Problem- und Zieldefinition in der Organisationsberatung


Diplomarbeit, 2003

105 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Die Bedeutung der Organisationsberatung
1.2 Forschungsleitende Fragestellung
1.3 Aufbau der Arbeit
1.4 Methodisches Vorgehen
1.4.1 Das Beratungsunternehmen in der Untersuchung: BIBEG
1.4.2 Die Beratungskunden in der Untersuchung

2 Formen der Organisationsberatung
2.1 Fachberatung / Expertenberatung
2.2 Organisationsentwicklung
2.3 Prozessberatung
2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die Arbeit

3 Organisationsberatung aus systemtheoretischer und mikropolitischer Perspektive
3.1 Soziologie der Beratung: Wissenschaftliche Reflexion von Beratung
3.1.1 Die neuere soziologischen Systemtheorie: Organisierte Kommunikation
3.1.2 Der mikropolitische Ansatze: Das organisationale Spiel
3.2 Soziologie in der Beratung: die praktische Anwendung soziologischen Wissens
3.2.1 Systemische Beratung
3.2.2 Mikropolitik in der Beratung

4 Beratung als Kommunikation
4.1 Der systemtheoretische Kommunikationsbegriff
4.2 Die Unwahrscheinlichkeit der Kommunikation
4.3 Kommunikationsmedien

5 Klienten und Berater: Erwartungen und Strategien
5.1 Die Klientenorganisation: Von der Problemwahrnehmung zum 40 Beratungsbedarf
5.1.1 Latente Funktionen von Beratung
A Beratung als Legitimation
B Beratung als Motivation
C Beratung zur Munitionierung für Mikropolitik
D Beratung als Entlastung von Verantwortung
E Beratung als Zeitgewinn
5.2 Das Beratungsunternehmen: „Unser Vorgehen ist den meisten Leuten fremd“

6 Die erste Phase der Beratung: Vom Erstkontakt zum Vertragsabschluss
6.1 Der Beratungsmarkt: Wie treffen sich Angebot und Nachfrage?
6.2 Die Elemente der ersten Phase der Beratung
6.2.1 Die Anbahnungsphase: Bedarfsklärung
6.2.2 Die Problemanalyse: Fragen, fragen, fragen
6.3 Formen des Verhältnisses zwischen Berater und Klient
6.3.1 Der Berater als Feuerwehrmann
6.3.2 Der Berater als Arzt
6.3.3 Der Berater als Promotor
6.3.4 Der Prozessberater
6.3.5 Der Berater als neutraler Dritter
6.4 Paradoxe Anforderungen an das Berater-Klienten-Verhältnis
6.5 Zwischenresümee

7 Kommunikationsbarrieren in der Anfangsphase der Beratung
7.1 Die unterschiedlichen Systemlogiken: Barriere oder Bedingung von Beratung?
7.2 Managementmoden: Schlagwörter und Leitbilder
7.2.1 Exkurs: Neo-Institutionalismus
7.2.2 Auswirkungen auf die Beratung
7.3 Wissenschaftliche Theorien: Profilierung oder Abschreckung?

8 Vertrauen
8.1 Die Bedeutung von Vertrauen in der Beratung
8.2 Die Entstehung von Vertrauen zwischen Berater und Klient
8.3 Grenzen des Vertrauens

9 Schlussbetrachtung

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

1.1 Die Bedeutung der Organisationsberatung

Organisationsberatung ist aus der heutigen Zeit nicht mehr wegzudenken. Im Gegenteil, sie ist zu einem festen Bestandteil in der modernen Gesellschaft geworden und verzeichnet auch in Zeiten wirtschaftlicher Probleme Zuwachsraten.[1] Einige Beobachter gehen gar soweit, von einer Beratungsgesellschaft[2] zu sprechen. Unabhängig davon, was man von solchen Etikettierungen halten mag, sie sind ein Indiz für den Stellenwert dieser Branche. Wenn man die angebotenen Dienstleistungen auf dem Beratermarkt betrachtet, fällt die enorme Breite und die starke Ausdifferenzierung in spezialisierte Angebote auf.[3] Für fast jeden nur vorstellbaren Bereich organisationaler Gestaltung und den damit verbundenen Problemstellungen haben sich Beratungsleistungen herausgebildet, die wiederum mit den unterschiedlichsten Methoden arbeiten. Es ist allerdings fraglich, ob wirklich immer zuerst das Problem da war und dann Beratung entstand, oder ob der Prozess manchmal auch andersherum verläuft.

In der Diskussion um die Gründe für den Bedeutungszuwachs der Beratung gibt es eine Vielzahl von Argumenten und Thesen, von denen sich viele unter den folgenden drei Punkten subsumieren lassen:

- Die dynamische Umwelt von Organisationen

Die sich immer schneller wandelnden Bedingungen in der Umwelt der Organisation machen es immer schwieriger, die „richtigen“ Entscheidungen zu treffen. Gleichzeitig wird es immer wichtiger, diese Entscheidungen rechtzeitig zu treffen, um nicht von den veränderten Bedingungen eingeholt zu werden. Berater[4] sollen helfen, die relevanten Entwicklungen zu antizipieren und angemessene Strategien zu erarbeiten.[5]

- Die Komplexität der Organisation

Durch Arbeitsteilung und Spezialisierung und die damit verbundene Ausdifferenzierung der Organisation wird diese immer undurchsichtiger. Somit wird es auch zunehmend schwerer, Arbeitsabläufe zu koordinieren und die Einheit der Organisation aufrecht zu erhalten. Eine gezielte Beeinflussung durch das Management wird immer komplizierter. Von Beratern wird erhofft, dass sie nicht zuletzt mit ihrer Erfahrung aus ähnlichen Fällen Klarheit schaffen und so Probleme angehen können.[6]

- Die „Professionalisierung des Symbolmanagements“ (Deutschmann, 1993: 61).

Sprache, Selbstbild und Selbstdarstellung werden heute nicht mehr dem Zufall bzw. der natürlichen Entstehung überlassen, sondern sind das Ziel von Managementmaßnahmen. Das geht soweit, dass der Begriff Unternehmenskultur zu einem Teil der Unternehmensstrategie geworden ist (Kulturmanagement) und als instrumentelle Größe zur Steigerung des Umsatzes eingesetzt wird.[7]

Ebenfalls bemerkenswert ist die Veränderung in der Wahrnehmung und Bewertung von Beratungsorganisationen und deren Mitarbeiter. Diese sind aufgestiegen zu anerkannten und geschätzten Fachleuten in vielen Bereichen, deren Ratschläge und Expertisen Eingang finden in (politische und gesellschaftliche) Diskussionen und Entscheidungsprozesse.[8] Dieser Bedeutungszuwachs von Beratern lässt sich auch in der Wissenschaft beobachten, gelingt es doch vielen von ihnen, ihre praktischen Erfahrungen im Zuge eines gesteigerten Interesses am Phänomen Beratung wissenschaftlich oder zumindest publizistisch zu verwerten, was sich wiederum positiv auf die eigene Positionierung am Beratungsmarkt auswirken kann.[9]

Während die Abnehmer von Beratung anfangs vor allem in der Privatwirtschaft angesiedelt waren, hat sich der Kundenkreis massiv ausgeweitet und es ist nichts besonderes mehr, wenn sich z.B. auch öffentliche Verwaltungen, Kirchen und Universitäten beraten lassen.[10] Dies wird sogar als ein Zeichen von Modernität und Wettbewerbsfähigkeit gesehen und wirkt sich daher gemeinhin positiv auf die Außendarstellung dieser Organisation aus.[11] Die Inanspruchnahme von Beratung ist mittlerweile eine derartige Selbstverständlichkeit geworden, dass eine Umkehrung der Begründungslast in dieser Frage zu beobachten ist.[12] Während sich früher noch nach innen und vor allem außen rechtfertigen musste, wer eine Beratungsfirma ins Haus holen wollte, ist dies heute ein Ausweis von Modernität. Andersherum kann es passieren, dass man sich als Entscheidungsträger, der auf Organisationsberatung verzichtet, schnell skeptischen Fragen ausgesetzt sieht.

