Wilhelm Meisters Lehrjahre - Wilhelms Hamlet-Interpretation: Denkweise, Gehalt, Funktion im Roman


Seminararbeit, 1998

15 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Wirkungsgeschichte von Shakespeares Hamlet in Deutschland

2. Wilhelms Hamlet -Interpretation: Denkweise, Gehalt, Funktion im Roman
2.1. Goethes Verhältnis zur Shakespearschen Dichtung
2.1.1. Goethes Begeisterung für Shakespeare
2.1.2. Hamlet -Aufführungen unter Goethes Leitung
2.2. Denkweise und Gehalt von Wilhelms Hamlet -Interpretation
2.2.1. Geistige Haltung von Wilhelms Hamlet -Interpretation
2.2.2. Hamlet als Teil von Wilhelms Entwicklung
2.3. Funktion von Wilhelms Hamlet -Interpretation im Roman
2.3.1. Die Inszenierung des Hamlet als Wendepunkt in Wilhelms Entwicklung
2.3.2. Wilhelms Hamlet -Inszenierung als Zentrum in Wilhelm Meisters Lehrjahre

3. Die Hamlet-Inszenierung ist Höhepunkt für den Theater- wie den Bildungsroman Wilhelm Meisters Lehrjahre

Literaturverzeichnis

1. Wirkungsgeschichte von Shakespeares Hamlet in Deutschland

Hamlet ist mit rund 4000 Zeilen das längste Drama Shakespeares, es ist das erste der sogenannten großen Tragödien Shakespeares und bezeichnete eine Wende in Shakespeares Schaffen.

Englische Komödianten führten im Jahre 1626 Der Bestrafte Brudermord oder : Prinz Hamlet aus Daennmark, eine veränderte Fassung des Hamlet -Dramas in Deutschland auf, worin groteske Hanswurstiaden eingearbeitet waren, die das Drama lustspielmäßig verzerrten[1]. Die Wirkungsgeschichte Hamlets im deutschsprachigen Raum begann mit der Wiener Erstaufführung am 16.01.1773. Die Übersetzung stammte von Wieland sie lag auch der Bearbeitung Ludwig Schröder zugrunde, in der Hamlet am Leben bleibt und König wird. Am 20 Februar 1776 in Hamburg erstaufgeführt, löste sie eine lang anhaltende Phase der Begeisterung für den empfindsamen Hamlet aus. Der schwermütige Held, der schließlich alle Schwierigkeiten meistert, bot in dieser Form Identifikationspotential, die Vielschichtigkeit von Hamlets Charakter fordert den Zuschauer auf, sich mit seiner Person zu befassen.

Die leidende, melancholisch gestimmte Bevölkerung wollte genau diesen Schluß sehen, um für Ihre eigene Situation Hoffnung schöpfen zu können. Deutschland war zu dieser Zeit keine Nation mit gemeinsamem Kulturgut, sondern eine Anhäufung von Einzelstaaten, die autokratisch regiert wurden. Die Starrheit der Regierungssysteme ohne Beteiligungsmöglichkeit der Bürger ließ einfache Leute wie Intellektuelle politikmüde werden, so daß sie ihre Aufmerksamkeit auf andere Inhalte lenkten, vor allem auf die Literatur. So entwickelte sich geradezu ein „Hamletfieber“: „Gerade in Hamlets schwermütigen Monologen erkannten viele ihren eigenen Gemütszustand wieder“[2]

Die Schrödersche Bearbeitung feierte große Erfolge, wohl weil der veränderte Schluß die „poetische Gerechtigkeit“[3] berücksichtigte, die das Publikum forderte, aus Hamlet wurde so ein nachahmenswertes Vorbild. Man kann Schröder keinen Vorwurf machen, daß er sich bei der Bühnenbearbeitung des Hamlet dem Volksgeschmack unterwarf; die Zeit verlangte „brave Familienstücke“ und sogar Goethe „schrieb im Aufsatz Shakespeare und kein Ende, es sei ein „Vorurteil, das sich in Deutschland eingeschlichen habe, daß man Shakespeare auf der deutschen Bühne Wort für Wort aufführen müsse“[4].

