Das Interventionskonzept von Dan Olweus: Ein Programm zur Minderung aggressiven Verhaltens von Schülern


Hausarbeit (Hauptseminar), 2004

24 Seiten, Note: 1,5


Leseprobe


Inhalt

1. Einleitung

2. Ziele und Schlüsselprinzipien des Programmes

3. Maßnahmen auf der Schulebene
3.1 Pausenaufsicht
3.2 Kontakttelefon
3.3 Kooperation der Lehrkräfte und Eltern
3.4 Lehrergruppen zur Entwicklung des sozialen Milieus an der Schule
3.5 Arbeitsgruppen der Elternbeiräte

4. Maßnahmen auf der Klassenebene
4.1 Klassen- und Konsequenzregeln gegen Gewalt
4.2 Regelmäßige Klassengespräche
4.3 Weitere Maßnahmen auf der Klassenebene

5. Maßnahmen auf der individuellen Ebene
5.1 Gespräche mit „Mobbern“ und ihren Eltern
5.2 Gespräche mit „Gemobbten“ und ihren Eltern

6. Evaluation des Programmes

7. Pilotstudie zu einer komprimierten Umsetzung des Programmes von Olweus durch Nolting und Knopf
7.1 Inhalte
7.2 Erste Auswertung

8 . Fazit

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Anschluss an eine umfangreiche Längsschnittuntersuchung zum Thema „Gewalt an der Schule“ entwickelte der norwegische Psychologe Dan Olweus Ende der 80er Jahre ein inzwischen international bekanntes, schulumfassendes Interventionsprogramm zur Minderung aggressiven Verhaltens. Es handelt sich bei diesem Programm um eines der Wenigen, deren Wirkung gründlich überprüft wurde. Die Interventionsmaßnahmen erfolgen auf drei Ebenen: Schule, Klasse und Individuum. „Im Gegensatz zu vielen anderen Programmen setzt sich Olweus nicht nur mit den ‘Tätern‘ auseinander, sondern analysiert detailliert die Interaktion zwischen Gewalttätern und – opfern, sowie den Einfluss der Lehrer und Eltern“ (Veerbeck und Petermann 1999, S.136).

In einem Projekt führten Hanewinkel und Knaack das Programm 1999 an 47 schleswig- holsteinischen (Grund- und weiterführenden) Schulen durch. Sie ergänzten ihre Ausführungen mit einer inhaltlichen Ausfüllung der Maßnahmen, die bei Olweus z.T. sparsam getroffen werden und evaluierten die Wirksamkeit des Programmes gründlich.

Im Folgenden werde ich zunächst Zielsetzung des Interventionsprogramms nach Olweus aufzeigen. Später werde ich die Inhalte und die theoretische Fundierung des Programmes sowie die Evaluationsergebnisse darstellen, wobei ich die Umsetzung und Evaluation von Hanewinkel und Knaack einbeziehen werde. In einem Unterpunkt werde ich eine Pilotstudie von Nolting und Knopf (1997) zur stark komprimierten Umsetzung des Interventionskonzepts vorstellen. Abschließend werde ich das Programm bezüglich seiner Wirksamkeit und Möglichkeiten des Einsatzes in der Schule diskutieren.

Zum Verständnis der weiteren Ausführungen soll vorab Olweus` Definition von aggressivem Verhalten geklärt werden:

Er definiert aggressives Verhalten mit der Verwendung der Begriffe „mobben“ und „Gewalttätigkeit“: „Ein Schüler oder eine Schülerin ist Gewalt ausgesetzt oder wird gemobbt, wenn er oder sie wiederholt und über eine längere Zeit den negativen Handlungen eines oder mehrerer anderer Schüler oder Schülerinnen ausgesetzt ist“ (Olweus 2002, S.22). Unter ‘negativen Handlungen‘ versteht er im Grunde die von mir verwendete Definition zum aggressiven Verhalten: Jemandem wird absichtlich eine Verletzung oder Unannehmlichkeit zugefügt. Dies kann verbal, physisch oder non-verbal geschehen (vgl. ebd.). Olweus geht vom Begriff „bullying“ aus, d.h. er spricht von negativen Handlungen, die wiederholt und über eine längere Zeit ausgeführt werden. Auch muss ein „Ungleichgewicht der Kräfte“ (vgl. ebd., S.23) vorliegen.

2. Ziele und Schlüsselprinzipien des Programmes

Als Ausgangspunkt seiner Zielsetzung nennt Olweus fundamentale demokratische Grundsätze: Er meint, dass jeder einzelne das Recht haben sollte, frei von Bedrängnis und wiederholter absichtlicher Erniedrigung sowohl in der Schule als auch in der Gesellschaft zu leben (vgl. Olweus 2002, S.56).