1.2 Forschungsleitende Fragestellung

Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, einen Beitrag zur soziologischen Beratungsforschung zu leisten, die seit Mitte der 1990er Jahre zunehmende Beachtung findet und der Frage nachgeht, welchen Beitrag die Soziologie sowohl in der Beratung als auch bei der Analyse von Beratungsprozessen leisten kann.[13] Obwohl das Interesse für Organisationsberatung in der Soziologie also zunimmt, sind empirische Begleitforschungen von kompletten Beratungsprozessen noch relativ selten. So gibt es bis jetzt erst zwei ausführliche Monographien, die diesen Anspruch geltend machen können, es sind dies die Untersuchungen von Mingers (1996) und Iding (2000). Erstere untersucht aus systemtheoretischer, letzterer aus mikropolitischer Perspektive einen Beratungsfall (Iding zwei Fälle), und beide liefern interessante Erkenntnisse für eine Theorie der Beratung, verdeutlichen aber auch die methodischen Schwierigkeiten einer empirischen Beratungsforschung.[14] Es kann im Folgenden nicht darum gehen, eine Begleitforschung anzustreben, dazu ist der Rahmen einer Diplomarbeit zu eng. Stattdessen soll im Zuge einer explorativen Untersuchung die Aufmerksamkeit auf einige wichtige Elemente der Beratung gelenkt und Anregungen für zukünftige Forschungsprojekte geliefert werden – dies auch im Hinblick auf die Erarbeitung einer Theorie der Beratung.

Eine instruktive soziologische Sicht beobachtet Beratung vor allem als ein Kommunikationsphänomen.[15] Diese Perspektive soll in dieser Untersuchung eingenommen werden. In der Arbeit werden die Bedingungen und Restriktionen der Kommunikation zwischen Beratern und Klienten im Beratungsprozess untersucht. Untersuchungsgegenstand ist der Bereich der Organisationsberatung[16]. Im Gegensatz zur Unternehmensberatung zählen dabei nicht nur Wirtschaftsunternehmen zu den Klienten, sondern potentiell Organisationen aller Art. Dieser erweiterte Beobachtungsfokus korrespondiert mit der zunehmenden Bedeutung von Beratung auch außerhalb des ursprünglichen Anwendungsbereichs privatwirtschaftlicher Unternehmen (siehe auch Fußnote 10).

Eine erste Eingrenzung soll dahingehend vorgenommen werden, dass nicht die klassische, vor allem aus der Betriebswirtschaftslehre stammende Fach- bzw. Expertenberatung im Blickpunkt steht. Stattdessen geht es in erster Linie um Beratungsformen, die unter dem Begriff Prozessberatung zusammengefasst werden können. Diese Art der Beratung ist für die vorliegende Fragestellung deshalb interessant, weil dort das Verhältnis zwischen Klient und Berater oft als ein relativ egalitäres charakterisiert wird.[17] Im Gegensatz zur Fachberatung tritt der Berater nicht als (inhaltlicher) Experte auf, der von einer höheren Warte den Klienten mit dem richtigen Wissen versorgt, sondern gilt eher als Partner, der im gemeinsamen Dialog hilft, Lösungen zu erarbeiten. Außerdem erfolgt eine Beschränkung auf externe Beratung, d.h. Beratungsprozesse, die von organisations internen Stellen durchgeführt werden (In-house Consulting), sind nicht Gegenstand der Betrachtungen. Dieser Bereich der internen Beratung ist zwar empirisch auch von großer Relevanz, die Bedingungen und Merkmale dieser Beratungsformen sind aber zu unterschiedlich, als dass sie gemeinsam untersucht werden könnten.[18]

Innerhalb des Beratungsprozesses liegt das Hauptaugenmerk der vorliegenden Arbeit auf der ersten Phase, auch bezeichnet als Anfangsphase, bestehend aus der Situation des Erstkontaktes, den sich daran anschließenden Verhandlungen und der Problemdiagnose.[19] Diese Phase, in der die grundlegenden Bedingungen des Prozesses definiert werden, ist ganz entscheidend für den weiteren Verlauf und damit den Erfolg der Beratung.[20] Worin das große Gewicht dieser Phase für den gesamten Prozess im Einzelnen begründet liegt, wird im weiteren Verlauf noch zu klären sein.

Ausgangspunkt der Überlegungen ist die These, dass die Kommunikation zwischen Beratern und Klienten (wie alle Kommunikation) durch eine Reihe von Hindernissen erschwert und verzerrt wird, die es grundsätzlich unmöglich machen, dass sich die Interaktionspartner wirklich verstehen.[21] Sie können nur kommunizieren. Diese Hindernisse bezeichne ich in Anlehnung an Kieser (2002: 21) als „Kommunikationsbarrieren“. Obwohl Barrieren bei jedem Beratungsprozess wirksam sind, so die These, werden sie bisher nur unzureichend thematisiert. Das Scheitern von Beratungsfällen wird (sofern überhaupt versucht wird, die Ergebnisse ernsthaft zu evaluieren, was angesichts der damit verbundenen Schwierigkeiten nur selten der Fall ist[22]) eher als ein Umsetzungsproblem denn als Kommunikationsproblem beschrieben. Eine Aufgabe der soziologischen Betrachtung von Beratung ist es, den Fokus auf solche Kommunikationsprobleme zu richten, was bisher jedoch nur unzureichend geschieht. Mögliche Ansatzpunkte dazu sollen in dieser Arbeit diskutiert werden.

Kommunikationsbarrieren, so die Vermutung, werden einerseits von den beteiligten Akteuren aus verschiedenen Gründen gefördert, entstehen aber teilweise auch durch die Strukturen der Organisationen (auf beiden Seiten der Beratung), Erwartungsunsicherheiten bei den Akteuren und den vorhandenen Paradoxien und Latenzen.[23] Ein weiterer Faktor sind Leitbilder in der Form von „Moden und Mythen des Organisierens“ (Kieser 1996), an denen sich die Beteiligten orientieren. Und dennoch besteht die Annahme, dass die zu beschreibenden Kommunikationsbarrieren wichtige Funktionen im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Beratern und Klienten haben und dass sie erfolgreiche Beratungsprozesse oft erst möglich machen.

Dieser Arbeit liegt die These zugrunde, dass der Erfolg eines Beratungsprozesses entscheidend von einer hinreichenden Verständigung zwischen Berater und Klient über das zu bearbeitende Problem abhängt.[24] Mit Erfolg ist in diesem Zusammenhang gemeint, dass die zu Beginn der Beratung bestehenden Erwartungen auf Seiten der Klienten und der Berater nach deren Abschluss erfüllt sind, zumindest jene, welche explizit an die Beratung gerichtet wurden. Als beratungsauslösendes Problem kann zunächst jede Situation oder Anforderung verstanden werden, zu deren selbstständiger Bewältigung sich die Klientenorganisation nicht in der Lage sieht, sei es aus Kapazitätsgründen, Mangel an Know-how oder sonstigen Gründen. Doch wie einigen sich Klient und Berater auf ein Problem, welches sie bearbeiten wollen? Wie und von wem werden Ziele formuliert?

Nur wenn auf beiden Seiten ähnliche Vorstellungen davon erarbeitet wurden, was geändert werden soll, kann sich eine erfolgreiche Problembearbeitung entwickeln. Die Problemdiagnose und anschließende Zieldefinition (oder anders herum) werden als die entscheidenden Schritte im Beratungsverlauf betrachtet. Welche Schwierigkeiten sie begleiten, soll hier untersucht werden. Eine weitere wichtige Voraussetzung für die erfolgreiche Zusammenarbeit in der Anfangsphase – so hat die Untersuchung gezeigt – besteht in der Bildung einer Vertrauensbeziehung zwischen Klient und Berater, so dass dieser Frage eine besondere Beachtung eingeräumt wurde.

Anstatt von Kommunikationsbarrieren kann man auch von der Selektivität in der Kommunikation zwischen Beratern und Klienten sprechen. Bei diesem Zuschnitt liegt der Fokus noch mehr auf der aktiven Steuerung der Kommunikation durch die beteiligten Akteure: Wie werden Probleme konstruiert und kommuniziert? In diesem Zusammenhang stellt sich auch die Frage, welche Formen der Selbstdarstellung in Beratungsverhältnissen zu beobachten sind und wie damit auf der jeweiligen Gegenseite umgegangen wird.

