Die Studie zur Komponentialsemantik/Strukturellen Semantik entstand während des Wintersemesters 2000/2001 im Rahmen eines germanistischen Grundseminars zur Semantik des öffentlichen Sprachgebrauchs an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.
Historisch wird die erst im 20. Jahrhundert entwickelte, als strukturalistisch geltende Komponentialsemantik aus den Theorien vom Begriff, welche altgriechische Logiker wie Aristoteles entwickelt hatten, hergeleitet. Im Allgemeinen versucht die Semantik, die Sätze einer Sprache durch Analyse der Wortbedeutungen und Feststellung der Bedeutungsbeziehungen zu verstehen und zu interpretieren sowie auf Vorstellungen und Sachverhalte der Umwelt zu beziehen. Grundlage der Komponentialsemantik ist die Erkenntnis von Wortbedeutungen als Komplexen von semantischen Merkmalen; ihre Methode ist die Aufspaltung einer Wortbedeutung in mehrere Teilbedeutungen. Da diese semantischen Merkmale die Wortbedeutungen voneinander abgrenzen, werden sie auch als distinktive Merkmale oder Seme bezeichnet. Während sich die Bedeutung eines Einzelausdrucks im Ergebnis als Bündel semantisch distinktiver Merkmale darstellt, werden Wortfelder durch diese distinktiven Merkmale strukturiert. Als semantische Merkmale werden einzig die sprachlich relevanten Gebrauchsbedingungen betrachtet. Zur allgemeinen Differenzierung dieser Gebrauchsbedingungen von bloß enzyklopädischem Wissen hat die Sprachwissenschaft zwei Kriterien entwickelt: Einerseits garantieren die semantischen Merkmale die Unterscheidbarkeit von Wortbedeutungen, andererseits gehören sie einem Wort notwendig an. Die Sprachwissenschaft hat die Komponentenanalyse regelmäßig für Inhaltswörter wie Substantive, Adjektive und Verben durchgeführt. Systematisch werden ihre Resultate für die diversen Bedeutungsbeziehungen von Inhaltswörtern dargestellt. Explizit wird auf die Besonderheiten der Komponentenanalyse von Verben eingegangen. Schließlich werden die semantischen Merkmale als Symbole für psychische Gegebenheiten interpretiert. Semantische Strukturen sind nämlich rückführbar auf Merkmale, die Grunddispositionen der Denk- und Wahrnehmungstätigkeit des menschlichen Gehirns vertreten.
Die abstrakte Materie wird durch zahlreiche Sprachbeispiele illustriert.
Gliederung
A. Vorwort
B. Hauptteil
1. Einige historische Aspekte/Herleitung der Komponentialsemantik
2. Aufgabe der Semantik/Idee der Komponentialsemantik
3. Methode der Komponentialsemantik
4. Eigenschaften der semantischen Merkmale
5. Anwendung der Komponentenanalyse auf diverse Wortschatzbereiche
6. Exkurs: Besonderheiten bei der Komponentenanalyse von Verben
7. Interpretation der semantischen Merkmale
C. Nachwort
A. Vorwort
Das Thema der vorliegenden Arbeit ist identisch mit dem Thema des ebenfalls vom Verfasser gehaltenen Referats vom 09.11.2000. Naturgemäß ist die Hausarbeit wesentlich umfangreicher ausgefallen; auch sind die Schwerpunkte aufgrund der im Vergleich zum Referat längeren Reflexionszeit bei der Hausarbeit anders gewichtet worden. Letzteres gilt insbesondere für die breiter angelegte Darstellung der komponentenanalytischen Methode unter B. 3.. Dagegen sind bei beiden Prüfungsteilen im wesentlichen dieselben Quellen verwendet worden.
Der Verfasser wünscht dem Leser viel Vergnügen bei der Lektüre.
B. Hauptteil
1. Einige historische Aspekte; Herleitung der Komponentialsemantik
Ursprünglich, das heißt im 19. und zu Beginn des 20. Jahrhunderts, war für die Sprachwissenschaft allein die Bedeutungsentwicklung einzelner Wörter – die Etymologie – interessant.[1] Der für die Semantik zentrale Begriff des „Wortfelds“ wurde zum Beispiel erst 1931 entwickelt: Hiernach ist die Bedeutung eines Wortes aus dessen Abgrenzung zu bedeutungsverwandten Wörtern zu ermitteln.[2] Es sind also bei der Bedeutungsanalyse eines einzelnen Wortes auch dessen Nachbarbegriffe zu berücksichtigen.[3] In einem späteren Versuch[4] wurde beispielsweise die Bedeutung der Wörter mit der Struktur ihrer Anwendungsbedingungen erklärt.[5]
Die Komponentialsemantik beruht dem Grunde nach auf Theorien vom Begriff, welche die Logik im antiken Griechenland entwickelt hat; daher wird die Komponentialsemantik auch als Aristotelische Semantik bezeichnet.[6] Neu ist dagegen der strukturalistische Charakter ihrer methodischen Vorgehensweise: Einerseits wird die Darstellung eines Wortfeldes als eines auf bestimmte Art strukturierten semantischen Verbandes als strukturalistisch bewertet, andererseits gilt die Komponentialsemantik wegen ihrer im Vergleich zu früheren sprachwissenschaftlichen Theorien größeren methodischen Strenge und wegen ihres Versuchs, eine innere Ordnung sprachlicher Bereiche zu ermitteln, als strukturalistisch.[7]
