Handelsware Frau - Menschenhandel in der Bundesrepublik Deutschland


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

29 Seiten, Note: 14 P


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

A. Definition des Begriffs „Menschenhandel“
I. Definition im Sinne des StGB
II. Anderweitige Definitionen

B. Phänomenologie des Menschenhandels
I. Allgemeine Angaben
1. Das Delikt „Menschenhandel”
2. Lagedarstellung
II. Tatzeit
III. Tatort
IV. Tatopfer
1. Herkunft der Tatopfer
2. Geschlecht und Altersstruktur der Opfer
3. Ursachen, dass die Einzelne zum Opfer wird
4. Tathergang
V. Täter
1. Allgemeines
2. Tatverdächtigenzahlen und Aufteilung nach Geschlecht
3. Nationalität der Tatverdächtigen

C. Problematiken bei der Verfolgung und Bekämpfung des Menschenhandels
I. Erschwernisse im Ermittlungsverfahren
II. Probleme im Hauptverfahren

D. Schlußbetrachtung

Quellenverzeichnis

Einleitung

Auch heutzutage sind Prostitution und Menschenhandel noch oft tabuisierte Themen in Deutschland.

Dies ist insofern nicht erstaunlich, als kaum ein Mann freiwillig zugeben würde, dass er gelegentlich die Dienste von Prostituierten in Anspruch nimmt, geschweige denn, dass es sich bei diesen Frauen vielleicht um solche handeln könnte, die Opfer von Menschenhandel geworden sein könnten.

Und doch sind es täglich um die 1.000.000 Männer, die sich in Bordellen und Clubs „Liebe“ kaufen.[1]

In der Bundesrepublik Deutschland gibt es 60.000 offiziell registrierte Prostituierte. Schätzungen zufolge sind es allerdings um die 400.000 Frauen, die in unserem Land der Prostitution nachgehen.

Die Umsätze im Rotlichtmilieu werden auf 12 bis 70 Milliarden DM im Jahr geschätzt.[2] Dabei handelt es sich vor allem für die Zuhälter und Hintermänner um ein höchst lukratives Geschäft, denn die Frauen können nur einen Bruchteil ihres Verdienstes für sich behalten.

Die unser Europa mittlerweile offene Grenzen hat, wird es den Schleusern und Menschenhändlern dabei zunehmend einfacher gemacht, neue Frauen für ihre Bordelle nach Deutschland zu bringen. Sei es, dass sie heimlich in die Bundesrepublik einreisen, als Touristinnen begrenzte Visa besitzen oder dass sie kurz vor der Einreise einen Deutschen heiraten, sodass sie problemlos eine unbefristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis bekommen.

Im folgenden wird definiert, was in dieser Hausarbeit unter dem Begriff „Menschenhandel“ zu verstehen ist. Anschließend wird die Lage in der Bundesrepublik Deutschland und in Schleswig-Holstein und die diesbezügliche Bekämpfungssituation dargestellt.

Schleswig-Holstein spielt bei dieser Problematik als Ostseeanrainer und unmittelbares Nachbarland von Dänemark und Hamburg eine große Rolle, sowohl als Transitland, als auch als (vorübergehende) Endstation für die eingeschleusten Frauen.

Redet man von Menschenhandel, so ist der Begriff der Freiwilligkeit ein wichtiges Stichwort. Viele werden sagen, daß ein großer Teil der ausländischen Prostituierten freiwillig nach Deutschland gekommen seien und genau wußten, was sie hier erwartet. Sie hätten also die freie Entscheidung gehabt. Dabei ist aber diese Freiwilligkeit sehr kritisch zu sehen. In vielen Ländern auf unserer Welt herrscht eine große Armut, von der oft vor allem Frauen betroffen sind, da sie in diesen Ländern, zumindest in der Realität, nicht gleichberechtigt sind und somit noch seltener Arbeit finden als Männer.

Diese Frauen kommen nach Deutschland in der Hoffnung, daß es ihnen hier besser gehen wird, dafür nehmen sie auch die Aussicht auf eine Arbeit als Prostituierte in Kauf. Aber kann man diese Entscheidung freiwillig nennen? Ist es nicht fast wie die Wahl zwischen Pest und Cholera?

A. Definition des Begriffs „Menschenhandel“

Betrachtet man verschiedene Veröffentlichungen, die sich mit dem Thema „Menschenhandel“ befassen, so kann man feststellen, daß es verschiedene Auffassungen darüber gibt, was man unter diesem Begriff subsumieren sollte.

I. Definition im Sinne des StGB

Aufgenommen wurde der Straftatbestand des Menschenhandels 1973 in den 13. Abschnitt des StGB, in dem die Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst sind.

