Väter (nicht) in Elternzeit? Ergebnisse aus Johanna Possingers Dissertation "Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben"


Rezension / Literaturbericht, 2015

19 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2 Inhaltliche Betrachtung
2.1 Hinführung
2.2 Theorie
2.3 Methodik
2.4 Ergebnisse
2.5 Schlussfolgerung

3 Rezensierende Betrachtung
3.1 Betrachtung der Hinführung
3.2 Betrachtung der Theorie
3.3 Betrachtung der Methodik
3.4 Betrachtung der Ergebnisse
3.5 Betrachtung der Schlussfolgerung

4 Fazit

5 Literatur

1. Einleitung

Väter wollen mehr sein als nur die finanziellen Ernährer ihrer Familie und Verantwortung bei den direkten Sorgearbeiten ihrer Kinder übernehmen. Dieser gesellschaftliche Wandlungsprozess führt vermehrt auch bei Vätern zu einem Vereinbarkeitsdilemma zwischen Beruf und Familie. Als positiver Anreiz zur beidseitigen Beteiligung der Eltern an der Sorgearbeit ihrer Kinder wurde 2007 das Elterngeld mit den Partnermonaten eingeführt. Elterngelt- und Zeit steht allen zu, die sich in einem Arbeitsverhältnis befinden und kann bis zu vierzehn Monate in Anspruch genommen werden (vgl. Bmfsfj 2015: 10). Im Laufe der Jahre stieg die der Anteil der Väter, die sich familienbedingt eine Auszeit von der Erwerbsarbeit genommen haben. Das Erziehungsgeld, welches 2007 durch das Elterngeld abgelöst wurde, nahmen 2006 lediglich etwa 3 Prozent Väter in Anspruch, während 2007 der Anteil bereits auf 15 Prozent gestiegen ist (vgl. Destatis 2008: 1). Bei den 2011 geborenen Kindern betrug die Väterbeteiligung beim Elterngeld schon 27,3 Prozent, während jedoch bei den Müttern der Anteil bei 95 Prozent lag. Trotz dieser positiven Zahlen zeigt sich bei genauerer Betrachtung, dass die Dauer der Inanspruchnahme relativ gering ausfällt, da 77 Prozent dieser Väter lediglich für maximal zwei Monate Elterngeld in Anspruch genommen haben (vgl. Destatis 2013a: 1).

Johanna Possinger untersucht in ihrer 2013 veröffentlichten Dissertation „Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben – „neuen Vätern auf der Spur“ die Gründe für den Widerspruch zwischen Wunsch und Wirklichkeit gelebter Vaterschaft. In ihrer qualitativen Studie beleuchtet Possinger aus einer mikrosoziologischen Perspektive heraus, wie sich Väter an der Fürsorgearbeit ihrer Kinder beteiligen und wie sie die Verpflichtungsbalance zwischen Beruf und Familie organisieren und hierbei auftretende Hindernisse bewältigen.

In der vorliegenden Rezension wird Johanna Possingers Studie beschrieben, nach positiven und negativen Aspekten analysiert und ihre wissenschaftlichen Erkenntnisse im aktuellen Forschungsstand eingeordnet und bewertet.

1 Inhaltliche Betrachtung

Im Folgenden werden die sieben Kapitel der Studie jeweils thematisch nach „Hinführung“ (15-30), „Theorie“ (31-100), „Methodik“ (101-124), „Ergebnisse“ (125-256) und „Schlussfolgerung“ (257-281) zusammengefasst.

