Wohnungslosigkeit und Hundehaltung, Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Hund. Reaktionen des Hilfesystems auf die Hundehaltung bei wohnungslosen Menschen.


Vordiplomarbeit, 2005

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Die sozialen Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Tier und deren Auswirkungen auf wohnungslose Hundehalter
1.1 Die sozialen Beziehungsstrukturen von Mensch und Tier
1.2 Die sozialen Beziehungen von wohnungslosen Menschen und die Funktionen der Hunde im Wohnungslosenmilieu

2. Der Gesundheitszustand von wohnungslosen Menschen und die Bedeutung der Tierhaltung auf diesen
2.1 Der physische Gesundheitszustand von Wohnungslosen und der Einfluss der Haustierhaltung auf physische Erkrankungen
2.2 Der psychische Gesundheitszustand von Wohnungslosen und der Einfluss der Haustierhaltung auf psychische Erkrankungen

3. Das Hilfesystem und die damit verbundenen Probleme der Hundehaltung
3.1 Beschreibung der Tagesaufenthaltsstätte (SKM) in Heidelberg
3.2 Beschreibung des Zentrums der Wohnungslosenhilfe (ZdW) in Bensheim

Zusammenfassung

Einleitung

Wohnungslose Hundehalter müssen oft im Freien übernachten („Platte machen“), denn das Hilfesystem ist auf sie in den meisten Fällen nicht eingerichtet. Nur selten können diese Menschen in einer Einrichtung übernachten, denn Hunde sind in den wenigsten Übernachtungsstellen erlaubt.

Ziel der Arbeit ist es, Aufschluss über die Strukturen der Mensch- Tier- Beziehung und die besonderen Funktionen des Hundes für einen Wohnungslosen zu geben. Des Weiteren wird aufgezeigt, welche Problematik sich innerhalb der Einrichtungen des Hilfesystems durch die Anwesenheit der Hunde ergibt.

Im ersten Kapitel werden die sozialen Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Tier im Allgemeinen, sowie Funktionen des Hundes bei wohnungslosen Menschen im Besonderen dargestellt. Dazu wird die Situation wohnungsloser Menschen erläutert und untersucht, welche Beziehung zwischen wohnungslosen Hundehaltern und ihren Hunden besteht. Es wird dargelegt, aus welchen Gründen wohnungslose Hundehalter trotz ihrer prekären Situation nicht auf die Haltung ihrer Hunde verzichten.

Das zweite Kapitel befasst sich mit dem Gesundheitszustand Wohnungsloser und dem Einfluss von Tieren auf die Gesundheit des Menschen.

Im dritten Kapitel werden zwei Einrichtungen des Hilfesystems, in denen Hunde erlaubt sind, beschrieben und die damit verbundene Problematik dargestellt. Es wird dargelegt, weshalb das Hilfesystem hier nicht adäquat reagiert bzw. reagieren kann und herausgearbeitet, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, damit die Einrichtungen wohnungslose Menschen mit Hund aufnehmen können.

Bisher wird in der Literatur entweder nur die Mensch- Tier- Beziehung oder die Wohnungslosigkeit in Verbindung mit dem Hilfesystem beschrieben. Die vorliegende Arbeit verbindet diese Teilaspekte zur Betrachtung der Problematik wohnungsloser Hundehalter. Um die Fragestellung dieser Arbeit zu illustrieren, wurden Gespräche mit zwei wohnungslosen Hundehaltern und den Leiterinnen zweier Einrichtungen, die wohnungslose Hundehalter aufnehmen, geführt, die zum besseren Verständnis mit einfließen.

1. Die sozialen Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Tier und deren Auswirkungen auf wohnungslose Hundehalter

Wohnungslose Menschen bilden keine homogene Personengruppe. Ihre persönlichen, sozialen und ökonomischen Bedarfslagen sind teilweise sehr unterschiedlich. Verbunden werden sie nur durch das gemeinsame Merkmal der Wohnungslosigkeit (vgl. Gillich, Nieslony 2000, S. 89).

Wohnungslosigkeit entsteht durch einen langfristigen Verarmungs- und Ausgrenzungsprozess, oft bedingt durch Arbeitslosigkeit und persönliche Schicksalsschläge wie z. b. Scheidung oder Tod des Partners. Zunehmend werden alle Lebensbereiche der betroffenen Personen eingeschränkt. Mit dem Verlust von Arbeit, Wohnung und sozialen Beziehungen fehlen den Wohnungslosen die elementarsten Lebensgrundlagen. Am stärksten sind sie jedoch von sozialer Benachteiligung und Isolation betroffen. Die Gründe für den Verlust der sozialen Kontakte sind mannigfaltig (vgl. Gillich, Nieslony 2000, S. 102).

