Francophonie in Osteuropa


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

17 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Frankophonie im Wandel
II.1 Das neue Zauberwort: „Diversität“
II.2 Perspektivwechsel in der OIF

III. Frankophonie und Osteuropa
III.1 Geschichte und Mythos
III.2 Frankreichs Mythos im Sozialismus

IV. Frankophonie heute
IV.1 Wirtschaft und Politik
IV.2 Bildung
IV.3 Kultur und Medien

V. Ausblick

VI. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Jedes Jahr Ende Mai vollzieht sich in Europa seit mittlerweile 50 Jahren die gleiche Tradition: die Fernsehnationen sitzen vor dem Bildschirm und verfolgen gespannt den internationalen Gesangswettbewerb, den „Grand Prix d’Eurovision de la chanson“. Dass das bunte Treiben nicht nur einen hohen Unterhaltungsfaktor hat, sondern auch sprachpolitische Veränderungen innerhalb der europäischen Gemeinschaft reflektiert, wird jedoch nur sehr Wenigen bewusst. Dennoch gerade bei dem so beliebten Ritual der Punktevergabe wird es deutlich. Auf einmal ertönt es aus Bukarest „La France, 12 points“ oder aus Tirana „L’ex-république yougoslave de la Macédoine, 8 points“. Obwohl die Mehrheit der Gesangsbeiträge heute in englischer Sprache dargeboten werden, wird es hier deutlich: man spricht wieder Französisch, zumindest bei der offiziellen Punktevergabe. Dabei sind vor allem die ehemaligen sozialistischen Balkanrepubliken die Hauptakteure dieser Tendenz.

Doch warum ist dies so? Wäre es nicht viel praktischer für diese Nationen, sich auf Grund wirtschafts- und machtpolitischer Entwicklungen auf die anglophone Seite zu schlagen? Bringt es denn nicht mehr Vorteile mit sich, wenn auch die Rundfunk- und Fernsehanstalten der jeweiligen Länder als positives Beispiel vorangingen, sich modern präsentierten und bei der Übertragung eines internationalen Ereignisses Englisch sprächen?

Die vorliegende Arbeit soll sich mit der Frankophonie in Osteuropa beschäftigen. Wir wollen untersuchen, welchen Stellenwert die französische Sprache heute in Ländern wie Polen, Rumänien und der Republik Moldova hat? Bietet sie eine echte Alternative zum Englischen? Des Weiteren wollen wir der Frage nachgehen, welche Ziele diese Staaten mit dem Bekenntnis zur Frankophonie verfolgen? Dabei wollen wir uns nicht nur auf einen historischen Blickwinkel konzentrieren, sondern uns auch die Frage stellen, inwieweit Französisch in der heutigen Zeit in diesen Ländern präsent ist

II. Frankophonie im Wandel

II.1 Das neue Zauberwort: Diversität

Mit den weltweiten politischen Veränderungen zu Beginn der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts veränderte sich auch die Struktur innerhalb der Frankophonie. War die Frankophonie in ihrer ursprünglichen Form, als Summe der frankophonen Sprecher und Länder, von einer eher demo- und geolinguistischen Sichtweise, d.h. sprachlich-kulturellen Sichtweise geprägt, mutierte sie nun immer mehr vom sprachlichen hin zum politischen Netzwerk. Daher kann die Organisation Internationale de la Francophonie (OIF) nicht mehr nur als kulturelle Institution gesehen werden. Während sie ihren Ursprüngen vornehmlich der sprachlich-kulturellen Expansion Frankreichs mit all seinen Wertvorstellungen diente, prägten nun Begriffe wie Interkulturalität, Diversität und Pluralität die Frankophonie entscheidend. Der anfängliche polyzentristische Frankophoniediskurs wich zu Gunsten eines mehr und mehr internationalen Charakters, der trotz allem immer noch auf der Solidarität der frankophonen Länder aufbaute.[1]

Diese radikalen Veränderungen spiegelten sich auch auf dem fünften Gipfeltreffen der Staats- und Regierungschefs der Mitgliedsstaaten der OIF 1993 in Mauritius wider. Man forderte „L’unité dans la diversité“ und machte dies zum eigentlichen Motto der Konferenz.

