Familieninteressen oder Selbstverwirklichung? Die veränderte Rolle der Frau in der individualisierten Gesellschaft


Diplomarbeit, 2004

102 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Was ist unter „Rolle“ zu verstehen?
2.1. Soziale Rolle
2.1.1. Rollenkonflikte
2.1.2. Geschlecht und Geschlechtsrolle
2.2. Polarisierung der Geschlechtercharaktere
2.2.1. Die Wesensmerkmale von Mann und Frau

3. Rollenverständnis der Frau in den verschiedenen Lebensformen
3.1. In der Sozialform des ganzen Haus.
3.2. In der bürgerlichen Familie .
3.3. In den Arbeiterfamilien
3.4. In der modernen Kleinfamilie der 50er/ 60er Jahre des 20. Jh

4. Die Individualisierte Gesellschaft
4.1. Individualisierung
4.2. Die Individualisierungsthese von Ulrich Beck
4.2.1. Die Bildungsexpansion (-reform) und ihre Auswirkungen
4.2.2. Die Frauenbewegung
4.2.3. Die Frauenforschung
4.2.3.1. Soziale Ungleichheit
4.2.3.2. Doing Gender
4.3. Die Frau in der individualisierten Gesellschaft
4.3.1. Einstellungen zur Rolle der Frau in Bezug auf Familie/ das Leben mit Kindern
4.3.2. Erwerbsbeteiligung von Frauen
4.3.3. Rechtliche Situation der Frau in der Gegenwart

5. Der Familienbegriff
5.1. Was ist „Familie“?
5.2. Was sind Familieninteressen?
5.3. Gibt es einen Bedeutungsverlust der Familie?
5.3.1. Pluralisierung der Lebensformen
5.3.2. Geburtenrückgang

6. Der Rollenkonflikt der Frau
6.1. Die Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie
6.1.1. Arbeitszeitmodelle zwischen Wunsch und Realität
6.1.1.1. Erwerbssituation der Mütter in Westdeutschland
6.1.1.2. Erwerbssituation der Mütter in Ostdeutschland
6.1.1.3. Erwerbssituation allein erziehender Mütter
6.1.1.4. Arbeitszeitprobleme der Mütter nach dem Erziehungsurlaub
6.2. Soziale Bindungen - Ressource und Risikofaktor für die Frau
6.2.1. Auswirkungen der Kindererziehung
6.3. Mangel an sozialer Sicherheit durch Haus- und Familienarbeit
6.4. Die innerfamiliale Arbeitsteilung
6.5. Die „strukturelle Rücksichtslosigkeit“ der gesellschaftlichen Verhältnisse gegenüber Familien
6.5.1. Unzureichende Infrastruktur für Kinderbetreuung
6.5.2. Mobilitätserfordernisse

7. Möglichkeiten der Konfliktlösung für die Frau
7.1. Modelle der Erwerbstätigkeit für Frauen
7.2. Bedeutung von Telearbeit
7.3. Alternative Lebensformen
7.3.1. Singles
7.3.2. Allein Erziehende
7.3.3. Kinderlose unverheiratete Paare
7.4. Modernisierung des Haushaltes
7.5. Rollentausch
7.5.1. Väter mit Doppelrolle

8. Familienpolitik
8.1. Was ist darunter zu verstehen?
8.2. Begründung für familienpolitische Maßnahmen
8.3. Familienpolitische Maßnahmen
8.3.1. Erziehungsgeld/Elternzeit
8.3.1.1. Neuregelungen der Elternzeit
8.3.1.2. Nutzung der Elternzeit
8.3.1.2.1. Väter im Erziehungsurlaub

9. Abschließende Betrachtung

10. Literaturverzeichnis

11. Anhang

1. Einleitung

In der vorliegenden Arbeit möchte ich mich mit der (veränderten) Rolle der Frau – im Spannungsfeld zwischen Familieninteressen und Selbstverwirklichung – in der individualisierten Gesellschaft auseinandersetzen. Mein besonderes Interesse an diesem Thema ergibt sich aus meiner persönlichen Lebenssituation, in welcher ich selbst den Schwierigkeiten gegenüber stehe Familie und Studium zu vereinbaren und auch nach dem Abschluss meiner Ausbildung, in Bezug auf die Ausübung einer beruflichen Tätigkeit weiterhin gegenüberstehen werde.

Der Titel dieser Arbeit impliziert die Frage, ob und inwieweit sich die Rolle der Frau verändert hat. Ich tendiere zu der These, dass sich die Rolle der Frau im familialen Kontext nicht gewandelt hat. Im Gegensatz dazu steht meines Erachtens die veränderte Rolle der Frau im gesamtgesellschaftlichen Kontext.

Zu Beginn dieser Arbeit kläre ich den Begriff der sozialen Rolle, der die Grundlage für das Verständnis der Rollenzuschreibungen bilden soll, damit möchte ich die Basis für das Verständnis der sich anknüpfenden Überlegungen schaffen. Mein Anliegen dabei ist es, einen Einblick in die Entstehung der heute noch stark präsenten traditionellen Rolle der Frau (Hausfrauen-, Mutterrolle) zu vermitteln. Ich werde versuchen, den Zusammenhang der traditionellen Rollenverteilung mit der Polarisierung der Geschlechtercharaktere infolge des Aufstiegs des Bürgertums im 18.Jh. aufzuzeigen. Mein besonderes Interesse soll an dieser Stelle den Ursprüngen der heute noch bestehenden Geschlechterkonstruktionen über die Zuschreibung von Wesensmerkmalen gelten.

Um die Beziehung zwischen den gesamtgesellschaftlichen Veränderungen und den eng damit verbundenen Veränderungen in der Frauenrolle darzustellen, gehe ich in dem darauf folgenden Kapitel auf Positionen ein, welche die Frau in den verschiedenen gesellschaftlichen Epochen, beginnend mit der vorindustriellen Zeit bis in die Gegenwart, innehatte.

Zentral für das Thema dieser Arbeit ist für mich die Frage nach konkreten Veränderungen in der Lebensgestaltung von Frauen in der individualisierten Gesellschaft. Um ein Verständnis der Begrifflichkeit – „Individualisierte Gesellschaft“ zu vermitteln, nutze ich die Individualisierungsthese von Ulrich Beck, welcher sich an den Klassikern der Soziologie orientiert, die diesen Wandel zur Moderne als einen „Prozess der Freisetzung des Menschen aus ständischen Bindungen und als Zunahme des Entscheidungsspielraums beschreiben[1] “(Peuckert 2002, S.311). In diesem Kapitel möchte ich die konkreten Veränderungen in der Lebensgestaltung von Frauen anhand frauenspezifischer Gesichtspunkte nachweisen. Zu diesen Gesichtspunkten zähle ich die Bildungsexpansion (-reform), die Frauenbewegung, die Frauenforschung sowie daraus resultierende Einstellungen zur Rolle der Frau, deren Erwerbsbeteiligung und rechtliche Situation in der Gegenwart.

Im anschließenden Kapitel gehe ich auf den Begriff der Familie und ihren Interessen näher ein. Ich vermute einen wechselseitigen Zusammenhang zwischen den Veränderungen in der Frauenrolle und dem familialen Wandel. Der Geburtenrückgang und die Pluralisierung der Lebensformen scheinen Indikatoren für einen Wandel der Familie und ein Zeichen der Veränderung in den Einstellungen der jüngeren Frauengeneration, bezüglich ihrer Rolle, zu sein.