Häufig bestehen soziale Beziehungen nur noch zu anderen Wohnungslosen und zu den oft mit dazugehörenden Hunden, aber nicht mehr zu Menschen außerhalb des Milieus. Innerhalb der Szene sind die Beziehungen eher verhalten. Der Hund ist oft der einzige wirkliche Partner des Wohnungslosen. Aber kann ein Hund einen menschlichen Sozialpartner ersetzen? Und wie ist die Mensch- Tier- Beziehung strukturiert?

Hunde sind immer noch unsere beliebtesten Haustiere, denn kein anderes Tier schließt sich so eng an den Menschen an und zu keinem anderen Tier hat der Mensch eine so tiefe Beziehung. Der Hund dient als Partner- und Kindersatz, Familienmitglied, Prestigeobjekt, als Aggressionsableiter oder Schmusetier. Hinzu kommt, dass er auch noch der vielseitigste Helfer des Menschen ist. Hunde dienen dem Menschen als Beschützer, hüten und bewachen die Weidetiere, werden zur Jagd genutzt und als Blinden-, Behinderten- und Therapiehund eingesetzt. Des Weiteren werden sie in der ganzen Welt als Versuchsobjekte missbraucht und stehen in einigen Kulturen sogar auf dem Speiseplan (vgl. Ziemen in: Akademie für Tiernaturheilkunde o. D.).

In den folgenden Unterkapiteln werden die allgemeinen Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Hund dargestellt, sowie die sozialen Funktionen des Hundes für einen Wohnungslosen erläutert.

1.1 Die sozialen Beziehungsstrukturen von Mensch und Tier

Der Mensch kann seine Persönlichkeit in der heutigen, überwiegend technologisch und virtuell geprägten Umwelt nur unvollständig entwickeln. Zur vollständigen Entwicklung muss auch die geistige und emotionale Seite in ihm zur Reife gelangen. Hierzu ist das Zusammenleben mit anderen Menschen, anderen Lebewesen und der Natur notwendig (vgl. Olbrich in: Unser Rassehund H. 10, 1998, S. 118).

Menschen und höhere Tiere können miteinander Beziehungen eingehen, die denen zwischen Menschen bzw. Tieren sehr ähnlich sind. Ausschlaggebend ist die subjektive Gewissheit, dass es sich bei dieser Beziehung um eine Partnerschaft handelt. Diese so genannte „Du - Evidenz“ ist entscheidend für die Entstehung einer Beziehung zwischen Mensch und Tier (vgl. www.uni-wuerzburg..., 13.07.2004, S. 7). „Gegenseitige Verpflichtung ermöglicht diese besonders enge Beziehung zwischen Mensch und Haustier. Diese Beziehung ist in ihrem Wesen einzigartig, vergleichbar mit der Freundschaft zwischen zwei Menschen.“ (Bercovitch 2001, S. 54)

Zum Aufbau solch einer Du - Beziehung eignen sich vor allem sozial lebende Tiere, in deren Ausdruck menschliche Gefühle, wie Freude, Wut, Furcht usw. erkennbar sind. Sie sind durch den deutlichen Ausdruck ihrer Gefühle dem Menschen ähnlich und suchen ihrerseits die Gesellschaft von Menschen. Insbesondere durch die Namensgebung wird das Tier für seinen Menschen zu etwas Besonderem, zu einem Partner, der fast menschliche Qualitäten besitzt (vgl. www.uni-wuerzburg..., 13.07.2000, S. 7).

Für den Menschen scheint das Haustier eine zweifache Bedeutung zu haben. Zum einen dient es der Selbstergänzung, also zur Ergänzung der eigenen Wesensmerkmale, zur Beseitigung eines Mangels. Zum anderen wird es bei Einsamkeit und Isolation als sozialer Ersatz benutzt (vgl. www.diplomica.com/ ..., 10.08.2004, S. 2).

