Die Entwicklung einer Identität durch Religion und Literatur. Ulrich Bräkers „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg“


Hausarbeit (Hauptseminar), 2014

15 Seiten, Note: 1,7

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entwicklung der Identität durch den Glauben
1.1. Religion als Erziehungsinstrument
1.2. Reflexion des Glaubensbegriffs

2. Entwicklung der Identität durch Literatur
2.1. Literatur als Auseinandersetzungsmedium mit der eigenen Person
2.2. Literatur als Horizont-Erweiterung

Fazit

Literaturverzeichnis

Einleitung

Nach aktuellem wissenschaftlichem Stand gehen Forscher davon aus, dass jeder Mensch nicht eine feste, starre Identität besitzt, sondern sich die Identität des Menschen aus unterschiedlichen Facetten zusammensetzt, die das ganze Leben im Wandel sind. Identität wächst sozusagen mit dem Menschen mit und korreliert verstärkt mit den jeweils gegenwärtigen Interessen und Vorlieben. Diese Seminararbeit untersucht Ulrich Bräker und dessen Autobiografie „Lebensgeschichte und natürliche Ebentheuer des armen Mannes im Tockenburg“. Dabei wird überprüft inwiefern und ob sich eine Identitätsentwicklung in Bräkers Lebenslauf, anhand der Autobiografie, belegen lässt und wie sich diese äußert. Besonderer Fokus wird dabei auf die Aspekte Religion und Literatur gelegt, die getrennt voneinander nachfolgend betrachtet werden. Besonders hervorheben lässt sich leider keine wissenschaftliche Arbeit, da dieses Themengebiet bisher wenig Aufmerksamkeit genossen hat, was das Interesse an der Autobiografie noch verstärkt hat. Einige der Arbeiten finden sich in dieser Untersuchung wieder. Ulrich Bräker wird eher in Verbindung mit seinen Tagebüchern untersucht, die jedoch in dieser Seminararbeit nicht berücksichtigt werden.

1. Entwicklung der Identität durch den Glauben

Religion spielt in Ulrich Bräkers Leben eine vorherrschende Rolle, die sich, mit kleineren Ausnahmen, durch seine komplette Autobiografie erstreckt. Die Religion fungiert dabei hauptsächlich, einerseits als Katalog für Werte und Moral und andererseits als Zufluchtsort, dem sich Bräker hingeben kann in Stunden der Not. Unterscheiden lässt sich dabei der Glaube, zu dem er seit frühester Kindheit erzogen wird und seiner eigenen, reflektierten Auffassung des Glaubens und seiner persönlichen Haltung zu Gott, was in den folgenden Punkten untersucht werden wird.

1.1. Religion als Erziehungsinstrument

Eine der Personen mit dem größten Einfluss auf den Glauben von Ulrich Bräker ist sein Vater, der den Umzug in das Dreyschlatt mit den Worten „(...) daß er sie in dieser Einöde nach seinem Willen erziehen könnte, wo sie vor der Verführung der Welt sicher wären[1], kommentiert. Das einzige Mittel gegen diese Verführung ist, nach Meinung des Vaters, der feste Glaube und damit verbunden, ein frommes Leben zu führen. Ein Beispiel für die Verführung sind die Kameraden, die Bräker in seiner Zeit als Hirte kennenlernt. Die Kameraden, die bereits alle älter sind als er und „bey denen schon alle argen Leidenschaften aufgewacht“ (LET 38), führen zu einer ersten Auseinandersetzung zwischen Natur und Glauben. Mit dem Aufkeimen der Sexualität fühlt Ulrich Bräker Gefühle in ihm aufsteigen, die ihm unheimlich sind, von denen er aber aufgrund seiner religiösen Erziehung annimmt, dass diese nicht fromm sind(vgl. LET 38f.). Dieses Unbehagen verstärkt sich als er daraufhin in seinem „Büchlein“ (LET 38) Textstellen liest, die seinen gefühlten Frevel noch weiter verstärken, woraufhin er zu Gott betet und gute Vorsätze für sein zukünftiges Leben beschließt. Diese erste unsittliche Erfahrung mit seinem Körper macht deutlich wie groß der Stellenwert eines frommen Lebens für den jungen Bräker ist, da dieser wie krank vor Sorge ist, Gott mit seinem Verhalten nicht zu genügen.