Mit seinem Interventionsprogramm zielt Dan Olweus darauf ab,

„sowohl unmittelbare (offene körperliche oder verbale Attacken) als auch mittelbare Gewalt (soziale Isolierung, Untergraben des Selbstvertrauens) zu vermindern /oder verhindern)

bessere Beziehungen zwischen Gleichaltrigen in der Schule herzustellen

Bedingungen zu schaffen, den Opfern wie Gewalttätern ein besseres Zurechtkommen innerhalb und außerhalb der schulischen Umgebung ermöglichen“ (ebd., S.9). Dabei wird eine Steigerung ihrer sozialen Kompetenz angestrebt.

Auch nennt Olweus vier Unterziele:

Das Bewusstsein für das Gewalttäter-/ Gewaltopfer- Problem soll geschaffen und neue Erkenntnisse sollen gewonnen werden.

Die aktive Beteiligung der Lehrerschaft und der Eltern soll erreicht werden. Sie sollen den Schülern vor allem vermitteln, dass Gewalttätigkeit nicht akzeptiert wird.

Klare Regeln gegen Gewalt sollen entwickelt werden.

Den Opfern soll Schutz und Unterstützung gewährt werden (vgl. ebd., S.113/114).

Um die Ziele erreichen zu können, sollten zwei allgemeine Bedingungen erfüllt sein: Zum einen sollten sich Eltern und Lehrer des Ausmaßes aggressiven Verhaltens an der Schule bewusst sein („Problembewusstsein und Betroffen- Sein“) und zum anderen müssen sie beschließen, sich ernsthaft für die Änderung der Situation ein zu setzen (vgl. ebd., S.45). Diese Bedingungen sind für Olweus elementar, da er in seinen Erhebungen herausfand, dass Lehrer verhältnismäßig wenig unternehmen um Mobbing in der Schule zu stoppen. Auch wird oft weder in der Schule noch zuhause über „bullying“ gesprochen (vgl. ebd., S.31/32).

„Auf der Grundlage entwicklungspsychologischer Befunde und Ergebnisse von Interventionsstudien zum Abbau von aggressivem Verhalten betont Olweus vier Schlüsselprinzipien, die eine Schulumwelt kennzeichnen sollten:

Wärme und positive Anteilnahme von Erwachsenen,

feste Grenzen gegenüber inakzeptablen Verhaltensweisen,

konsequente Grenzen bei Grenzüberschreitung und Regelverstößen

Erwachsene als Autorität im Sinne des autoritativen (nicht autoritären) Erziehungsmodells“ (Verbeeck und Petermann 1999, S.136).

Diese Schlüsselprinzipien beruhen auf Annahmen zu lerntheoretischen und sozialen Aspekten aggressiven Verhaltens.

Sie sind Ausgangspunkt für spezielle Maßnahmen, die auf den eingangs erwähnten drei Ebenen ergriffen werden.

3. Maßnahmen auf der Schulebene

Die Zielgruppe auf der Schulebene ist grundsätzlich die gesamte Schülerschaft der Schule. Die Maßnahmen konzentrieren sich nicht allein auf die Schüler, die als Täter und Opfer sind, denn „...60 bis 70 Prozent der Schulkinder... [sind] überhaupt nicht an gewalttätigen Handlungen beteiligt..., und zwar weder als Opfer noch als Täter. Diese Gruppe kann wesentlich dazu beitragen, der Gewalt in der Schule entgegenzuwirken“ (Olweus 2002, S.28).

Der Start des Programmes erfolgt in drei Schritten auf der Schulebene:

1. Fragebogenerhebung

Zunächst wird der Ist- Stand des aggressiven Verhaltens der jeweiligen Schule mit Hilfe eines Schülerfragebogens ermittelt. Es handelt sich dabei um eine anonyme Erhebung, die die Ausgangsbasis für alle weiteren Maßnahmen bildet und besondere Bedeutung für die Erzeugung eines differenzierten Problembewusstseins aller Beteiligten hat. Der Fragebogen liefert Erkenntnisse über das Ausmaß aggressiven Verhaltens in der Schule, die Häufigkeit des Eingreifens der Lehrer und den Grad des Problembewusstseins, das Eltern vom Verhalten und den Erfahrungen ihrer Kinder in der Schule haben.

2. Pädagogischer Tag

Die Ergebnisse der Fragebogenerhebung werden an diesem Tag ausführlich vorgestellt und erörtert. Außer dem Schulleiter und allen Lehrkräften sollten auch Schulpsychologen sowie Vertreter des Schulelternrates und der Schüler anwesend sein. Nach der Erörterung der Ergebnisse soll ein langfristiger Handlungsplan für die jeweilige Schule aufgestellt werden. Dabei kann der Schwerpunkt je nach Schulsituation auf bestimmte Maßnahmen des Interventionsprogrammes gesetzt werden.

