Erich Kästner - der Drehbuchautor: Gibt es eine Filmhandschrift Kästners?


Hausarbeit (Hauptseminar), 2005

26 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Erich Kästner – Biographische Einführung

3. Kästner und die neuen Medien
3.1 Kästner der Drehbuchautor
3.1.1 Kästners Drehbuchadaptionen
3.1.2 Die Originaldrehbücher

4. Gibt es eine Filmhandschrift Kästners?
4.1 Die verwendeten Filme
4.1.1 Emil und die Detektive (1931)
4.1.2 Münchhausen (1943)
4.1.3 Das doppelte Lottchen (1950)
4.1.4 Drei Männer im Schnee (1955)
4.2 Filmhandschrift Kästners: Zusammenfassung

5. Schluss

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Es gibt nichts Gutes/

außer: Man tut es.

Den einen Kästner kennt jeder: den Kinderbuchautor. Den lieben „Onkel“, der mit Moral und Witz Kinder unterhält und versucht, sie zu besseren Menschen zu erziehen. Die Nachdenkereien in Pünktchen und Anton zeigen dies ganz deutlich. Jedoch mag er keinem seinen Willen aufzwingen, denn es heißt im Vorwort: „Wenn ihr etwas Schräggedrucktes seht, dann könnt ihr es überschlagen, als ob es gar nicht dastünde“ (Kästner für Kinder II S. 122). Dabei reicht sein Spektrum weit darüber hinaus. Er schrieb nicht nur für Zeitungen und Buchverlage, für das Kabarett und für das Theater, sondern auch für den Hörfunk und den Film. Er nutzte schon früh professionell die Möglichkeiten, die ihm die Massenmedien des 20. Jahrhunderts boten. Seit Emil und die Detektive wurde die Mehrfachverwertung seiner Werke und der permanente Medienwechsel für Kästner schnell zur Selbstverständlichkeit. Schon der Gedichtband Herz auf Taille von 1928 war eine Auswahl dessen, was zuvor in Zeitungen erschienen war.

In dieser Arbeit soll insbesondere Erich Kästner als Drehbuchautor näher beleuchtet werden. Zu diesem Zweck wird der historische Hintergrund Kästners aufgezeigt, um seine Lebensumstände und Arbeiten darzustellen. Des Weiteren soll Kästners umfangreiches Werk in den Neuen Medien betrachtet werden, denn er hat neben den Drehbuchadaptionen seiner eigenen Werke, Originaldrehbücher ausschließlich für den Film verfasst.

In Kapitel 5 soll eine Analyse von vier Filmen klären, ob es eine typische Filmhandschrift Erich Kästners gibt. Es werden Ähnlichkeiten, jedoch auch auffällige Unterschiede aufgezeigt und bewertet. Im Anschluss wird die Zusammenfassung diese Frage beantworten.

2. Erich Kästner – Biographische Einführung

Der Vater von Erich Kästner, Emil Kästner, hatte in Döbeln eine kleine Sattlerei, die aber nicht viel Geld abwarf, da seine überwiegend militärische Kundschaft eine nachlässige Zahlungsmoral hatte (vgl. Hanuschek 2004:11). Deshalb zogen die Kästners 1885 nach Dresden, wo Erich Kästner am 23. Februar 1899 zur Welt kam. Von nun an arbeitete Emil Kästner in einer Kofferfabrik; es ging der Familie nicht wirklich schlecht, jedoch war Emil Kästner auch ein bescheidener Mann ganz im Gegensatz zu seiner Frau Ida. Sie wollte den Aufstieg in ein „sicher auch wohlhabendes, vor allem aber kulturelles dominantes Bürgertum im Stil des späten 19. Jahrhunderts“ (Hanuschek 2004:12). Ida Kästner wollte für ihren Sohn Erich nur das Beste, Sekundärtugenden wie Fleiß, Tüchtigkeit und Sauberkeit standen für sie an erster Stelle, um die Möglichkeit des Aufstiegs in das kulturelle Bürgertum zu gewährleisten. Erich Kästner schreibt später in seiner Materialsammlung Als ich ein kleiner Junge war von Strenge und Egoismus der Mutter. Ida war sich nur allzu bewusst, dass sie selbst es nicht mehr schaffen werde, aber ihr Sohn sollte alle Möglichkeiten haben. Deshalb finanzierte sie Erich unter größter Anstrengung eine gute Schulausbildung, ließ ihn Klavierunterricht nehmen und ging mit ihm so oft es ging ins Theater. Erich Kästner dankte es ihr, indem er immer ein guter Sohn und Schüler war.

