DaZ-Lerner im Grundschulalter. Probleme beim Schriftspracherwerb


Hausarbeit (Hauptseminar), 2016

19 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


1. Einleitung

Auf deutsche Schulen gehen zunehmend Schüler mit unterschiedlichen Erstsprachen und verschiedenen sprachlichen Erfahrungen. Jedes Kind bringt andere sprachliche Kompetenzenim Deutschen mit und somit unterscheiden sich auch die Lernstände. Welche Schwierigkeitendadurch beim Zweitspracherwerb, spezifisch im Schriftspracherwerb entstehen, soll in dieserArbeit untersucht werden. Um den Bereich etwas einzugrenzen, wird nur auf Lerner imGrundschulalter eingegangen. Mehrsprachigkeit findet in der Forschung viel Beachtung undauch Schriftspracherwerb wurde bereits stark erforscht. Die Kombination dieser beidenBereiche, also der Schriftspracherwerb von mehrsprachig aufwachsenden Kindern, wurdebisher eher selten thematisiert.

Um die Schwierigkeiten beim Schriftspracherwerb von DaZ-Lernern im Grundschulalter herauszuarbeiten, muss zunächst geklärt werden, wie Zweitsprache definiert wird und welcheFaktoren den individuellen Spracherwerb des Kindes beeinflussen. Außerdem wird auf dieRolle der Erstsprache eingegangen, die sehr wichtig ist im Bezug auf die verschiedenenFehlerarten, denn falsche Schreibungen sind häufig durch Übertragungen von der Erst- auf dieZweitsprache bedingt. Im folgenden Kapitel werden dann verschiedene Grundlagen zumSchriftspracherwerb allgemein erläutert, zunächst die einzelnen Phasen des Schreibenlernens.Diese beziehen sich zwar unter anderem auf die Vorschulzeit, dennoch geben sie einVerständnis dafür, wie und in welcher Reihenfolge Schrifterwerb abläuft. Dadurch wirddanach deutlicher, welche Voraussetzungen DaZ-Lerner, im Vergleich zu Kindern mitdeutscher Erstsprache haben und welche Bedingungen beide Lernergruppen erfüllen müssen,um die Schriftsprache erwerben zu können. Kinder mit einer anderen Erstsprache als Deutschhaben einen ganz anderen Bezug zu ihrer Zielsprache, als ihre deutschsprachigen Mitschüler.Danach wird auf die jeweiligen Lernziele der unterschiedlichen Zweitsprachenlernereingegangen, die durch die verschiedenen Voraussetzungen bedingt werden. Hierbei werdenschon einige Probleme und Schwierigkeiten im Schriftspracherwerb deutlich, die dann amBeispiel verschiedener Lerner und deren Schriftsystemen dargestellt werden. Im letztenKapitel werden typische Fehler von DaZ Lernern begründet und einige davon zum Schlussdurch Analyse eines Schülerbeispiels veranschaulicht.

2. Zweitsprache

Der Erwerb der Erstsprache beginnt mit der Geburt und kann sich auf mehrere Sprachen beziehen, z.B. wenn Kinder in biligualen Familien aufwachsen. Von Zweitspracherwerb wirdgesprochen, wenn ein Kind ab dem dritten Lebensjahr mit einer oder mehreren Sprachen konfrontiert wird (vgl. Rösch 2011, S. 11). Beim Erwerb der Zweitsprache befindet der Lerner sich im Land, in dem diese gesprochen wird, sie wird also benötigt um im Alttag zu kommunizieren. Dies geschieht sowohl in Alttagssituationen, als auch beim Besuch von Bildungseinrichtungen wie Kindertagesstätten und Schulen, aber auch bei Ämter- oder Behördengängen. Der Unterschied zum Fremdspracherwerb besteht eben genau darin, dass der Zweitspracherwerb überwiegend in alltäglichen Kommunikationssituationen erworben und nicht nur im Sprachunterricht erlernt wird (vgl. Boysen 2012, S.30).