1.3 Aufbau der Arbeit

Wie bereits erwähnt, stehen Formen der sogenannten Prozessberatung im Mittelpunkt der vorliegenden Untersuchungen. Um die spezifischen Charakteristika dieser Beratungsart und die Unterschiede zur klassischen Beratung zu verdeutlichen, wird zu Beginn (Kap. 2) die Entwicklung der Organisationsberatung skizzenhaft nachgezeichnet. Dieser allgemeine Überblick über die wichtigsten Formen der Organisationsberatung geht kurz auf die jeweiligen wissenschaftlichen Hintergründe, die Methoden und die Vor- und Nachteile ein. Im Sinne der allgemeinen Fragestellung wird dabei herausgearbeitet, worin sich die Beratungsformen in Bezug auf die Berater-Klienten-Kommunikation (speziell in der Anfangsphase) unterscheiden und worin das Spezifische der Prozessberatung liegt.

Danach (Kap. 3) werden die dieser Arbeit zugrunde liegenden theoretischen Ansätze und ihr Bezug zum Phänomen Beratung vorgestellt. Als zentrale Ansätze werden dabei die neuere soziologische Systemtheorie von Niklas Luhmann und der mikropolitische Ansatz nach Crozier/Friedberg Verwendung finden. Die mikropolitische Analyse wird dort herangezogen werden, wo sich die systemtheoretische Perspektive als zu universell erweist und ein machttheoretischer Zugang sinnvoll erscheint.[25]

In Anlehnung an die Unterscheidung von Iding (2000: 10) gliedert sich dieses Kapitel in die Abschnitte Theorie der Beratung und Theorie in der Beratung. Es soll also erstens untersucht werden, welchen Beitrag soziologische Theorie bei der Erforschung von Beratungsprozessen leisten kann, und zweitens, inwiefern soziologisches Wissen in der Beratung zum Einsatz kommt. Dieses Vorgehen wird gewählt, da nicht nur die wissenschaftliche Reflexion von Beratung (die Beratungsforschung) wichtige Erkenntnisse für die Arbeit liefert, sondern auch die dargestellten Versuche, soziologische Inhalte in konkrete Beratungsarbeit einfließen zu lassen.

Da Beratung in dieser Arbeit in erster Linie als ein Kommunikationsprozess verstanden wird, erfolgt im nächsten Kapitel (4) eine Darstellung des verwendeten Kommunikationsbegriffs, der sich im wesentlichen auf die Arbeiten von Niklas Luhmann stützt. Damit einher geht die Behandlung der Frage, was unter erfolgreicher Kommunikation verstanden werden kann und welche Hindernisse dabei aus theoretischer Sicht zu beobachten sind.

Daran anschließend (Kap. 5) erfolgt eine detaillierte Analyse der Berater- und der Klientenseite (Angebot- und Nachfrageseite der Beratung) unter Zuhilfenahme der theoretischen Ansätze und der Ergebnisse einer empirischen Untersuchung, welche im Juli und August diesen Jahres bei einer Bielefelder Organisationsberatung und einiger ihrer Klienten durchgeführt wurde (siehe dazu Kap. 1.4). Auf diese Weise können unterschiedliche Erwartungen an die Beratung analysiert und daraus resultierende (problematische) Kommunikationsmuster aufgezeigt werden.

Im darauf folgenden Kapitel (6) wird die erste Phase der Beratung untersucht und gezeigt, welche Bedeutung ihr hinsichtlich des Berater-Klienten-Verhältnisses und damit des weiteren Verlaufs der Beratung zukommt. In dieser Anfangsphase müssen Berater und Klient eine gemeinsame Problem- und Zieldefinition für die Beratung finden, und dieser Prozess und die damit verbundenen Hindernisse soll in der Arbeit untersucht werden.

Schließlich (Kap. 7) werden zusätzlich zu den in den Kapiteln 5 und 6 aufgezeigten Verständigungsproblemen weitere mögliche Kommunikationsbarrieren auf der Grundlage der bisherigen Ergebnisse erarbeitet sowie ihre möglichen Auswirkungen auf die Anfangsphase und den weiteren Verlauf der Beratung formuliert.

Im Laufe der Untersuchung ist deutlich geworden, dass Vertrauen ein entscheidender Faktor bei der Festigung des Verhältnisses zwischen Berater und Klient in der Anfangsphase ist und ein Mechanismus sein kann, um Kommunikationsbarrieren zu entschärfen. Daher wird in einem letzten Kapitel (8) die Funktion von Vertrauen und seine Auswirkungen auf die Beratung analysiert.

1.4 Methodisches Vorgehen

Die theoretisch und anhand der ausgewerteten Beratungsliteratur angestellten Überlegungen werden mit eigenem empirischem Material aus der Beratungspraxis verglichen und darauf aufbauend weitergeführt. Dazu wurden in einem regionalen Beratungsunternehmen, im Folgenden BIBEG[26] genannt, fünf leitfadengestützte Interviews mit Beratern aus unterschiedlichen Arbeitsschwerpunkten geführt. Diese werden ergänzt durch fünf Interviews mit Entscheidungsträgern aus Unternehmen, die Beratungsleistungen in Anspruch genommen haben, so dass die Fragestellung auch aus Sicht der Klientenseite beleuchtet wird. Ziel dieser explorativen Untersuchung ist es, die vorliegende Problemstellung soziologisch zu beleuchten und für die weitere Beratungsforschung interessante Ansatzpunkte und Hypothesen zu entwickeln.

Für die Realisierung einer solchen explorativen Untersuchung bietet sich die qualitative Sozialforschung an. Es sei hier besonders verwiesen auf den Vorteil der thematischen Offenheit dieser Erhebungsmethode während des Forschungsprozesses, die es erlaubt, flexibel auf neue Anregungen einzugehen[27]. Die Absicht solch eines Vorgehens besteht darin, das untersuchte Geschehen aus der Sicht der handelnden Akteure zu rekonstruieren und damit die sozialen Abläufe ein Stück weit sichtbar zu machen.

Die Befragungen wurden in der Form von leitfadengestützten Interviews durchgeführt, welche zwischen 50 und 70 Minuten dauerten. Als Interviewtechnik wurde eine Kombination aus Elementen des narrativen und des problemzentrierten Interviews herangezogen[28]. So sollten die Interviewpartner im Sinne des narrativen Interviews zu Erzählungen über ihre Erfahrungen in Beratungsprozessen angeregt werden, und zwar anhand der Schilderung von erlebten Beratungsfällen. Wie es im problemzentrierten Interview vorgesehen ist, kam aber im zweiten Teil ein Leitfaden zum Einsatz, um so eine gewisse Strukturierung durch den Interviewer und eine Vergleichbarkeit der Interviews zu gewährleisten. Die Interviews wurden auf Tonband aufgezeichnet und anschließend transkribiert. Außerdem wurde nach jedem Interview ein kurzes Postskriptum angefertigt, in dem die geschilderten Fälle, die angesprochenen Themen und die zentralen Aussagen der Interviewpartner festgehalten wurden.

Das so entstandene Datenmaterial wurde dann inhaltsanalytisch ausgewertet und die Ergebnisse in der Arbeit aufbereitet und anhand von Zitaten veranschaulicht. Für die Quellenangaben wurden die Beraterinterviews von B1 bis B5, die Kundeninterviews von K1 bis K5 durchnummeriert.

1.4.1 Das Beratungsunternehmen in der Untersuchung: BIBEG

Das Bielefelder Beratungsunternehmen BIBEG besteht in dieser Form seit 1998. Es beschäftigt zur Zeit 15 festangestellte Berater, die in drei verschiedenen Bereichen tätig sind: Ablaufoptimierung, Kooperationsmanagement und Krisenbewältigung. Die Zielgruppe der BIBEG besteht in erster Linie aus kleinen und mittelständischen Unternehmen aus der Region Ostwestfalen-Lippe. In den ersten Jahren des Bestehens stellte der Rückgriff auf Fördermittel des Landes Nordrhein-Westfalen, des Bundes und der Europäischen Union eine gute Möglichkeit dar, auch kleine Unternehmen für Beratungsprojekte zu gewinnen. So gelang es BIBEG, einen kleinen Kreis von „Stammkunden“ oder zumindest Geschäftspartnern aufzubauen. Aufgrund der leeren Fördertöpfe fallen diese finanziellen Anreize in letzter Zeit vermehrt weg, so dass sich die Projektakquise zunehmend schwieriger gestaltet.