1.1 Hinführung

Johanna Possinger beginnt in ihrer Einleitung mit der öffentlichen Diskussion über die sogenannten „neuen Väter“, die sich für die Familie berufliche Auszeiten nehmen und führt einige Studienergebnisse auf, die den Wunsch der Väter nach mehr familiärer Beteiligung untermauern. Nur die Elterngeldnutzung und Befürwortung kann allerdings laut Possinger nicht als Gradmessung für die „neuen Väter“ dienen, da im tatsächlichen Verhalten nach wie vor das traditionelle Familienmodell gelebt wird (vgl. Possinger 2013: 15f). Der Anteil der Mütter, die berufliche Auszeiten und Arbeitszeitreduzierungen aufgrund einer Familiengründung in Anspruch nehmen ist deutlich größer als bei den Vätern und auch die unentgeltlichen und familiären Arbeiten sind geschlechtsspezifisch ungleich verteilt (vgl. ebd. 16f). Die väterliche familiäre Beteiligung hängt maßgeblich von der Erwerbsarbeit ab, die sowohl Zeit als auch Energieressourcen limitiert und somit in Konkurrenz zur Familie steht (vgl. ebd. 19). Possinger verweist auf die zentrale Rolle der Arbeitgeber bei der Realisierung „neuer Vaterschaft“ und schließt ihre Einleitung mit der Übergreifenden Frage, wie sich Väter im Spannungsfeld von Familie und Beruf verhalten (vgl. ebd. 20).

Als Überleitung und zum besseren Verständnis für ihr Forschungsinteresse geht Possinger im Folgenden auf die bisherigen Forschungsergebnisse ein. Diese zeigen auf, dass sich seit den 1990er Jahren die Vorstellung von Vaterschaft zum einen differenziert und tendenziell modernisiert hat und zum anderen eine aktivere familiäre Beteiligung gewollt, aber aufgrund beruflicher oder ökonomischer Nachteile nicht umgesetzt wird (vgl. ebd. 22ff). Possinger kritisiert an der bisherigen Forschung die statische Betrachtung, die sich vorwiegend auf die ersten drei Lebensjahre der Kinder konzentriert. Positiv hebt Sie dagegen die Einbeziehung der strukturellen Barrieren des Arbeitsmarktes hervor (vgl. ebd.: 26f).

Hieraus ableitend stellt Possinger ihre acht zu untersuchenden Forschungsfragen vor, denen übergeordnet die erste Frage steht: „Wie beteiligen sich erwerbstätige Väter im Spannungsfeld zwischen Arbeitsplatz und Familienleben an der Sorgearbeit für ihre Kinder?“ (ebd: 28). Hierbei soll nicht nur die Einstellungs- sondern auch die Handlungsebene berufstätiger Väter eines familienfreundlichen Unternehmens betrachtet werden.

1.2 Theorie

Zur Beantwortung ihrer Forschungsfragen geht Possinger in ihrem zweiten Kapitel auf die verwendeten Begrifflichkeiten und theoretischen Grundlagen ein. Possinger verwendet angelehnt an die feministische Care-Forschung statt den schwierig zu definierenden Begriff „Sorgearbeit“ das Konzept „Care“. Dieses beinhaltet sowohl materiell-indirekte Sorgearbeiten wie die Erwerbsarbeit („care providing“) als auch die immateriell-direkte emotionale und körperliche Versorgung der Kindern („caregiving“). Direkte Care-Arbeiten setzten eine emotionale Bindung voraus und können nicht an Dritte ausgelagert werden (vgl. ebd.: 33f / 36f).

Zur Annäherung an die sogenannten „neuen Väter“ betrachtet Possinger die verschiedenen Konzepte von Vaterschaft im historischen Verlauf. Die „traditionelle Vaterschaft“ zeichnet sich durch eine relativ klare Rollenaufteilung zwischen dem Vater und den indirekten Sorgearbeiten und der Mutter mit allen direkten Care-Arbeiten aus (vgl. ebd.: 43ff). Väter, die sich neben den indirekten Sorgearbeiten auch bei den direkten Fürsorgearbeiten engagieren, werden unter dem Konzept der „generativen Väter“ zusammengefasst. Eine Subgruppe dieser generativen Väter kann als egalitäre Väter bezeichnet werden, wenn alle direkten wie auch indirekten Sorgearbeiten symmetrisch zwischen den Eltern aufgeteilt werden (vgl. ebd.: 59ff). Diese Definition egalitärer Vaterschaft kommt laut Possinger den sogenannten „neuen Vätern“ am nächsten.