Diese radikalen Veränderungen des Selbstbildnisses der Frankophonie resultieren jedoch nicht allein nur aus dem Wegfall des Eisernen Vorhanges und der darauf neu entstehenden politischen Weltlage. Bereits 1986 hatte der damalige französische Präsident François Mitterand die Frankophonie als offizielle Stütze der französischen Außenpolitik bezeichnet. Er sprach von einer „vision mondiale“, die vor allem auf „volonté organisée“ aufbauen sollte (zitiert in: Kolboom (2004): 17). Ein Resultat dieses Umschwunges in der außenpolitischen Haltung Frankreichs war die Gründung ein eigenes Ministerium für Kultur und Frankophonie. Somit wurde die nationale, französische Souveränität Frankreichs innerhalb der Frankophonieorganisation immer mehr zurückgebaut und zu Gunsten einer Vernetzung der Interessensgebiete der einzelnen frankophonen Mitgliedsstaaten aufgegeben. Man repräsentierte nun quasi eine Kulturregion mit wirtschaftlichen, technologischen Interessen, die sich zwar noch im Ansatz der Pflege der französischen Sprache und der frankophonen Kultur verschrieb, sich jedoch mehr und mehr als „global player“ - als globalpolitischer Akteur - und gleichrangig mit anderen internationalen Organisationen[2] sah. Die Sprache, die ursprünglich als identitätsstiftendes Band fungierte, wurde mehr und mehr zur Nebensache.

II.2 Perspektivwechsel in der OIF

Wie wir bereits dargestellt haben, entwickelte sich die Frankophonie von einer anfänglichen kulturellen Idee, d.h. den frankophonen Raum zu repräsentieren, mehr und mehr zu einem internationalen Gefüge mit politischem Charakter. Diese Tendenz wird auch im inneren Aufbau der Organisation Internationale de la Francophonie mit Beginn der 1990er Jahre immer deutlicher. Mit dem Ende des Kalten Krieges beginnt gewissermaßen die Neusortierung der bis dahin in militärischen Blöcken fest gefügten Welt. Internationale Beziehungen müssen nun völlig neu definiert und initiiert werden. Die ehemaligen Ostblockstaaten wie Polen, Ungarn, Rumänien oder Bulgarien durchlaufen einen Demokratisierungsprozess und müssen sich an die veränderte weltpolitische Lage anpassen und nach neuen Verbündeten suchen. Mit dem Wegfall des Warschauer Paktes wuchs gleichzeitig der angloamerikanische Einfluss in der Welt. Diese Entwicklung wurde nicht nur in politischer, sondern auch in kultureller und sprachlicher Hinsicht deutlich. Frankreich verlor nicht nur mehr und mehr politischen Einfluss vor allem in Europa, sondern auch das Französische wurde als internationale Kommunikations- und Handelssprache durch das Englische immer mehr verdrängt.

Die Frankophonie sah sich folglich zum Handeln gezwungen. Wie bereits dargestellt, erkannte man schon frühzeitig, dass ein Perspektivwechsel von Nöten war. Durch die Aufnahme von ehemaligen sozialistischen Ländern, nicht primär frankophonen Ländern, verfolgte man gleich mehrere Ziele. Zum einen erreichte man nicht nur den Anschluss dieser Staaten an die europäische Gemeinschaft, sondern man konnte gleichzeitig auch neue wirtschaftliche und politische Beziehungen aufbauen.[3] Mit dem Beitritt zahlreicher mittel- und osteuropäischer Länder vergrößerte die OIF ihr Einflussgebiet und schuf sozusagen ein neues Gegengewicht zur US-amerikanischen Dominanz.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(Abb.1: Mittel- und osteuropäische Mitgliedstatten der OIF)