Der Mensch wählt sein Haustier nicht zufällig aus, „er sucht sich jenes Tier zum Partner, das seinen psychischen Bedürfnissen am ehesten entspricht, dem er irgendwie wesensähnlich ist.“ Dabei konnte bezüglich der Wesensmerkmale gezeigt werden, dass das Geschlechtdes Menschen einen erheblichen Einfluss auf die Mensch– Tier– Beziehung hat. Für Frauen überwiegt der emotionale Aspekt, für sie ist das Tier ein Objekt zum „Liebhaben“. Männer heben die Freundschaft zum Tier hervor, infolgedessen ist das Tier für sie Freund und Gefährte (vgl. www.diplomica/.com/ ..., 18.08.2004, S. 2). Besonders für Männer ist der körperliche Kontakt zum Hund wichtig, weil sie mehr Schwierigkeiten als Frauen beim Geben und Nehmen von Körperkontakten haben. In der Beziehung zu ihrem Haustier bestehen die Hemmungen bezüglich des Körperkontaktes nicht (vgl. Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft o. D., S. 9).

Des Weiteren verbessern Haustiere bei ihren Besitzern die Empathie, i. e. die Fähigkeit sich auf seine Mitmenschen einzustellen und mitzufühlen. Da die Kommunikation zwischen Mensch und Tier zum größten Teil auf analoger Ebene stattfindet, werden keine sprachlichen Inhalte sondern, Beziehungen transportiert. Das geschieht, durch nonverbale Signale wie Gesten, Berührungen, Bewegungen, Sprachrhythmus, Tonhöhe u. a. und nur zu einem geringen Teil durch einfache Lautäußerungen. Es ist eine ehrliche und kaum zu verfälschende Art der Kommunikation, welche vom Menschen als sehr angenehm empfunden wird.

Durch die digitale Kommunikation, welche einem Code ähnelt, besteht kaum eine Möglichkeit, Empathie zu empfinden oder auszudrücken. Es ist eine Sprache der aneinander gereihten Worte, in der die Beziehungen zwischen den Worten und dem Gemeinten willkürlich festgelegt und damit zu verfälschen ist (vgl. Olbrich in: Unser Rassehund 1998, S. 119).

Durch diese überwiegend analoge Kommunikation mit dem Tier ergibt sich ein emotionaler Ausgleich zur menschlichen Beziehung, weil in dieser der Gebrauch von Sprache vorherrscht. Die Beziehung zum Tier ist entspannend, da es im Vergleich zum Umgang mit anderen Menschen nicht zu Neid und Konkurrenzdenken kommt. Das wirkt sich wiederum positiv auf das Wohlbefinden des Heimtierhalters aus (vgl. www. tier.de/ ..., 18.08.2004, S. 1).

Der Hund diente in allen Hochkulturen nicht nur als Helfer bei der Jagd oder Hüter der Herden, sondern - wie auch noch in der heutigen Zeit, als sozialer Begleiter des Menschen. (vgl. Gäng 1992, S. 65). Heute ist der primäre Nutzen des Hundes dagegen eher im sozialen als im wirtschaftlichen Bereich angesiedelt. (vgl. Askew 1997, S. 7).

Der Urahn des Hundes ist der Wolf. Im Laufe der Zähmung und Domestikation wurde der natürliche Fluchttrieb abgebaut und die Individualdistanz verringert, d. h., dass sich der heutige Hund gerne streicheln und berühren lässt (vgl. Gäng 1992, S.7).

Erhalten geblieben sind dagegen soziale Verhaltensweisen, die dem Erhalt des Rudels dienen. Dazu gehört die Kommunikationsfähigkeit der Tiere untereinander und die Eigenschaft, sich in den ihm zugewiesenen Platz einer Gemeinschaft einzufügen.

Da der Hund auch den Menschen als einen Rudelgenossen ansieht, ist eine Kommunikation und somit auch eine soziale Beziehung mit ihm möglich (vgl. Gäng 1992, S.65).

Aus diesen Gründen ist der Hund das einzigste Haustier, das mit und nicht neben dem Menschen lebt. Die Verhaltensforscherin Dr. Feddersen Petersen erklärt dies dadurch, dass Hunde die Stimmungen „ihres Menschen“ spüren und dafür „Verständnis“ zeigen (vgl. Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft S. 9). „Ein Tier muss man nicht täuschen. Es fühlt die Niedergeschlagenheit seines Herrn, den sein Chef zurechtwies, aber es kennt ihn nicht als Versager“ (vgl. www.uni-wuerzburg..., 13.07.2004, S. 9).

Der Mensch wird vom Tier so angenommen, wie er ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob er alt, verwirrt, behindert oder hässlich ist. Therapeuten sprechen hier vom so genannten „Aschenputtel - Effekt“ (vgl. www2.lifeline.de/ ..., 05.08.2004, S. 3).