Im Folgenden arbeitet Possinger anhand des aktuellen Forschungstandes Bedingungen und Hindernisse gelebter egalitärer Vaterschaft heraus. So zeigt sich, dass neben innerfamiliärer Einflussgrößen und ökonomischer Kontextbedingungen, wie relative Einkommensunterschiede und berufliche wie betriebliche Hindernisse auch soziale Geschlechterkonstruktionen und wohlfahrtsstaatliche Rahmenbedingungen egalitärer Vaterschaft im Wege stehen (vgl. ebd.: 61ff / 66f/ 72ff /82f). Es lohnt sich laut Possingers genannten Studien dennoch, diese Hindernisse zu überwinden, da sich die väterliche Teilhabe an den Care-Arbeiten sowohl positiv auf die Entwicklung der Kinder als auch auf die Zufriedenheit innerhalb der Partnerschaft auswirkt (vgl. ebd.: 92 - 97).

1.3 Methodik

Johanna Possinger entschied sich in ihrer Untersuchung für ein qualitatives und exploratives Forschungsdesign mit leitfadengestützten, teilnarrativen biografischen Interviews. Hierdurch soll gewährleistet sein, dass die persönlichen Relevanzsysteme der Väter sowie ihre sozialen Praktiken, Motive und subjektiven Handlungskonzepte und mögliche biografische Zusammenhänge am ehesten sichtbar werden (vgl. ebd.: 102/ 104).

Possinger bildete zwei Teil-Samples, die sich zum einen aus neun vermeintlichen „neuen Vätern“ mit Elternzeiterfahrungen und vierzehn eher „traditionellen Vätern“, die die keine Auszeiten aufgrund einer Familiengründung in Anspruch genommen haben, zusammensetzte. Um die Väter bezüglich ihrer beruflichen Rahmenbedingungen besser miteinander vergleichen zu können, wurden alle Befragten aus dem als familienfreundlich zertifizierten Energiekonzern Hetektro AG rekrutiert. Possinger achtet bei ihrer Auswahl darauf, dass die Väter in unterschiedlichen Geschäftsbereichen tätig sind und sich auch bezüglich der Hierarchieebene unterscheiden. Neben der Befragung der Väter führte Possinger noch ein Experteninterview mit der Vorsitzende des betriebsinternen „Arbeitskreis Chancengleichheit“ (vgl. ebd.: 107ff).

Nach der Transkription der 2008 durchgeführten Interviews begann Possinger in Anlehnung an das Paradigma der Grounded Theory mit der rekonstruktiven Analyse. Anhand des integrativen, texthermeneutischen Analyseverfahrens wurde jedes Interview im Rahmen einer interdisziplinären Analysegruppe einzeln ausgewertet (vgl. ebd.: 114). Nach dem Vergleich der Sequenzanalysen versuchte Possinger mithilfe einer Analysesoftware unterschiedliche Typen zu bilden (vgl. ebd.: 119ff).

1.4 Ergebnisse

Johanna Possinger geht in drei Kapiteln auf ihre empirischen Ergebnisse ein, die jeweils nach thematischen Sinneinheiten geordnet sind. Die aus der Befragung gewonnenen Erkenntnisse werden zum einen mit dem aktuellen Forschungsstand verglichen und zum anderen anhand von Fallbeispielen verdeutlicht. Aufgrund des großen Umfangs von 130 Seiten Ergebnispräsentation, kann an dieser Stelle nur eine skizzenhafte Darstellung Possingers Erkenntnisse erfolgen.

Der erste Teil der Auswertung geht der Frage nach, wie sich Väter an der Fürsorgearbeit ihrer Kinder beteiligen (vgl. ebd.: 125). Auf der Einstellungsebene hat sich das normative Leitbild fürsorglicher Vaterschaft dahingehend verändert, dass neben der ökonomischen Absicherung der Familie auch indirekte Care-Arbeiten unerlässlich sind und eine generative Vaterschaft erwünscht ist (vgl. ebd.: 131). Allerdings zeigt sich bei Betrachtung der Care-Arrangements im Lebenslauf der Väter, dass meist dennoch eine (Re)-Traditionalisierung der geschlechtlichen Arbeitsteilung bei der Geburt des ersten Kindes stattfindet, die auch eine genommene Elternzeit nicht „verhindern“ kann (vgl. ebd.: 139). Possinger stellte fest, dass sich die Väter, die zuvor Elternzeit in Anspruch genommen hatten, im Alltag bezüglich der Care-Arbeiten nicht mehr von den eher „traditionellen“ Vätern unterscheiden. Folglich stellt die genommene Elternzeit kein geeignetes Kriterium für „neue Vaterschaft“ dar (vgl. ebd.: 181).

