Sternstunden und Märchentaler... oder wenn das die Gebrüder Grimm geahnt hätten


Hausarbeit, 2004

13 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis:

1.) Einleitung

2.) Das Märchen
2.1.) Die Sterntaler
2.2.) Interpretation des Sterntalermärchens

3.) Das Anti-Märchen
3.1.) Das Anti-Märchen der Großmutter
3.2.) Interpretation des Anti-Märchens

4.) Die Stellung des Anti-Märchens im Drama

5.) Die Bedeutung des Anti-Märchens für das Drama

6.) Der direkte Vergleich
6.1.) Die Gegenüberstellung der zwei Märchen
6.2.) Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede

7.) Fazit

Literaturverzeichnis

1.) Einleitung

Kaum einem Menschen in Deutschland sind die Gebrüder Grimm kein Begriff – offen zugeben würde das zumindest niemand, der nicht belächelt werden möchte. Ob Georg Büchners Bekanntheitsgrad in sämtlichen Gesellschaftsschichten dem der „Märchen-Brüder“ allerdings nahe kommt, wage ich zu bezweifeln. Wer also war Georg Büchner?

Georg Büchner wurde am 17. Oktober 1813 in Goddelau im Groß-Herzogtum Hessen-Darmstadt als Sohn eines Amtschirurgen geboren. Er studierte ab 1831 in Straßburg und ab 1833 in Gießen Naturwissenschaften, Medizin und Philosophie, gründete 1834 die „Gießener Gesellschaft für Menschenrechte“ und verfasste unter dem Motto „Friede den Hütten, Krieg den Palästen“ die später von Pfarrer Friedrich Ludwig Weidig (1791 – 1837) entschärfte Flugschrift „Der hessische Landbote“. Neben seinem Engagement in der politischen Opposition Oberhessens und seiner anschließenden Tätigkeit als Privatdozent für Medizin in Zürich widmete sich Büchner dem Schreiben. Sein Leben fand im Jahr 1837 ein jähes Ende als er in Zürich an Typhus gestorben ist. Doch trotz seines frühen Todes und der zu Lebzeiten und noch einige Zeit danach mangelnden Anerkennung seiner Werke wurde schlussendlich der wichtigste Literaturpreis der Bundesrepublik Deutschland, der Georg-Büchner-Preis, nach ihm benannt.[1]

Doch kümmern wir uns nun lieber um Georg Büchner zu seinen Lebzeiten:

„[…] Ich komme vom Christkindlesmarkt, überall Haufen zerlumpter, frierender Kinder, die mit aufgerissenen Augen und traurigen Gesichtern vor den Herrlichkeiten aus Wasser und Mehl, Dreck und Goldpapier standen. Der Gedanke, dass für die meisten Menschen auch die armseligsten Genüsse und Freuden unerreichbare Kostbarkeiten sind, machte mich sehr bitter. […]“[2]

Dieses Zitat stammt von Georg Büchner aus einem Brief, den er am 1. Januar 1836 seiner Familie geschrieben hat. Wie zu sehen ist hat sich Büchner, der gerade einmal 23 Jahre alt wurde, viele Gedanken über die sozialen Missstände seiner Zeit gemacht – was spätestens an seinem unvollendeten Werk „Woyzeck“ (1836), welches erstmals im Jahr 1913 am Residenztheater in München aufgeführt wurde, deutlich erkennbar ist. In diesem Fragment, welches übrigens das erste soziale Drama der deutschen Literatur ist, erzählt die Großmutter eine Geschichte, welche stark an das Märchen des Sterntalers der Gebrüder Grimm angelehnt ist. Ich werde im Folgenden ein wenig auf die beiden Märchenformen eingehen (also das Anti-Märchen der Großmutter im „Woyzeck“ sowie das klassische Märchen „Die Sterntaler“ von den Gebrüder Grimm), werde beide Märchen vorstellen, Beziehungen herstellen, vergleichen und erläutern, mit welchen Intensionen und aus welchen Gründen Büchner das Anti-Märchen so dargestellt hat, wie er es dargestellt hat.