„So ist vor allem der lernbegabte und intelligente Hund ein echter Gefährte des Menschen, ein wahrer Freund. Er bewundert Herrchen oder Frauchen mit uneingeschränkter Liebe. Er kennt keinen Unterschied zwischen jung und alt. Und er vergisst Kränkungen schnell, trägt nicht nach und ist leicht zu versöhnen.“ (Forschungskreis Heimtiere in der Gesellschaft, o. D., S. 30)

1.2 Die sozialen Beziehungen von wohnungslosen Menschen und die Funktionen der Hunde im Wohnungslosenmilieu

Ein charakteristisches Merkmal wohnungsloser Menschen ist deren Partnerlosigkeit.

Als ursächlich hierfür ist festzustellen, dass viele der Menschen aus diesem Personenkreis zuvor in Arbeitsbereichen tätig waren, welche ein hohes Maß an Flexibilität bezüglich des Einsatzortes verlangen. Zu diesen Berufsgruppen gehören Fernfahrer, Kellner, Schausteller, Gelegenheitsarbeiter usw.

Verbunden mit der Tätigkeit ist oftmals die Unterbringung in betriebseigenen Unterkünften, Hotelzimmern oder Massenunterkünften. Bei dieser Art der Berufstätigkeit ist die Zerrüttung der Familie oder Partnerschaft häufig vorprogrammiert. Infolgedessen ist dieser Personenkreis schon vor der Wohnungslosigkeit oft sozial isoliert (vgl. Gillich, Nieslony 2000, S. 102).

Hinzu kommt, dass das soziale Netzwerk in der Arbeiterklasse-, im Gegensatz zur Mittelschicht- nicht so sehr durch den Arbeitsplatz definiert wird. Aus diesem Grund sind die Konsequenzen eines Umzugs für einen Arbeiter gravierender als für einen Menschen aus der Mittelschicht. Die Mittel- und Oberschicht hat ein Netzwerk entwickelt, das immer weniger von der geografischen Nähe abhängig ist. Gesellschaftlich unterprivilegierte Personengruppen haben es dagegen schwerer, Beziehungen aufrecht zu erhalten, wenn sie zum Arbeitsplatzwechsel gezwungen sind. Ihre sozialen Beziehungen befinden sich hauptsächlich in der Nachbarschaft und im familieren Bereich. Aufgrund ihres geringen Einkommens können sie Freunde und Verwandte nur selten besuchen (vgl. Brenner 1994, S. 20 f.).

Kommt es dann noch zum Verlust des Arbeitsplatzes, ist der Schritt in die Wohnungslosigkeit und in weitere soziale Isolation nicht mehr groß, denn oft zeigen auch die Angehörigen und Freunde kein Verständnis für die „neue“ mittellose Situation und verweigern jegliche Unterstützung. Demzufolge finden die sozialen Beziehungen von diesem Zeitpunkt an zunehmend im Milieu der Wohnungslosen statt. Kontakte zu Menschen außerhalb dieser Gruppe bestehen immer weniger (vgl. Gillich, Nieslony 2000, S. 104). Aber auch in der Szene, die angeblich wie eine Familie ist, begründet sich der Zusammenhalt häufig nur auf der Tatsache, dass „man ohnehin zusammen auf der Straße hängt und dort lebenspraktische Probleme zu regeln hat.“ (www.userpage, 11.08.2004, S. 4)

[...]

Ende der Leseprobe aus 30 Seiten

Details

Titel
Wohnungslosigkeit und Hundehaltung, Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Hund. Reaktionen des Hilfesystems auf die Hundehaltung bei wohnungslosen Menschen.
Hochschule
Evangelische Hochschule Darmstadt, ehem. Evangelische Fachhochschule Darmstadt
Note
1,7
Autor
Jahr
2005
Seiten
30
Katalognummer
V36445
ISBN (eBook)
9783638360692
ISBN (Buch)
9783640203369
Dateigröße
555 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wohnungslosigkeit, Hundehaltung, Beziehungsstrukturen, Mensch, Hund, Reaktionen, Hilfesystems, Hundehaltung, Menschen
Arbeit zitieren
Christiane Schöll (Autor:in), 2005, Wohnungslosigkeit und Hundehaltung, Beziehungsstrukturen zwischen Mensch und Hund. Reaktionen des Hilfesystems auf die Hundehaltung bei wohnungslosen Menschen., München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/36445

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