Politikberichterstattung als märchenhaftes Spektakel

Walter Janssens Märchenfilm „Rotkäppchen“ (1954) und die „Weltspiegel“-Sondersendung von 09.03.2014. Ein Vergleich


Essay, 2015

12 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Politikberichterstattung als märchenhaftes Spektakel: Walter Janssens Märchenfilm „Rotkäppchen“ (1954) und die „Weltspiegel“-Sondersendung von 09.03.2014 . Ein Vergleich

„Weil Echtzeit Reflexionskraft minimiert, infiziert sie aber seit der Krim-Krise auf höchst bedrohliche Art das politische und gesellschaftliche Leben in allen Bereichen. Nachrichtenticker wechseln im Minutentakt zwischen Reaktion und Gegenreaktion, teilweise mit sorgfältig abgestimmter Eskalations- und Herzschlagssteigerungssemantik, verbunden durch die Tricks, wie man sie in den Schreibseminaren Hollywoods lernen kann.“ Frank Schirrmacher, „ Dr. Seltsam ist heute online“, F.A.Z von 28.03.14.

Politische Themen werden in den deutschen Medien zunehmend als märchenhafte, spektakuläre Soaps dargestellt. Dies bedeutet, dass die Ambivalenz der heutigen Welt und die komplexen Ereignisse in der Regel drastisch, und ohne Rücksicht auf die Folgen, vereinfacht werden. Die Protagonisten der wichtigen Ereignisse werden entweder zu den absolut Guten oder den absolut Bösen stilisiert. Auf dieser Weise wird aus der Berichterstattung das reine Märchenerzählen. Und nebenbei wird das Unwichtige, Nebensächliche und Banale, wie z. B. die Sexualpraktiken von Fußballern oder Politikern als etwas gesellschaftlich Relevantes, Lebenswichtiges und von außerordentlicher Bedeutung für die Demokratie, Freiheit, Menschenrechte, für die sogenannten unsere Werte dargestellt und in den politischen Sendungen endlos kommentiert und debattiert. Mit der Vermischung von Politik, Klatsch und Spektakel entstehen die inhaltslosen Produkte, die die Affekte der Menschen anregen sollen und als Ziele allein die Quote und das Geldvermehren haben. Der Liebe zur Technik, der Geschwindigkeit des Internets und dem hordenhaften Charakter der sogenannten sozialen Netze, wie dem facebook, verdankten wir den Echtzeitjournalismus. Die seriöse, kluge und gut recherchierte Analyse von politischen Personen und Handlungen ist in den Medien kaum noch präsent. Das Märchen „Rotkäppchen“ liefert, so mein Eindruck, das ideale Muster für die modernen, superschnellen Berichterstatter. Die sogenannte Ukraine-Krise hingegen sei ein idealer Konflikt, in dem der böse Wolf und das gute Rotkäppchen schnell gefunden würden.

Mein Essay wollte ich zunächst über den, heute schon längst ehemaligen, ukrainischen Präsident Janukowitsch und dem Liebling der Kanzlerin, dem Ex- Boxweltmeister Klitschko schreiben. Die politische Konstellation änderte sich, Janukowitsch verlor die Macht durch einen d emokratischen Putsch und verschwand aus den Medien. Prompt war auch unser Super-Klitschko seiner Rotkäppchen-Rolle los. In der Koma liegender Formel-1 Fahrer (auch ein Weltmeister) Schumacher und zum Ober- Pädophil stilisierter SPD-Politiker Edathy beherrschten als parallellaufende gut/böse Soaps die deutsche Medienwelt.