1913 besuchte Erich Kästner das Freiherrlich von Fletchersche Lehrerseminar zu Dresden. Eine sehr autoritäre Institution, „in denen geprügelt wurde und der militärische Drill herrschte“ (Hanuschek 2004:20). Aus dieser Zeit stammen auch Kästners erste veröffentlichten Gedichte, die in der Schülerzeitung abgedruckt waren. Im Juni 1917 bekam Kästner ein Kriegsabgangszeugnis, so dass er als Einjährig-Freiwilliger zur Fußartillerie einrücken musste. Er wurde jedoch nicht mehr an die Front geschickt, da er unter einem Herzleiden litt. 1919 wurde er schließlich aus dem Dienst entlassen.

Das Soldatendasein hatte nicht Kästners Rückgrat gebrochen, sondern vielmehr dazu verholfen, seinen „Willen zur musterknabenhaften Anpassung, zur Erfüllung der staatlichen und elterlichen Erwartungen“ (Hanuschek 2004:25) zu brechen. Der Wunsch Lehrer zu werden war ihm nun zuwider, er wollte das Abitur machen und danach ein Studium absolvieren. Durch gute Noten und ein Stipendium gelang ihm dies noch im gleichen Jahr und er studierte in Rostock, Berlin und Leipzig Germanistik, Geschichte, Philosophie, Zeitungskunde und Theaterwissenschaft. Von Beginn des Studiums an feilte er an seiner Karriere als Autor. Seit 1923 konnte er regelmäßig Feuilletons in Zeitungen unterbringen; 1924 wurde er Redakteur der Neuen Leipziger Zeitung. 1925 beendete er sein Studium mit einem Doktortitel. Er schreibt Unmengen an Rezensionen für alle kulturellen Sparten, politische Leitartikel und Kommentare, aber kaum noch Feuilletons. Dies diente sicherlich auch der materiellen Absicherung. Auch die Lyrik vernachlässigte er nicht, immer wieder wurden einzelne Gedichte Kästners abgedruckt. 1926 wechselte er ins politische Ressort der Zeitung, wurde aber noch im selben Jahr gekündigt, unter dem Vorwand, dass er Beethoven in einem Gedicht parodiert haben soll; das Gedicht begann mit dem Vers: „Du meine neunte, letzte Sinfonie“. Kästner war kein umgänglicher Kollege, er war ehrgeizig, überaus moralisch, scharfzüngig und er kannte seinen Wert, dementsprechend hoch waren seine Honorarforderungen (vgl. Hanuschek 2004: 34f.).

1927 verließ Kästner Leipzig und zog nach Berlin, um nun Karriere zu machen. An seine Mutter schreibt er: „Wenn ich 30 bin, will ich, dass man meinen Namen kennt. Bis 35 will ich anerkannt sein. Bis 40 sogar ein bisschen berühmt“ (Hanuschek 2004:39). Er schrieb weiterhin für Zeitungen, wie z.B. für die Weltbühne, den Uhu, das Berliner Tageblatt, zudem auch Gedichte für das Wochenblatt Montag Morgen. 1928 veröffentlichte Kästner seinen ersten Gedichtband Herz auf Taille, der sich recht gut verkaufen ließ. Der Durchbruch war geschafft! Schon im darauffolgenden Jahr wurde der zweite Gedichtband Lärm im Spiegel veröffentlicht und kurz darauf sein erster Kinderroman Emil und die Detektive [1] .