Betrachten wir die neuen Mitgliedsländer der Frankophonie, so stellen wir fest, dass man nicht mehr von einer internationalen Gemeinschaft, die durch eine gemeinsame Sprache verbunden ist, nicht mehr sprechen kann. Die Ausdehnung der OIF auf den faktisch nicht-frankophonen Raum stärkt zwar die Frankophonie nach außen, d.h. als politische Organisation, zerstört doch aber auch die innere Kohäsion und den Zusammenhalt, der ja ursprünglich auf einer gemeinsamen kulturellen Identität beruhte. Ingo Kolboom ist der Meinung, wenn osteuropäische Mitglieder intern darum bäten, die OIF -Dokumente in englischer Sprache an sie zu verschicken, gäbe es angesichts der Ziele der OIF ein Glaubwürdigkeitsproblem (Kolboom (2004): 25). Hier wird besonders deutlich, dass die Frankophonie angesichts der Globalisierung vor einer gewaltigen kulturellen Herausforderung steht. Sie muss sich zur internationalen Plattform für kleinere Staaten transformieren, die nicht mehr nur auf Grund einer gemeinsamen Sprache kooperieren, sondern vornehmlich wirtschafts- und außenpolitische Interessen an erste Stelle setzen. Mit dieser Entwicklung wird besonders deutlich, dass Pluralität und Diversität nicht nur in sprachlicher, sondern auch in politischer und wirtschaftlicher Hinsicht zu verstehen ist. Dies ist vor allem durch die stark differenzierten sprachpolitischen und sozialökonomischen Situationen der einzelnen Mitglieder bedingt.

III. Frankophonie und Osteuropa

Das nächste Kapitel widmet sich der Frankophonie in Osteuropa. Hier sollen vor allem die Gründe für den Beitritt zahlreicher mittel- und osteuropäischer Länder noch näher beleuchtet werden. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen vor allem die historischen Bindungen Frankreichs. Stellvertretend für einen sehr großen geographischen Raum soll besonders Bulgarien intensiver betrachtet werden.

III.1 Geschichte und Mythos

Um die Begeisterung für das Französische in Mittel- und Osteuropa zu verstehen, ist ein Blick in die Geschichte unumgänglich. Schon vor mehr als 150 Jahren entstand eine Art Frankophilie, die vor allem auf kulturelle Gründe zurückzuführen ist.

Bereits im 17. Jahrhundert begann der Siegeszug des Französischen als Weltsprache. (vgl. Stein (1999): 137). Das Modell des französischen Absolutismus und das Ancien Régime wurden zum Vorbild der europäischen Adligen. Überall in Europa wurde der Lebensstil Louis XIV. imitiert. Französisch wurde zur Universalsprache und löste das Lateinische ab, was fortan dem Klerus vorbehalten war. Dennoch muss bemerkt werden, dass die französische Sprache nur von einer kleinen elitären Schicht benutzt wurde. Sie war somit ein ausgeprägter Soziolekt, der die Zugehörigkeit zu einer gesellschaftlichen Schicht ausdrückte. Wir können folglich sagen, dass Französisch in Osteuropa vor allem im 18. Jahrhundert ein kulturelles Prestige ausdrückte.

[...]


[1] Vgl. hierzu auch Kolboom (2004): 16.

[2] Hier sind beispielsweise vor allem das Commonwealth of Nations, die G8-Staaten oder auch die Arabische Liga zu nennen.

[3] Vgl. hierzu auch: Schalhorn (2001): 32f.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Francophonie in Osteuropa
Hochschule
Universität Leipzig  (Institut für Romanistik)
Veranstaltung
Frankophonie in der 3. Welt
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
17
Katalognummer
V60349
ISBN (eBook)
9783638540506
ISBN (Buch)
9783656790341
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Das Hauptseminar war als als Veranstaltung für sowohl für Linguistik als auch Kulturstudien / Landeskunde ausgeschrieben und wendete sich an alle Romanistikstudenten.
Schlagworte
Francophonie, Osteuropa, Frankophonie, Welt
Arbeit zitieren
Constanze Ackermann (Autor:in), 2006, Francophonie in Osteuropa, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/60349

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