2.1 Einflussfaktoren auf den Zweitspracherwerb

Einige Einflüsse auf den Zweitspracherwerb, vorallem soziale Faktoren, wie die Umstände der Migration oder den Grad der Anpassung an das Land, können nur schwer beobachtet und erfasst werden. Jeuk (2010) beschränkt sich deshalb auf die Einteilung der Faktoren inMotivation, Individuelle Fähigkeiten und Lerngelegenheiten.

Mit Motivation ist die Leistungsbereitschaft, also der Antrieb und die Lernmotivation gemeint. Dazu zählen auch die eigenen Interessen und Wünsche, die emotionalen Beziehungen zu Sprechern der Zielsprache, sowie die eigene positive bzw. negative Lernerfahrung. Bei Kindern, die eine deutsche Schule besuchen ist diese Motivation oft groß, da sie einen Druck zur Anpassung an ihre Mitschüler verspüren und dazugehören möchten. Allgemein kann zwischen integrativer und instrumenteller Motivation unterschieden werden (vgl. Gardner/Lambert 1972, Jeuk 2010, S.39f).

Erstere bezeichnet eben diesen Wunsch, am Leben einer bestimmten Gruppe teilhaben zu wollen, womit eine große Identifikation mit der Zielsprache einhergeht. Dagegen geht es beider instrumentellen Motivation um den eigenen Nutzen des Lernens der Sprache, wie z.BVerbesserung von Berufschancen, das Lesen bestimmter Literatur oder eigenes Interesse ander Sprache. Es wird vermutet, dass bei Kindern im Grundschulalter die Motivationausschließlich integrativ ist, da sie in der Klasse mitreden möchten (vgl. Jeuk 2010, S.38).Die These, dass das Gehirn von Kindern besser in der Lage sei Sprachen zu lernen, als dasvon Erwachsenen, lässt sich nicht bestätigen. Der wichtigste Faktor ist vielmehr dieBereitschaft zu einer sprachlichen Anpassung von Kindern beim Lernen der Sprache (vgl.Pagonis 2009, S.62).

Wenn man dies auf die Situation von Kindern mit Deutsch als Zweitsprache in Deutschlandüberträgt, wird deutlich, dass ein positiver Bezug der Lerner zu anderen Leuten aus derGesellschaft ein wichtiger Motivationsfaktor ist. Hierbei ist auch bedeutend, dass die Kindersich mit ihrer Mehrsprachigkeit akzeptiert fühlen, wobei auch die Haltung ihrer Eltern eine Rolle spielt. Damit ist nicht gemeint, dass die Zweitsprache Deutsch zwingend Zuhause gesprochen werden muss, die Eltern sollten eher die Sprache, die sie am besten beherrschenmit ihren Kindern sprechen. Im Idealfall sollten die Kinder das Gefühl bekommen, dass ihreEltern positiv gegenüber der deutschen Sprache und Kultur eingestellt sind (vgl. Jeuk 2010, S.38ff).

Der zweite wichtige Faktor der individuellen Fähigkeiten bezieht sich auf die Intelligenz, dasSprachwissen, Lernerfahrungen, Lernstrategien und das Alter. Sprachenlernen ist in jedemAlter möglich, mit dem Älter werden, wirken aber andere Lernmechanismen. ÄlterenLernenden fällt es leichter systematisch-analytische Strategien zu nutzen und so sind sie imWortschatzlernen schneller. Dagegen lernen Kinder eher intuitiv, wie in natürlichenErwerbssituationen und sie haben weniger Probleme mit der Aussprache. Natürlich spieltauch Intelligenz und Begabung eine große Rolle und welche Erfahrungen im Bezug aufLernen vorhanden sind. Außerdem haben persönliche Erfahrungen und Lebensstile einenEinfluss darauf, ob der Lerner impulsiv auf neue Aufgaben reagiert, oder eher zurückhaltenund reflexiv ist (vgl. Jeuk 2010, S.40f, Kniffka/Siebert-Ott, 2007, S.62).Mit Lerngelegenheiten ist zuerst einmal die zur Verfügung stehende Lernzeit gemeint, wobeidiese z.B. bei Migrantenkindern viel kürzer ist, als bei einsprachigen deutschen Kindern. Siebeginnen viel später mit dem Sprachenlernen und sind meist nur in der Schule oderEinrichtungen mit ihr konfrontiert. Dabei wirkt es sich positiv aus, wenn in diesenEinrichtugen viele einsprachig deutsche Kinder sind. Trifft dies nicht zu, nimmt derErwachsenen eine wichtige Rolle als Sprachvermittler ein. Natürlich ist es auch vonBedeutung, wie sich die jeweiligen Kommunikationspartner an das sprachliche Können desLernenden anpassen und welche Sprachqualität und Quantität der Austausch hat. DieseAnpassung ist bei einem einzelnen Kind gut möglich, wird für Lehrkräfte bzw. Erzieherjedoch schwieriger, wenn sie in gemischten Klassen und Gruppen mit Kindern mitunterschiedlichen sprachlichen Kompetenzen zu tun haben (vgl. Jeuk 2010, S. 41f).