Welchen speziellen Schwierigkeiten die Frauen bei dem Versuch sich selbst zu verwirklichen und gleichzeitig den Familieninteressen gerecht zu werden gegenüberstehen, soll im sechsten Kapitel erörtert werden. Einen Zugang zur Vereinbarkeitsproblematik von Beruf und Familie versuche ich herzustellen, in dem ich die Erwerbssituationen der Mütter hinsichtlich ihrer Wünsche und der Realität genauer betrachte. Von Interesse im Zusammenhang mit dem Rollenkonflikt ist auch die Bedeutung der sozialen Bindungen der Frauen bezüglich der Handlungsspielräume und individuellen Möglichkeiten der Selbstverwirklichung. Ebenso sind die durch gesellschaftliche Verhältnisse hervorgerufen Einschränkungen, wie z.B. die Mobilitätserfordernisse oder unzureichende Infrastruktur der Kinderbetreuung von Interesse.

Im Kapitel Sieben sollen von Frauen in Anspruch genommene Möglichkeiten demonstriert werden, um diesen Rollenkonflikt zu lösen bzw. abzuschwächen. An dieser Stelle betrachte ich die Modelle der Erwerbsverläufe von Frauen und gehe auf die Bedeutung der Telearbeit für Mütter ein. Des Weiteren versuche ich zu klären, ob alternative Lebensformen wie z.B. Singles oder allein Erziehende zur Lösung des Konfliktes beitragen. Die Möglichkeit des Rollentausches soll, wenn auch nur von einer Minderheit praktiziert, dieses Kapitel abrunden.

Im letzten Kapitel meiner Arbeit widme ich mich der Familienpolitik der Bundesrepublik. Aus meiner Sicht kann durch sie auf politischer und gesellschaftlicher Ebene die Vereinbarkeit von Beruf und Familie beeinflusst werden. In diesem Zusammenhang werde ich die neuen Elternzeitregelungen und deren Umsetzung beleuchten. Ich sehe in ihnen Potenziale zur Konfliktlösung zwischen Familieninteressen und Selbstverwirklichung.

Einen Rahmen für diese Arbeit habe ich gesetzt, in dem ich die Betrachtungen auf die mittelständischen deutschen Frauen beziehe. Bis auf den einführenden historischen Rückblick beginnt der Betrachtungszeitraum bei den 50er / 60er Jahren des 20. Jahrhunderts und reicht bis in die Gegenwart. Um den Umfang dieser Arbeit einzugrenzen beschränke ich mich hauptsächlich auf die westdeutschen Frauen.

2. Was ist unter „Rolle“ zu verstehen?

Um von der veränderten Rolle der Frau sprechen zu können, ist es vorab notwendig, sich mit dem Begriff Rolle genauer auseinander zu setzten. „Theoriegeschichtlich ist die Rollentheorie als Versuch anzusehen, das Spannungsverhältnis zwischen Individuum und Gesellschaft im Sinne eines Gleichgewichtsystems zu interpretieren“ (Fachlexikon Soziale Arbeit 1997, S.785). „Das rollentheoretische Konzept spielt sowohl im „europäischen“ wie auch im „amerikanischen“ Verständnis der Soziologie eine zentrale Rolle. Im sozilogischen Blickwinkel des Verhältnisses Individuum und Gesellschaft sind rollentheoretische Ansätze entstanden, die zeigen, wie die Gesellschaft die Individuen über gesellschaftlich und institutionell vorgegebene Rollen prägt, aber auch, wie sich die Individuen gegenüber solchen Rollen verhalten, sich mit ihnen auseinandersetzen, sie übernehmen und individuell aneignen können“ (Böhnisch 1996, S.67).

2.1. Soziale Rolle

„Unter sozialer Rolle versteht man allgemein ein Bündel bzw. die Summe von Erwartungen und Ansprüchen einer Gruppe oder der Gesellschaft an das Verhalten (Rollenverhalten) und die Erscheinung (Rollenattribute) eines Inhabers einer sozialen Position in einem Handlungssystem (z.B. Lehrer, Vater). Die soziale Rolle ist also unabhängig von der Person und dem tatsächlichen Verhalten denkbar existent; sie ist Bestandteil der sozialen Realität, eine „Tatsache sui generis“ (Durkheim). Die Gesellschaft und ihre Handlungssysteme (z.B. Familie, Schule, Kirche, der Betrieb etc.) lassen sich so als System funktional und hierarchisch differenzierter und von einander abhängiger Rollen auffassen, die vor jeder Einnahme durch ein handelndes Individuum vorhanden sind. Andererseits (mikrosoziologischer Zugang) müssen Rollen in Interaktions[2] - und Sozialisationsprozessen[3] immer erst zugewiesen, gelernt und übernommen werden (Interaktion, Sozialisation)“ (Kreft/Mielenz 1996 S.466). Mit dem Rollenbegriff wird also nicht das konkrete Verhalten bspw. einer individuellen Mutter X beschrieben, sondern es wird von den ihr eigenen individuellen Merkmalen abstrahiert, um die soziale Gebundenheit individuellen Verhaltens zu verdeutlichen (vgl. Fachlexikon Soziale Arbeit 1997, S.785). „Angenommen wird, dass sich Individuen an ihren gegenseitigen von gesellschaftlichen Wertvorstellungen (Normen[4] ) geprägten Rollenanforderungen bruchlos orientieren und sich daher ein Gleichgewicht von Erwartungen, faktischem Verhalten und Befriedigungen einspielt“ (ebd., S.785). Rollen ergeben sich aus Typisierungs- und Interaktionsprozessen, sie sind abhängig von der jeweiligen Kultur. Sie sind eine wandlungsfähige Erscheinung mit der Fähigkeit menschliches Zusammenleben zu regulieren. Man unterscheidet je nachdem wie verbindlich die Normen und die zu erwartenden Sanktionen[5] sind in „Kann-, Soll-, und Muss-Typen , ferner nach dem Grad der erwarteten Ich- bzw. Eigenleistung, nach mehr zugeschriebenem oder mehr erworbenem Charakter, nach der Definitionsmacht des Rolleninhabers (Machtrolle), nach der geforderten oder realisierten Distanz (Rollendistanz[6] ) oder Identifikation mit der Rolle, nach Basis- (Berufs-, Geschlechts-, oder schichtspezifischen Rollen) oder Marginalrollen (Gastgeber, Kunde)“ (Kreft/Mielenz 1996, S.467).

2.1.1. Rollenkonflikte

Individuen sind nicht nur Inhaber einer Rolle sondern, haben in der Regel mehrere Rollen. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass die Erwartungen, die mit verschiedenen Rollen verbunden sind, sich nicht gleichzeitig erfüllen lassen. Bei einem Konflikt zwischen den einzelnen Rollen einer Person spricht man von einem Interrollenkonflikt, als Beispiel hierfür wäre die Mutterrolle zu nennen, welche in Konflikt gerät mit der Berufsrolle der Frau. Wenn sich die Erwartungen an eine bestimmte Rolle widersprechen, dann handelt es sich um einen Intrarollenkonflikt, auch an dieser Stelle ist die Mutterrolle ein gutes Beispiel. Es gibt Auffassungen, dass Frauen in den ersten Lebensjahren der Kinder auf gar keinen Fall berufstätig sein sollten und andere Meinungen, die eine solche Vereinbarung durchaus für positiv erachten. Diese kann von der Mutter selbst vertreten werden. In diesem Zusammenhang benötigt die betreffende Person, in diesem Fall die Mutter, ein gewisses Maß an Ambiguitätstoleranz, d.h. die Fähigkeit Rollenkonflikte zu erkennen und auszuhalten.