Der zweite Auswertungsteil beschäftigt sich mit der Frage, wie die eher traditionell gelebten Care-Arrangements zustande kommen, obwohl sich die Väter eine tendenziell egalitäre Lösung wünschen? Hierbei spielen innerfamiliäre, wirtschaftliche und betriebliche Faktoren die entscheidende Rolle bei der Verteilung der Care-Arbeiten (vgl. ebd.: 183). Die meisten der befragten Männer verdienen mehr als ihre Partnerinnen und entscheiden rational, bezogen zu den Opportunitätskosten, über die Verteilung der Elternzeit. Trotz egalitärer Ansprüche ist für viele der Befragten die Versorgung von Kleinkindern und die Haushalstätigkeiten der natürliche Zuständigkeitsbereich von Müttern. Die Gleichheitsrhetorik bezieht sich vielmehr auf die beidseitige Erwerbsbeteiligung (vgl. ebd.: 185). Die traditionellere Arbeitsteilung kann zusätzlich durch Mütter verstärkt werden, wenn diese durch das sogenannte „gatekeeping“ die väterliche Fürsorgearbeit verwehren (vgl. ebd.: 190). Auf der betrieblichen Ebene können die familienbewussten Angebote durch das Betriebsklima und der Unternehmenskultur mit den dazugehörigen informellen Normen und Einstellungen untergraben werden. Es ist stark kontextabhängig, inwieweit die befragten Väter bei ihren familiären Bedürfnissen unterstützt werden und keine informellen Sanktionen erfahren müssen (vgl. ebd.: 219).

Die Umsetzung des „New Male Mystique“, also die Vorstellung, sowohl beruflich erfolgreich als auch ein hoch involvierter Vater zu sein, scheitert meist im Alltag durch die begrenzten Zeit- und Energieressourcen (vgl. ebd.: 225).

Nahezu alle befragten Väter stehen vor einem starken Vereinbarkeitsdilemma und können ihr gesetztes Fürsorgeideal nicht erreichen, was mit psychischen Belastungen, Schuldgefühlen oder Ängsten einhergehen kann (vgl. ebd.: 239f). Aus diesem Grund geht Possinger im dritten Teil der Auswertung auf unterschiedliche Bewältigungsstrategien der Väter bezüglich der Vereinbarkeitsproblematik ein. Ein Teil der Väter versucht die Belastung zu vermeiden, indem sie einen Rückbezug zu der traditionellen Rollenaufteilung vornehmen, Fürsorgearbeiten in die Zukunft verschieben oder weitere Kinderwünsche nicht realisieren (vgl. ebd.: 242ff). Andere Väter betreiben dagegen aktives „Grenzmanagement“ beziehungsweise eine „Verbetrieblichung“ des Alltags, um sowohl im Beruf als auch in der Familie die Zeit möglichst effizient zu nutzen (vgl. ebd.: 248ff). Die letzte Strategie besteht darin, sich in der Erwerbsphäre klar von den betrieblichen Präsenzerwartungen abzugrenzen, familienbewusste Strukturen zu fördern und aktiv Freiräume für die Familie zu schaffen (vgl. ebd.: 245f).

1.5 Schlussfolgerung

In ihrer Schlussbetrachtung erläutert Possinger erneut ihre gewonnenen Ergebnisse in Bezug auf ihre Forschungsfragen. Aufgrund vieler Wiederholungen wird an dieser Stelle nur auf Possingers Aushandlung über die „neuen Väter“ sowie auf ihre eigene Kritik eingegangen.