1.4.2 Die Beratungskunden in der Untersuchung

Der Kontakt zu den im Rahmen der Feldforschung befragten Beratungskunden entstand mit der Hilfe von BIBEG. Aufgrund des sensiblen Umgangs mit dem Thema Beratung auf Seiten der Kunden (wie auch der Berater selbst), musste dabei eine gewisse Verzerrung durch die Vorauswahl der BIBEG zugunsten des Feldzugangs in Kauf genommen werden. Es konnte dafür davon ausgegangen werden, dass die ausgewählten Kunden eine gewisse Offenheit für das Thema mitbringen würden und durch den Verweis auf BIBEG zu einem Interview (oft trotz der permanenten zeitlichen Belastung) bereit sein würden, was dann auch jeweils der Fall war. Als Interviewpartner standen in allen fünf Fällen die Geschäftsführer (in einem Fall eine Geschäftsführerin) zur Verfügung.

Bei vier der fünf befragten Kunden handelte es sich um kleine bzw. mittelständische Handwerks- und Industrie-Unternehmen aus Ostwestfalen-Lippe. Die Mitarbeiterzahlen bewegen sich zwischen 22 und 150. Das fünfte Unternehmen ist ein klassischer Industriebetrieb und Teil einer Unternehmensgruppe, die zu einem internationalen Konzern gehört. Befragt wurde hier der Geschäftsführer des Standortes in Ostwestfalen-Lippe, an dem ca. 320 Mitarbeiter beschäftigt sind.

2 Formen der Organisationsberatung

In diesem Kapitel wird ein Überblick über die wichtigsten Formen der Organisationsberatung gegeben. Bei den verschiedenen Ansätze werden die für die leitende Fragestellung zentralen Aspekte herausgearbeitet. Der Fokus liegt auf den Unterschieden im Verhältnis von Berater und Klient und den Funktionen der Kommunikation in der Anfangsphase der Beratung. Wenn dabei auch die Formen beschrieben werden, die nicht Gegenstand der vorliegenden Arbeit sind, so liegt das zum einen an der dadurch gegebenen Möglichkeit einer besseren Abgrenzung des Untersuchungsfeldes und zum anderen an der Tatsache, dass in der Empirie immer Mischformen dieser analytischen Idealtypen anzutreffen sind (s.u.). Hinzu kommt, dass sich die verschiedenen Formen in ihrer Entwicklung aufeinander beziehen, worauf in den einzelnen Abschnitten verwiesen wird.

Soweit möglich und sinnvoll, beginnen die einzelnen Absätze mit einer knappen Darstellung des wissenschaftlichen Hintergrundes und der Entstehungsgeschichte[29], um dann das Beratungsmodell und die Auswirkungen in der Beratungspraxis darzustellen. Ebenfalls thematisiert werden die jeweiligen Probleme der Ansätze. Auf inhaltliche Überschneidungen mit dem nächsten Kapitel (Soziologie und Beratung) wird an den entsprechenden Stellen hingewiesen. Es ist anzumerken, dass die hier vorgenommene Kategorisierung sicher nicht immer vollkommen befriedigen kann und durchaus auch anders vorstellbar ist, jedoch aus Gründen der Übersichtlichkeit legitim erscheint. In der Praxis ist eine trennscharfe Unterscheidung der verschiedenen Beratungsformen oft nicht möglich, da es sich um theoretische Konstrukte handelt, deren einzelnen Elemente immer wieder neu kombiniert und modelliert werden.

2.1 Fachberatung / Expertenberatung

Entstehung

Was heute unter den Begriffen Fachberatung bzw. Expertenberatung[30] zusammengefasst wird, ist die klassische Form der Unternehmensberatung. Ihren Anfang nahm die Unternehmensberatung in den USA in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts. Das Feld des „Management-Consulting“ ist damals aufgekommen im Zuge der Entstehung der modernen Managementlehre. Ein Pionier auf diesem Gebiet war Frederick W. Taylor mit seinem 1911 erschienen Buch „Principles of Scientific Management“.[31] Darin beschreibt er, wie mit einem möglichst rationalen Einsatz von Menschen und Maschinen im Produktionsprozess die Effizienz von Unternehmen erhöht werden soll. Die Grundidee seines Vorgehens bestand darin, Planung und Ausführung der Arbeit voneinander zu trennen, um dadurch Spezialisierungsvorteile zu erlangen. Planung und Kontrolle der Arbeit, die bis dato zu großen Teilen von den (Vor-)Arbeitern erledigt wurden, fielen nun in den Aufgabenbereich des Managements. Dies führte dazu, dass sich durch die „Wissenschaftliche Betriebsführung“ der Aufgabenbereich des Managements enorm ausweitete und es folglich zu einer Ausdifferenzierung der Managementhierarchie kam.[32]

Beratungsverständnis

Das in diesem Ansatz zum Ausdruck kommende Verständnis eines Unternehmens als eine Art Maschine, die nach einem „one best way“ funktionieren soll, findet sich dementsprechend auch in der klassischen Unternehmensberatung wieder. Der Berater wird als Experte gesehen, der die Aufgabe hat, die Probleme im Unternehmen zu erkennen und anhand seines Wissens zu lösen. Aufgrund seines Fachwissens ist er in der Lage, nach eingehender Untersuchung eine Diagnose über die „Krankheit(en)“ des Klienten anzustellen. Ebenso hat der Berater die Fähigkeiten, eine Lösung der Probleme zu entwickeln und diese in das Unternehmen zu tragen. Diese Lösungen bestehen oft aus sogenannten „best practices“, also Praktiken, die sich in anderen Unternehmen (scheinbar) schon vielfach bewährt haben und denen man ein positives Ergebnis zuschreiben kann.

Vor- und Nachteile

Das Hauptproblem dieses Beratungsansatzes liegt in der Anschlussfähigkeit der extern entwickelten Lösungen im jeweiligen Unternehmen.[33] Der Begriff der „Schrankware“ (Kühl 2000: 11) für in Aktenschränken verstaubende Gutachten und Empfehlungen als Ergebnisse von Beratung, die nach Abschluss des Prozesses nicht mehr angerührt, geschweige denn umgesetzt werden, ist bezeichnend. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Unternehmen mit den Anweisungen der Berater oft überfordert oder von der Richtigkeit und Erfolgswahrscheinlichkeit der Maßnahmen nicht überzeugt sind, so dass eine Implementierung nicht gewagt wird. Kommt es hingegen tatsächlich zu einer Umsetzung der Empfehlungen, erfolgt diese oft halbherzig und ohne den nötigen Rückhalt bei allen Beteiligten. Mit anderen Worten: sie ist dann von Anfang an zum Scheitern verurteilt.

Aufgrund dieser Erfahrungen ist das Modell des Managers auf Zeit entstanden. Hierbei wird der Aufgabenbereich des Beraters erweitert, denn er wird auch mit der Umsetzung der von ihm ermittelten Ergebnisse betraut. Dieses Verfahren bringt insofern Probleme mit sich, als der Berater vorübergehend in die betriebliche Hierarchie eingegliedert werden muss, was sich aus machttheoretischer Perspektive oft als diffiziles Unterfangen erweist. Es ist damit zu rechnen, dass sich im Unternehmen Widerstände gegen den „Machthaber von außen“ formieren werden, die seine Arbeit behindern (siehe Kap. 3.1.2).

Des Weiteren läuft der Berater Gefahr, seinen externen Standpunkt zu verlieren, der aber als einer der Gründe für seine Engagierung betrachtet werden kann.[34] Gerade bei einer längerfristigen Mitarbeit in der Klientenorganisation läuft der Berater Gefahr, von der „Betriebsblindheit“ (Minssen 1998: 64) angesteckt zu werden und damit einen seiner großen professionellen Vorteile (den ‚Blick von außen‘) einzubüßen.