Erst durch das 26. Strafrechtsänderungsgesetz vom 14.07.1992 wurde der ursprüngliche § 181 StGB neugefaßt. Dabei war die alte Fassung u.a. dahingehend mangelhaft, daß das Opfer in seinem Heimatland noch nicht als Prostituierte hatte arbeiten dürfen.[3]

Nach der Neufassung wird nun zwischen den §§ 180b (Menschenhandel) und 181 (Schwerer Menschenhandel) unterschieden. Geschütztes Rechtsgut ist jeweils die persönliche Freiheit und die sexuelle Selbstbestimmung vor allem von Mädchen und Frauen, aber auch von Jungen und Männern, die aufgrund der Formulierung „Person“ ebenfalls integriert sind. Es soll erreicht werden, „ausländische wie deutsche Mädchen und Frauen von den mit der Prostitutionsausübung verbundenen Gefahren besser zu schützen“.[4] Neu ist nunmehr, dass es keine Rolle spielt, ob das Opfer schon im Heimatland der Prostitution nachgegangen ist. Ausschlaggebend ist, ob es z.B. über den Umfang der Prostitutionsausübung oder die Entlohnung getäuscht worden ist.

Während im § 180b StGB auf die Person, die zur Prostitution bestimmt werden soll, eingewirkt werden muss, etwa durch Überredung oder Versprechungen, muß für die tatbestandliche Verwirklichung des § 181 StGB: List, Gewalt oder die Drohung mit einem empfindlichen Übel angewandt werden.

In beiden Paragraphen spielt die Hilflosigkeit, die mit dem Aufenthalt in einem fremden Land verbunden ist, eine Rolle. Die Ausnutzung derselben ist aber nicht in sämtlichen Alternativen Voraussetzung für die Tatbestandsverwirklichung.

II. Anderweitige Definitionen

In verschiedenen Veröffentlichungen wird die Meinung vertreten, dass unter Menschenhandel entgegen der Regelung im StGB nicht nur der Handel von Frauen und theoretisch auch Männern in die Prostitution zu verstehen sei. Nach Ansicht der Verfasser fielen auch der Handel in die Ehe oder in meist illegale und ausbeuterische Arbeitsverhältnisse darunter. Auch den Handel mit Kindern für kinderlose Ehepaare könnte man dem Wort nach dem Menschenhandel zurechnen.[5]

Nach einer Resolution des Europäischen Parlaments vom 18. Januar 1996 ist unter Menschenhandel

Die illegale Handlung einer Person, die direkt oder indirekt einen Bürger oder eine Bürgerin eines dritten Landes dazu veranlaßt, in ein anderes Land einzureisen oder dort zu bleiben, um diesen Menschen durch Täuschung oder jede andere Art von Zwang oder durch Ausnutzung seiner verwundbaren Situation oder rechtlichen Stellung auszunutzen[6]

zu verstehen.

Da es zum einen den Rahmen der Hausarbeit sprengen würde und zum anderen nur Fallzahlen bezüglich der Definition nach dem StGB vorliegen, wird diese im folgenden einschlägig sein und der „moderne Sklavenhandel“ mit Arbeitskräften und der Handel in die Ehe (soweit dieser nicht in den Bereich der §§ 180b, 181 StGB fällt) vernachlässigt werden.

B. Phänomenologie des Menschenhandels

I. Allgemeine Angaben

1. Das Delikt „Menschenhandel”

Beim Menschenhandel handelt es sich um ein reines Kontrolldelikt. Meist können strafrechtliche Verstöße nur in dem Maße aufgedeckt werden, wie von Polizei, Ausländerbehörde und BGS Kontrollen in Bordellen und ähnlichen Etablissements durchgeführt werden.

Somit kann man von einem sehr hohen Dunkelfeld ausgehen, das heißt die jährlich veröffentlichten Zahlen in der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) oder dem Lagebild Menschenhandel, das vom BKA seit 1992 ebenfalls jährlich herausgegeben wird, entsprechen keineswegs der realen Lage in Deutschland. Der Viktimologe Baurmann spricht in diesem Zusammenhang von einem Verhältnis von 1 : 10 zwischen dem Hell- und Dunkelfeld.[7] Einige Stimmen reden sogar von einem noch größeren Dunkelfeld, welches zwanzigfach so hoch ist wie das Hellfeld.[8]

Ursächlich dafür sind mehrere Gründe: zum einen der rechtliche Status bzw. Nichtstatus der gehandelten Frauen. Diese befinden sich fast ausschließlich illegal in der Bundesrepublik. Die einen sind schon illegal eingereist.

Andere hingegen sind mit einem Touristenvisum eingereist, das aber in dem Augenblick seine Wirkung verliert, in dem die Frauen anfangen, als Prostituierte zu arbeiten. Weitere Frauen, die zwar eine Aufenthaltsgenehmigung haben, bekommen aber für die Arbeit als Prostituierte keine Arbeitserlaubnis.