2.2 Der Einfluss der Erstsprache

Dass die Erstsprache einen Einfluss auf die Zweitsprache hat, sieht man an Sprachmischungen, das heißt Übertragung von sprachlichem Wissen von einer Sprache ineine andere. Dieser Vorgang wird Transfer genannt, das Ergebnis eines Transfers wird alsInterferenz bezeichnet. Hierbei wird unterschieden, ob es sich um eine vorübergehendeBildung handelt, die in einer bestimmten Situation entstanden ist, oder ob es Fehlannahmenüber sprachliche Strukturen sind, die sich im Sprachgebrauch verfestigt haben. Die Struktur der beiden Sprachen muss sich ähnlich sein, damit ein solcher Transfer möglich ist (vgl. Jeuk 2010, S.42f).

Es gibt verschiedene Arten von Transfer: Bei der Interferenz werden die gleichen morphotaktischen Regeln auf zwei Sprachsysteme angewendet. Wenn ein italienischer Muttersprachler, der Deutsch als Zweitsprache lernt, den Satz Ich habe gehabt Fieber äußert,so überträgt er das Satzmuster aus dem Italienischen ins Deutsche. Er stellt den infititenPrädikatsteil vor das direkte Objekt, so wie es im Italienischen bei einem Hauptsatz üblich ist.Beim code-mixing wird ein Wort, dass der Lerner in der Zielsprache nicht kennt, aus deranderen Sprache übernommen. So sagt z.B ein türkisches Kind den Satz Sie hat eine dişfırçası (Zahnbürste). Hierbei passt sich das türkische Wort der Struktur des Deutschen an,denn obwohl es im türkischen keine Artikel gibt, wird in diesem Fall das korrekte Genus fürdas Wort gebraucht (vgl., ebd. S.43).

Code-switching bezeichnet das bewusste Wechseln zwischen beiden Sprachen, je nach Situation, Interaktionspartner oder Thema. Ein solcher Wechsel wird innerhalb von Zuwandererfamilien oft beobachtet, die je nach Kontext in eine bestimmte Sprache wechseln.So wählen sie die Sprache, die in der jeweiligen Situation angemessener ist oder in der sie ihrAnliegen besser ausdrücken können. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Sprecher nicht in derLage sind, die Sprachen voneinander zu unterscheiden (vgl. ebd., S.43).Es wird zwar angenommen, dass sich grammatische Systeme unabhängig voneinanderentwickeln und Fehler eher aufgrund der Strukturen der jeweiligen Sprache entstehen,dennoch entwickelt sich Grammatik nicht komplett ohne Einfluss der Erstsprache.Grammatische Interferenzen werden jedoch eher bei älteren Lernern beobachtet, wobei sieauch hier nur einen kleinen Fehleranteil ausmachen. Bei Kindern, die schon im KindergartenDeutsch lernen, kommen sie fast gar nicht vor. Es lässt sich vermuten, dass zum Übertragenvon Sprachstrukturen eine gewisse Sprachbewusstheit nötig ist (vgl. ebd., S.44).Transferleistungen sind im Allgemeinen schwierig zu deuten, da eine Äußerungunterschiedlich interpretiert werden kann. So kann z.B der Satz I eat sometimes candy alsTransfer aus dem Deutschen gedeutet werden. Die Äußerung stammt jedoch von einemeinsprachigen Kind, das gar kein Deutsch lernt. Die Frage When comes my mother? könnteebenso ein Transfer aus dem Deutschen sein, aber auch eine Übergeneralisierung derFragestruktur aus dem Englischen, wie bei Where is the train?. Diese Beispiele sollenverdeutlichen, dass Fehler nicht voreilig als Transfer interpretiert werden dürfen. Man kannsich mit einer Interpretation nur sicher sein, wenn die vom Lerner falsch gebildete Struktureine eindeutige Entsprechung in der Herkunftssprache hat. Für den Sprachunterricht werden die Interferenzen nicht als etwas Negatives angesehen, sondern als systematisches Bemühen sich verständlich zu machen (vgl.ebd., S.45f).