2.1.2 Geschlecht und Geschlechtsrolle

Alle Bereiche des Lebens werden von geschlechtsspezifischen und geschlechtshierarchischen[7] Dimensionen durchzogen, nahezu alle Lebensbereiche sind in Bezug auf Zweigeschlechtlichkeit strukturiert und konstruiert. Rollentheoretisch kann man dies im Konzept der Geschlechtsrollen ausdrücken. „Jungen und Mädchen werden über solche Geschlechterrollen auch auf Geschlechterrollenstereotype[8] festgelegt, in welchen die traditionalen und jeweils zeitlich geltenden Wertungen und Abwertungen (vor allem die patriarchalische[9] Abwertung der Frauen, aber auch die gesellschaftliche Verfügbarkeit der Männer) eingelassen sind. Die Übernahme von Geschlechterrollen lässt die geschlechtshierarchische Arbeitsteilung der Gesellschaft als selbstverständliche und funktional erscheinen“ (Böhnisch 1996, S.68). Bereits in sehr frühem Alter lernen Mädchen und Jungen sich mit dem ihnen zugeschriebenen Geschlecht zu identifizieren. Parallel hierzu zeigen sich bereits Muster sich in bestimmten Situationen wie ein „Mann“ bzw. eine „Frau“ zu verhalten, d.h. die Ausprägung ihrer männlichen bzw. weiblichen Geschlechtsrolle zu internalisieren[10]. Um der Ungleichheit zwischen Männern und Frauen erfolgreich entgegen zu wirken, ist es notwendig, bereits in frühester Kindheit mit Hilfe der geschlechtsspezifischen Erziehung und Bildung eine Veränderung, Ausbalancierung und eine gegenseitige Erweiterung der Geschlechterrollen zu erreichen (vgl. Böhnisch 1996, S.68). „Moderne Erziehungskonzepte bemühen sich um ein Aufbrechen dieser alten Rollenklischees, die einem tiefer gehenden Verständnis der Geschlechter sowie insbesondere der weiblichen Emanzipation[11] im Wege stehen. Dabei spielen die Vorbilder in Familie und Gesellschaft sowie vor allem auch die dargestellte Wirklichkeit (im Fernsehen und Kino, in Schulbüchern usw.) eine zentrale Rolle“ (Microsoft Encarta 2004).

Die heute noch existierenden Geschlechterrollen und die zwangsläufig damit verbundenen Erwartungen an die Frauen bzw. an die Männer sind die Folge der Herausbildung von Geschlechtercharakteren, deren Existenz auf der Konstruktion von Wesensmerkmalen des Mannes und der Frau beruht. In den nachfolgenden beiden Abschnitten wird versucht, dies aufzuzeigen.

2.2. Polarisierung der Geschlechtercharaktere

Der Begriff der „Polarisierung der Geschlechtscharaktere“ nach Hausen (1976) ist eine mittlerweile gängige Bezeichnung für eine biologistische Theorie, die im 18. Jh. vor allem von der bürgerlichen Bewegung her konstituiert wurde. Die bürgerliche Gesellschaft wurde aufgespalten in einen öffentlichen und einen privaten Lebensbereich. Dadurch haben sich die Geschlechtsrollen neu definiert. Hausen bezeichnete diese Entwicklung als „Dissoziation von Erwerbs- und Familienleben“. Das Leitbild der modernen bürgerlichen Kleinfamilie, auf das unter 3.4 eingegangen wird, beinhaltet die Polarisierung der Geschlechtsrollen: die Zuständigkeit des Mannes für den Unterhalt der Familie durch in der Regel außerhäusliche Erwerbstätigkeit und die komplementäre Zuständigkeit der Frau für Haushaltsführung und Kindererziehung (vgl. Peuckert 2002, S.244). Die beschriebene Arbeitsteilung gab es zwar auch schon in früheren Jahrhunderten, jedoch mit dem Unterschied, dass spezifische Aufgaben, bis auf wenige Ausnahmen, wie das Gebären und das Stillen, nicht am Geschlecht festgemacht wurden. Das kulturelle Leitbild der Liebesheirat durch das Bürgertum geprägt. Es wurde inszeniert durch die literarischen und theoretischen Schriften der Romantik. Diese strebten eine „Synthese von Sinnen und Seelenliebe“ an, die Einheit sexueller Leidenschaft und affektiver Zuneigung. Diese Synthese schloss allerdings das Merkmal der Androgynie[12] ein, welches aber aufgrund der gegebenen sozioökonomischen und soziokulturellen Bedingungen nicht realisierbar war. Das Leitbild der Liebesheirat konnte nur bestehen durch die Konzeption der polaren Geschlechtercharaktere. Das bürgerliche Familienleitbild verlangte die lebenslange monogame Ehe, deren Sinn sich in der Familiengründung erfüllte. Die Ehefrau und Mutter ist vordergründig zuständig für die emotional-affektiven Bedürfnisse der Familie und für die Haushaltsführung. Dem Mann bzw. Vater als Autoritätsperson unterstehen die Außenbeziehungen und instrumentellen Aspekte[13] des Familienlebens (vgl. Peuckert 2002, S.25). Die Zuständigkeit der Frauen für den Haushalt bzw. die innerfamilialen Familienangelegenheiten wurden durch die ihnen zugeschriebenen Wesensmerkmale gerechtfertigt, in gleicher Weise natürlich auch die Zuständigkeit der Männer für den außerhäuslichen Bereich. Die Bedeutung des Daseins für die Familie und für den Mann liegt in dem „regulierenden Prinzip“ der weiblichen Normalbiographie, „obers­tes Gebot und ständige Erwartung an Frauen, und es lautet: Selbstzurücknahme und Selbstaufgabe“ (Beck-Gernsheim 1989, S.22).

2.2.1. Die Wesensmerkmale von Mann und Frau

Bis zum 18. Jahrhundert war die Frau rechtlich vom Mann abhängig. Diese rechtliche Unterlegenheit wurde auch biologisch begründet. So wurde der weibliche Körper im Vergleich zu dem des Mannes als minderwertig angesehen. Als Begründung hierfür wurde angeführt, dass Menstruation, Schwangerschaft, Geburt und Stillen die weibliche Anatomie schwächen. Am Ausgang des 18. und durch das ganze 19. Jahrhundert hindurch wurde aus der biologischen Verschiedenheit von Mann und Frau eine geistige Unterlegenheit der Frau abgeleitet. So entstanden allmählich immer differenziertere stereotype Vorstellungen und Meinungen über Frauen und Männer. Die Frau wurde lange Zeit zur Familienhüterin bestimmt und war somit stark an ihrem Mann gebunden, sie musste, um ihm zu gefallen, weiche Wesensmerkmale entwickeln, die eine Ergänzung zu den harten Wesensmerkmalen des Mannes darstellten. Es gehörte über Jahrhunderte zum weiblichen Leitbild, das die Frau ihre Gefühlsseite als Gegenpol zu der sachlichen und verstandesbetonten männlichen Posi­tion zu entwickeln habe (vgl. Höhn zit. n. Dohmen 1987, S.4). Des Weiteren galt es ein unanzweifelbarer Erfahrungssatz, dass Frauen sich viel stärker als die „härteren Männer“ durch Emotionen wie Mitgefühl, vor allem Mitleid beeinflussen lassen und sie leichter gerührt sind, daher wurde die Frau als Mittlerin zwischen den Kindern untereinander und zwischen Kindern und Vätern angesehen, sie übte eine vermittelnde und ausgleichende Funktion im zwischenmenschlichen Leben aus (vgl. Lersch zit. n. ebd.). Der Frau wurden die folgenden Eigenschaften zugeschrieben, sie sei fürsorglich, emotional, ausdrucksstark, empfindsam, passiv usw. Dem gegenüber standen die Eigenschaften des Mannes, nach welchen er rational, intelligent, selbstbewusst, aktiv und dominant sei. Derartige Geschlechtsrollenstereotype beinhalten nicht nur Vorstellungen und Meinungen über die Frauen und Männer, sondern sie transportieren gleichzeitig auch Bewertungen. Sie lassen Frauen nicht nur anders erscheinen als Männer, sondern gleichzeitig auch unterlegen und minderwertig. Die Konsequenzen dieser Bewertungen, sind ablesbar in der Diskussion um die Gleichstellung der Geschlechter. Zur Verfestigung dieser Wesensmerkmale, trug in großem Maße auch die Kirche und Wissenschaft bei.

