Text und Kontext: H.M. Enzensbergers 'Landessprache'


Hausarbeit, 2006

23 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Gliederung

I. Enzensberger in der Interkulturellen Germanistik

II. Landessprache
a. Inhalt und Aufbau
b. Thematische Gliederung
c. Sprachliche Besonderheiten

III. Bildzeitung
a. Inhalt und Aufbau
b. Thematische Gliederung
c. Sprachliche Besonderheiten

IV. Vergleich der beiden Texte

V. Enzensberger als Gesellschafts- und Medienkritiker

VI. Literaturverzeichnis
a. Primärliteratur
b. Sekundärliteratur

I. Enzensberger in der Interkulturellen Germanistik

Enzensberger zählt unumstritten zu den wichtigsten und bekanntesten Schriftstellern der deutschen zeitgenössischen Literatur- und Kulturgeschichte. „Nicht nur als Lyriker […], sondern auch als Herausgeber von Zeitschriften […], einer besonderen Buchreihe („Die andere Bibliothek“) oder von Anthropologien […], als Essayist, der seine Gedanken nicht allein auf deutsche Angelegenheiten beschränkt, als Übersetzer, der mehrere europäische Sprachen perfekt beherrscht und viele bedeutende ausländische Schriftsteller […] dem deutschsprachigen Publikum bekannt gemacht hat und als Dramatiker, Romanschreiber, Kinderbuch- und Drehbuchautor spielte und spielt er immer noch eine wichtige Rolle in der Bundesrepublik und auch in Europa.“1 Diese Vielfalt zeichnet Enzensberger aus und macht ihn so interessant für die Interkulturelle Germanistik. Vor allem sein Gedicht „Landessprache“ behandelt kulturell wichtige Themen, wie die Veränderung der deutschen Gesellschaft nach dem Zweiten Weltkrieg oder der wirtschaftliche Wandel Deutschlands durch das Wirtschaftswunder. Des Weiteren verwendet Enzensberger auch volkstümliche Elemente, wie zum Beispiel Märchen, Volkslieder oder Zitate anderer bekannter deutscher Dichter. Aber auch anderssprachige Autoren und

1 aus: Kang, Tae-Ho: Poesie als Kritik und Selbstkritik – Hans Magnus Enzensbergers negative Poetik, Dissertation der Bergischen Universität – Gesamthochschule Wuppertal, Wuppertal 2002, S. 1

Zitate finden ihren Platz in Enzensbergers Gedichten, was das seinen hohen Stellenwert in der Interkulturellen Germanistik erklärt.

Die vorliegende Arbeit über den Medien- und Gesellschaftskritiker Hans Magnus Enzensberger soll sich hauptsächlich mit den frühen Gedichten des Schriftstellers beschäftigen. Somit soll vor allem auf die Werke „Landessprache“ und „Bildzeitung“ eingegangen werden, anhand deren Analyse die Aspekte der Kritik an der deutschen Gesellschaft und an den Medien (vor allem an der Bildzeitung) herausgearbeitet werden. Anschließend wird in einem Gedichtvergleich auf die Besonderheiten der beiden Gedichte eingegangen werden, bevor zum Abschluss dieser Arbeit noch einmal auf die kritische Funktion Enzensbergers anhand anderer Texte hingewiesen wird.

II. Landessprache

Das Gedicht „Landessprache“ wurde 1960 herausgegeben und ist eines der ersten veröffentlichten Werke Enzensbergers, das in der gleichnamigen Gedichtbandsammlung 1963 erschienen ist. Enzensberger versucht in diesem Gedicht, „[…] die gesellschaftlichen Widersprüche und Missstände detaillierter und präziser zu fassen […]“2, als in seinen vorherigen

2aus: Preuße, Holger-Heinrich, Der politische Literat Hans Magnus Enzensberger, Politische und gesellschaftliche Aspekte seiner Literatur und Publizistik. In: Europäische Hochschulschriften, Reihe 1: Deutsche Sprache und Literatur, Band 1164. Frankfurt am Main, 1989, S.49.