Die freigewordene internationale politische Show- Bühne betrat ein alter Bekannter, der russische Präsident Vladimir Putin. Es zeigte sich schnell, dass Putin eine noch viel bessere Besetzung für die undankbare Wolf-Rolle sei. Der Mann hat Erfahrung und hatte in der Vergangenheit ähnliche Rollen mit Bravur gemeistert. Da die Liste der aufgefressenen Opfer lang sei, werde ich hier nur einige, die prominentesten benennen: die Homosexuellen, die Band namens Pussy Riot, die postfeministische Protest- & Performancegruppe (?) Femen. Mit dem Putin als dem neuen Wolf sei nicht mehr alleine die Ukraine in Gefahr, vom Wolf verschlingen zu werden, sondern vielmehr die gesamte, und immer wieder in alle Richtungen sich erweiternde EU, der ganze Westen und die ganze Welt. So ist wieder einmal „der Russe“ das Bösewicht von dem die Deutschen, diesmal als führende Kraft innerhalb der selbsternannten Friedensmacht EU, mit der Hilfe von Amerikanern die Welt retten wollen. Zur Erinnerung: in den Jahren 1933-1945 waren es die Bolschewiken, Russen und Juden (heute unter den Namen internationale Finanzwirtschaft geführt), die, von denen man die Welt retten müsste.

Deutsches Nachkriegs-Rotkäppchen: Trümmerfrauen, vaterlose Kinder und der böse Wolf

Walter Janssens Rotkäppchen Filmadaption aus dem Jahr 1954 wurde bei YouTube fast 500 000 Mal angeklickt. Die Geschichte ist bekannt: Das etwa achtjährige Mädchen bekommt einmal von der Großmutter ein Rotkäppchen, das sie seitdem immer anhat und aus diesem Grund das Rotkäppchen genannt wird (Abb.1). Ihr bester Freund ist der Jäger, der ihr alle Tiere zeigt und ihr die Hand hält wenn sie gemeinsam im Wald spazieren gehen (Abb.2). Das Rotkäppchen ist fleißig und gewissenhaft. Es hilft der Mutter beim Wäschewaschen, sie kocht und deckt gerne den Tisch für ihre fünf Brüder. Seitdem der Vater tot ist, erledigen die Brüder als Holzfäller die Arbeit im Wald (Abb.3).

Die Großmutter ist krank und möchte, dass das Rotkäppchen sie besuchen komme. Einer der Jungs streut gerne, wenn er unterwegs sei, aus einem unerklärlichen Grund das Niespulver auf den Boden. Da so jemand die Sicherheit der humanitären Mission des Großmutter-Besuchs gefährden würde, darf er nicht mitkommen. Der Gerechtigkeit zuliebe und im Sinne der Volksgemeinschaft darf schließlich keiner der Jungs mitkommen.

Beim Abschied haben die Mutter und die Brüder gute Ratschläge für das Rotkäppchen: „Bleib nicht lange im Wald, trink den Wein nicht aus, esse nicht den Kuchen auf, nimm dich in Acht von wilden Tieren, Hasen, Regenwurmen, sei höfflich und sag „Guten Tag“! Gehe nicht von dem Weg ab!“

Dann sieht man sie in einer vergleichsweise ruhigen, wortlosen, mit heiterer Musik untermalten Sequenz, alleine mit verschieden wilden Tieren im Wald. Die Atmosphäre im Wald ist idyllisch, das Rotkäppchen gelassen und verspielt. Das Mädchen futtert das Reh und wünscht dem „Fuchslein“ einen „guten Morgen“(Abb.4 u. 5). Plötzlich wird die Musik unterbrochen. Für einen Moment herrscht Stille dann wird sie ernst, die Streicher setzen ein. Man sieht einen Vogel in der Großaufnahme, dann das Rotkäppchen, die jetzt ängstlich schaut. Plötzlich steht der Wolf als Puppe vor dem Rotkäppchen und lacht bedrohlich. Die Kamera zoomt auf die Wolf-Puppe (Abb.6).