3. Rollenverständnis der Frau in den verschiedenen Lebensformen

Für diese Betrachtungen wurden die Sozialform des „ganzen Hauses“[14] die der bürgerliche Familie, der Arbeiterfamilien und der modernen Kleinfamilie der 50/60er Jahre des 20.Jh. ausgewählt, um einen gewissen Vergleich der Rolle der Frau in den verschiedenen gesellschaftlichen Strukturen zu erreichen. Gewisse Vorstellungen und Haltungen bezüglich der Situation und der Stellung der Frau in der heutigen Zeit, sind auf diese Lebensformen zurückzuführen.

3.1. In der Sozialform des „ganzen Hauses“

Die Sozialform des „ganzen Hauses“ wurde an dieser Stelle mit in die Betrachtungen einbezogen, weil sich ein Wandel der gesellschaftlichen Strukturen im deutschen Raum von der agrarischen Wirtschaftsweise, in welcher diese Lebensform überlegen war, hin zur industriellen, kapitalistischen Produktionsweise vollzogen hat.[15]

Durch den Strukturwandel hin zur individualisierten Gesellschaft haben sich auch die Position der Frau und die Erwartungen an sie deutlich verändert. Die Sozialform des ganzen Hauses unterscheidet sich fundamental von den Lebensformen des industriellen Zeitalters. Es handelt sich hierbei um eine Form des Zusammenlebens von engen und entfernten Verwandten, sowie nichtverwandten Personen. Sie war, wie typisch für die bäuerliche aber auch handwerkliche Lebensweise und die Aristokratie. „Das „ganze Haus“ erfüllte eine Vielzahl gesellschaftlich notwendiger Funktionen (Produktion, Konsumtion, Sozialisation, Alters- und Gesundheitsvorsorge). Zentrales Merkmal des „ganzen Hauses“ war die Einheit von Produktion und „Familienleben“. Dem Hausvater unterstanden nicht nur die verwandten Familienmitglieder. Nichtverwandte Angehörige des Hauses, wie Knechte und Mägde auf den Bauernhöfen und Gesellen und Lehrlinge bei den Handwerkern, zählten in gleicher Weise zum Hausverband. Die Einheit von Produktion und Haushalt bedeutete, dass affektiv neutrale (gefühlsarme) Beziehungen gegenüber Emotionen ein deutliches Übergewicht besaßen. Dies gilt in gleicher Weise, für das Verhältnis der Geschlechter zueinander, wie für die Stellung der Kinder. Ausschlaggebend für die Partnerwahl waren ökonomische Momente (Arbeitskraft, Mitgift der Frau), Liebe bzw. Gefühle spielten eine untergeordnete Rolle. Zu den Kindern, die eher als potenzielle Arbeitskräfte angesehen und behandelt wurden, bestanden gesindegleiche, relativ gefühlsarme Beziehungen“ (Peuckert 2002, S.21). Oft wurden die Aufgaben der Kinderbetreuung von älteren Schwestern oder einer Kindsdirn übernommen. Die Erziehung der Kinder lag nicht allein in der Zuständigkeit der Mutter, sondern fand in der Hausgemeinschaft statt. Der engere Haushalt war die Domäne der Frauen. Mehrfachbelastungen, durch die unterschiedlichen Arbeitszusammenhänge, waren in dieser Zeit integraler Bestandteil weiblicher Lebensverläufe (vgl. Brüderl 1992, S.14). Es bestand eine geschlechtsspezifische Arbeitsteilung, aber keine strikte Trennung von nur weiblichen und männlichen Tätigkeiten. Die Aufgaben der Bäuerin waren nicht nur auf den Haushalt beschränkt, sie wurde auch in den Prozess der Produktion eingebunden. „Obwohl das „ganze Haus“ streng patriarchalisch[16] organisiert war, hatte die „Hausmutter“ die schwierige selbständige Aufgabe, die interne Organisation des Haushaltes zu bewältigen und zu beaufsichtigen. Auf Bildern wird sie dargestellt mit dem großen Schlüsselring als Zeichen ihrer Funktion und Bedeutung im Hauswesen. Über ihr - wie über allen anderen Hausgenossen - stand der „Hausvater“; familien- und sachrechtlich gesehen war nur er selbständig handlungs- und geschäftsfähig (juristisch war er nicht nur der Vormund seiner Kinder, sondern auch der seiner Frau); er übte das Züchtigungsrecht über alle Hausgenossen aus; nur er hatte politische Rechte in der weltlichen Gemeinde“ (Herrmann 1989, S.17). Als eine unbedingte Notwendigkeit zur Funktionalität dieser kollektiven Lebensform galt die Beachtung der Ordnung, des Gehorsams und der Folgsamkeit. Ein Privatleben im Sinne von intimisierten Rückzugsbereichen war durch die Vielzahl der Personen, die in einem Haus wohnten kaum realisierbar. Die nicht vorhandene Trennung von Betrieb und Haushalt wird allein von Rationalität bestimmt, für die Sentimentalität der „Familie“ wie wir sie heute kennen war kein Platz. „Abgesehen von „Hausvater“ und „Hausmutter“ bemaß sich die Rolle und Bedeutung aller „Hausgenossen“ nach ihrem ökonomisch verrechenbaren Beitrag zum Hauswesen, nach ihrem Nutzen“ (Herrmann 1989, S.18).

3.2. In der bürgerlichen Familie

In kleinen Städten im ländlichen Raum wurde im 18. Jh. ein ähnlicher Haushalt wie im „ganzen Haus“ geführt. Es gab Angestellte für die Küche, die Kinder, den Haushalt. Es lag, so berichtet Fanny Lewald[17], für die Frauen ein gewisses Vergnügen in dem weiten Voraussorgen, wenn man die Mittel, hatte dem zu entsprechen. „Die Männer bezahlten in vielen Fällen diese Art der Wirtschaft nur mit mehr Geld als nötig, die Frauen mit einem Aufwande von Kraft, der oft weit über ihr Vermögen ging, und zu irgend einem nicht auf den Haushalt und die Familie bezüglichen Gedanken, blieb Denjenigen, die wie wir überall selbst Hand anlegen mussten, wenn ihr Sinn nicht entschieden auf höheres gerichtet war, kaum noch Zeit übrig“ (Lewald 1881, zit. n. Brinkler-Gabler 1979, S.38). Die bürgerlichen Frauen, welche in solchen Haushalten lebten, waren ruhelos und ihre weiblichen Dienstboten noch mehr. Fanny Lewald schreibt, wer den Hausfrauen zu dieser Zeit zugemutet hätte, eine ihrer wirtschaftlichen Gewohnheiten abzugeben, den hätten sie als Ketzer bezeichnet, als einen Frevler, der ihre hausfraulichen Pflichten einschränken will, um dadurch ihre Würde und Bedeutung zu mindern und somit das Glück ihrer Ehen und Familien langsam zu beeinträchtigen. Der Aufwand, den die Frauen betrieben, und die Kosten waren viel zu hoch, als das es wirklich ökonomisch sinnvoll gewesen wäre, all diese Mühen auf sich zu nehmen. Die Frauen dieser Zeit haben sich aber über diese Tätigkeiten bzw. diese Art des Hauswirtschaftens selbst definiert. Der häusliche Herd war ihnen ein wesentlicher Bestandteil ihres Familienglücks und der Kochlöffel in der Hand der Frau war lange Zeit das Symbol ihrer Würde oder als Zepter angesehen worden, mit dem bewaffnet, sich die Frau ihrer Stellung als Ehefrau, Mutter und Hausfrau behaupten muss und so ihren Pflichten nachkommen kann (vgl. ebd., S.39).