Egal welcher der Fälle zutrifft, allen diesen Frauen droht das gleiche Schicksal, wenn sie bei der Prostitutionsausübung angetroffen werden: Die Aufforderung zur Ausreise oder die Ausweisung mit Wiedereinreiseverbot, wie im Ausländergesetz festgelegt ist.

Spätestens nach dem Hauptverfahren.

Warum also sollten diese Frauen freiwillig zur Polizei gehen, um Anzeige zu erstatten, wenn sie sich damit doch ihre Lebensgrundlage selbst zerstören würden. Denn Straftat hin oder her, einigen von den betroffenen Frauen geht es trotz der oft schlechten Lebensbedingungen in Deutschland immer noch besser, als vorher in ihrer Heimat.

Zum anderen haben viele Frauen Angst davor, zu Polizei zu gehen, da sie Repressalien durch ihre Zuhälter für sich oder ihre Familien fürchten, Angst davor haben, dass ihren Familien erzählt wird, welcher Arbeit sie nachgehen oder kein Vertrauen zur Polizei haben, da sie befürchten, dass diese ebenso korrupt sei, wie die Polizei in ihrem Heimatland.[9]

2. Lagedarstellung

Laut PKS des Jahres 1997 hat das Delikt „Menschenhandel” einen prozen-tualen Anteil an allen registrierten Straftaten von 0,0% mit einer aufklärungsquote von 92,8 %[10]. Dieser Anteil ist so verschwindend gering, dass man daraus schließen könnte, dass der Menschenhandel keinen nennenswerten persönlichen oder gesellschaftlichen Schaden verursacht. Dies ist aber nicht so. Für jedes Opfer stellt sich der Schaden als sehr schwerwiegend dar, selbst Jahre später kann es noch unter den Folgen der physischen oder psychischen Gewalteinwirkung leiden.[11] Aufgrund der Tatsache, dass der Menschenhandel einen Bestandteil der Organisierten Kriminalität darstellt, ist auch der gesamtgesellschaftliche Schaden nicht zu leugnen.[12]

[...]


[1] Rat für Kriminalitätsverhütung in Schleswig-Holstein, Konzepte zur Kriminalitätsverhütung, hier: Gewaltverhältnisse in der Prostitution/Frauenhandel, Kiel, 1997, S. 3.

[2] W. Flormann, Die Lebensader des Rotlichtmilieus – der internationale Frauenhandel, in: der kriminalist, 2/99, S. 50 (im folgenden angegeben als „a.a.O. (2.)“).

[3] L. Keidel, Menschenhandel als Phänomen Organisierter Kriminalität. Erscheinungsformen des weltweiten Handels mit der Ware Frau, in: Kriminalistik, 5/98, S. 321f.

4 W. Flormann, a.a.O. (2.), S. 50.

[5] B. Walter, Schlepper – Schleuser – Menschenhändler. Der grenzpolizeiliche Alltag an den deutschen Ostgrenzen, in: Kriminalistik, 7/98, S. 474.

6 EU-Resolution zum Menschenhandel, A4-0326/95, zitiert durch L. Keidel, a.a.O., S. 321.

[7] Ebenda, S. 324; nimmt Bezug auf: BM f. Familie, Frauen, Senioren und Jugend: Lehrgangskonzeption für die Polizei, Thema: Männl. Gewalt gegen Frauen, Teil A/II, S. 46.

[8] C. Langholz, Entwurf für das Referat und die Projektvorstellung am 24. Juni 1999 im Rahmen des Fachforums „Frauenhandel und Zwangsprostitution im Ostseeraum“, S. 6.

[9] C. Howe, Ausbeutung und Isolation im „Paradies“ Deutschland – Arbeits- und Lebensbedingungen gehandelter Frauen, in: Zwangsprostitution in Schleswig-Holstein. Handelsware Frau, Kiel, 1998, S. 21 und W. Flormann, a.a.O. (2.), S. 55.

[10] BKA, PKS 1997 (im folgenden angegeben als „a.a.O. (2.)“), Tabelle 01, Blatt 3, Teil 1.

[11] C. Langholz, a.a.O., S. 5.

[12] L. Keidel, a.a.O., S. 324.

Ende der Leseprobe aus 29 Seiten

Details

Titel
Handelsware Frau - Menschenhandel in der Bundesrepublik Deutschland
Hochschule
Hochschule RheinMain  (VFHS)
Note
14 P
Autor
Jahr
2002
Seiten
29
Katalognummer
V6187
ISBN (eBook)
9783638138192
Dateigröße
713 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Handelsware, Frau, Menschenhandel, Bundesrepublik, Deutschland
Arbeit zitieren
Silke Göder (Autor:in), 2002, Handelsware Frau - Menschenhandel in der Bundesrepublik Deutschland, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/6187

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