Der Wolf will wissen wo sie gehe und wo denn die Großmutter wohl wohnen würde. Das tugendhafte Rotkäppchen erzählt ihm die Wahrheit. Der Wolf schlägt ihr vor, die Blumen zu pflücken und der Großmutter mitzunehmen, was sie dann schließlich auch macht. Der böse Wolf nutzt die ehrliche, liebevolle Naivität des Rotkäppchens gnadenlos aus.

Der Rest der Geschichte ist bekannt. Der Wolf geht vor und gibt sich für das Rotkäppchen aus, frisst die arme Großmutter auf. Dann werden die verängstigten Tiere im Wald gezeigt und die Einstellung mit den im Wald liegenden Rotkäppchens Brüdern, die an ein wenig gelangweilten und gleichzeitig besorgten Soldaten vor dem Abmarsch erinnern. Irgendwann wird dem Rotkäppchen klar, dass sie sich viel zu lange im Wald aufgehalten hätte. Sie rennt durch den Wald und kommt vor dem Haus der Großmutter an. Der Wolf liegt bereits im Großmutters Bett (Abb.7). Und die Großmutter in seinem Bauch. Das Rotkäppchen ist verwundert, denn die Großmutter hätte sich ziemlich verändert. Der Wolf frisst sie auf.

Währenddessen begehen sich die Brüder gemeinsam mit dem Jäger in Richtung Großmutterhaus. Sie kamen an, man hört den schnarchenden Wolf von draußen(Abb.8). Der Jäger macht die Tür auf, geht rein und macht die Kerze an. Die Musik wird ernster, der Jäger spricht den satten und schnarchenden Erzfeind mit diesen Worten an: „Hab’ ich dich, du alter Sünder, ich habe dich lange gesucht!“. Dann holt er die Kinder rein. Die Jungs sind begeistert und schlagen dem Jäger vor: „Schneide ihm den Bauch auf!“ Er macht das gerne, die Aktion verläuft schnell, blut- und schmerzlos (Abb.9). Die Musik ist jetzt lustig, sie klingt sehr leicht, befreit. Das Rotkäppchen und die Großmutter werden aus dem Bauch rausgeholt, lebendig gerettet (Abb.10). Die erste Hilfe wird geleistet und der Wolf wird, von der fröhlichen Musik begleitet, gequält, mit Steinen gefüllt und zugenäht (Abb.11). Das macht die Kinder glücklich, sie tanzen alle zusammen wie die europäischen Sterne um den toten Wolf (Abb.12). Die jetzt endgültig befreiten Tiere im Wald werden noch einmal einzeln gezeigt. Der Jäger-Retter verabschiedet sich, die Großmutter bleibt zuhause und die Kinder begehen sich, vom Kinderchor begleitet, auf den Weg nach Hause. Das Die letzte Einstellung vereint die glückliche, vaterlose Familie in einem Gruppenbild (Abb.13). Sie beschließen die Großmutter am nächsten Sonntag alle zusammen zu besuchen. Da der Wolf tot ist, sollte das ein angenehmer Ausflug werden.

DieWeltspiegel“-Sonderausgabe: Wir haben den Wolf!

Am Anfang der Sendung stellt der Moderator Michael Strempel kurz die einigen Protagonisten und Themen vor. Zunächst wird der amerikanische Präsident Barack Obama als zögernder Jäger vorgestellt. Es folgen die reichen Russen bzw. Russinnen in Nizza, als aus Frankreich kommende Gefahr. Schließlich sehen wir die extremen Nationalisten in der Ukraine. Die beiden „Gruppierungen“, die der reichen Russinnen auf der Einkaufsstraße und die der Männer in Uniformen mit dem Totenkopf sind aus ähnlichen Perspektiven aufgenommen. Sie bewegen sich in die entgegen gesetzten Richtungen. Die Frauen kommen von links und die Extremisten von rechts in das Bild hinein. So entsteht der Eindruck, dass es sich scheinbar um die zwei etwa gleichgefährliche Gruppen handelt.

In der ersten Kurzreportage wird der gejagte Wolf, den russische Präsidenten Vladimir Putin, vorgestellt. Sehr schnell wird es klar, dass Putin unberechenbar sei, und dass er offenbar unter schweren Persönlichkeitsstörungen leide. Einer der Beweise dafür sei die Tatsache, dass das US-Verteidigungsministerium den Putin nicht verstehen könne und dazu gezwungen sei, die Psychologen zu „bezahlen“ (!), die ihnen den unerklärbaren Putin erklären sollen. Aus der These der Unmöglichkeit des „Putin-Verstehens“ wird übrigens ein paar Tage später in den Medien die negativ besetzte Formulierung Russlandversteher hervorgebracht. Ein Russlandversteher setze sich für einen Dialog mit Russland ein und mache sich damit des Vaterlandsverrats verdächtig. Alle anderen wissen (ähnlich wie alle Menschen und alle Tiere im Märchenfilm), dass der Wolf nur die Sprache der Gewalt verstehe. Während der Moderator spricht, sieht man ein, links in der Mitte auf einem Bildschirm positioniertes, Foto vom Putin auf dem er grimmig und verwirrt guckt. Die Kamera zoomt auf den Moderator und den Computerschirm mit Putin und die sich langsam drehende Weltkugel des „Weltspiegels“, die schließlich aus dem Bild verschwindet. Das Bild ist so nicht mehr drei-, sondern nur noch zweigeteilt. Links steht einer von uns, unserer demokratischer Nachrichtenerzähler, rechts auf dem Monitor sehen wir das Bild des gejagten Tieres, das gefährlich anmutenden, verlorenes Blickes irgendwo vor sich hin, an die Zuschauer vorbei, schaut (Abb.14). Wir haben hier mit einem Verrückten zu tun, der selber nicht recht zu wissen scheint was sein nächster Schritt sei. So wird schon am Anfang der Sendung die Produktion von anscheinend erwünschten und gesunden Angstgefühlen fleißig vorangetrieben. Etwas später wird uns der Putin als selbstverliebter Macho mit dunklen Sonnenbrillen und als Verlierer in einer kurzen schwarz-weiß Original-Aufnahme aus Sowjetzeit, die den jungen Putin als geschlagenen und demütigten Jungen bei Kampfsportübungen zeigen. Es besteht kein Zweifel: Dieser Mensch stellt eine Gefahr für uns alle, für die westliche, demokratische, die beste aller Welten dar.

Es folgen die, wahrscheinlich an die Pentagon-Psychologen gerichteten, rhetorischen Fragen, die keine Antwort zu brauchen scheinen: Sei Putin von einer historischen Mission besessen, spiele er so kaltblutig den geopolitischen Blitzschach, weil er die Schwächen seiner Gegner kenne ? Seien es die machohaften Allmachtfantasien, die ihn führen? Sei er der Gefangene seiner schwierigen Kindheit eines Jungen aus St. Petersburg, der mit Kampfsport (und heute mit einem Krieg gegen den Westen) sein schüchternes Ego hätte stabilisieren wolle ? Die Fragen sind mit der, eines Hans Zimmers würdigen Musik untermalt und von bewegten Bildern begleitet, die das Gesprochene anschaulich zu machen scheinen. Zwei russische Experten, Dimitri Oreschkin und Stanislaw Belkowski, ehemalige Mitglieder von Putins Menschenrechtrats, fassen das bereits Gelernte noch einmal zusammen. Dann zeigt man Putin in der Gesellschaft von russischen Soldaten. Eine Szene mit brennenden Straßen wird noch reingeschoben.