Werken. Er „[…] drückt seinen Zweifel am Sinn einer Gesellschaft aus, die außer materiellem Wohlstand, außer einem „blühenden Boom“ kaum eine andere Wertvorstellung zu entwickeln und zu verwirklichen scheint […]“.3

a) Inhalt und Aufbau:

Das Gedicht gliedert sich insgesamt in 20 Abschnitte4. Im ersten Abschnitt (Z. 10-17) wird die Frage gestellt, warum der Autor noch in diesem Land ansässig sei, welches ihm nicht gefiele. Er beschreibt seine Heimat als eine „nette, zufriedene Grube“ (Z. 17), in der er sich zwar befinde, sich aber nicht wohl fühle. Im zweiten Abschnitt (Z. 19-43) beschreibt der Erzähler die Gegebenheiten in seiner Heimat genauer. So berichtet er von Wohlstand, der die Leute zwar aufstreben ließe, aber das Land nicht vorwärts bringe. Auch das Wirtschaftswunder (Z. 29), sozialistische Ziele (Z. 34/35) und der Glaube (Z. 41) hülfen nach Meinung des Autors nicht, das Land weiter nach vorne zu bringen und sich weiter entwickeln zu lassen, sondern dienten nur als Illusion. In diesen beiden Abschnitten wirken Enzensbergers Worte als „[…] sarkastische Anklage […]“5 der gesellschaftlichen Zustände und des Spieß- und Kleinbürgertums. Im dritten Ab

3 Müller, Helmut L.: Die literarische Republik – Westdeutsche Schriftsteller und die Politik, Weinheim (u.a.) 1982, S. 237

4 alle folgenden Zeilen- und Seitenangaben beziehen sich auf den Reader vom SS 2005

5 aus: Eggers, Ingrid: Veränderungen des Literaturbegriffs im Werk von Hans Magnus Enzensberger, in: Analysen und Dokumente – Beiträge zur Neueren Literatur, Hg. Altenhofer, Norbert, Band 2, Frankfurt am Main, 1981, S. 38.

schnitt (Z. 45-49) wird von Korruption berichtet (Z. 48), die als Teil der Heimat hingenommen würde, was durch den Ausspruch „[…] das nehmen die Käufer in Kauf […]“ (Z. 47) verdeutlicht wird und auf „[…] das Verhältnis der Deutschen zu ihrer eigenen Vergangenheit als auch auf die aktuelle Situation in diesem Land […]“6 verweist.

Um eine nähere Beschreibung der Heimat geht es im vierten Abschnitt (Z. 51-56), in dem die Heimat als „arischer Schrotthaufen“ (Z. 52) bezeichnet wird. Dies ist die erste Anspielung auf die NS-Vergangenheit Deutschlands in diesem Text, wobei „[…] die Leute unfähig zur kritischen Beschäftigung vor den Verbrechen des Faschismus [stehen] […] und gleichsam [versuchen,] durch die Flucht in einen materialen Aktivismus die verdrängte Vergangenheit zu kompensieren […].7 Aus diesem „arischen Schrotthaufen“ und den Ruinen, die dieser in Deutschland hinterlassen hat, würden neue Ruinen gebaut werden. Damit könnte der Autor auf die Kurzlebigkeit der Neubauten nach dem 2. Weltkrieg anspielen. Kurz nach dem Krieg wurden neue Häuser aus den Trümmern der alten, zerbombten Häuser gebaut. Auch die Neubauten der DDR, die so genannten Plattenbauten, wurden zum Teil nach wenigen Jahren wieder abgerissen. Dies könnten die „Ruinen auf Vorrat“ (Z. 55) sein, von denen Enzensberger spricht. Im folgenden Abschnitt (Z. 59-66) verweist der Autor auf die Wi-

6 aus: Preuße, Holger-Heinrich, Der politische Literat Hans Magnus Enzensberger, Politische und gesellschaftliche Aspekte seiner Literatur und Publizistik, S. 51.