2. Aufgabe der Semantik; Idee der Komponentialsemantik
Die Semantik im allgemeinen hat die Aufgabe zu erläutern, wie die Sätze einer Sprache verstanden und interpretiert sowie auf Vorstellungen und Sachverhalte der Umwelt bezogen werden. Dies geschieht sowohl durch Analyse der Wortbedeutungen als auch durch die Feststellung, wie sich die einzelnen Wörter eines Satzes aufeinander beziehen. Die Art dieser Beziehung steht weiterhin im unmittelbaren Zusammenhang mit der syntaktischen Struktur eines Satzes.[8]
Die Komponential- oder Merkmalsemantik[9] beruht auf dem sog. Kompositionalitätsprinzip: Danach ergibt sich die Bedeutung eines komplexen Ausdrucks aus der Bedeutung seiner einzelnen Teile und der Art, wie dieser Ausdruck daraus geformt ist.[10] Das Kompositionalitätsprinzip gilt nicht nur für die Semantik von Wörtern sondern auch für die Bedeutung von ganzen Sätzen.[11] Für die vorliegende Arbeit ist jedoch einzig seine Relevanz für die Analyse von Wortbedeutungen von weitergehendem Interesse. Ausgangspunkt der Komponentialsemantik ist die Betrachtung von Wortbedeutungen oder Morphemen (=kleinste bedeutungstragende Einheiten) als Grundeinheiten der Sprache: Sie werden nicht als etwas (unzerteilbar) Atomares sondern als etwas Zusammengesetztes (sog. Merkmalkomplexe) angesehen.[12]
3. Methode der Komponentenanalyse
Die Erkenntnis von Wortbedeutungen als Komplexen von semantischen Merkmalen bildet die Grundlage für die komponentialsemantische Methode. Demnach lässt sich die Bedeutung eines Wortes in eine Reihe von Teilbedeutungen aufspalten. Beispielsweise kann die Bedeutung von ‚Mann’ aufgeteilt werden in (LEBENDIG, MENSCHLICH, MÄNNLICH, ERWACHSEN). Hierdurch wird eine innere Struktur der Bedeutungen von Wörtern offenbar; diese Struktur kann als Merkmalbündel dargestellt werden. Zugleich wird deutlich, dass die Verknüpfung bestimmter Merkmale für die Bedeutung eines Wortes konstitutiv ist.
Die semantischen Merkmale grenzen folglich Wortbedeutungen voneinander ab. Auf das obige Beispiel angewendet ergibt sich: Das Merkmal (LEBENDIG) grenzt die Bedeutung von ‚Mann’ unter anderem von der Bedeutung von ‚Männerleiche’ ab; durch das Merkmal (MENSCHLICH) erfolgt die Abgrenzung der Bedeutung von ‚Mann’ von der Bedeutung von ‚Hengst’ oder ‚Eber’; mit dem Merkmal (MAENNLICH) wird die Bedeutung von ‚Mann’ von der Bedeutung von ‚Frau’ abgegrenzt; schließlich wird mit dem Merkmal (ERWACHSEN) die Abgrenzung der Bedeutung von ‚Mann’ von der Bedeutung von ‚Knabe’ vorgenommen. Wegen ihrer abgrenzenden Funktion werden die semantischen Merkmale auch als distinktive Merkmale oder „Seme“ bezeichnet.
Aus dem folgenden Schema, welches auf die Aristotelische Einteilung zurückgeht, erhellt sich die binäre (=zweiteilige) Konzeption der Merkmale:
Alle Dinge
abstrakt konkret
+belebt -belebt
+menschlich -menschlich +Artefakt -Artefakt
+männlich -männlich +männlich -männlich
Hiernach ist für jede Bedeutung die mittels der Symbole + und – dargestellte An- bzw. Abwesenheit einer bestimmten Anzahl von Merkmalen charakteristisch; die Merkmalzuschreibung erfolgt also nach dem Alles- oder Nichts-Prinzip mit Ja/Nein-Entscheidungen.[13]
Weitere Konsequenzen der komponentialsemantischen Methode ergeben sich bei ihrer Anwendung auf bedeutungsähnliche Ausdrücke wie zum Beispiel aus dem Wortfeld „Gewässer“. Man stelle die diversen Ausdrücke einzeln oder gruppenweise gegenüber und suche nach dem Bedeutungsunterschied. So ergibt sich folgende Tabelle:
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Neben der bereits oben erwähnten Erkenntnis, dass sich die Bedeutung eines Einzelausdrucks im Ergebnis als Bündel semantisch distinktiver Merkmale (sog. Semem) mit nun hinzukommenden jeweiligen Vorzeichen darstellt, gewinnen wir eine weitere Einsicht: Der Verband an semantisch ähnlichen Ausdrücken - hier das Wortfeld „Gewässer“ –scheint durch diese distinktiven Merkmale strukturiert zu sein.[15]
Zur Veranschaulichung soll die folgende Matrix[16] dienen:
[...]
[1] vgl. Bierwisch S. 657
[2] vgl.Trier S. 3
[3] vgl.Trier aaO
[4] vgl. Zusammenfassung bei Leisi auf S. 16
[5] weitere Nachweise bei Bierwisch S. 657 f.
[6] vgl.Linke S. 147
[7] vgl.Linke aaO mit weiteren strukturalistischen Charakteristika
[8] vgl. zu diesem Abschnitt Bierwisch S. 658
[9] Bierwisch S. 657 ff. verwendet noch den Begriff „Strukturelle Semantik“
[10] vgl. Linke S. 139
[11] vgl. hierzu Schwarz/Chur S. 117
[12] vgl. Linke S. 146
[13] vgl. zu B. 3. bis hierhin Schwarz/Chur S. 38
[14] Schema aus Linke S. 146
[15] vgl. Linke aaO
[16] vgl. Bierwisch S. 659
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