Possinger stellte durch ihre Arbeit fest, dass der Begriff „neue Väter“ schwer zu definieren und zur Beschreibung von sich verändernder Vaterschaft unbrauchbar ist. Zwar zeigte sich, dass auf der Einstellungsebene alle befragten Männer der Kategorie „neu“ zugehörig wären, sich ihre alltägliche Praxis jedoch davon unterscheidet. Auch das Kriterium der genommenen Elternzeit sagt nichts darüber aus, wie die Care-Arbeiten zwischen den Eltern sowohl kurz- wie auch langfristig aufgeteilt werden. Klar scheint nach Possinger lediglich zu sein, dass eine Rückkehr zum klassischen traditionellen Familienmodell von beiden Geschlechtern abgelehnt wird und die untersuchten Väter ein generatives Care-Arrangement anstreben. Auch wenn schon Elemente dieser neuen Vaterschaft gelebt werden, fordert Possinger für die weitere Entwicklung hin zu egalitären Modellen, dass Väter mehr in den Fokus gesetzt werden müssen. Sie stellt sich die Frage, wie den Vätern, bezogen auf die bestehenden strukturellen Rahmenbedingungen, Zeit für Care-Arbeiten bleiben soll beziehungsweise ermöglicht werden könnte. Um die Vereinbarkeit zwischen Beruf und Familie für Väter zu erleichtern, muss demnach der Arbeitsmarkt noch familienfreundlicher gestaltet werden (vgl. ebd.: 277ff).

Abschließend beschäftigt sich Possinger noch kritisch mit ihrer eigenen Arbeit und zeigt Verbesserungsmöglichkeiten auf. Aufgrund der kurzen Zeitspanne zwischen Einführung des Elterngeldes 2007 und der Datenerhebung 2008 fällt ihr Sample dementsprechend relativ gering aus. Zudem führt die Hinzunahme von Vätern, die vor 2007 berufliche Auszeiten in Anspruch genommen haben, zu weiteren methodischen Beschränkungen.

Für die zukünftige Forschung empfiehlt Possinger unter anderem die Betrachtung mehrerer unterschiedlicher Unternehmen, Branchen, Regionen sowie den Einbezug der Aspekte Migration, Milieu und Sichtweisen der dazugehörigen Partnerinnen und Kinder. Insbesondere sollte die Zeitspanne nach der Elternzeit genauer erforscht werden, da hierbei ebenfalls Aushandlungen bezüglich der partnerschaftlichen Arbeitsteilung aufkommen. Zudem geht Possinger davon aus, dass die Betrachtung der Mechanismen des Grenzmanagements zur Vereinbarung der Familien- und Erwerbssphäre aufschlussreich wäre (vgl. ebd.: 279ff).

2 Rezensierende Betrachtung

Insgesamt ist Johanna Possingers Untersuchung stringent aufgebaut, umfangreich und schlüssig. Um das Vereinbarkeitsdilemma im Allgemeinen zu lösen, ist es hilfreich, dass zunehmend auch Väter und deren Schwierigkeiten in den Fokus der Wissenschaft genommen werden und Possingers Arbeit trägt hierzu positiv bei. Durch die Einarbeitung anderer Forschungsergebnisse wird die Thematik umfassend und verständlich dargelegt. Interessant an dieser Studie ist unter anderem der nahe Untersuchungszeitpunkt zur Einführung des Elterngeldes. Dies lässt die Vermutung aufkommen, dass sich die Situation der Väter hierdurch merklich verbessert haben könnte. Possinger beendete ihre jeweiligen Kapitel mit einem Zwischenfazit, was sehr zur Verständlichkeit ihres Vorgehens beiträgt.

In der Detailbetrachtung der Arbeit ergeben sich dennoch einige Aspekte, die zu diskutieren und eventuell zu verbessern sind. Allgemein sind die relativ vielen Wiederholungen auffällig, die sich durch die mehrmalige Darlegung der Forschungsergebnisse sowie der Zusammenhänge zwischen Theorie und Ergebnisse ergeben. Im Folgenden wird Possingers Arbeit anhand der beschriebenen Abschnitte konsistent analysiert und abschließend bewertet.