Die weibliche Off-Stimme stellt empört fest, dass „ nicht die Frau und Kinder seine engsten Bezugspersonen“ seien . Denn Putins Freunde seien „die Männer aus Militärdiensten und viele kleine Offiziere“. Ach so, hier ist ein Politiker der von Frauen und Kindern nichts hält, und statt dass er heirate und die Kinder großziehe, sitze er lieber mit irgendwelchen alten Männern zusammen (Abb.15 u. 16). „Handelt es sich hier um ein gewaltfixiertes Männerbund mit Realitätsverlust ?“, fragt die besorgte, aber entschlossen klingende Frauenstimme. Einer der Experten zieht kurz darauf einen Putin-Caligula-Vergleich.

Nach etwa fünf Minuten sagt dann der Moderator plötzlich, anscheinend voller Reue und von der Suche nach Wahrheit getrieben, dass der Westen auch nicht ganz unschuldig daran sei, dass Russland das Gefühl bedrängt zu sein hätte. Die tatsächliche Bedrängung durch NATO wird graphisch dargestellt (Abb.17). Nach weniger als 30 Sekunden wird das Thema gewechselt.

Die nächste Reportage stellt die Ukrainerin Olga vor, in Washington, vor der russischen Botschaft, nur mit einem ukrainischen Fähnchen bewaffnet stehend. Die (alleinerziehende) Mutter zweier Kinder sei erleichtert, dass sie und ihre Kinder amerikanische Staatsbürger seien. Olga hat den Film „Woman of Maidan“ gedreht. Wir sehen einige weinende Frauen auf dem Bildschirm vor dem Rechner weinende Olga (Abb.18). Der Zuschauer fühlt mit. Anders als bei der graphischen Darstellung der Bedrohung der Russen durch die NATO. Olga weiß was Putin vorhat: Die Sowjetunion wieder herzustellen. Jetzt wissen es auch die „Weltspiegel“ -Zuschauer.

Nach dem Olga-Intermezzo sehen wir die marschierenden russischen Soldaten bei dem Verlassen der DDR. Die Russen empfanden die neue Situation als Demütigung, wird erklärt. Nach dem Zerfall der SU wurde von der Seite des Westens versichert (man sieht den ehrlichen, ehemaligen deutschen Außenminister Genscher), dass die ehemaligen Mitgliedsstaaten der Sowjetunion nicht in die NATO aufgenommen würden. Das Versprechen wurde 1999 leider gebrochen, sagt uns die Off-Stimme, während man die (nicht wirklich ehrliche?) ehemalige US-Außenministerin Madeleine Albright, in der Gesellschaft der NATO- Generäle (gewaltfixierter Männerbund?) zeigt. Der US-Präsident Bush macht 2004 die Aufnahme von weiteren sieben Ländern in die NATO bekannt. Er macht das in Manier eines Imperators, das wird aber nicht besonders kommentiert. Der Zuschauer weiß: Der unehrliche Amerikaner hat das Wort, das der gute Deutsche Genscher gegeben hatte. So entstehe bei den Russen das Gefühl der Umzingelung. 2008 macht Bush seine Pläne, auch die Ukraine und Georgien in die NATO aufnehmen zu wollen, bekannt. Schließlich erklärt die Expertin Fiona Hill: „Putin glaubt, dass der Westen ihn betrogen hatte, er empfinde das als eine tiefe Erniedrigung. Also der Westen betrügt Putin und er glaubt, völlig verwirrt, dass man ihn betrogen hätte. Was soll Putin sonst glauben, kann man sich vielleicht fragen.

Nach etwa zehn Minuten wird der gute Jäger Barack Obama vorgestellt. Als Zeichen seiner Naivität (und Dummheit?) wird seine Neigung zu reden statt zu drohen bezeichnet. Hillary Clinton sei beispielsweise auch mal naiv gewesen und setzte sich für den Frieden ein. Heute sei sie aber viel kluger geworden und verglich Putin mit Hitler. Obama sei naiv gewesen und habe die Projekte seines Vorgängers, die eine Bedrohung für Russland darstellen könnten, gestoppt. Putin bewerte Obamas Entgegenkommen als Schwäche. Dazu sehen wir die Aufnahme von zusammen sitzenden und schweigenden Jäger Obama (ratlos, gütig) und dem Wolf Putin (nervös, ungeduldig, wütend)(Abb.19-21). „Warum würde er hier nicht geschnappt“, soll sich der Zuschauer fragen. Dann wird wieder Olga gezeigt. Spazierend mit dem Hund. Die Off-Stimme sagt, dass sie auf den Westen hoffe. Dazu sehen wir eine amerikanische Fahne in der Großaufnahme. Die Botschaft ist klar, Obama sei ein Versager, der keinen Krieg will.