2.) Das Märchen

Definiert man den Begriff „Märchen“, so kann man zunächst einmal feststellen, dass es sich um eine volkstümliche Prosaerzählung von phantastisch –wunderbaren Begebenheiten und Zuständen aus freier Erfindung ohne zeitlich-räumliche Festlegung handelt. Allerdings bezieht sich der Begriff Märchen in erster Linie nicht auf die Form einer Erzählung, sondern auf den Inhalt. In das Alltagsleben greifen meist übernatürliche Gewalten wie zum Beispiel Feen oder himmlische Kräfte ein, es treten an sich unglaubwürdige Erscheinungen auf die aus dem Geist des Märchens heraus jedoch glaubwürdig erscheinen, weil dem Leser eine magische Wunderwelt dargestellt wird, in der alles möglich ist[3] – Küsse erwecken totgeglaubte Schönheiten, es gibt Hexen mit Lebkuchenhäusern, sieben Zwerge leben hinter sieben Bergen, Sterne fallen vom Himmel und werden zu Talern, die dem Begünstigten ewigen Reichtum bescheren. Man unterscheidet zwischen Volksmärchen und Kunstmärchen, der Unterschied darin liegt in der Herkunft des Märchens: Volksmärchen stammen somit aus dem Volksmund, sie sind traditionell überliefert und haben sich mit der der Zeit „weiterentwickelt“ bzw. „verändert“. Der ursprüngliche Autor ist hierbei unbekannt. Kunstmärchen dagegen sind Erzählungen eines namentlich bekannten Schöpfers, der vertraute Motive und Märchenelemente benutzt. Die Märchenfiguren, sprich die Träger der Handlung eines Märchens, sind keine komplexen Charaktere, sondern bilden simple, künstliche Polaritäten: Die Figur der Stiefmutter steht für das Böse, der edle Ritter für das Gute und die Gerechtigkeit, der Gnom für das Hässliche und die Habsucht usw. Die Ethik des Märchens kann man so definieren, dass es am Ende eine Belohung des Guten und eine Bestrafung des Bösen gibt, und je nach Märchen eine Wendung zum Guten oder Bösen für die Hauptgestalt gibt – je nach Charakter und Sympathie bzw. Antipathie für sie. Märchen werden häufig als Kontrastmittel zur wirklichen Welt betrachtet, als „Seinsollensdichtung“, die den kompensatorischen Zweck erfüllt, das in der realen Welt enttäuschte Gerechtigkeitsgefühl zu befriedigen.[4] Diese Definition trifft selbstverständlich nicht für jedes erdenkliche Märchen zu das es gibt, aber es ist zumindest ein guter Ansatzpunkt.

2.1.) Die Sterntaler

Als Beispiel für ein solches Märchen werde ich jetzt das schon oben erwähnte Sterntalermärchen der Gebrüder Grimm vorstellen:

„Es war einmal ein kleines Mädchen, dem war Vater und Mutter gestorben, und es war so arm, dass es kein Kämmerchen mehr hatte, darin zu wohnen, und kein Bettchen mehr, darin zu schlafen, und endlich gar nichts mehr als die Kleider auf dem Leib und ein Stück Brot in der Hand, das ihm ein mitleidiges Herz geschenkt hatte. Es war aber gut und fromm. Und weil es so von aller Welt verlassen war, ging es im Vertrauen auf den lieben Gott hinaus ins Feld. Da begegnete ihm ein armer Mann, der sprach „ach, gib mir etwas zu essen, ich bin so hungerig.“ Es reichte ihm das ganze Stückchen Brot und sagte „Gott segne dirs“, und ging weiter. Da kam ein Kind, das jammerte und sprach „es friert mich so an meinem Kopfe, schenk mir etwas, womit ich ihn bedecken kann.“ Da tat es seine Mütze ab und gab sie ihm. Und als es noch eine Weile gegangen war, kam wieder ein Kind und hatte kein Leibchen an und fror: da gab es ihm seins; und noch weiter, da bat eins um ein Röcklein, das gab es auch von sich hin. Endlich gelangte es in einen Wald, und es war schon dunkel geworden, da kam noch eins und bat um ein Hemdlein, und das fromme Mädchen dachte „es ist dunkle Nacht, da sieht dich niemand, du kannst wohl dein Hemd weggeben“, und zog das Hemd ab und gab es auch noch hin. Und wie es so stand und gar nichts mehr hatte, fielen auf einmal die Sterne vom Himmel und waren lauter harte blanke Taler: und ob es gleich sein Hemdlein weggegeben, so hatte es ein neues an, und das war vom allerfeinstem Linnen. Da sammelte es sich die Taler hinein und war reich für sein Lebtag.“[5]