Um 1930 begann Kästner sich auch auf die Neuen Medien der Zeit wie Hörfunk und Film einzulassen. Er hospitierte bei dem Schauspieler und Produzenten Reinhold Schünzel, um sich bald selbst an eigene Stoffe bzw. Eigenadaptionen zu wagen. Im gleichen Jahr gab es ein Hörspiel für das Radio sowie das erste Filmdrehbuch von Kästner und Emmerich Preßburger zu Emil und die Detektive. Zeitgleich verfasste Kästner ebenfalls mit Emmerich Preßburger das Drehbuch zu Das Ekel sowie Dann schon lieber Lebertran, die beide 1931 erschienen[2]. Zudem schrieb er währenddessen Fabian und Pünktchen und Anton. „Anders als für seine Gedichte wurde Kästner nun von allen gelobt- im linken wie im rechten Spektrum, von Kindern und von Alten, so ziemlich von allen, die des Lesens mächtig waren“ (Hanuschek 2004:51). Die frühen 30er Jahre waren demnach Kästners aktivsten und produktivsten Jahre, er war ein angesehener Autor, der mit Ehrgeiz seine Berühmtheit immer weiter ausbaute. In dieser Zeit war Kästner jedoch politisch nicht sehr engagiert, „seine zeitkritischen Kommentare blieben immer literarische, ästhetische Eingriffe ohne konkrete ideologische oder parteiliche Bindung“ (Hanuschek 2004:57).

Als 1933 Hitler als Reichskanzler eingesetzt wurde, war Kästner wohl klar, dass er nichts Gutes zu erwarten hatte. Er beschloss jedoch nicht zu emigrieren, wie z.B. Heinrich und Thomas Mann oder Emmerich Preßburger dies taten. Er blieb, obwohl ihm die meisten Exilländer durch seine im Ausland erschienenen Bücher offen gestanden hätten. Er wollte wohl zum einen besonders seine Mutter nicht zurücklassen und zum anderen als Zeitzeuge fungieren, um nach der NS-Zeit einen „großen bilanzierenden Roman des Dritten Reichs“ (Hanuschek 2004:66) vorzulegen; dies hat er jedoch nie getan.

Unter der NS-Diktatur wurde ihm ein Schreibverbot verhängt und obwohl er mehrfach versuchte wieder in die Reichsschrifttumskammer aufgenommen zu werden, blieb der Erfolg aus. Zudem erschienen alle Bücher Kästners bis auf Emil und die Detektive auf den schwarzen Listen; Fabian und seine Gedichtbände wurden sogar verbrannt. Im Dezember 1933 wurde Kästner zum ersten Mal verhaftet, er wurde zwar relativ schnell wieder entlassen, da dies nur ein Missverständnis war, es wurde ihm jedoch klar, dass gerade Berlin ein gefährlicher Ort geworden war. Von nun an konnte er nur noch im Ausland veröffentlichen, Das fliegende Klassenzimmer stellte die letzte Ausnahme dar. 1934 erschien der Unterhaltungsroman Drei Männer im Schnee [3] , in den darauffolgenden Jahren Emil und die drei Zwillinge (1935), Die verschwundene Miniatur (1936) sowie Georg und die Zwischenfälle[4] (1938), die Nacherzählung Till Eulenspiegel (1938) und eine Sammlung teils schon veröffentlichter unpolitischer Gedichte in Dr. Erich Kästners Lyrische Hausapotheke (1936). Neben seinen im Ausland erschienen Büchern wirkte Kästner an vielen Boulevardstücken mit, außer beim Lebenslänglichen Kind (1934) war es jedoch nicht sehr offensichtlich. Er erkannte schnell, dass es im Bereich Theater und Film größere Nischen für ’Innere Emigranten’ gab als in Literatur und Presse (vgl. Hanuschek 2004:76). 1937 wurde er ein zweites Mal verhaftet, aber wiederum nach einem dreistündigen Verhör entlassen. Zwei Jahre später erklärten Frankreich und Großbritannien Deutschland den Krieg. Für Kästner hatte dies zuerst finanzielle Folgen, da seine Einnahmen aus dem Ausland nach und nach wegbrachen.

Er lebte nahe der Armutsgrenze von den Einnahmen der im Ausland erschienen Bücher sowie von seinen Boulevardstücken, die noch immer aufgeführt wurden und sah seine Existenz gefährdet. 1941 jedoch bekam er unerwartet das Angebot, das Drehbuch zum Film des 25 jährigen Ufa-Jubiläums zu verfassen. Goebbels selbst hob das Schreibverbot beschränkt auf Drehbücher auf, da der Film als NS-Propagandamaschine dringend Nachschub benötigte, so dass auf in ihrem Sinne so zweifelhafte Schriftsteller wie Kästner nicht verzichtet werden konnte (vgl. Hanuschek 2004:85). Somit konnte Erich Kästner nicht nur das Drehbuch zu Münchhausen verfassen, sondern schrieb zudem 1942 das Exposé zu Das doppelte Lottchen[5], das Drehbuch zu Der kleine Grenzverkehr und überarbeite das Drehbuch zu dem Heinz Rühmann Film Ich vertraue dir meine Frau an [6] . Noch bevor Münchhausen uraufgeführt wurde, verhängte Hitler, der herausfand, wer sich hinter dem Pseudonym Berthold Bürger verbarg, ein vollständiges Schreibverbot für Kästner, welches nun auch auf das Ausland ausgedehnt wurde. Deshalb wurde nicht einmal Kästners Pseudonym im Vorspann zu Münchhausen erwähnt.