Nach dem Umzug ins Wattweil wird Ulrich Bräker ernsthaft krank und sieht sich selbst dem Tode nah. Ein Arzt versucht ihn zu heilen, zweifelt aber selbst daran, dass eine Heilung noch möglich sei. Bräker wird kurze Zeit davor von einem Unhold, der vermutlich ein Bettler ist, verführt. Jener lässt sich aber nicht auf die Verführung ein und verheimlicht diese, sieht seine Krankheit jedoch als göttliche Strafe für das Verschweigen des Verführungsversuchs. Erst die Beichte vor seinem Vater und die Aufmunterung dessen sich an Gott zu halten, der ihm alle Sünden vergeben wird, führen zur Verbesserung des gesundheitlichen Zustands von ihm (vgl. LET 50f.). Diese vermeintliche Strafe Gottes für sein sündhaftes Verhalten und die Besserung seines Gesundheitszustands nach der Beichte, was ihm wie ein Wunder erscheint, werden großen Eindruck auf den jungen Ulrich Bräker gemacht haben und seine Identität zu diesem Zeitpunkt sehr geprägt haben, was seine strenge religiöse Haltung in den Kindertagen bis hin zu seiner Jugendzeit, erklärt.

Doch scheint der Vater Ulrich Bräkers eine Vorsehung zu haben, dass alle Belehrung und Erfahrungen nicht ausreichend sind, um dem Sohn die religiösen Vorstellungen einzuimpfen, wie es sich der Vater wünscht. Nachdem der Abschied Ulrich Bräkers aus dem Elternhaus beschlossen ist und Ulrich Bräker auf Reisen geht, verabschiedet ihn der Vater mit folgenden Worten und beschwört ihn darauf auch weiterhin fromm zu leben:

Bete fleißig, wie Daniel zu Babel; und vergiß nie, daß, wenn ich dich schon nicht mehr sehe und höre, dein beßrer Vater im Himmel in alle Winkel der Welt sieht und hört, was du denkest und thust. Du weist ja die Bibel, das heißt Gottes Wort, inn- und auswendig. Sinn' ihm nach, und vergiß es nie, wie wohl's den frommen Leuten, die Gott liebten, gegangen ist. Denk! Ein Abraham, Joseph, David. Und wie hingegen jenen nichtsnutzen gottlosen Buben, wie unglücklich sie worden sind. Um deiner Seelen willen, Uli! um deiner zeitlichen und ewigen Wohlfarth willen, vergiß deines Gottes nicht. Wo der Himmel über dir steht, ist er stets bey dir. Ich kann weiter nichts als dich seinem allmächtigen Schutz anbefehlen; und das will ich thun, unabläßig. (LET 69)

Bis zu diesem Zeitpunkt hat Ulrich Bräker noch nie sein Heimatland verlassen und die religiöse Umwelt, in Form seiner Familie, haben ihm charakterlich keinen Raum zu einer potentiellen Entfaltung gelassen, womit seine unreflektierte, sehr strenge Auslegung des Glaubensbegriffs zu erklären ist.

1.2. Reflexion des Glaubensbegriffs

In der Episode der Autobiografie Ulrich Bräkers, in der er außerhalb von Tockenburg, in den Diensten eines feinen Herren und später als Soldat verbringt, sind die Hinweise auf seine Frömmigkeit und seinen Glauben an Gott relativ selten. Unter seinem neuen Herren empfindet er so viel Glück, dass es seine einzige Sorge ist, sich von Gott entfernen:

[...]


[1] Ulrich Bräker, Lebensgeschichte und natürliche Abentheuer des armen Mannes im Tockenburg (München: Winkler, 1965), S.20.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Die Entwicklung einer Identität durch Religion und Literatur. Ulrich Bräkers „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg“
Hochschule
Otto-Friedrich-Universität Bamberg
Veranstaltung
Literarische Autobiografie um 1800
Note
1,7
Jahr
2014
Seiten
15
Katalognummer
V323159
ISBN (eBook)
9783668221246
ISBN (Buch)
9783668221253
Dateigröße
713 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ulrich Bräker, Tockenburg, Identität, Religion, Lebensgeschichte
Arbeit zitieren
Anonym, 2014, Die Entwicklung einer Identität durch Religion und Literatur. Ulrich Bräkers „Lebensgeschichte und Natürliche Ebentheuer des Armen Mannes im Tockenburg“, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/323159

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