3. Schulkonferenz

Im Anschluss an die Ergebnisse des Pädagogischen Tages sollte eine Schulkonferenz stattfinden, die einen Beschluss zur Durchführung des Interventionsprogrammes herbeiführt (vgl. Olweus 2002, S.74). „Durch die Schulkonferenz gelingt es, ein gewisses Ausmaß an gemeinschaftlicher Verpflichtung gegenüber und Verantwortung für das gewählte Programm herzustellen. Außerdem wird eine breite Information, die zur Beteiligung aller Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte und Eltern einlädt, gesichert“ (ebd.).

3.1 Pausenaufsicht

In seinen Erhebungen der 80er Jahre fand Olweus heraus, dass aggressives Verhalten hauptsächlich in der Schule, also auf dem Schulhof, auf den Fluren und im Klassenraum stattfindet. Er stellte fest, dass es weniger aggressives Verhalten in den Schulen gibt, „... die eine ziemlich hohe „Lehrerdichte“ während der Pausen und der Essenszeit haben“ (Olweus 2002, S.75). Hanewinkel und Knaack (1999) empfehlen zunächst eine Schwachstellenanalyse des Schulgeländes um „Aufsichtslöcher“ zu entdecken und einen Änderungsplan zu erstellen.

Es reicht nicht aus, dass Lehrkräfte während der Pause vermehrt anwesend sind. Sie müssen entschlossen sein, „... in Gewaltsituationen schnell und entschlossen einzugreifen- auch in Situationen, in denen nur der Verdacht besteht, daß Gewalt stattfindet“ (ebd.). Dabei soll ein konsequentes und entschlossenes Eingreifen signalisieren, dass aggressives Verhalten nicht geduldet sowie dass auf der Seite des Opfers gestanden wird, wodurch die Regelarbeit auf der Klassenebene ergänzt wird. Ein Nicht- Eingreifen signalisiert eine stille Billigung, was dem Täter zeigt, dass er fortfahren kann ohne mit negativen Konsequenzen für sein aggressives Verhalten rechnen zu müssen. An dieser Stelle greift Olweus auf lerntheoretische Erkenntnisse zurück. Passiven Zuschauern wird von Vornherein die Motivation genommen, sich auf die Seite des Täters zu stellen oder selbst Gewalt aus zu üben (vgl. Melzer u.a. 2004, S.234). Besonders für die Grundschule hat sich eine zeitlich begrenzte Aus-Zeit-Regelung bei leichten Verstößen als Warnsignal bewährt (vgl. Hanewinkel und Knaack 1999, S.14). Informationen über die Zwischenfälle sollen von den aufsichtführenden Personen an den Klassenlehrer weitergegeben werden, denn „... auf diese Weise können Gewalttendenzen entdeckt und in einem frühen Stadium bekämpft werden“ (Olweus 2002, S.76).

3.2 Kontakttelefon

Olweus fand in seinen Untersuchungen heraus, dass Opfer aggressiven Verhaltens oft unsicher und ängstlich sind, wodurch sie oft Hemmungen haben von ihrer Situation zu erzählen. Eine Vertrauensperson der Schule ( Lehrkraft oder Schulpsychologe) sollte deshalb einige Stunden in der Woche Anrufe von Schülern entgegennehmen, die in ihrer Situation anonym bleiben möchten. Die Hauptaufgabe der Kontaktperson liegt darin, Beistand zu leisten und zu versuchen, sich ein Bild von der Situation zu machen. Der Anrufer sollte zu weiteren Anrufen ermutigt und auf lange Sicht zu einem persönlichen Gespräch, einem Gespräch mit der Lehrkraft oder einer selbständigen Klärung motiviert werden. Olweus empfindet es als sehr wichtig, dass die Kontaktperson den Sachverhalt so lange verfolgt, bis sichere Anzeichen vorliegen, dass das Problem gelöst oder auf dem Weg zur Lösung ist (vgl. Olweus 2002, S.77).

[...]

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Das Interventionskonzept von Dan Olweus: Ein Programm zur Minderung aggressiven Verhaltens von Schülern
Hochschule
Universität Lüneburg  (Institut für Psychologie)
Note
1,5
Autor
Jahr
2004
Seiten
24
Katalognummer
V52501
ISBN (eBook)
9783638482028
ISBN (Buch)
9783638662192
Dateigröße
2305 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interventionskonzept, Olweus, Programm, Minderung, Verhaltens, Schülern
Arbeit zitieren
Isabell Kallis (Autor:in), 2004, Das Interventionskonzept von Dan Olweus: Ein Programm zur Minderung aggressiven Verhaltens von Schülern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/52501

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