Auch wenn Erich Kästner zeitweise weniger oder ab 1943 sogar gar nicht mehr schreiben konnte, versuchte er sein Alltagsleben bzw. seine Arbeitsgewohnheiten aufrechtzuerhalten. Er ging weiterhin in Cafés, um sich Notizen zu machen, traf Freunde und ließ sich nicht auferlegen, wie er zu leben hatte (vgl. Hanuschek 2004:82).

In der Nacht vom 15. auf den 16. Februar 1944 wurde Kästners Haus zerbombt. Er zog zu seiner damaligen Freundin Luiselotte Enderle in das bayrische Viertel Berlins. Er fühlte sich dort jedoch nie sehr wohl. Möglicherweise lebensrettend waren für Kästner seine weiterhin gepflegten Kontakte zur Filmwirtschaft gegen Kriegsende. Eberhard Schmidt nahm ihn, mit falschen Papieren, in seinem Ufa-Filmteam um den Regisseur Harald Braun, nach Mayrhofen (Tirol) zu angeblichen Dreharbeiten mit. Das Projekt Das verlorene Gesicht war jedoch nur ein Vorwand und wurde tatsächlich nie realisiert. So konnte er bis Kriegsende in Tirol bleiben und unversehrt nach Deutschland zurückkehren. Es zog ihn zusammen mit Enderle nach München, wo er sich vor Angeboten kaum retten konnte. Er hätte den Hamburger Rundfunk wieder aufbauen, Intendant am Dresdner Theater werden oder aber Kabaretts leiten können (vgl. Hanuschek 2004:99). Kästner entschied sich für die Feuilletonseiten in der Neuen Zeitung, das Zentralorgan der Amerikaner in Deutschland. Der Feuilletonteil lebte von Primärliteratur, die Kästner förderte: Erzählungen, Gedichte, Romanauszüge und Dramen. Noch im gleichen Jahr wurde er zudem Herausgeber der Jugendzeitung Pinguin. Die Alltagsarbeit überließ er den Redakteuren, er schrieb aber mindestens für jede zweite Ausgabe einen Beitrag im Sinne der reeducation [7] (vgl. Hanuschek 2004:100).

[...]


[1] In dieser Arbeit werden nicht alle Veröffentlichungen Kästners genannt. Ich werde mich demnach auf die einschlägigsten beschränken.

[2] Auf die filmischen Werke bzw. seine Drehbuchadaptionen werde ich im weiteren Verlauf dieser Arbeit näher eingehen.

[3] Dem Roman ging eine sozialkritische düstere Erzählung voraus, die 1927 im Berliner Tageblatt erschienen war.

[4] Nach dem Krieg wurde es in Der kleine Grenzverkehr umbenannt.

[5] Das doppelte Lottchen erschien 1949 zuerst als Kinderbuch und 1951 als Film.

[6] All diese Drehbücher verfasste er unter dem Pseudonym Berthold Bürger.

[7] Dazu gehörten strenge journalistische Maßstäbe und eine weltoffene Berichterstattung.

Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Erich Kästner - der Drehbuchautor: Gibt es eine Filmhandschrift Kästners?
Hochschule
Bergische Universität Wuppertal
Note
2,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
26
Katalognummer
V67437
ISBN (eBook)
9783638600033
ISBN (Buch)
9783638671699
Dateigröße
536 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Erich, Kästner, Drehbuchautor, Gibt, Filmhandschrift, Kästners
Arbeit zitieren
Ellen Becker (Autor:in), 2005, Erich Kästner - der Drehbuchautor: Gibt es eine Filmhandschrift Kästners?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/67437

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