Mit der Ausbreitung der kapitalistischen Produktionsweise im Verlauf der Industrialisierung wurde das oben beschriebene Haushalten ökonomisch immer unrentabler. Die Produktivität der Hausfrauen wurde immer mehr eingeschränkt. Das Hauswesen hatte seine wirtschaftliche Bedeutung durch den weiter fortschreitenden funktionalen Differenzierungsprozess der Gesellschaft verloren. In Folge des Verlustes der Produktionsfunktion der Familie entstand ein „soziales Vakuum“, einst ökonomisch geprägte Beziehungen sind im Verlauf dieses Prozesses zu Gunsten emotionaler Beziehungen zurückgetreten. Die Kindheit als eigenständiger Lebensabschnitt gewann an Bedeutung und die Sozialisation der Kinder wurde neben den häuslichen Pflichten zur speziellen Aufgabe der Frau bzw. Mutter.

Das neue Familienleitbild wurde durch den Einfluss der französischen Revolution geprägt und durch sie idealisiert. Die Liebesheirat wurde zum kulturellen Leitbild des Bürgertums und stellte die Vernunftehe in Frage. Mit der neuen „Anschauung vom Menschen“ wurde auch die Frau formal und theoretisch gleichberechtigt. Sie war nicht länger nur eine Rechtssache, die mit einem Kaufvertrag an den Mann über-geben wurde, sondern die Eheschließung wurde ein Rechtsvertrag zwischen zwei Individuen (vgl. Weber-Kellermann 1974, S.99). Das Gleichheitsideal konnte vor dem Ideal der Hausfrau und Mutter nicht bestehen.

Der Bürgerhaushalt des 19. Jh. brachte in Folge der Veränderungen eine Abgrenzung zwischen Herrschaft und Dienstboten hervor. „Höhere Töchter“ sollten häkelnd, strickend oder malend am Ofen sitzen. Arbeit war verpönt „schon die Hausarbeit von eigener Hand und noch mehr die weibliche Berufsarbeit. Kirche, Küche, Kinder hieß die Parole, und ein Mädchen „von Familie“ durfte um alles in der Welt keinen Beruf ergreifen“ (Weber-Kellermann 1974, S.127).

Durch die neuen gesellschaftlichen Normen, als ideologisches Leitbild für alle gesellschaftlichen Schichten prägend, gelebt aber nur von einer Minderheit, entstand eine neue Situation für die bürgerliche Frau. Der Arbeitsbereich des Mannes und die Welt außerhalb der Familie wurde für die Frau immer undurchschaubarer. Die Hausfrau hatte eine stark untergeordnete unselbständige Stellung, sie war ausgeschlossen von der beruflichen und politischen Lebenswelt des Mannes (vgl. Leyrer 1986, S.55). „Zu bemühen hatte sich die Frau: um die Bewahrung der konfliktlosen häuslichen Idylle, zu der das behagliche bürgerliche Heim erklärt worden war. Ruhe war die erste Bürgerinnenpflicht, zusammen mit der Unterordnung unter den Willen des Familienoberhauptes. Der Mann hatte Kraft seines Geschlechts und als Lohn seiner Arbeit für die Seinen – Liebe und Gehorsam von Ihnen zu beanspruchen“ (Dane 1986, S.27).

3.3. In den Arbeiterfamilien

Braun und Gravalas (1980) beschreiben, dass der Lohn des industriellen Arbeiters ursprünglich so bemessen war, dass er den Lebensunterhalt der gesamten Arbeiterfamilie decken sollte. Er sank jedoch schon in der Frühphase des Kapitalismus, infolge der ungeheueren Konkurrenz auf dem Arbeitsmarkt weit unter diese Grenze. Wodurch die außerhäusliche Fabrikarbeit der Arbeiterfrau eine unabdingbare Notwendigkeit wurde. Die Frauen des Proletariats strömten in immer größerem Ausmaß in die Fabriken. die Vorstellung, die Frau gehöre ins Haus, hielt sich jedoch trotzdem hartnäckig. Das bürgerliche Ideal vom Mann als „Ernährer“ der Familie wurde unbesehen auf die Proletarierfamilie übertragen, obwohl die Realität diesem Wunsch- und Zweckbild hohnsprach (vgl. Braun/Gravalas 1980, S.7). Die historische Arbeitsteilung wurde obsolet, in ihr fiel den Frauen die Wahrnehmung der Aufgaben im Haus zu. Für die erwerbstätige Arbeiterfrau entstand eine Doppelbelastung von Haushalts- und Fabrikarbeit. Sie wurden aber gleichzeitig nur als zusätzliche Verdienerin neben dem Mann angesehen, ihr Beitrag zum Erwerb des Familienunterhalts wurde gegenüber dem des Mannes als zweitrangig betrachtet, woraus sich wiederum ein entsprechend verminderter Anspruch auf Entlohnung und Schutz des Arbeitsplatzes abgeleitete. (vgl. ebd., S.8).

In den Arbeiterfamilien kann von einer, der bürgerlichen Familie vergleichbaren Emotionalisierung und Intimisierung des Familienlebens, schon aufgrund der randständigen sozioökonomischen Lage (niedrige Löhne, Arbeitslosigkeit), der notwendigen Erwerbsarbeit der Frau (und Kinder) und der beschränkten Wohnverhältnisse nicht die Rede sein (vgl. Peuckert 2002, S.24). Es scheint offensichtlich, das die proletarischen Familien, insbesondere natürlich die Frauen, keine Gelegenheit hatten, sich einer neuen aktiven Sozialisation der Kinder anzunehmen oder gar pädagogische Fragen zu erörtern, für sie gab es keine Möglichkeit, die sich im Bürgertum herausgebildeten Ideale zu realisieren. Für die Arbeiterfrauen wurde die Mutter- und Hausfrauenrolle immer populärer und erstrebenswerter. „Gegen Ende des 19. Jahrhunderts lässt sich eine zunehmende und alle Schichten umgreifende normative Orientierung am bürgerlichen Familienleitbild feststellen“ (Peuckert 2002, S.24). Für die Arbeiterfrauen bestand nicht der Wunsch nach Selbstverwirklichung in der Berufstätigkeit, wie er im Laufe der Zeit bei den Frauen des gehobenen Bürgertums entstand. Für die in den Fabriken arbeitenden Frauen konnte es nur einen Wunsch geben, das bürgerliche Familienidyll mit der nicht arbeitenden sorglosen Hausfrau.

3.4. In der modernen Kleinfamilie der 50er/ 60er Jahre des 20. Jh.

An dieser Stelle bleibt zu klären was unter dem Begriff „moderne Kleinfamilie“ zu verstehen ist. Diese Familienform hatte in der Nachkriegszeit bis in die Mitte der 60er des 20.Jh. ihre größte Dominanz, nie zuvor hatte eine Form von Ehe bzw. Familie eine so starke Verbreitung. Sie entspricht dem im aufsteigenden Bürgertum angestrebten Familienideal. Peuckert beschreibt sie als eine historisch einmalige Situation. Es bestand eine ungewöhnliche Homogenität in den Lebens- bzw. privaten Beziehungsformen. „Das moderne Ehe- und Familienmodell – die moderne Kleinfamilie als selbständige Haushaltsgemeinschaft eines Ehepaares mit seinen minderjährigen Kindern – hatte sich faktisch und normativ (als unhinterfragtes Leitbild) nahezu universell durchgesetzt. Aus Liebe folgte zwingend Heirat/Eheschließung, ...“ (Peuckert 2002, S.9). Peuckert erklärt, dass für die Etablierung und Generalisierung des modernen, bürgerlich gefärbten Familienmusters die tief greifenden Wandlungsprozesse der 50er und der frühen 60er Jahre des vergangenen Jh. ausschlaggebend waren. Der Autor merkt an, dass massive Reallohnsteigerungen („Wirtschaftswunder“) und der Ausbau der sozialen Sicherungssysteme zu einer deutlichen Verbesserung der Lebensverhältnisse aller Einkommensbezieher geführt hat. Das Leitbild der modernen Familie, so Peuckert, verlangte von jedem Menschen die lebenslange monogame Ehe, deren Sinn sich letztendlich in der Familiengründung erfüllte.

Die Ehefrau und Mutter war primär zuständig für die emotional-affektiven Bedürfnisse der Familie und für die Haushaltsführung, im Gegensatz dazu, wie bereits in der bürgerlichen Familie beschrieben, oblagen dem Vater als Autoritätsperson die Außenbeziehungen (vgl. ebd., S.24f). Gründe der Frauen, für die Akzeptanz der Hausfrauenehe, bzw. der Hausfrauen- und Mutterrolle, scheinen auf die schwierige Zeit des Krieges und den ersten Jahren danach zurückzuführen zu sein. Der Zweite Weltkrieg war ein Bruch mit den traditionellen Geschlechterrollen, denn in allen Ländern waren durch die Kriegsmaschinerie Frauen als Erwerbstätige in Bereichen eingesetzt worden, die ihnen früher verwehrt worden waren, und sie hatten während der Abwesenheit der Männer/Soldaten im Privaten und in der Öffentlichkeit Funktionen übernommen, die vor dem Krieg als „männlich“ definiert waren. Die Kriegserfahrungen hatten zu einer Beschwörung der „Rückkehr zur Normalität“ geführt, denn die Erwerbstätigkeit bei einer 60-Stunden-Arbeitswoche und die Übernahme der Funktion des Familienhauptes, hatte viele Frauen so überlastet, dass eine Rückkehr in die privatisierte Familie angestrebt wurde.

Bis in die 60er Jahre des 20.Jh. waren die Lebensentwürfe der Frauen vordergründig familienorientiert. Verheirate Frauen waren nur im Notfall außerhäuslich erwerbstätig. „In einer 1958 durchgeführten Umfrage befürworteten 55% der Männer und 61% der Frauen (!) die Einführung eines Gesetzes, das Müttern mit Kindern unter 10 Jahren die Erwerbsarbeit verbot. Nur 9% hatten keine Bedenken gegen eine Erwerbsbeteiligung von Müttern“ (Pfeil 1961 zit. n. Peuckert 2002 S.234).

4. Die Individualisierte Gesellschaft

Die Individualisierte Gesellschaft ist das Ergebnis einen Veränderungsprozesses im historischen Verlauf. Diese Veränderungen lassen sich mit den Begriffen Industrialisierung, welche Ende des 18. Jahrhunderts mit der industriellen Revolution in Großbritannien begann, Auf- und Ausbau des Wohlfahrtsstaates[18] ab etwa Mitte des 19.Jh. und nachindustrielle Gesellschaft seit dem ausgehenden 20.Jh. charakterisieren.

Die Gesellschaft hat sich im Laufe der Modernisierung immer mehr differenziert und dieser Prozess dauert weiter an. Die Arbeitsteilung und Spezialisierung infolge des industriellen Aufstieges führte zum Entstehen von Arbeits- und Gütermärkten. Später wurden politische Beteiligungsansprüche mobilisiert und Interessen organisiert, woraufhin sich ab dem 19.Jh. Gewerkschaften[19] und die Arbeiterbewegung[20] herausbildeten, welche mit der Entstehung demokratischer Institutionen integriert wurden. Es bildete sich der moderne Staat mit ersten wohlfahrtsstaatlichen Einrichtungen und im weiteren Verlauf wurden sozialstaatliche Systeme weiter ausgebaut. Dies führte zu einer Umverteilung des ansteigenden Sozialprodukts, wodurch die Phase des Massenkonsums im 20.Jh. eingeleitet wurde.

Die heutige individualisierte Gesellschaft ist das Produkt eines soziale Wandels, der sich in aufeinander folgenden gesellschaftlichen Entwicklungsstufen vollzogen hat und in dem die Gesellschaft immer leistungsfähiger wird und die Bürger immer mehr an den Erträgen der gesellschaftlichen Arbeit teilhaben. Die moderne Gesellschaft beinhaltet vier Basisinstitutionen: die Konkurrenzdemokratie[21], die Marktwirtschaft, die Wohlstandsgesellschaft mit Massenkonsum und die Institution des Wohlfahrtsstaates (vgl. Fachlexikon der sozialen Arbeit 1997, S.858f).

4.1. Individualisierung

Individualisierung im soziologischen Bezugsrahmen „meint die Ausdifferenzierung von Lebensstilen, Lebensformen usw., im Zuge von Modernisierungs- und anderen Veränderungsprozessen der Gesellschaft und versucht so eine Entwicklungssache gesellschaftlicher Entwicklungstendenzen zu charakterisieren, die mit der so genannten Pluralisierung[22] der Gesellschaft wechselseitig verbunden ist“ (Fachlexikon der sozialen Arbeit 1997, S.480).

Strohmeier (1993) bezeichnet Individualisierung als „die zunehmende Unabhängigkeit des individuellen Lebenslaufs von Instanzen (Geschlecht, Alter, Herkunft), die das Eintreten bestimmter biographischer Ereignisse und Übergänge, wie z.B. die Geburt des ersten Kindes, die Eheschließung, den Eintritt ins Berufsleben in der Vergangenheit gesteuert haben“. (Strohmeier 1993, S.12f.)

4.2. Die Individualisierungsthese von Ulrich Beck

Die Individualisierungsthese von Beck gilt als theoretischer Erklärungsansatz, um den stattfindenden sozialen Wandel begreiflich zu machen. Es handelt sich um die, in den 80er Jahren des 20.Jh. vorgelegte, Interpretation des Strukturwandels westlicher Industriegesellschaften. Beck begreift diesen Strukturwandel als einen Übergang zu einer zweiten Moderne, welche durch neue globale Risiken und Individualisierung gekennzeichnet ist. Er verknüpft seine Auslegung mit dem Anspruch fortschreitende bzw. emanzipatorische[23] gesellschaftliche Entwicklungsmöglichkeiten zu erkennen. Es handelt sich um einen kritischen modernisierungstheoretischen Ansatz. Beck knüpft an den Anspruch der Klassiker, auf eine integrierte Interpretation von ökonomischer, soziokultureller und politischer Veränderungsdynamik, wie auch an deren zentrale Denkfiguren zur Erfassung von Vergesellschaftung[24], nämlich Klasse, Stand und Individualisierung an (vgl. Gottschall 2000, S.245). Diese Denkfiguren, so Gottschall, „werden jedoch zugleich im Rahmen einer Analyse der Gegenwartsgesellschaft als eine durch reflexive Modernisierung gekennzeichneten Risikogesellschaft[25] verworfen bzw. reformuliert“ (Gottschall 2000, S.245). In der vormodernen Gesellschaft, der Zeit vor der industriellen Revolution, bestimmten eine Vielzahl traditioneller Bindungen das Leben der Menschen. Durch die Ausbreitung der rechtlich freien Lohnarbeit, die Durchsetzung der Grundrechte, die Zunahme des Wohlstandes, der Ausweitung des Bildungssystems kam es zur Freisetzung der Individuen aus den so genannten traditional gewachsenen Bindungen, Glaubensystemen und Sozialbeziehungen (vgl. Peuckert 2002 S.312). Die Individuen können und müssen ihre Biografie selbst herstellen. Die erste Phase der Individualisierung lässt sich zeitlich zwischen dem Beginn der Industrialisierung und der Mitte des 20.Jh. einordnen, sie war im Wesentlichen auf die Männer beschränkt, welche sich in einer durch Marktgesetze bestimmten Gesellschaft behaupten mussten. Die bürgerliche Frau wurde im gleichen Zuge „entindividualisiert“, sie wurde stärker auf den privaten häuslichen Bereich, ein Dasein für die Familie verwiesen, in welchem die sozialen Beziehungen immer weniger von ökonomischen Interessen, sondern mehr durch persönliche Bindungen bestimmt waren. Diese intimisierte Familie entwickelte sich zu einem Gegengewicht zu den öffentlichen und wirtschaftlichen Lebensbereichen. Dieser erste Individualisierungsprozess mündete in eine zunehmende Homogenisierung der Verteilung der Lebensformen mit einer Dominanz des modernen, bürgerlich eingefärbten Familienmodells. Erst durch die Steigerung des Wohlstandsniveau infolge des erhöhten Einkommens und der Verbesserung der gesamten Lebensbedingungen in den 50er 60er Jahren des 20.Jh. konnte die Familienform des verheirateten Ehepaares mit Kindern und der nicht berufstätigen Frau von der Mehrheit der Bevölkerung auch gelebt werden. Doch schon auf dem Weg zu deren Höhepunkt war sie einem Wandel unterworfen, welcher sich in dem Anstieg der Erwerbsbeteiligung der verheirateten Frauen, seit dem Ende des 19. Jahrhunderts zeigte. Seit den 60er Jahren des 20.Jahrhunderts war ein neuer Individualisierungsschub zu erkennen (vgl. Peuckert 2002 S.313). Beck (1994) betont, dass in allen hoch entwickelten Industrieländern, außerordentlich deutlich auch in der Bundesrepublik Deutschland, in der wohlfahrtsstaatlichen Nachkriegsentwicklung sich ein gesellschaftlicher Individualisierungsschub von bislang unerkannter Reichweite und Dynamik vollzogen hat, und zwar unter dem Deckmantel weitgehend konstanter Ungleichheitsrelationen (vgl. Beck 1994, S.44). Beck interpretiert dies folgendermaßen: „Vor dem Hintergrund eines vergleichsweise hohen materiellen Lebensstandards wurden die Menschen in einem historischen Kontinuitätsbruch aus traditionalen Klassenbindungen und Versorgungsbezügen der Familie herausgelöst und verstärkt auf sich selbst und ihr individuelles (Arbeitsmarkt-)Schicksal mit allen Risiken, Chancen und Widersprüchen verwiesen“ (ebd.). Die Individuen lösen sich von den Klassen und Schichten und Gemeinschaften, wodurch es zu starken Verlusten von Bindungen kommt, die die Familie und Partnerschaft nicht unberührt lassen. Eine Beschleunigung hat dieser zweite Individualisierungsschub durch den Ausbau des Arbeitsmarktes, den gehobenen Wohlstand, die Expansion der schulischen und beruflichen Qualifizierung, die veränderte soziale Rolle der Frau, die steigende Berufsmobilität und auch die steigende Konkurrenz der Menschen untereinander erfahren (vgl. Peuckert 2002, S.314). Die Normalbiografie, die sich aus den bestehenden Verhältnissen ergab, wird immer mehr zur „Wahlbiografie“. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts, besonders stark seit den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts haben die gesellschaftlichen Individualisierungsprozesse auf den weiblichen Lebenslauf übergegriffen (vgl. ebd.). Peuckert hebt hervor, dass auch in der weiblichen Normalbiografie sich immer mehr die Logik individueller Lebensentwürfe durchsetzt, dass die biografische Selbstverständlichkeit von Ehe und Mutterschaft nachgelassen hat und die Berufskarriere als konkurrierender Wert zur Familie in den Lebensentwürfen zahlreicher Frauen immer wichtiger geworden ist (vgl. ebd.). Dieser gesellschaftliche Individualisierungsprozess der Nachkriegszeit im Sinne eines Herauslösens aus den traditionalen Bindungen wurde seit den 50er Jahren und dann verstärkt in den 60er und 70er Jahren des 20.Jh. von einem sozialen Wertewandel begleitet. Traditionelle Pflicht- und Akzeptanzwerte bzw. materialistische Werte, insbesondere die Betonung von Pflicht und Ordnung, Leistung und Pflichterfüllung, haben zu Gunsten der postmaterialistischen Werte, wie Autonomie, Gleichbehandlung und Selbstverwirklichung an Rang verloren. Bezeichnend für diesen Wandel der sozialen Werte ist, das sie einander nicht ablösen bzw. gegeneinander ausgetauscht werden, sondern sich mit einander vermischen und dadurch ein diffuses instabiles System von teilweise miteinander konkurrierenden Werten und Normen entsteht. „Die Wertewandlungsprozesse, die oft noch widersprüchlich sind, wirken sich in spezifischer Weise auf die Formen der Lebensführung aus. Sie beeinflussen negativ die Eheschließungsbereitschaft, die Bindungskraft der Ehe und die Bereitschaft Kinder in die Welt zu setzen“ (vgl. Klages 1985 zit. n. Peuckert 2002, S.315f.).

Beck (1986) erklärt, dass Individualisierungsprozesse nicht auf der freien Entscheidung der Individuen beruhen und somit nicht ohne weiteres gleichzusetzen sind mit einem Zuwachs an Freiheiten, sondern sich durch Widersprüche und Ambivalenzen auszeichnen. Zum einen bedeutet Individualisierung einen Gewinn an Handlungsspielräumen / Optionen (=Freisetzungsdimensionen). Zum anderen bedeutet Individualisierung einen tendenziellen Geltungsverlust der Sicherheit und Handlungswissen garantierenden sozialen Normen (=Entzauberungsdimensionen) (vgl. Beck 1986 zit. n. Peuckert 2002, S.315f). Peuckert fasst zusammen, dass das Individuum sich immer weniger an einer um das traditionale Familien- und Berufsmodell zentrierten Normalbiografie orientieren kann und die Definition der Lebenskarriere eine individuelle Entscheidung wird, und zwar für Mann und Frau gleichermaßen. (vgl. Peuckert 2002, S.315f).

Durch die fehlenden Orientierungsmöglichkeiten an verbindlichen Leitbildern und Handlungsmustern steht der Einzelne einer Vielzahl von Entscheidungen gegenüber, welche Handlungsspielräume eröffnen, die Probleme der Entscheidungsselektion und der Identitätsgewinnung und -findung mit sich bringen. Parallel dazu tauchen neue Widersprüche, Unfreiheiten und Zwänge auf. Die eigenständigen Personen werden gleichzeitig in ein System von institutionellen Zwängen und Kontrollen eingebunden. Beck/Beck-Gernsheim (1990, S.15) heben hervor, dass die freigesetzten Individuen arbeitmarktabhängig und daher bildungsabhängig, abhängig von sozialrechtlichen Regelungen und Versorgungen, von Verkehrsplanungen, Kindergartenplätzen und -zeiten und abhängig von BAföG-Zahlungen und Rentenmodellen werden. Beck (1986) schreibt, dass an die Stelle traditioneller Bindungen und Sozialformen (soziale Klasse, Kleinfamilie) sekundäre Instanzen und Institutionen treten, die den Lebenslauf des Einzelnen prägen und ihn gegenläufig zu der individuellen Verfügung, die sich als Bewusstseinsform durchsetzt, zum Spielball von Moden, Verhältnissen, Konjunkturen und Märkten macht (vgl. Beck 1986, S.211). Die Individuen sind zu einer stärker individualisierten Lebensweise gezwungen.