2.2.) Interpretation des Sterntalermärchens

Die Hauptgestalt dieses Märchens ist dadurch charakterisiert, dass sie den anderen Menschen hilft. Sie schenkt ihnen Dinge, die sie selbst sehr gut gebrauchen könnte, vor allem deshalb, weil es die einzigen Dinge sind, die sie noch besitzt – sie hat ihre Eltern verloren, sie hat ihr Kämmerchen verloren, sie hat kein Bettchen mehr in dem sie schlafen kann; alles was sie noch hat sind ihre Kleider, ein Stück Brot, ihren „positiven“ Charakter (gut und fromm) und ihr vertrauen auf Gott. Mit diesem Vertrauen auf Gott kann sie nun nacheinander ihr Brot, ihre Mütze, ihr Leibchen, ihr Röcklein und schlussendlich ihr Hemdlein ohne zu zögern hergeben, da Gott ihr schon helfen wird – sie wünscht auch dem armen Mann, dass Gott ihm das Brot segnen soll. Würde es im wahren Leben dem gesunden Menschenverstand mindestens als naiv erscheinen wenn jemand so handeln würde, so wird in diesem Märchen die Hauptgestalt durch einen Sternenregen in Form von Talern belohnt, begründet in dem Vertrauen auf Gott und der Grundgütigkeit ihres Charakters.

Nicht nur die Ethik des Märchens lässt sich hier feststellen, sondern auch noch ein anderes Kriterium: Übersinnliche Erscheinungen greifen in das Alltagsleben ein, in diesem Fall der Sterntalerregen.

[...]


[1] Vgl. Microsoft Encarta Professional 2002 CD, Schlagwort „Georg Büchner“

[2] Hauschild, Jan Christoph (Hrsg.); Georg Büchner – Briefwechsel; Basel, Frankfurt am Main 1994; Seite 88

[3] vgl. Rölleke, Heinz; Die Märchen der Gebrüder Grimm; München, Zürich 1985; S. 94 ff.

[4] vgl. Doderer, Klaus (Hrsg.); Lexikon der Kinder und Jugendliteratur; Bd.2; Basel 1977; S. 256

[5] Gebrüder Grimm; Kinder- und Hausmärchen; München 1993; S. 666 f

Ende der Leseprobe aus 13 Seiten

Details

Titel
Sternstunden und Märchentaler... oder wenn das die Gebrüder Grimm geahnt hätten
Hochschule
Universität Mannheim
Note
1,0
Autor
Jahr
2004
Seiten
13
Katalognummer
V40446
ISBN (eBook)
9783638389563
ISBN (Buch)
9783638796927
Dateigröße
527 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aus Georg Büchners Woyzeck, das Märchen der Großmutter, verglichen mit dem Sterntaler der Gebrüder Grimm
Schlagworte
Sternstunden, Märchentaler, Gebrüder, Grimm, Woyzeck, Büchner
Arbeit zitieren
Daniel Sorg (Autor:in), 2004, Sternstunden und Märchentaler... oder wenn das die Gebrüder Grimm geahnt hätten, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/40446

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