Es geht weiter, ein weiterer deutscher Experte tritt auf. Er meldet sich aus Lwiw und beantwortet die Frage des Moderators ob der Westen zu „unsensibel“ im Umgang mit Russland gewesen sei, mit einem klaren „nein“. Denn die „Einmarsch“ der Russen in Krim hätte die „Befürchtungen der Länder die in die NATO wollten“ als begründet erwiesen. Der Moderator sagt, dass bei den Russen ein „subjektives Gefühl der Bedrohung entstanden“ sei, weil Russen immer noch vom alten Denken, Freund /Feind geprägt seien. Er beschwert sich über die „Dämonisierung des Westens in Russland“, er sei für die Sanktionen und mehr Druck ausüben.

Nach 15 Minuten sehen wir den angekündigten Bericht über die Russen in Nizza, wo Russisch fast keine Fremdsprache mehr sei, und lernen etwas über die Geldgier der unmoralischen Franzosen. Die Alarmglocke läutet: Cote d‘ azur, eine der schönsten Gebiete in Europa sei fest in der russischer Hand! Nur weil den (gierigen)Franzosen das Geld der reichen Russen nicht stinke. Und „früher kam der Zar, und heute kommen sie selbst zu Tausenden“. Am Ende des Nizza-Berichts kommen die dort lebenden Ukrainer (die man wahrscheinlich noch bis vor einigen Wochen auch zu den Russen gezählt hätte) zum Wort und sagen, man solle nicht an Geld denken, sondern an die Menschenrechte.

Es folgt die Reportage über die Rechtsradikalenszene in der Ukraine. Der Moderator gibt sich besorgt, wird aber von einem weiteren Experten schnellst beruhigt. Er erklärt, dass die Rechten zwar gegen die Juden, Polen, Russen hetzen, drei Minister in der neuen Regierung stellen und die Kontakte mit der NPD pflegen. Ihr Einfluss sei aber überschätzt. Denn sie hätten sich mittlerweile den demokratischen Kräften angeschlossen und hätten außerdem nur mäßige Umfragewerte. Die Rechtsradikale und Faschisten seien vor allem ein Argument, ein willkommenes Argument zum Eingreifen für die Russen. Auch die Förderung nach der Aberkennung der russischen Sprache als der zweiten Amtssprache in der Ostukraine sei nicht glücklich gewesen. Weil die russischen Medien dies ausgenutzt hätten.

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Ende der Leseprobe aus 12 Seiten

Details

Titel
Politikberichterstattung als märchenhaftes Spektakel
Untertitel
Walter Janssens Märchenfilm „Rotkäppchen“ (1954) und die „Weltspiegel“-Sondersendung von 09.03.2014. Ein Vergleich
Hochschule
Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main  (TFM)
Veranstaltung
Spectacle, Showbiz and Entertainment in Film, Media and Digital Culture
Note
1,3
Autor
Jahr
2015
Seiten
12
Katalognummer
V354658
ISBN (eBook)
9783668407107
ISBN (Buch)
9783668407114
Dateigröße
985 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Medienkritik, Putin, Fake News, Feindbild Russland, ARD, ZDF, Manipulation
Arbeit zitieren
Tomislav Tomo Polic (Autor:in), 2015, Politikberichterstattung als märchenhaftes Spektakel, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/354658

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