2. Wilhelms Hamlet - Interpretation: Denkweise, Gehalt, Funktion im Roman

2.1. Goethes Verhältnis zur Shakespearschen Dichtung

2.1.1. Goethes Begeisterung für Shakespeare

Goethe lernte Shakespeares Werke schon in jungen Jahren kennen. Seine ersten Kontakte mit Shakespearscher Dichtung hatte er in seiner Leipziger Zeit, als er, vermutlich 1766, den Band "The Beauties of Shakespeare, regularly selected from each play" von William Dodd kennenlernte[5]. Dieses 1752 erschienene Werk gab ausgewählte Auszüge nach Werken geordnet aus Shakespeares Schaffen wieder. Schon damals entwickelte der junge Goethe großes Interesse für den englischen Dichter. Später gab Wieland Übersetzungen heraus, die durchweg in Prosa gehalten waren. Goethe schreibt dazu im elften Buch von Dichtung und Wahrheit:

"Nun erschien Wielands Übersetzung. Sie ward verschlungen, Freunden und Bekannten mitgeteilt und empfohlen [...] Shakespeare, prosaisch übersetzt, erst durch Wieland, dann durch Eschenburg, konnte als eine allgemeinverständliche und jedem Leser gemäße Lektüre sich schnell verbreiten und große Wirkung hervorbringen. Ich ehre den Rhythmus wie den Reim, wodurch Poesie erst zur Poesie wird aber das eigentlich tief und gründlich Wirksame, das wahrhaftig Ausbildende und Fördernde ist dasjenige, was vom Dichter übrigbleibt, wenn er in Prosa übersetzt wird [...]"[6].

Aus anfänglichem Interesse wurde schnell Bewunderung für den englischen Dramaturgen, den Goethe ein Leben lang verehrte. Zu einer „vertieften Auffassung der Kunst des Shakespearschen Dramas in all seinen Seiten“[7] kam Goethe durch Herder. So war es auch nicht weiter verwunderlich, daß Goethe shakespearsche Elemente auch in seine Literatur einfließen ließ. Die scharfe Kritik Herders, daß Shakespeare Goethe ganz und gar verdorben habe veranlaßte diesen allerdings, den „Urgötz“ umzuarbeiten und in eine weniger dramatische Form zu gießen.

In den „Lehrjahren“ bringt Goethe durch die Figur des Wilhelm seine Shakespeare-Begeisterung zum Ausdruck. „Haben Sie denn niemals, sagte Jarno, indem er ihn beiseite nahm, ein Stück von Shakespearen gesehen?“ [192]. Jarno nimmt ihn beiseite, als wäre es peinlich, als solle es keiner hören, daß Wilhelm noch nie mit den Werken des englischen Dichters in Kontakt gekommen ist. Der hat zwar schon etwas „von jenen Stücken gehört“ [192], das hat ihn aber “nicht neugierig gemacht, solche seltsame Ungeheuer näher kennen zu lernen, die über alle Wahrscheinlichkeit, allen Wohlstand hinauszuschreiten scheinen“ [192]. Jarno legt ihm die Lektüre nahe, um „in die Zauberlaterne dieser unbekannten Welt sehen“ [192] zu können. Meister überwindet seine Vorurteile und fängt an zu lesen, dabei begeistert er sich derartig für Shakespeares Werke, daß er die Welt um sich herum fast völlig vergißt. „In einem der hintersten Zimmer verschlossen, wozu nur Mignon und der Harfner Zutritt gerne verstattet wurde, lebte und webte er in der Shakespearschen Welt, so daß er außer sich nichts kannte noch empfand“ [198].

2.1.2. Hamlet -Aufführungen unter Goethes Leitung

In den Jahren 1791 bis 1817 war Goethe Leiter des neu gegründeten Weimarer Hoftheaters, immer wieder führte er dort auch Stücke von Shakespeare auf. Am 28. Januar 1792 inszeniert er Hamlet nach der Übersetzung Eschenburgs. Die Diskussion über Hamlet In Wilhelm Meisters Lehrjahren reflektiert sehr deutlich die Probleme des Theaterdirektors Goethe. Auch er ist, wie Wilhelm im Stück, gezwungen, einige Personen des Dramas zu kürzen, einige Szenen zu vereinfachen oder umzuschreiben:

"Gestrichen wurden einige Hofleute, ein Hauptmann, ein Gesandter, der Bediente des Polonius, aber auch

Fortinbras, d. h. Goethe unterdrückte gleich Schröder die ganze letzte Szene".[8]

Im Jahre 1795 gibt Goethe erneut eine Aufführung des Hamlet. Diesmal wählte er die zweite, sechsaktige Bearbeitung Schröders aus dem Jahre 1777, die die Person des Laertes und die Totengräberszene, die in der ersten Umarbeitung fehlten, wieder enthielt. Eben zu dieser Zeit arbeitet er am vierten und fünften Buch von Wilhelm Meisters Lehrjahre [n], wo der Konflikt zwischen Wilhelm und Serlo ausgetragen wird, was man denn nun bei der Aufführung kürzen dürfe, ohne den Sinn zu entstellen. Die Forderungen, die Wilhelm gegenüber Serlo vertritt, kann Goethe aus Rücksicht auf Gegebenheiten der Bühne in seiner Aufführung nicht alle verwirklichen. Er zieht zum Beispiel Güldenstern und Rosenkranz zu einer Person zusammen[9], wogegen Wilhelm Meister im Stück heftig protestiert:

"Ferner hatte Wilhelm in seinem Stücke die beiden Rollen von Rosenkranz und Güldenstern stehen lassen. Warum haben Sie diese nicht in eine verbunden? fragte Serlo; diese Abbreviatur ist doch so leicht gemacht. Gott bewahre mich vor solchen Verkürzungen, die zugleich Sinn und Wirkung aufheben! versetzte Wilhelm. Das was diese beiden Menschen sind und tun, kann nicht durch einen vorgestellt werden“[322].

[...]


[1] Vgl. Ermann, Kurt: Goethes Shakespeare-Bild. Tübingen. 1983. 140.

[2] Ermann. 143.

[3] Ermann. 146.

[4] Ermann. 148.

[5] Schöffler, Herbert: Shakespeare und der junge Goethe, . ShJb 76. Zum Shäkespears Tag 1771. Hrsg. mit Geleitwort von E. Beutler. 1938. 11.

[6] Schöffler. 11.

[7] Schöffler. 12.

[8] Deetjen, Werner: Shakespeare-Aufführungen unter Goethes Leitung, ShJb 68. Hrsg. Keller, Wolfgang. Leipzig. 1932. 15.

[9] Deetjen. 17.

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Wilhelm Meisters Lehrjahre - Wilhelms Hamlet-Interpretation: Denkweise, Gehalt, Funktion im Roman
Hochschule
Universität Regensburg  (Institut für Germanistik)
Veranstaltung
Proseminar
Note
2,0
Autor
Jahr
1998
Seiten
15
Katalognummer
V48896
ISBN (eBook)
9783638454759
Dateigröße
375 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Wilhelm, Meisters, Lehrjahre, Wilhelms, Hamlet-Interpretation, Denkweise, Gehalt, Funktion, Roman, Proseminar
Arbeit zitieren
M.A. Erwin Maier (Autor:in), 1998, Wilhelm Meisters Lehrjahre - Wilhelms Hamlet-Interpretation: Denkweise, Gehalt, Funktion im Roman, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/48896

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