Nach dieser insgesamt kritischen Einschätzung möchte man annehmen, dass diese klassische Form der Unternehmensberatung im Laufe der Zeit an Bedeutung verloren hat. Entgegen der Vermutung haben sich die Geschäftsbereiche jedoch noch ausgeweitet. Immer neue und zahlreicher werdende Anforderungen an Organisationen haben den Bedarf an Expertise und Fachwissen erhöht, der Markt floriert. In vielen Bereichen, z.B. Juristisches, Finanzen, Informations- und Kommunikationstechnologie ist diese Art der Beratung zu beobachten. Hier ist Spezialwissen gefragt, welches Unternehmen nur unter großem Aufwand selbst aufbringen könnten. Es ist also in gewisser Weise plausibel, dass so vorgegangen wird. Erstaunlich ist hingegen, dass auch bei allgemeineren (organisatorischen) bzw. übergeordneten Problemstellungen auf externes Fachwissen vertraut und trotz aller Schwierigkeiten Beratung nach dem „klassischen“ Verfahren nachgefragt wird.

Ein Grund für den anhaltenden Erfolg wird in der unkomplizierten Erfüllung möglicher Alibi-Zwecke der Beratung für die Klientenorganisation durch das klassische Modell vermutet[35]: „Eine Fachexpertise erfüllt besonders schnell ihre Good-Will-Funktion für den Klienten und entlastet zugleich den Berater, der die praktischen Konsequenzen seiner Empfehlung nicht mehr mitverantworten muss, ein mehr oder weniger bewusstes Agreement, von dem beide Seiten (kurzfristig) profitieren“ (Thinnes 1998: 219). Eine weitere Erklärung für die Dominanz sieht Moldaschl im historischen Entstehungskontext dieses Ansatzes und verweist auf Massenproduktion und die Normalität von Hierarchien (Moldaschl 2001: 139 f.), womit der Glaube an die Steuerungsfähigkeit ‚von oben‘ verbunden ist.

2.2 Organisationsentwicklung

Entstehung

Die Beratungsform der Organisationsentwicklung (OE) geht zurück auf Weiterentwicklungen in der Managementlehre, die in Abkehr vom rein tayloristischen Verständnis von Organisation die menschlichen Faktoren in die Betrachtung des Produktionsprozesses (bzw. anderer organisationaler Abläufe) mit einbeziehen. Einen relativ extremen Gegenstandpunkt zum Scientific Management nahm die Human-Relations-Bewegung ein. Sie bezog sich u.a. auf die berühmten Hawthorne-Experimente von Dickson und Roethlisberger[36], mit denen scheinbar gezeigt werden konnte, dass mit dem Wohlbefinden der Arbeiter auch ihre Produktivität steigt. Das größte Verdienst des verhaltenswissenschaftlichen Ansatzes ist denn auch die Verdeutlichung der Bedeutung von zwischenmenschlichen Beziehungen für eine Organisation.

Damit einher ging jedoch auch der Fehler, die strukturellen Aspekte der Organisation zu vernachlässigen. Deshalb verlor dieser Ansatz an Bedeutung und wurde unter maßgeblicher Bezugnahme auf die humanistische Psychologie von Kurt Lewin zum Human-Ressourcen-Ansatz weiterentwickelt.[37] Dieser versuchte, das Spannungsverhältnis zwischen den Organisationsstrukturen und den menschlichen Entfaltungsmöglichkeiten theoretisch zu fassen und daraus praktische Konsequenzen zu ziehen. Gesucht wurde nach neuen Strukturmodellen, um die individuellen und organisationalen Ziele zu vereinen, z.B. in der Form von Gruppenarbeit und durch die Ausweitung von Mitbestimmungsrechten.

Der heute geläufige „humanorientierte Ansatz“ (Moldaschl 2001: 139) der OE entwickelte sich als ein Zweig der Human-Ressourcen-Schule, welcher sich mit dem gezielten Wandel von Organisationen befasste.

Beratungsverständnis

In der klassischen OE wird die Organisation als bestehend aus Personen gesehen; daraus ableitend versteht sich der Berater als Trainer dieser Personen. Ziel von OE-Maßnahmen ist es, unter Berücksichtigung von gruppendynamischen Prozessen menschliche Potentiale in der Organisation freizusetzen. Von der Deutschen Gesellschaft für Organisationsentwicklung (GOE) wird OE definiert als

„längerfristig angelegter Entwicklungs- und Veränderungsprozess von Organisationen und der in ihr tätigen Menschen. Der Prozess beruht auf dem Lernen aller Betroffenen durch direkte Mitwirkung und praktische Erfahrung. Sein Ziel besteht in der gleichzeitigen Verbesserung der Leistungsfähigkeit der Organisation (Effektivität) und der Qualität des Arbeitslebens (Humanität)“ (zit. nach: Gairing 1996: 12).

Kennzeichnend für den Berater ist bei diesem Ansatz nicht sein inhaltliches Wissen, vielmehr wird er charakterisiert als Experte für Veränderung. Seine Aufgabe ist es, Veränderungen in der Organisation anzuregen und zu begleiten. Es hat sich jedoch als problematisch erwiesen, die Richtung der Veränderung steuern zu wollen[38]. Von vielen Beratern und Theoretikern ist die Konzeption der linearen, direktiv gesteuerten Entwicklung von Organisationen aufgegeben bzw. weiterentwickelt worden, vor allem zu Ansätzen der Prozessberatung (siehe Kap. 2.3) und des organisationalen Lernens.

Organisationales Lernen wurde von Chris Argyris und Donald Schön (1978) in die wissenschaftliche Diskussion eingeführt und seither von einer Vielzahl von Autoren aufgenommen und weiterentwickelt. Probst/Büchel (1998: 17) geben folgende allgemeine Definition:

„Unter organisationalem Lernen ist der Prozess der Veränderung der organisationalen Wissensbasis, die Verbesserung der Problemlösungs- und Handlungskompetenz sowie die Veränderung des gemeinsamen Bezugrahmens von und für Mitglieder der Organisation zu verstehen“.

Im Gegensatz zum individuellen Lernen geht es beim organisationalen Lernen in erster Linie um das sogenannte organisationale Wissen, welches eine Art kollektives Wissen darstellt. Dieses Wissen ist zum Teil an die Mitglieder der Organisation gebunden, findet sich aber auch in den Strukturen, Regeln und in der Kultur der Organisation wieder. Eine notwendige Bedingung für organisationales Lernen ist es, dieses Wissen von den Personen in der Organisation zu lösen und von ihnen unabhängig zu machen, um auch nach Ausscheiden der jeweiligen Person darauf zugreifen zu können.

In der gegenwärtigen Beratungsdiskussion sind gelegentlich Ideen aus der OE unter dem Stichwort Change Management anzutreffen.[39] Der Berater wird dann gerne als ‚change agent‘ bezeichnet.

Vor- und Nachteile

In der Kritik der klassischen OE herrscht weitgehende Übereinstimmung über den zentralen Mangel eines zureichenden Organisationsverständnisses dieser Form der Beratung.[40] Durch die Fixierung auf die Personen in einer Organisation werden andere interne und externe Einflüsse auf das organisationale Geschehen vernachlässigt.

Einen weiteren Kritikpunkt beschreibt Baecker (2003: 134), wenn er den Vertretern der OE vorwirft, dass sie „normativ, gegen jedes bessere Wissen, darauf setzen, dass eine in Interaktionen unter Anwesenden ausgehandelte Problemsicht die Situation überdauern kann, in der sie ausgehandelt wurde“ (ebd.). Er sieht darin ein ungerechtfertigtes Verständnis von Gruppendynamik, da die Spezifik der Situation nicht gebührend berücksichtigt wird.

2.3 Prozessberatung

Entstehung

Prozessberatung versteht sich als eine Weiterentwicklung der OE und wurde um 1969 von Edgar E. Schein (1969, 1993) ausgearbeitet.[41] Der zentrale Unterschied zur OE besteht in einem gewandelten Organisationsverständnis, eine Organisation wird nicht mehr betrachtet als ein offenes, sondern als geschlossenes System. Damit einher geht ein neues Selbstverständnis des Beraters und seines Einflusses auf die Klientenorganisation, wie im Folgenden deutlich wird. Diese Entwicklung ist zurückzuführen auf eine Hinwendung zu systemtheoretischen Ideen, die dann in der Entwicklung der systemischen Beratung als spezielle Form der Prozessberatung mündete (siehe dazu Kap. 3.2.1).

Beratungsverständnis

Der Fokus der Aufmerksamkeit verschiebt sich von Personen (bei der OE) auf Kommunikationen und die Regeln und Leitdifferenzen, die in diesem Zusammenhang wirksam sind. Es wird nicht mehr in erster Linie versucht, durch das Trainieren von Personen die Organisation zu verändern, sondern vielmehr auf die Strukturen einzuwirken.[42]

Im Unterschied zur OE wird aber so weit wie möglich darauf verzichtet, von vornherein das Ziel der Beratung genau festzulegen. Statt dessen sollen die Probleme und die zur Verbesserung notwendigen Veränderungen während der Beratung erarbeitet werden. Die Idee der Hilfe zur Selbsthilfe[43], bereits in Ansätzen bei der OE erkennbar, wird hier in radikaler Form propagiert.

Der Diagnose der Organisation wird ein größerer Stellenwert beigemessen, sie wird gar bereits als Teil der Intervention verstanden. Denn um die Vorgänge in der Organisation zu erfassen, muss das Klientensystem, also die Mitglieder, in diesen Prozess mit einbezogen werden. Nur so kann ein adäquates Bild der Organisation entstehen und nur so können wirksame Lösungen gefunden werden. Die Vertreter der Prozessberatung „gehen davon aus, dass das relevante Wissen in der betreffenden Organisation vorhanden sei und es nur darum gehe, dieses zu aktualisieren, indem man organisationsinterne Kommunikationsprozesse stimuliert und moderiert“ (Moldaschl 2001: 133).

Die Rolle des Beraters beschränkt sich strikt auf die eines Moderators, der den Beratungsprozess leitet. Dabei ist es nicht seine primäre Aufgabe, die Richtung der Veränderung vorzugeben, sondern diese überhaupt zu ermöglichen. Der Prozessberater geht davon aus, dass jede kommunikative Handlung seinerseits bereits als eine Intervention in das Klientensystem verstanden werden muss und unkontrollierbare Auswirkungen haben kann. Daher wird häufig auf eine strikte Unterscheidung zwischen Analyse- oder Diagnosephase und Veränderungsphase verzichtet. Stattdessen ist der Berater bemüht, durch kontinuierliche Selbstreflexion seine Stellung im Beratungsprozess zu beobachten und sein Wirken zu kontrollieren.

Vor- und Nachteile

Problematisch bei prozeduralen Formen der Organisationsberatung, also auch bei OE-Maßnahmen, ist generell die Frage, wie die entstandenen Ergebnisse in der Organisation umgesetzt werden können. Im Normalfall ist davon auszugehen, dass nur mit einem ausgewählten Teil der Organisationsmitglieder gearbeitet werden kann, sei es aus Kosten- und Zeitgründen, sei es wegen der Größe der Organisation, die einen produktiven Prozess nicht ermöglichen würde. Man ist also gezwungen, das Problem – oder neutraler ausgedrückt: den Anlass der Beratung – so gut dies möglich ist, in der Organisation zu lokalisieren und z.B. an einer Abteilung festzumachen. Nicht selten wird auch einfach die Geschäftsleitung in ihrer Eigenschaft als Hauptentscheidungsträger und Strategieentwickler (sowie Auftraggeber!) als Akteur für den Beratungsprozess ausgewählt. Folglich müssen die Ergebnisse der Beratung in die Gesamtorganisation rückübertragen werden, was nicht immer einfach ist. Zwar ist die Anschlussfähigkeit in der Regel höher als bei der Fachberatung, doch ist eine reibungslose Transformation auch hier unwahrscheinlich.

2.4 Zusammenfassung und Schlussfolgerungen für die Arbeit

In der obigen Darstellung wurde versucht, die wesentlichen Unterschiede der verschiedenen Beratungsansätze zu verdeutlichen. Es hat sich gezeigt, dass eine einheitliche Kategorisierung nicht möglich ist, dennoch können die Ansätze anhand einer groben Einteilung unterschieden werden. So erscheint es sinnvoll, eine Unterscheidung zwischen eher inhaltsorientierten und eher prozessorientierten Ansätzen zu treffen. Starke Überschneidungen ergeben sich gleichzeitig zu der Unterscheidung zwischen direktiven und nicht-direktiven Ansätzen, so dass sie hier übereinander gelegt werden sollen. Demnach lässt sich eher inhaltsorientierte (direktive) Beratung, worunter die unter der Bezeichnung Fach- bzw. Expertenberatung zusammengefassten Ansätze gezählt werden, abgrenzen von eher prozessorientierter (nicht-direktiver) Beratung, also Organisationsentwicklung und Prozessberatung (vgl. auch Abb. 1).[44]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Unterscheidung Fachberatung – Prozessberatung.

Das Expertenmodell der Beratung beruht auf der Annahme eines Wissensgefälles zwischen Berater und Klient. Durch den wissenschaftlichen (vor allem: betriebswirtschaftlichen) Hintergrund und die gesammelten Erfahrungen aus vergleichbaren Problemfällen verfügt der Berater über Wissen, welches ein Praktiker nicht haben kann. Außerdem basiert dieses Modell auf der Annahme, dass es eine von außen feststellbare Wahrheit gibt, die der Berater erkennen und damit arbeiten kann. Folglich ist der Berater bei diesem Beratungsmodell der entscheidende Akteur und Dirigent, der Klient verhält sich, vor allem in der Anfangsphase, passiv. Seine Aufgabe ist es, die vom Berater vorgelegte Verbesserungsstrategie umzusetzen.

Bei der Prozessberatung hingegen steht die Kooperation von Berater und Klient im Vordergrund, angestrebt wird die gemeinschaftliche Erarbeitung einer organisationsspezifischen Lösung. Die Kommunikation zwischen Berater und Klient hat einen hohen Stellenwert, denn der Erfolg wird abhängig gemacht von der Erarbeitung eines gemeinsamen Verständnisses der Besonderheiten der Organisation und der einzelnen Schritte des Veränderungskonzeptes. Offen bleibt die Frage, ob ein Prozessberater sich alleine auf seine Beratungskompetenz (Beherrschung von Beratungsmethoden) berufen kann, oder ob auch er sich eine gewisse Feldkompetenz (Kenntnisse über die zu beratende Organisation und ihre Umwelt) zu eigen machen muss.[45] Wie im Laufe der Untersuchung noch deutlich werden wird, muss vermutet werden, dass auch der Prozessberater nicht auf die Erarbeitung inhaltlichen Wissens verzichten kann.

Es bleibt noch einmal zu betonen, dass diese Kategorisierung analytischer Natur ist und sich die Beratungsansätze in der Praxis überschneiden und nicht strikt etwa in direktives und nicht-direktives Vorgehen unterteilt werden können. Auch ein Fachberater muss auf seinen Auftraggeber eingehen und kann die Beratung nicht vollkommen nach seinen Vorstellungen gestalten, genauso wie ein Prozessberater sehr wohl manchmal hartnäckige Überzeugungsarbeit leisten muss. Und dennoch hilft diese Einteilung, um die grundsätzliche Herangehensweise der Ansätze zu verdeutlichen.

3 Organisationsberatung aus systemtheoretischer und mikropolitischer Perspektive

Nachdem im vorangegangenen Kapitel das allgemeine Untersuchungsfeld dieser Arbeit beleuchtet wurde, soll nun der theoretische Rahmen abgesteckt werden. Es werden also die beiden zur Bearbeitung der Fragestellung verwendeten Ansätze vorgestellt und deren Auswahl begründet.