2.1 Betrachtung der Hinführung

Das erste Kapitel verschafft dem Leser einen sehr guten Überblick zur Problematik der Väter, die sich vermehr an der Sorgearbeit ihrer Kinder beteiligen möchten. Jedoch zeigt sich direkt zu Beginn der Einleitung ein widersprüchlicher Aspekt, der sich weiter durch die Arbeit zieht. Obwohl Possinger kritisch darauf verweist, dass weder die Nutzung des Elterngeldes noch eine egalitäre Einstellung als Gradmesser „neuer Vaterschaft“ dienen kann, untersucht sie genau nach diesem Kriterium die vermeintlich „neuen Väter“ (vgl. ebd.: 16 / 107/ 181/ 277). Es stellt sich die Frage, wieso Possinger das gleiche Vorgehen von anderen Untersuchungen übernimmt, wenn sie diese als ungeeignet einstuft? Schade ist auch, dass zwar Possinger an anderen Studien feststellt, dass der meist gewählte Betrachtungszeitraum der ersten drei Jahre nach der Geburt eines Kindes väterliche Fürsorge nicht umfassend abbilden kann, aber selbst hierauf in ihrer Arbeit keinen Fokus legt (vgl. ebd.: 26). Zwar ergab sich aufgrund der Sampleschwierigkeit bei den „neuen Väter“ die Möglichkeit, Väter mit älteren Kindern einzubeziehen, jedoch war dies mehr Zufall als Planung (vgl. ebd.: 110).

Hervorzuheben ist dagegen, dass Possinger die an anderen Untersuchungen gelobten betrieblichen wie auch beruflichen Rahmenbedingungen ebenfalls in ihre Forschung mit einbezieht (vgl. ebd.: 26). Gliederungstechnisch wäre es übersichtlicher gewesen, wenn Possinger ihre zu untersuchenden Forschungsfragen in einem eigenen Unterkapitel herausgearbeitet hätte. Der fließende Übergang zwischen bisheriger Forschungen und ihrer eigenen Arbeit kann verwirrend sein. Dennoch wird die Wichtigkeit dieser Thematik und der weitere Aufbau der Untersuchung durch die Hinführung deutlich.

2.2 Betrachtung der Theorie

Die Darlegung der theoretischen Grundlagen mit den Kapitelnummern zwei ist sehr umfassend, jedoch aufgrund der Einarbeitung weiterer Forschungsergebnisse nicht unbedingt strukturiert und klar aufgebaut. Possinger definiert zunächst elterliche „Sorgearbeit“, anhand dessen unterschiedliche Vaterschaftskonzepte erläutert werden. Obwohl an verschiedenen Stellen kritisiert, gelingt auch Possinger keine klare Definition der „neuen Väter“ (vgl. ebd.: 15/ 26). Problematisch hieran ist, dass der Begriff der „neuen Väter“ die zentrale Rolle in dieser Untersuchung einnimmt und dennoch bis zum Schluss schwammig erläutert bleibt (vgl. ebd.: 60/ 277). Theoretisch wie auch methodisch ist das Konzept der „neuen Väter“ schwer zu erfassen, jedoch kann unterstellt werden, dass der Suche hiernach einer Definition unterliegt. Zwar wird auf das egalitäre Konzept von Vaterschaft nach Gerson verwiesen, welches den „neuen Vätern“ am nächsten kommen sollte (vgl. ebd.: 61). Jedoch geht Possinger nicht weiter darauf ein, welche Unterschiede Sie zwischen den beiden Konzepten sieht oder vermutet. Wenn egalitäre Eltern sich sowohl die direkten wie auch indirekten Care-Arbeiten symmetrisch untereinander aufteilen, stellt sich die Frage, wie dann die gesuchte „neue Vaterschaft“ aussehen sollte? Diese Frage kann bis zum Schluss dieser Arbeit nicht klar beantwortet werden.

[...]

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Väter (nicht) in Elternzeit? Ergebnisse aus Johanna Possingers Dissertation "Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben"
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut der Soziologie)
Veranstaltung
Seminar angewandte Soziologie
Note
1,7
Autor
Jahr
2015
Seiten
19
Katalognummer
V369258
ISBN (eBook)
9783668482739
ISBN (Buch)
9783668482746
Dateigröße
529 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Väter, Elternzeit, Elterngeld, Johanna Possinger, Rezension, Erwerbsleben, Familienleben
Arbeit zitieren
Veronika Waldenmaier (Autor:in), 2015, Väter (nicht) in Elternzeit? Ergebnisse aus Johanna Possingers Dissertation "Vaterschaft im Spannungsfeld von Erwerbs- und Familienleben", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/369258

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