7 ebenda, S. 51.

dersprüchlichkeit des Verhaltens der Bevölkerung, denn er nennt den

Verbraucher verbrauchten Menschen (Z. 60), dem die Haare ausfielen (Z. 62) und der aus einer Grube schreie. Dieses Verhalten wird auch im nächsten Abschnitt (Z. 68-78) dargestellt. Hier würde die NS-Vergangenheit verdrängt und verschwiegen, während die Zukunft mit falschem Wohlstand (=falsche Zähne (Z. 71)) locke. Die Vergangenheit würde schnell und hastig verleugnet (Z. 69) werden, während der Reichtum gefeiert und geschützt würde (Z. 78). Diese Zeilen scheinen wiederum auf die Unfähigkeit der Menschen, mit dem Dilemma zwischen „[…] Vergangenheitsverdrängung und wiedererstarktem Kapitalismus […]“8 fertig zu werden. Der Autor kritisiert diese Verhaltensweisen im nachfolgenden Abschnitt (Z. 80-86), denn er bezeichnet die Menschen, die oben beschriebenes Verhalten aufweisen, als blind (Z. 80) und ihre Umwelt als unwirklich und als Traumwelt („tiefgefrorene Wildnis“ (Z. 83), „ewiger Frühling der Amnesie“ (Z. 86)). In den nächsten beiden Abschnitten (Z. 88-96 und Z. 98-102) drückt Enzensberger seine Trauer darüber aus, in diesem Land, das sich durch das Verhalten seiner Bürger von anderen Ländern unterscheidet, leben zu müssen und verweist auf die Menschen der Vergangenheit, die sich beim zeitgenössischen Umgang mit der Vergangenheit in ihren Gräbern umdrehen würden (Z. 91ff). Deshalb bemitleidet der Autor seine Mitbürger im folgenden Abschnitt (Z. 104-109), denn er be-

8 ebenda: S. 51.

schreibt seine Mitmenschen als Leute, die nur Arbeit und damit Wohlstand im Kopf hätten und nur nach Vorschriften lebten (Z. 109). In den folgenden beiden Abschnitten (Z. 111-114 und Z. 116-119) wird die Überlegung angestellt, dass alles anders wäre, wenn die Menschen in Deutschland anders denken würden. Dann wäre Deutschland kein „Nacht-und Nebelland“ (Z. 114), was sich darauf beziehen könnte, dass damals vieles heimlich und verdeckt gemacht wurde und vieles auch vergessen bzw. verdrängt wurde. Wenn dies nicht geschähe, dann würden sich viele Menschen auch wieder ihrer Wurzeln entsinnen (Z. 116) und sich nicht ihrer Vergangenheit schämen. Doch wäre dies alles möglich und herrschte in Deutschland „[…] Rat und Genugtuung […]“ (Z. 122), so der Autor im nächsten Abschnitt (Z. 121-123), dann wäre Deutschland kein „[…] brache[s], mundtote[s] Feindesland!“ (Z. 123). In den Zeilen 125 bis 142 beklagt Enzensberger abermals sein Dasein in diesem Land, welches seine Vergangenheit verdränge, im Wohlstand stecken bliebe und in dem er sich ausgestoßen fühle (Z. 133). Auch die Zerrissenheit Deutschlands durch die Teilung in zwei Hälften nach dem Zweiten Weltkrieg bedauert der Autor (Z. 141). Im folgenden Abschnitt (Z. 144-149) beschreibt er die Trennung Deutschlands in sich selbst, die von dem eigenen Volk begangen worden sei (Z. 145), als „[…] aufgetrenntes, inwendig geschiedenes Herz […]“ (Z. 147). Enzensberger spielt hier darauf an, dass „[…] die Teilung Deutschlands in zwei Staaten mit entgegengesetzten ideologischen Systemen als

[...]

Ende der Leseprobe aus 23 Seiten

Details

Titel
Text und Kontext: H.M. Enzensbergers 'Landessprache'
Hochschule
Universität Bayreuth
Veranstaltung
Proseminar
Note
1,7
Autor
Jahr
2006
Seiten
23
Katalognummer
V59615
ISBN (eBook)
9783638535038
ISBN (Buch)
9783638666831
Dateigröße
524 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Text, Kontext, Enzensbergers, Landessprache, Proseminar
Arbeit zitieren
Barbara Taschner (Autor:in), 2006, Text und Kontext: H.M. Enzensbergers 'Landessprache', München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/59615

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Text und Kontext: H.M. Enzensbergers 'Landessprache'



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden