroberungszüge der Normannen verdrängten diesen arabischen Einfluss auf der Insel, so dass sowohl Zahl, als auch Einfluss der Muslime in den verschiedenen Regionen abnahmen. Dennoch lassen sich auch nach der Eroberung Siziliens noch weitere muslimische Einwanderer belegen, was sich z.B. durch Rechtsgutachten von sizilisch-islamischen Juristen belegen lässt. Die Muslime zogen sich allerdings weiter in die entlegeneren Regionen Siziliens zurück, so dass es ihnen gelang, an diversen, zumeist schwer zugänglichen Orten in den bergigen Regionen Siziliens, ihre Herrschaftsstrukturen aufrechtzuerhalten. Die anfängliche Minderjährigkeit und die darauf folgende Abwesenheit Friedrich II. trug ebenfalls dazu bei, dass sich somit ein teils autonomes Netz von muslimischen Gebieten etablierte, welches sich bis an die Südküste erstreckte und sogar mit der Stadt Agrigent einen Hafen umschloss, welcher den Zugang nach Nordafrika ermöglichte.1

Nach seiner Kaiserkrönung im November 1220 verpflichtete er sich, im darauf folgenden Jahr ins Heilige Land aufzubrechen und sich persönlich am Kreuzzug zu beteiligen. Aufgrund der Auseinandersetzungen mit den oberitalienischen Städten und der wachsenden Bedrohung durch die Sarazazenen in Sizilien, hielt er dieses Versprechen jedoch nicht und konzentrierte sich in den folgenden Jahren vorwiegend auf seine Machtsicherung in Italien und Sizilien.2

Friedrich begann seine Feldzüge im Jahr 1222, um den Widerstand vor Ort zu brechen und somit auch die restlichen Rückzugspunkte der Sarazenen zu besiegen und den Eroberungen seitens der Muslime ein Ende zu setzen. Dieser Krieg war allerdings weniger ein Glaubenskrieg gegen die Muslime, als ein vorwiegend machtpolitischer Krieg. Dass er durchaus an seine andersgläubigen Untertanen dachte und gleichfalls dazu bereit war, diesen seinen Schutz zu gewähren, zeigt eine Verordnung, welche er kurz nach dem Betreten der Insel Sizilien erließ. Diese Verordnung besagte: „Nicht nur auf die Uns untertänigen Christen, sondern auch auf die Angehörigen anderer Glaubensgemeinschaften erstreckt sich die Wirkung Unseres Schutzes, damit, wenn jeder durch den väterlichen Schutz des Kaisers verteidigt wird, sowohl die Angriffe Mißgünstiger vermieden werden als auch die Ruhe des erwünschten Friedens gesichert wird.“3

Diese Verordnung kann durchaus als eine Art Friedensangebot gegenüber den Sarazenen auf Sizilien gewertet werden, mit Hilfe dessen er versuchte, einer blutigen Auseinandersetzung und einem jahrelangen Krieg aus dem Weg zu gehen und stattdessen den Frieden in Sizilien zu bewahren. Allerdings überwog bei den Sarazenen das Misstrauen, so dass man bereit war, sich gegen den eindringenden Friedrich mit Waffengewalt zu wehren.

In diesem schwierigen Feldzug, der sich über drei Jahre erstrecken sollte und durch die große Gegenwehr der Sarazenen geprägt war, stellte Friedrich fest, dass die Sarazenen in ihren nahezu uneinnehmbaren bergigen Verteidigungspositionen nur sehr schwer endgültig zu besiegen waren. Friedrich zeigte sich aufgrund der starken Gegenwehr und des nicht angenommenen Friedensangebots als erbarmungslos gegenüber einzelnen Städten und Machthabern, wie das Beispiel der Bergfestung Giato zeigt: Erst nach dreimonatiger Belagerung konnte der Widerstand der Stadt gebrochen werden. Als Strafe und aus Wut über diese Auflehnung ließ Friedrich den Emir Ibn Abbad und dessen Söhne hinrichten, um zu zeigen, dass er willens war, die innere Ordnung im Reich durchzusetzen.4

Gegenüber der restlichen besiegten muslimischen Bevölkerung Siziliens zeigte er sich barmherziger und beschloss, die besiegten Sarazenen mitsamt ihrer Familien zwangsweise umzusiedeln. Als Ansiedlungspunkt wählte er dafür die Stadt Lucera in Anapulien (südöstlich und nahe der Ostküste Italiens gelegen). Die Schätzungen der umgesiedelten Personen beträgt ca. 15.000 - 20.000 waffenfähige Männer mit deren Familien, welche sich durch einen erneuten Aufstand in Sizilien und eine weitere Umsiedlung nach Lucera wohl noch weiter erhöht haben muss. 5

3 Die Stadt Lucera

3.1 (Neu-)Gründung der Stadt

Der zeitgenössische Chronist Nicolas de Jamsilla stellte in seiner Schrift „De rebus gestis Friderici II. imperatoris“ die Umsiedlung der Sarazenen wie folgt dar:

„Während Papst Honorius III. den apostoloischen Stuhl innehatte, kehrte er, nachdem er Deutschland unter der Obhut seines erstgeborenen Sohnes Heinrich, den er von seiner spanischen Gemahlin, der Kaiserin Constanze, empfangen hatte, in Ruhe verlassen hatte, nach Sizilien zurück, trieb die Sarazenen, die sich auf den Höhen der Berge verschanzt hatten, mit den Waffen seiner Macht und Weisheit von den Bergen in die Ebene herab und schickte damals einen großen Teil von ihnen, im Laufe der Zeit aber sämtliche Sarazenen nach Apulien, wo sie in gebührender Abhängigkeit einen Ort, den man Lucera nennt, bewohnen sollten.“6

In der vorherigen Zeitgeschichte handelte es sich bei der Siedlung Lucera um eine alte römische Garnisonsstadt, welche im 13. Jahrhundert zwar einen Bischofssitz innehatte, ansonsten allerdings ohne größere Bedeutung war. Durch die Zwangsumsiedlung der bis zu 20.000 Muslime, wuchs die Stadt rasch zu einer großen Siedlung. In Folge des massiven Zustroms „Ungläubiger“, verließ der Bischof die Stadt und es entstand nach und nach ein muslimisches Zentrum. Der staufische Herrscher duldete, im Gegensatz zu seinen Vorfahren, die freie Ausübung der islamischen Religion, so dass zunehmend mehr Moscheen und Minarette erbaut wurden und sich der islamische Glaube legal etablieren konnte.7

Die Verwaltung der Stadt oblag einem Fâik, der dieser kommunalen Verwaltung vorstand und eigenen Richtern, welche islamisches Recht durchsetzten. Den Sarazenen wurde somit eine Stadt ermöglicht, die sie ganz nach ihren Belieben bauen und verwalten konnten, was zu dieser Zeit natürlich ein absolutes Novum war.

In den dreißiger Jahren des 13. Jahrhunderts wurde mitten in der noch unbefestigten Stadt Lucera eine Burg errichtet, welche wohl als Residenzort für Friedrich dienen sollte. Diese Vermutungen legen von Friedrich gesammelte antike Statuen und Bildwerke nahe, die er dort aufstellen ließ. Somit verband der Staufer den wehrhaften Eindruck der Stadt mit nahezu allen Vorlieben eines Palastes, der ihm Unterkunft gewähren konnte. Weiterhin ließ Friedrich einen Teil seines kaiserlichen Schatzes nach Lucera bringen, welchen er dort in Sicherheit wähnte.

In den folgenden Jahren blühte Lucera auf und es entstand eine florierende Wirtschaft, eine ertragreiche Landwirtschaft und ein reger Handel, was sich zugleich positiv auf die Höhe der steuerlichen Abgaben gegenüber Friederich II. auswirkte. Die Sarazenenstadt wurde berühmt für ihre Waffenkunst, ihre Teppichknüpfereien und ihre schlagkräftigen militärischen Truppen.8

Die Sarazenen besiedelten diese Stadt bis zum Jahre 1300 und leisteten sowohl Friedrich II. als auch dessen Sohn Manfred und dessen Enkel Konradin treue Dienste, bis sie von Karl von Anjou aufgrund religiöser Motive und einer leeren Staatskasse erobert wurde. Die überlebenden Sarazenen wurden als Sklaven verkauft und von ihren Besitztümern enteignet.9

3.2 (Un-)Abhängigkeiten und Dienste der Sarazenen

Gegenüber Papst Gregor IX. begründete er in einem Schreiben seinen Entschluss der Umsiedlung der Sarazenen wie folgt: „Nicht ohne große eigene Anstrengung sowie Gefahr und Ausgaben unserer Getreuen haben wir die dort wohnenden Sarazenen von den Bergen Siziliens entfernt, wo ihre Ruchlosigkeit mehr Christen als heute auf der Insel wohnen, getötet hatte. Sie selbst haben wir inmitten einer Ebene der Christen angesiedelt. Dabei haben wir den Nutzen erzielt, dass sie täglich durch das Beispiel der katholischen Christen angeleitet werden und ihre eifrige Knechtschaft deren Freiheit neiderfüllt sieht, so daß sie gereinigt durch das Wasser der Taufe (…) zur Einheit des katholischen Glaubens zurückkehren (…).10

Zwar besiegte Friedrich die Sarazenen und siedelte sie aus ihrer ursprünglichen Heimat in eine fremde Region neu an, was zu Beginn verständlicherweise sehr missmutig von den Sarazenen aufgenommen wurde, da man sie ihrer Heimat beraubte. Allerdings lässt sich kurz danach ein deutlicher Gesinnungswandel auf Seiten der Muslime gegenüber Friedrich feststellen, was durchaus als große Loyalität definiert werden kann. Grund dafür ist, dass Friedrich den Sarazenen erlaubte, ihre Religion frei auszuüben, obwohl sie mitten in Italien und somit im Einflussgebiet des Papstes angesiedelt waren. Zusätzlich gewährte er der neu gegründeten Gemeinschaft nahezu alle Autonomierechte, was dieser sehr imponierte. Von einer Art Missionierung zum christlichen Glauben, welche er in seinem Schreiben gegenüber Gregor IX. anführt, kann also nur sehr schwer eine Rede sein. Vielmehr diente seine Antwort eher einer Rechtfertigung bzw. einer Beschwichtigung gegenüber dem Papst.

Sicherlich tat Friedrich dies nicht gänzlich aus reinem Wohlwollen, sondern sah durch diese geschaffene Kolonie ebenfalls einige Vorteile auf seiner Seite: Er verpflichtete die Sarazenen in Lucera zu hohen steuerlichen Abgaben gegenüber der Krone, so dass diese wirtschaftlich florierende Stadt eine gute Geldquelle für den Staufer wurde. Zudem verpflichtete man sie zum Heeresdienst und sie stellten eine schlagkräftige Armee aus sarazenischen Fußsoldaten und Bogenschützen, die bei Auseinandersetzungen an der Seite Friedrichs treu ihren Dienst erfüllten. So halfen sie beispielsweise Kaiser Friedrich II. erstmals in den Jahren 1228 und 1229, bevor sie im Jahr 1237 einen wesentlichen Beitrag zur Unterstützung Friedrichs bei dessen Kämpfen in Oberitalien leisteten. Sowohl die Zahl der muslimischen Kämpfer, als auch deren orientalische Ausrüstung und Kampfkunst waren bei den Feinden zu Felde berüchtigt. Der größte Vorteil der Sarazenenkämpfer war jedoch, dass sie unempfindlich gegen päpstliche Drohungen und Bannflüche des Papstes waren, was sich noch als sehr vorteilhaft erweisen sollte.11

[...]


1 Vgl. Georg Vogeler, Konflikte in Süditalien, in: B. Schneidmüller, S. Weinfurter, A. Wieczorek (Hrsg.), Verwandlungen des Stauferreichs. Drei Innovationsregionen im mittelalterlichen Europa, Darmstadt 2010, S. 199-201.

2 Vgl. Hubert Houben, Kaiser Friedrich II. (1194-1250). Herrscher, Mensch und Mythos, Stuttgart 2008, S. 37f.

3 Zitiert nach: Eberhard Horst, Der Sultan von Lucera. Friedrich II. und der Islam, Freiburg 1997, S. 43.

4 Vgl. Ebd. S. 45 ; Vgl. Knut Görich, Die Staufer. Herrscher und Reich, S. 87ff..

5 Vgl. Klaus van Eickels/Tania Brüsch, Kaiser Friedrich II.. Leben und Persönlichkeit in Quellen des Mittelalters, Düsseldorf/Zürich 2000, S. 125f.

6 Zitiert nach: Klaus J. Heinisch, Kaiser Friedrich II.. Sein Leben in zeitgenössischen Berichten, München 1987, S. 30.

7 Vgl. Eva Sibylle, Gerhard Rösch, Kaiser Friedrich II. und sein Königreich Sizilien, Sigmaringen 1995, S. 77.

8 Vgl. Ebd., S. 78-79.

9 Vgl. Wolfgang Stürner, Friedrich II.. 1194-1250,, 3. Auflage, Darmstadt 2009, Teil II Der Kaiser 1220-1250, S. 74.

10 Zitiert nach: van Eickels/Brüsch, Kaiser Friedrich II., S. 126f..

11 Vgl. Andrea Sommerlechner, Stupor Mundi? Kaiser Friederich II. und die mittelalterliche Geschichtsschreibung, Wien 1999, S. 380ff..

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Details

Titel
Friedrich II. und der Islam. Über seinen Umgang mit den Sarazenen
Autor
Jahr
2012
Seiten
12
Katalognummer
V319789
ISBN (eBook)
9783668198340
ISBN (Buch)
9783668198357
Dateigröße
383 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Friedrich II., Islam, Mittelalter, Sarazenen, Lucera, Staufer
Arbeit zitieren
Martin Kliebe (Autor:in), 2012, Friedrich II. und der Islam. Über seinen Umgang mit den Sarazenen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/319789

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