Das Kapitel gliedert sich in zwei Teile, Soziologie der Beratung und Soziologie in der Beratung. Diese Unterscheidung ist angelehnt an Hermann Iding (Iding 2000: 10), der damit für eine scharfe Trennung von theoretischer Reflexion über Beratung und dem Einsatz von soziologischer Theorie in der Beratung plädiert. Unter der Überschrift ‚Soziologie der Beratung‘ wird ein kurzer Überblick über die beiden Theorien gegeben und erste Hinweise auf die Anknüpfungspunkte zur Fragestellung geliefert. Im Abschnitt ‚Soziologie in der Beratung‘ werden dann praktische Beratungsansätze vorgestellt, die explizit auf die behandelten soziologischen Theorien zurückgreifen. Diese Versuche und die in der soziologischen Diskussion angestellten Reflexionen darüber werden hier behandelt, da sie Erkenntnisse zur Bearbeitung der Fragestellung liefern. Es bleibt darauf hinzuweisen, dass diese Unterscheidung zwischen Theorie der Beratung und Theorie in der Beratung nicht immer konsequent aufrechtzuerhalten ist, da ein Einsatz von soziologischen Inhalten in der Beratung oft auch mit einer theoretischen Reflexion dieses Handelns verbunden ist, sei es durch den jeweiligen soziologischen Berater selbst, sei es durch dessen Fachkollegen. Besonders eklatant ist dies im Falle der systemischen Beratung (Kap. 3.2.1), wo Praxis und Theorie sich wechselseitig befruchten, mit dem Ergebnis, dass die Grenzen zwischen den beiden Bereichen verwischen. Damit ist gemeint, dass die wissenschaftliche Bearbeitung von Beratung an Bedürfnissen der Praxis ausgerichtet wird und dabei eventuell wissenschaftliche Kriterien an Bedeutung verlieren. In umgekehrter Richtung ist es denkbar, dass wissenschaftliche Erkenntnisse in der Praxis verkürzt wiedergegeben werden und so in gewisser Weise „missbraucht“ werden.[46] Es soll hier nicht der Eindruck entstehen, so ein Transfer zwischen Wissenschaft und Praxis sei nicht wünschenswert, es sei jedoch angemerkt, dass damit einige Probleme verbunden sein können, die beachtet werden müssen. Nur dann können die „wechselseitigen Lernprozesse“ (Minssen 1998: 58) ausgelöst werden, welche sowohl der Soziologie als auch der Beratungspraxis zugute kommen sollen.

3.1 Soziologie der Beratung: Wissenschaftliche Reflexion von Beratung

Eine Theorie der Beratung in der Soziologie steht noch am Anfang.[47] Gleichwohl werden einzelne Aspekte von Organisationsberatung aus der Blickrichtung verschiedener Ansätze untersucht und theoretische wie praktische Probleme bearbeitet (siehe Fußnote 13). Es fällt dabei auf, dass ein Großteil dieser Untersuchungen einen einseitigen Schwerpunkt auf die Beraterseite legt. Das hat zur Folge, dass der Einfluss der Berater auf den Beratungsprozess überschätzt bzw. die Rolle der Klientenorganisation vernachlässigt wird. So wird der Eindruck erweckt, der Verlauf der Beratung kann in Anlehnung an das direktive Modell der Expertenberatung allein durch das Beraterteam gesteuert werden. In dieser Arbeit soll jedoch deutlich werden, dass eine Theorie der Beratung als dynamisches Modell gebaut werden muss, welches das Zusammenspiel und die gegenseitige Beeinflussung von Berater und Klient immer im Blick behält.[48] Die eingehende Untersuchung der Kommunikationsstrukturen in der Beratungsbeziehung erscheint für ein solches Vorhaben unerlässlich.

Für die Betrachtungen im Rahmen dieser Arbeit wurde im Wesentlichen auf zwei theoretische Ansätze zurückgegriffen: die neuere soziologische Systemtheorie und der mikropolitische Ansatz. Diese werden im Folgenden im Hinblick auf die Fragestellung kurz vorgestellt. Dabei soll deutlich werden, dass sie den oben geforderten Ansprüchen nach einer angemessenen Miteinbeziehung sowohl der Berater- als auch der Klientenseite in die Erklärungen gerecht werden. Die konkrete Bearbeitung der Fragestellung anhand der Ansätze geschieht dann in den folgenden Kapiteln (5 bis 8) der Arbeit.

3.1.1 Die neuere soziologische Systemtheorie: Organisierte Kommunikation

Die moderne soziologische Systemtheorie ist ausgearbeitet worden von Niklas Luhmann[49], der den strukturfunktionalen Ansatz von Talcott Parsons weiterentwickelt und umgebaut hat, welcher wiederum die aus den Naturwissenschaften stammende Systemtheorie für die Sozialwissenschaft fruchtbar gemacht hatte. In der Organisationsforschung hat sie sich als sehr anschlussfähig erwiesen und ist zu einer der prominentesten Organisationstheorien ausgearbeitet worden.[50] Anstelle einer allgemeinen Einführung in die soziologische Systemtheorie genügt hier ein komprimierter Überblick über die für die Fragestellung besonders relevanten Elemente.

Soziale Systeme werden in der Luhmann’schen Systemtheorie konzipiert als autopoietische Systeme, d.h. „Systeme, die nicht nur ihre Strukturen, sondern auch die Elemente, aus denen sie bestehen, im Netzwerk eben dieser Elemente selbst erzeugen“ (Luhmann 1997: 65). Damit ist nicht gemeint, dass autopoietische Systeme unabhängig von ihrer Umwelt operieren, denn sie sind natürlich abhängig von Ressourcen und Informationen aus der Umwelt. Doch der Umweltkontakt wird allein durch das System bestimmt und hängt von dessen interner Struktur und Funktionsweise ab. Diese Funktionsweise wird auch als selbstrefer bezeichnet. Kennzeichnend für dieses Konzept ist das Prinzip der operativen Geschlossenheit (siehe nächster Absatz). Im Unterschied zu älteren System-Umwelt-Theorien, etwas der Kontingenztheorie[51], entwickelte sich ein neuer Systembegriff, der die Schließung gegenüber Umwelteinflüssen zum Zweck der Identitätsausbildung und Stabilisierung zentral stellt und die Autonomie der systemischen Operationen betont.

Organisation ist einer von drei Typen sozialer Systeme. Er steht gewissermaßen zwischen den anderen beiden Typen, Interaktion und Gesellschaft. Die moderne Gesellschaft ist ohne Organisationen nicht vorstellbar, ihnen kommt zentrale Bedeutung zu bei der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft in selbstreferentiell operierende Funktionssysteme. „Organisationen haben den gesellschaftsgeschichtlichen Prozess funktionaler Differenzierung als Kristallisationspunkte hochspezifischer Kommunikation mitgetragen: als Unternehmen für die Wirtschaft, als Parteien für die Politik, als Universitäten für die Wissenschaft [...]“ (Willke 1992: 23). Die Herausbildung dieser eigenständigen und eigensinnigen Spezialsprachen, welche die Anschlussfähigkeit bereichsspezifischer Kommunikationen erhöhte, führte dazu, dass die Autonomie selbstreferentieller Kommunikation zum Normalfall wurde. In der Folge entstanden Organisationen, deren Selektivität für Umwelteinflüsse sich auf eine einzige Leitdifferenz reduzierte, z.B. Gewinn/Verlust für Wirtschaftsunternehmen. Luhmanns Definition von Organisation stützt sich auf Mitgliedschaftsregeln: „Als organisiert können wir Sozialsysteme bezeichnen, die die Mitgliedschaft an bestimmte Bedingungen knüpfen, also Eintritt und Austritt von Bedingungen abhängig machen“ (Luhmann 1975: 12). Im Unterschied zu Interaktionssystemen entscheidet also nicht mehr Anwesenheit über die Zugehörigkeit zum System, sondern formale Regeln.[52]

Der Mensch als Person ist im systemtheoretischen Blick auf die Organisation als soziales System nicht Teil der Organisation, sondern der Umwelt. Das soziale System selber besteht letztendlich aus Kommunikationen, die natürlich auf psychische Systeme, also Menschen, angewiesen sind. Im Fall von Organisationen treten Kommunikationen in der Form von Entscheidungen auf, die sich an Strukturen bzw. Entscheidungsprämissen (siehe nächster Absatz) orientieren, welche als kondensierte Erwartungen betrachtet werden können. Entscheidungen knüpfen an vergangene Entscheidungen an und sind Grundlage zukünftiger Entscheidungen und tragen als solche zur Unsicherheitsabsorption bei.[53] Luhmann weist auf eine wichtige Besonderheit von Entscheidungen im Unterschied zu Kommunikationen und damit von Organisationen zu anderen Sozialsystemen hin: „Entscheidungen können nur kommuniziert werden, wenn auch die abgelehnten Möglichkeiten mitkommuniziert werden, denn anders würde nicht verständlich werden, dass es sich um eine Entscheidung handelt“ (Luhmann 2000: 64).