3. Schriftspracherwerb

3.1 Phasen des Schrifterwerbs

Die erste Phase beim Schriftspracherwerb wird als vorphonetische Phase bezeichnet. Sie istdurch Kritzelschrift gekennzeichnet, bei der meist Buchstaben gemalt werden, die nochkeinen Lautbezug haben. In verschiedenen Modellen zum Schrifterwerb werden dieseSchreibungen als willkürliche Schreibungen, Pseudowörter oder auch diffuse Schreibungenbezeichnet.

Für die Wissenschaft ist diese erste Annäherung an Schrift schwer greifbar, da sie im Vorschulalter stattfindet und in dieser Phase wenige Untersuchungen gemacht werden.

Außerdem können die Schriftanfänge im Vorschulalter stark variieren, da sie von unterschiedlichen Faktoren geprägt werden. So kommt es darauf an, wie der Zugang zu Schrift im familiären Umfeld aussieht, also ob das Kind viel vorgelesen bekommt und selbst Zugang zu Büchern hat. Auch ob das Kind Schreibmaterialien zur Verfügung hat und selbst gerne malt, zeichnet oder liest, ist von Bedeutung. Wenn das Kind ältere Geschwister hat, die gerade lesen und schreiben lernen, kommt es meist automatisch auch in Kontakt mit Schrift. Diese Faktoren können dazu führen, dass ein Kind in dieser Phase schon viele Pseudowörter schreibt, während ein anderes noch Kritzelbriefe schreibt.

Im weiteren Verlauf dieser Phase entsteht eine Bindung der Buchstaben zur Schrift, in denenbeispielsweise erste Schreibversuche des eigenen Namens beginnen (vgl. Becker 2013,S.34ff).

Darauf folgt die phonetische/phonografische bzw. alphabetische Phase, bei der die Schrift nuneinen Lautbezug erhält. Diese Schreibung orientiert sich sehr an phonetischen Regeln, wiez.B. bei *<Schpiln> für <spielen>, *<aien> für <ein> oder *<GRISDIJAN> für<Christian>. Dabei werden häufig artikulatorische Aspekte berücksichtigt, die aber nichtimmer phonemisch relevant sind. Eine Einsicht in das Grundprinzip der Alphabetschrift istentscheidend für den Schrifterwerb. Die Verbindung von Lautsystem und Schriftsystem lässtsich auf ihre Bezugsgrößen Phonem und Graphem zurückführen. Die Phoneme, die sich ausder Analyse des phonologischen Wortes ergeben, sind nicht identisch mit dem phonetischenWort, was bei Kindern oft zu Problemen führen kann. Das sieht man an Schreibungen wie

*<Wasa> oder *<Waser>, die aufgrund des phonemischen Wortes [vasa] falsch geschrieben werden (vgl. ebd., S.37).

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Details

Titel
DaZ-Lerner im Grundschulalter. Probleme beim Schriftspracherwerb
Hochschule
Universität Siegen
Note
1,0
Autor
Jahr
2016
Seiten
19
Katalognummer
V372325
ISBN (eBook)
9783668505353
ISBN (Buch)
9783668505360
Dateigröße
1029 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Deutsch als Fremdsprache, Spracherwerb, Schriftspracherwerb, DaF, Grundschule, Didaktik, Germanistik, Türkisch
Arbeit zitieren
Stefanie Aha (Autor:in), 2016, DaZ-Lerner im Grundschulalter. Probleme beim Schriftspracherwerb, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/372325

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