Die institutionellen Vorgaben verhindern die Familienbildung eher bzw. belasten sie, als das sie erleichternd wirken. Kaufmann (1995) bezeichnet diesen Zustand als die „strukturelle Rücksichtslosigkeit der Gesellschaft“. Die Anforderungen der Gesellschaft, insbesondere die des Arbeitsmarktes, sind auf Individuen ausgerichtet, die sich in ihrem Leben an der Rationalität des Marktes orientieren und nicht an den Bedürfnissen der Familie. Peuckert merkt an, dass die Deinstitutionalisierungstendenzen im Bereich von Ehe und Familie seit den 60er Jahren des 20.Jh. noch dadurch forciert wurden, dass mit dem verstärkten Übergreifen des Individualisierungsprozesses auf den weiblichen Lebenszusammenhang nicht mehr nur jeweils eine Einzelperson (sprich: der Mann) mit immer mehr und oft widersprüchlichen Entscheidungszwängen konfrontiert wird, sondern dass die Vorstellungen und Wünsche zweier selbständiger Individuen mit jeweils eigenen Lebensplänen, Rechten und Zwängen koordiniert werden müssen (vgl. Peuckert 2002 S.318). Es treffen nun zwei Personen aufeinander die, so Beck-Gernsheim (1986, S.223), „beide den Möglichkeiten und Zwängen einer „selbstentworfenen Biographie“ unterstehen“.

[...]


[1] vgl. hierzu Kippele 1998; Schroer 2000; Kron 2000

[2] Soziale Interaktion ist die Gesamtheit des (kommunikativen) Verhaltens von aufeinander Bezug nehmenden Subjekten (vgl. Microsoft Encarta 2004)

[3] „aus gesellschaftlicher Sicht ist Sozialisation ein biographischer Vorgang des sukzessiven Hineinwachsens, der zunehmend erweitern Übernahme von Rollen: Kinderrolle, Schülerrolle, Ausbildungs- und Berufsrolle,…(Böhnisch 1996, S.67)“

[4] Normen sind spezifische Verhaltensbeschreibungen, welche sich in der Mehrheit auf Werte beziehen. Normen werden definiert als Verhaltensforderungen für wiederkehrende Situationen, damit wird der Aspekt der Regelmäßigkeit mit einbezogen, insofern als das ein bestimmtes Verhalten in wiederkehrenden Situationen regelmäßig gefordert wird (vgl. Spittler zit. n. Lamnek 1999, S.17). Eine Norm ist eingebettet in eine Situation, sie setzt eine Komplementarität der Rollenerwartungen der Interaktionspartner voraus. Normen werden von bestimmten Personengruppen bzw. Institutionen, den Normsendern, gesetzt und an spezifische Personengruppen, den Normadressaten, gesandt (vgl. Popitz zit. n. Lamnek 1999, S.19).

[5] Der Mechanismus, der der Durchsetzung der Normen dient, wird in der Soziologie als soziale Kontrolle bzw. als Sanktion bezeichnet. Hier kann zwischen positiven und negativen Sanktionen unterschieden werden. Durch Sanktionen sollen bestimmte Verhaltensweisen abgestellt oder verstärkt werden. Man kann in der Soziologie davon ausgehen, dass normkonformes Verhalten belohnt und normabweichendes Verhalten bestraft wird (vgl. Lamnek 1999, S.20).

[6] Rollendistanz ist die Fähigkeit sich Erwartungen gegenüber flexibel zu verhalten, einzelne Erwartungen zu selektieren, andere wiederum zu ignorieren oder in eigenem Stil zu erfüllen, Rollendistanz erfordert ein hohes Maß an Empathie (Einfühlungsvermögen).

[7] geschlechtshierarchisch, im Sinne einer unterschiedlichen Wertung der Geschlechter

[8] Geschlechterrollenstereotype sind die in der Gesellschaft vorherrschenden kollektiven Anschauungen über die Rolle der Geschlechter, Charakteristika, die als typisch für Frauen und Männer gelten.

[9] Patriarchalisch von Patriarchat: im weiteren Sinne die allgemeine Vorrangstellung des Mannes in der Gesellschaft, patriarchalische Abwertung: Abwertung der Frauen durch eine männerdominierte Gesellschaft

[10] internalisieren im Sinne von „Auswendiglernen“ (verinnerlichen) der Rollen im Laufe der Erziehung

[11]Emanzipation (lateinisch: Befreiung), Befreiung aus einer sozialen Abhängigkeit. Rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung (der Frau mit dem Mann).(Schüler Duden 1992)

[12] Androgynie = die Gleichheit der Geschlechter

[13] instrumentellen Aspekte: hier bezogen auf materielle bzw. finanzielle Entscheidungskraft des Vaters

[14] Der Begriff des „ ganzen Hauses “ wurde von Wilhelm Heinrich Riehl geprägt, dem Wegbereiter der Familiensoziologie in Deutschland.

[15] Siehe 4.

[16] Patriarchalisch, von Patriarchat: aus griechisch pater: Vater, und griechisch archein: herrschen; wörtlich übersetzt: Vaterherrschaft

[17] „Die jüdische Kaufmannstochter Fanny Lewald gehört zu den bedeutenden literarisch wirkenden und politisch denkenden Frauen in Deutschland um die Mitte des 19. Jh. In ihren Schriften setzte sie sich unter anderem für die soziale und rechtliche Gleichstellung der Frauen ein“ (Brinkler-Gabler 1979).

[18] Wohlfahrtsstaat: „Ist heue Ausdruck für einen interventionistischen Staat, der in marktwirtschaftlich organisierten Industriegesellschaften umfassende Lebensvorsorge für seine Bürger betreibt und damit zugleich auch auf die Stabilität des demokratischen Systems abzielt“ (vgl. Fachlexikon der sozialen Arbeit 1997, S.1037)

[19] Gewerkschaft = Arbeitnehmerorganisation

[20]Arbeiterbewegung, Zusammenschluss werktätiger, lohnabhängiger Arbeiter in Industrie und Handwerk, die seit dem 19. Jahrhundert gemeinsam eine Veränderung der wirtschaftlichen, politischen und sozialen Verhältnisse herbeiführen wollten“ (Microsoft Encarta 2004)

[21] Konkurrenzdemokratie, bezogen auf das Parteisystem (Fachbegriff für das die Gesamtheit der politischen Parteien eines politischen Systems umfassende Beziehungsgeflecht) Hinsichtlich der Zahl der politischen Parteien unterscheidet man zwischen Ein-, Zwei-, Mehr- und Vielparteiensystemen. Je nach den zwischenparteilichen Beziehungen können demokratische Staaten weiterhin als Konkordanz- oder als Konkurrenzdemokratien klassifiziert werden (Microsoft Encarta 2004).

[22] Pluralisierung – eine immer größer werdende Vielfalt

[23] emanzipatorisch - in Bezug auf Emanzipation (siehe 8. Fußnote)

[24] Vergesellschaftung oder Sozialisation, auch Sozialisierung, „Bezeichnung für den Prozess der Eingliederung eines Menschen in eine soziale Gruppe bzw. in die Gesellschaft. In diesem Sozialisationsprozess werden die Verhaltensweisen erlernt, die das Individuum zur Erfüllung sozialer Rollen und zum Erwerb seiner kulturellen Identität benötigt“ (Microsoft Encarta 2004).

[25] Die Gesellschaft der Gegenwart beschreibt Beck (1986) als Risikogesellschaft in der es zwangsläufig zu einer Neubestimmung des Politischen kommt, wie der Autor in seinem Buch Politik in der Risikogesellschaft (1991) weiter ausführt.

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Familieninteressen oder Selbstverwirklichung? Die veränderte Rolle der Frau in der individualisierten Gesellschaft
Hochschule
Freie Universität Berlin
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
102
Katalognummer
V35548
ISBN (eBook)
9783638354332
ISBN (Buch)
9783668220560
Dateigröße
2666 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rolle, Frau, Spannungsfeld, Familieninteressen, Selbstverwirklichung, Gesellschaft
Arbeit zitieren
Sandra Laubinger (Autor:in), 2004, Familieninteressen oder Selbstverwirklichung? Die veränderte Rolle der Frau in der individualisierten Gesellschaft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/35548

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