[...]


[1] Vgl. Bundesverband Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. (2003).

[2] Vgl. Fuchs/Mahler (2000: 349), oder bereits Fuchs/Pankoke (1994).

[3] Vgl. Ittermann (1998: 189 ff.).

[4] Aus Gründen der Lesefreundlichkeit wird nur die männliche Form verwandt, gemeint sind aber selbstverständlich beide Geschlechter. Manchmal wird vom Berater bzw. Klient im Singular gesprochen, dies dient ebenfalls der Lesefreundlichkeit, normalerweise ist das Beraterteam und die Klientenorganisation gemeint, sofern dies nicht anders aus dem Zusammenhang hervorgeht.

[5] Vgl. z.B. Mingers (1996: 13 ff.).

[6] Vgl. Mingers (1999: 13 ff.).

[7] Vgl. Deutschmann (1993: 61 ff.).

[8] So ist z.B. der Unternehmensberater Roland Berger Mitglieder der sogenannten „Rürup-Kommission“, welche Vorschläge zur Reform der Sozialversicherungen erarbeitet hat; Deutschmann (1993) spricht auch von Beratern als „gesellschaftlicher Reflexionselite“.

[9] Vgl. Faust (1998: 156 ff.); Kieser (2002: 56 ff.); Baecker (1993: 46).

[10] Vgl. Iding (2000: 9); Baecker (1993: 98 f.).

[11] Natürlich ist diese Entwicklung nicht frei von Kritik, so wird in diesem Zusammenhang oftmals die Befürchtung einer Verschiebung der Ziele weg von sozialen, ethischen oder pädagogischen Gesichtspunkten hin zu ökonomischen Prinzipien geäußert.

[12] Vgl. Fuchs/Mahler (2000: 359).

[13] Vgl. z.B. Degele et al. (2001); Howaldt/Kopp (1998); von Alemann/Vogel (1996).

[14] Vgl. Mingers (1996: 295 ff.) und Iding (2000: 12 ff., 205 ff.).

[15] Vgl. Fuchs (1994: 14).

[16] Zum Begriff Organisationsberatung in Abgrenzung zu Unternehmensberatung vgl. König/Volmer (1993: 49).

[17] Vgl. Moldaschl (2001: 140); Howaldt (1998: 73 ff).

[18] Vgl. Klein (2002), zum Unterschied zwischen interner und externer Beratung v.a. S. 111 ff.

[19] Die Begriffe „Anfangsphase“ und „erste Phase“ der Beratung werden im weiteren synonym verwendet, eine detaillierte Beschreibung dieser Phase erfolgt in Kapitel 6.

[20] Vgl. z.B. Wimmer (1992: 86 f.); Kerlen (2003: 67 f., 117 ff.).

[21] Vgl. z.B. Luhmann (1989); Kieser (2002); Willke (1996).

[22] Vgl. Kieser (2002: 33 ff.).

[23] Vgl. Kühl (2000).

[24] Vgl. Vogel (2001: 116).

[25] Vgl. die Erfahrungen, welche Iding (2001: 80ff.) und Mingers (1996: 272ff.) gemacht haben.

[26] Als Abkürzung des Phantasienamens ‚Bielefelder Beratungsgesellschaft‘; zur näheren Beschreibung von BIBEG und den Unternehmen siehe die nächsten Abschnitte 1.4.1 und 1.4.2.

[27] Vgl. Diekmann (2000: 444).

[28] zu den einzelnen Techniken siehe Diekmann (2000: 446 ff.) und Schütze (1977).

[29] Iding (2000: 26) verweist auf die Möglichkeit, durch die Geschichte der Begriffsentwicklungen die Unterschiede der Beratungsformen zu verdeutlichen.

[30] Moldaschl (2001: 133) bezeichnet die hier behandelten Ansätze auch als „normatives Leitbild“, Mingers (1996: 19 f.) spricht vom „mechanistischen Beratungsansatz“. In diesen Bezeichnungen kommen zwei zentrale Kritikpunkte zum Ausdruck.

[31] Vgl. Steinmann/Schreyögg (2000: 40).

[32] Vgl. ebd., S. 41, Kieser (1999: 65 ff.).

[33] Für eine Zusammenfassung der Kritik an der klassischen Unternehmensberatung siehe Faust (1998: 172 ff.).

[34] Fuchs (1994: 17 f.) spricht von einem Unterscheidungs- und Bezeichnungsreichtum, den der Berater im Vergleich zum Klienten durch die systemfremde Position zum Einsatz bringen kann.

[35] Zu den verschiedenen Funktionen von Beratung siehe auch Kap. 5.1.

[36] 1939 veröffentlicht unter dem Titel „Management and the worker“, vgl. Willke (1996: 167 f.) und Kieser (1999: 109 ff.).

[37] Vgl. Steinmann/Schreyögg (2000: 59 f.); Minssen (1998: 60f.); Kieser (2000: 119 ff.).

[38] Vgl. z.B. Wimmer (1991: 103 ff.).

[39] Vgl. Reiß (1997).

[40] Vgl. Iding (2000: 99), Wimmer (1991).

[41] Vgl. auch Thinnes (1998: 221).

[42] Inwieweit dies (ohne den Zugang über die Personen) möglich ist, wird im weiteren Verlauf der Arbeit noch thematisiert.

[43] Vgl. Kieser (1999: 119).

[44] Die Unterscheidung ist angelehnt an Carqueville (1991: 261 ff.).

[45] Vgl. Iding (2000: 104).

[46] Iding (2000: 206) weist auf die „neue Profession des Wissenschaftler-Beraters“ hin, der seinen Ansatz in zwei Arenen gleichzeitig vermarktet, in der Scientific Community und beim Beratungskunden.

[47] Vgl. z.B. Scherf (2002: 6 f.); Moldaschl (2001: 134 ff.).

[48] Vgl. Steyrer (1991a: 18).

[49] Grundlegend siehe Luhmann (1984) und Luhmann (1997).

[50] Siehe z.B. Luhmann (2000); Baecker (1999, 1999a).

[51] Die Kontingenztheorie untersuchte die Abhängigkeit und Anpassungsfähigkeit von Systemen in bezug auf Umweltbedingungen.

[52] Zum Verhältnis von Organisation(en) und Gesellschaft vgl. auch Tacke (2001); Drepper (2003).

[53] Vgl. Luhmann (2000: 65).

Ende der Leseprobe aus 105 Seiten

Details

Titel
Problem- und Zieldefinition in der Organisationsberatung
Hochschule
Universität Bielefeld  (Fakultät für Soziologie)
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2003
Seiten
105
Katalognummer
V36175
ISBN (eBook)
9783638358675
ISBN (Buch)
9783640438709
Dateigröße
810 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Empirische Arbeit, es wurden Leitfadeninterviews mit fünf Unternehmensberatern und fünf Kunden von Unternehmensberatern geführt, diese Interviews wurde anhand der theoretischen Vorarbeit analysiert und ausgewertet.
Schlagworte
Problem-, Zieldefinition, Organisationsberatung, soziologie, unternehmensberatung, beratungsforschung, systemtheorie, mikropolitik, beratung, organisation, unternehmen, strategie
Arbeit zitieren
Marc Biedermann (Autor:in), 2003, Problem- und Zieldefinition in der Organisationsberatung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36175

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